Ampel-Streit wegen China-Geschäft im Hamburger Hafen

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Trotz der Warnungen von Fachministerien will das Kanzleramt den Verkauf von Teilen des Hamburger Hafens an einen chinesischen Staatskonzern offenbar durchsetzen. Das berichten NDR und WDR. Demnach sollen alle sechs Ministerien, die an der Investitionsprüfung fachlich beteiligt sind, das Geschäft abgelehnt haben, das Kanzleramt drängt der Recherche zufolge jedoch darauf, dass der Einstieg zustande kommen soll. Die chinesische Reederei Cosco will Anteile des Hafenbetreibers HHLA übernehmen und sich mit mehr als einem Drittel am Hamburger Containerterminal Tollerort beteiligen.

Weil es sich dabei um Kritische Infrastruktur handelt, hatte das federführende Wirtschaftsministerium ein Investitionsprüfverfahren gestartet und der Recherche zufolge das Thema bereits zur endgültigen Ablehnung im Bundeskabinett angemeldet. Das Kanzleramt habe das Prüfverfahren dann allerdings nicht auf die Tagesordnung genommen, hieß es. Ein Kabinettsbeschluss, der für ein Verbot notwendig ist, konnte damit nicht gefasst werden.

Stattdessen soll das Kanzleramt nach Informationen von NDR und WDR die beteiligten Fachressorts beauftragt haben, nach einem Kompromiss zu suchen, damit das Geschäft doch noch genehmigt werden kann. Für die Ablehnung durch das Wirtschafts-, Innen-, Verteidigungs-, Verkehrs- und Finanzministerium sowie das Auswärtige Amt wurden den beiden Medien zufolge neben der veränderten geopolitischen Lage vor allem zwei Punkte angeführt: Cosco solle nicht nur eine rein finanzielle Beteiligung erhalten, sondern einen Geschäftsführer stellen und Mitspracherechte bei Entscheidungen bekommen. Da China zudem heute schon wichtigster Kunde des Hafens sei, könnte durch die geplante Beteiligung am Containerterminal ein “Erpressungspotenzial” entstehen.

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Auch die EU-Kommission hat sich dem Vernehmen nach dagegen ausgesprochen. Das Wirtschaftsministerium teilte auf Anfrage der beiden Medien mit, dass man sich während eines laufenden Verfahrens nicht äußere. Das Kanzleramt werde sich “mit Blick auf die Betroffenheit von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen der beteiligten Unternehmen” zu laufenden Investitionsprüfungsverfahren nicht äußern, antwortete ein Regierungssprecher.

Kabinettsthemen würden durch Staatssekretärssitzungen beschlossen werden. Aus diesen Arbeitssitzungen werde man nicht berichten, so das Kanzleramt. Den Informationen zufolge drängt die Zeit: Wenn das Bundeskabinett keinen Beschluss fasst und keine Fristverlängerung mehr vereinbart wird, würde das Geschäft laut Gesetz automatisch zustande kommen.

Das wäre nach aktuellem Stand Ende Oktober der Fall – kurz vor einem geplanten China-Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Mehrere Politiker von Grünen und FDP reagierten am Donnerstagmorgen mit Kritik auf den Bericht. “Wir sollten aus Fehlern gerade mit Blick auf China lernen und keine neuen Abhängigkeiten schaffen”, schrieb Grünen-Chefin Ricarda Lang auf Twitter.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) schrieb unterdessen, dass man in der Energiekrise sehe, wohin es führe, “wenn wir uns von einem Land abhängig machen”. Man dürfe denselben Fehler nicht nochmal mit China machen. Auch FDP-Vize Johannes Vogel hält einen chinesischen Einstieg beim Hamburger Hafen für einen Fehler.

Die Kommunistische Partei hätte dann Einfluss auf alle großen europäischen Häfen und könne sie gegeneinander ausspielen, schreibt er. “So dumm sollten wir nicht sein – sondern lernfähig”, so Vogel.

Warnungen vor China-Beteiligung an Hamburger Hafen werden lauter

Die Warnungen vor dem Einstieg einer chinesischen Reederei bei einem Container-Terminal in Hamburg werden lauter. “Es mag kurzfristige wirtschaftliche Argumente für einen Einstieg Chinas beim Hamburger Hafen geben, langfristige, politisch-strategische Gründe verbieten einen solchen Verkauf”, sagte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz dem “Handelsblatt” (Freitagsausgabe). “Wenn China und ihre kommunistische Führung relevante Teile der globalen und europäischer Lieferketten in der Hand halten, sind wir schlicht maximal erpressbar.”

Und das von einem Land, “das immer imperialistischer und totalitärer agiert und explizit kein Verbündeter rechtsstaatlicher und liberaler Demokratien” sei. Von Notz mahnte, mit der Volksrepublik nicht das zu wiederholen, was Berlin in Sachen Russland derzeit erlebt, nämlich, dass eine einseitige Abhängigkeit Deutschland teuer zu stehen kommen kann. “Es fällt Deutschland gerade maximal hart auf die Füße, sich in Fragen der kritischen Infrastruktur von Ländern abhängig gemacht zu haben, die die Werte unseres Rechtsstaats und Europas ausdrücklich nicht teilen”, sagte der Grünen-Politiker.

“In dieser Situation einer Diktatur wie China, die völlig offensiv erklärt, mit universellen Menschenrechten und den rechtsstaatlichen Werten Europas nichts anfangen zu können, hochsensible Teile unserer kritischen Infrastruktur zu überlassen, wäre eine Wiederholung und Vertiefung von Fehlern der Vergangenheit, aus denen wir eigentlich gelernt haben sollten.” Auch der CDU-Außenpolitiker Jürgen Hardt warnte vor einem Einstieg des chinesischen Staatskonzerns in Teile des Hamburger Hafens. “Solange China nicht zulässt, dass wir dort in logistische Infrastruktur investieren, sollten wir das auch bei uns nicht zulassen”, sagte der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion der “Welt” (Freitagsausgabe).

“Die Beteiligung eines chinesischen Staatskonzerns würde bedeuten, dass China sensible, interne Einblicke über die Strategie der Hamburger Hafen und Logistik AG erhält. Genau das sollten wir den Chinesen nicht auch noch auf dem Silbertablett servieren.” Zwischen dem Bundeskanzleramt und mehreren Ministerien gibt es nach Medieninformationen Streit über die Genehmigung eines bereits vereinbarten chinesischen Einstiegs bei einem Containerterminal im Hamburger Hafen.

red