Bauplan des SarsCov2-Virus entschlüsselt

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Die Proteine des Sars-Cov-2-Virus spielen eine Schlüsselrolle bei der Fähigkeit des Virus, die menschliche Immunabwehr auszutricksen und sich in Patientenzellen zu vermehren. Forscher sind dem Virus jetzt auf die Schliche gekommen. Ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Technischen Universität München (TUM) hat nun den bislang umfassendsten Überblick aller weltweit verfügbaren 3D-Strukturen der Virusproteine zusammengetragen.

“Bei der Auswertung mit Methoden der künstlichen Intelligenz kamen überraschende Erkenntnisse zutage”, teilt das Forscherteam mit. Wie gelingt es dem Virus, sich der Immunabwehr zu entziehen und sich in den Zellen von Patienten zu replizieren? Um diese Frage zu klären, hat das Team Details der exakten dreidimensionalen Form der Sars-Cov-2-Proteine – darunter auch das bekannte Spike-Protein – gesammelt.

Dafür verwendete das Team das sogenannte “Hochdurchsatz-Maschinenlernen”. Dieser Ansatz ermöglicht es, basierend auf Analysen verwandter Proteine, strukturelle Zustände von Coronavirus-Proteinen vorherzusagen. Inzwischen besteht die Datenbank aus 2.060 3D-Modellen mit atomarer Auflösung.

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“Dies bietet einen beispiellosen Detailreichtum, der Forschenden helfen wird, die molekularen Mechanismen der COVID-19-Infektion besser zu verstehen und Therapien zur Bekämpfung der Pandemie zu entwickeln, beispielsweise indem sie potenzielle neue Angriffspunkte für zukünftige Behandlungen oder Impfstoffe identifizieren”, sagt Burkhard Rost, Inhaber des Lehrstuhls für Bioinformatik an der TU München.

In einem zweiten Teil der Studie wurde ein komplementärer Ansatz verwendet, der als Human-in-the-Loop Machine Learning bekannt ist. Hier wurde eine neuartige, visuelle Schnittstelle erzeugt, die alles zusammenfasst, was derzeit über die dreidimensionale Form von Sars-Cov-2-Proteinen bekannt ist – und was nicht.

Mithilfe der Machine-Learning-Algorithmen identifizierte das Team drei Coronavirus-Proteine (NSP3, NSP13 und NSP16), die menschliche Proteine “nachahmen” und den Wirtszellen erfolgreich vorgaukeln, sie seien körpereigene Proteine, die im besten Interesse der Zelle arbeiten.

Die Modellierung ergab auch fünf Coronavirus-Proteine (NSP1, NSP3, Spike-Glykoprotein, Hüllprotein und ORF9b-Protein), die Prozesse in menschlichen Zellen “zweckentfremden” oder stören. Auf diese Weise gelingt es dem Virus, die Kontrolle zu übernehmen, seinen Lebenszyklus zu vervollständigen und sich auszubreiten.

“Je länger das Virus zirkuliert, desto größer ist die Gefahr, dass es mutiert und neue Varianten wie den Delta-Stamm bildet”, sagt Sean O’Donoghue, Erstautor der Studie und Professor am Garvan Institute in Sydney. “Unsere Ressource wird Forschern helfen zu verstehen, wie sich neue Virusstämme voneinander unterscheiden – ein Puzzleteil, von dem wir hoffen, dass es beim Bekämpfen neu auftauchender Varianten hilft.”

Lars Wallerang / glp