Pufferküsser, 12 Quadratmeter Kultur, Open Data – um was geht’s denn da? Gastbeitrag von Armin Haller

Pufferküsser, 12 Quadratmeter Kultur, Open Data – um was geht’s denn da? Ein Gastbeitrag von Armin Haller

Stell Dir vor, Du steigst morgens auf dem Weg zur Arbeit in einen elektrischen Zug ein, wohl temperiert, mit gemütlichen Sitzen, der pünktlich abfährt. Während der Fahrt liest Du ein Buch oder die Zeitung oder schaust verträumt auf die vorbeiziehende Landschaft. Kurz vor dem Zielbahnhof leihst Du Dir mit einer All-in-One Mobility-App schon im Voraus ein E-Fahrrad, mit dem Du dann ohne Stau und Abgase an den Arbeitsplatz fährst. 
Nach Feierabend gehst du dann noch in die autofreie Innenstadt, erlebst eine lebenswerte Umgebung und genießt ein Eis in einem 12qm großen Pop-Up Eiscafé, dessen Bereich früher als Autoparkplatz diente. 

So weit sind wir leider noch nicht, aber: Mit Engagement kannst Du, können wir, in der Mobilitätswende viel erreichen! Zukunft gestalten, nicht bruddeln! Der Verkehrssektor verursacht in Baden-Württemberg  31% alle Treibhausgas-Emissionen. Es wird Zeit, das zu ändern! 

Wir müssen darüber reden, wie Mobilität attraktiv, gerecht, inklusiv, bezahlbar und nicht zuletzt nachhaltig organisiert werden kann. 

Was kannst du beitragen? Hier sind einige Themen, welches davon ist dein Favorit? 

Elektromobilität reduziert Emissionen im Ballungsraum und löst daher einige Probleme. Zudem bringt sie unserer Automobilindustrie den benötigten Innovationsschub, damit wir in der Region Stuttgart auch in 15 Jahren noch viele gute Arbeitsplätze haben. Aber hoppla, Elektromobilität reduziert nicht den Verkehr, sondern nur die Emissionen! Ein neuzugelassenes Auto hat im Schnitt rund 160 PS und befördert nur 1,4 Personen, belegt zudem meist 23 Stunden pro Tag auf einem 12qm großen Parkplatz. Geht das nicht auch anders? Carsharing ist die Antwort. 

Bei Bedarf buchst Du Dir ein Fahrzeug bei Stadtmobil und nachdem Du das Auto verwendet hast, kann jemand anderes damit fahren. Vor allem die junge Generation möchte ein Auto nicht mehr als Statussymbol besitzen, sondern nur das zum Anlass passende Fahrzeug dann nutzen, wenn es nötig ist. 

Die Digitalisierung vernetzt Angebote besser. Wichtig ist, eine einzige App zu haben, in der alle Mobilitätsformen zusammengefasst sind, in der Du nicht nur die Abfahrtszeiten der S-Bahnen siehst, sondern auch Leihfahrräder freischalten oder den On-Demand-Bus bestellen kannst. Immer mehr Menschen wollen bedarfsgerechte Verkehrsmittel nutzen und diese auch miteinander kombinieren. Leihrad, Auto, E-Roller, Fußweg, Bus und Bahn, kombinieren wie es am besten passt. Die Kombination von Verkehrsmitteln bedarf natürlich der Infrastruktur. Komfortabel wird sie aber erst durch digitale Dienste. Apps die mir, individuell auf mich zugeschnitten, alle sinnvollen Kombinationsmöglichkeiten anzeigen. Zum Beispiel wird berücksichtig, dass ich nur bei schönem Wetter mit dem Fahrrad fahren möchte. Wenn Google-Werbung personalisiert werden kann, dann lieber dort wo es Sinn macht und mit geschützten Daten. Open Data ist hier ein Stichwort, Verkehrsdaten offen zugänglich machen.  

Noch nie war Radfahren so modern wie heute. Nicht erst durch Corona haben viele Menschen das Fahrrad für sich (wieder-)entdeckt.  Sicherheit der Radwege wird immer wichtiger. Was kannst Du dafür tun? Miss die schmalsten Radwege und melde diese, damit sich etwas verbessert. Der ökologische Verkehrsclub VCD führt, zusammen mit dem SWR, eine Aktion durch, bei der Du die Breite von Radwegen misst und diese unter bw.vcd.org/besserradfahren einträgst. Das ist Dein Beitrag für mehr Verkehrssicherheit. Also einfach mal, wenn die Sonne scheint, eine Runde mit dem Fahrrad drehen – und ein Maßband mitnehmen. Gestalten wir gemeinsam den Südwesten fahrradfreundlich! 

Viele Eltern sind – zurecht – beunruhigt, wenn sie ihre Kinder unbeaufsichtigt auf den Schulweg schicken. Oftmals fahren sie ihre Kinder dann mit dem Auto zur Schule und sorgen für mehr, eigentlich vermeidbaren Verkehr auf den Straßen. Um dem eine Alternative zu geben, hat der VCD die Aktion “Laufbus” ins Leben gerufen, in der er Eltern unterstützt, damit diese sich gemeinsam organisieren können. Die Kinder sowie Eltern, die sich in der Aufsicht flexibel abwechseln, treffen sich an den “Laufbus-Haltestellen”. Von dort aus gehen die Kinder gemeinsam, beaufsichtigt und sicher zur Schule.  

Den Lebensraum in der Stadt neu verteilen, die Straße zurückerobern, lebenswerte Innenstädte gestalten. In der Aktion “12qm Kultur” werden symbolhaft Parkplätze (12qm) in eine Fläche für Kultur umgewandelt. Eine lebenswerte Innenstadt mit Aufenthaltsqualität fördert zudem unseren Einzelhandel sowie die Gastronomie und das brauchen die nach Corona mehr denn je! 

Wie Du siehst, gibt es viele Bereiche, in denen Du Dich für die Mobilitätswende engagieren kannst. Es ist für alle etwas dabei: Eltern, Verkehrsaktivisten, Critical Mass Radelnde, Computer-Nerds, Influencer, Infrastrukturexperten, Pufferküsser. Pufferküsser? So nennen wir die Bahnliebhaber und Experten, die jede Weiche im Ländle persönlich kennen. Auch sie sind Teil der Mobilitätswende. Also: Einfach mitmachen!

Der Sport braucht eine Öffnungsperspektive – Ein Gastbeitrag von Jochen Eisele

Von Gastautor Jochen Eisele – Erster Vorsitzender des MTV Ludwigsburg

Seit über einem Jahr kann der MTV Ludwigsburg nicht mehr sein reguläres Sportangebot mit wöchentlich rund 10.000 Teilnehmern anbieten. Nicht einfacher macht es dabei der ständige Wechsel zwischen komplettem Lockdown, teilweisem Lockdown und die Auslegung der unterschiedlichen Verordnungen.

Positiv ist, dass sich durch die staatlichen Hilfen der finanzielle Schaden bis jetzt in Grenzen hält und dies, obwohl die Stadt Ludwigsburg bei den Vereinen die Zuschüsse gekürzt hat. Negativ ist jedoch der große strukturelle Schaden, den die Sportvereine erleiden. Bis Januar 2022 wird der MTV Ludwigsburg als Großverein ca. 1.500 Mitglieder verlieren. Dazu beenden momentan viele Trainer/innen und Helfer/innen, die den Verein seit vielen Jahren unterstützten,  ihre ehrenamtliche Tätigkeit. Es bleibt abzuwarten, ob wir diese Menschen nach Beendigung der Pandemie wieder für unseren Sportverein zurückgewinnen können.

Seit November 2020 sind die Sportstätten nun wieder, mit einer dreiwöchigen Unterbrechung im März 2021, geschlossen. Um seine 6.500 Mitglieder trotzdem zu bewegen, bietet der MTV Ludwigsburg momentan über 80 Online-Videos aus den Bereichen Fitness und Gesundheit sowie wöchentlich rund 25 Stunden Online-Livetraining für Jung und Alt sowie verschiedene Fitnesslevel an. Bewusst haben wir uns dazu entschieden, dieses Angebot nicht nur für die Mitglieder, sondern für alle sportbegeisterten Ludwigsburger kostenfrei anzubieten. Denn Sport ist für alle Menschen extrem wichtig!

Trotzdem erreichen wir nicht alle Mitglieder und Bürger, vor allem Kinder und Senioren sind bei solchen Angeboten teilweise ausgeschlossen.

Die Schließung des Sports hat sich jetzt schon zu einem gesundheitlichen Risiko entwickelt. Kinderärzte klagen über einen starken Anstieg von psychischen Erkrankungen und zunehmend adipösen Kindern. Seniorenverbände berichten zudem über eine Vereinsamung der Menschen. Die Physiopraxen stellen einen starken Anstieg von Wirbelsäulenprobleme von Erwachsenen fest, die zwischen Homeoffice-Arbeitsplatz und Wohnzimmer-Couch pendeln.

Ein wichtiger Aspekt, der zur Zeit von der Politik nicht beachtet wird, ist, dass der organisierte Sport die Gesundheit der Menschen aufbaut, erhält und stärkt. Eine Stärke, die jeder Bürger bei einem Infekt dringend benötigt.

Damit der MTV Ludwigsburg schnellstmöglich diese wichtige Aufgabe weiter ausüben darf, haben und werden wir alles Erdenkliche unternehmen.

Schon in der ersten Phase im März 2020 erstellte der MTV für alle Bereiche Hygienekonzepte: die Teilnehmeranzahl wurde reduziert, alle Hallen mit Hygieneartikel und Lüftungsanlagen ausgestattet und für jedes Training gab es Teilnehmerlisten für eine eventuelle Nachverfolgung. Trotz über 1000 Teilnehmern täglich hatte der MTV von Juni bis Oktober keinen einzigen positiven Fall, der auf den Sport zurückzuführen war.

Aktuell planen wir mit der Luca-App die Nachverfolgung weiter zu vereinfachen, um die Gesundheitsämter zu entlasten. Zudem sind wir mit der Stadt und dem Landratsamt in Gesprächen, ob ein Testzentrum beim MTV eingerichtet werden kann.

Es ist nun an der Zeit, die reflexhafte Schließung kompletter Bereiche wie dem Sport zu überdenken. Mit unserem erweiterten Öffnungskonzept für den Sport wollen wir dazu beitragen, dass die Menschen möglichst bald wieder in einem kontrollierten Umfeld sicheren Sport ausüben können.

“Die Corona-Pandemie hat der Welt ihren Stempel aufgedrückt” – Gastbeitrag von Burkhard Metzger

Corona-Verordnung, Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und die schwindende Akzeptanz von Kontrollmaßnahmen in der Bevölkerung – Ein Gastbeitrag von Polizeipräsident Burkhard Metzger

Die Corona-Pandemie hat der Welt ihren Stempel aufgedrückt. Mit einer kaum für möglich gehaltenen Wucht erfasste das Corona-Virus unsere Gesellschaft und stellte nahezu alles, was wir bislang mit dem „normalen Leben“ verbanden, auf den Kopf.  Das Virus forderte viele Opfer und nötigt uns Einschränkungen ab, die wir so noch nicht kannten.

Die Pandemie und die Maßnahmen zum Infektionsschutz wirken sich natürlich auch auf die polizeiliche Aufgabenwahrnehmung aus. Neben der konsequenten Umsetzung von Verhaltens- und Hygieneempfehlungen im täglichen Dienst, erfordert die dynamische Situation eine fortlaufende Lagebewertung. Wir müssen unsere polizeilichen Maßnahmen dauernd überprüfen und ständig den jeweils aktuellen Regelungen der Corona-Verordnung anpassen, um damit zum Gesundheitsschutz der Bevölkerung beizutragen und letztlich die öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten. Dazu haben wir uns organisatorisch gut aufgestellt. So können wir auf Veränderungen schnell reagieren und unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort bei ihrer Aufgabenwahrnehmung bestmöglich unterstützen.

Für viele Bürgerinnen und Bürger ist es nicht einfach, sich in der Corona-Verordnung oder den dazu erlassenen Einzelverordnungen zurecht zu finden. Das führt bei manchen zu einer Verunsicherung, die wir bei den Anrufen, die uns täglich erreichen, regelmäßig feststellen können.

Daneben nimmt die Zahl derjenigen Menschen zu, die sich kritisch mit den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auseinandersetzen. Die Ursachen dafür sind vielschichtig:

Es gibt diejenigen, die die Existenz des Virus leugnen und Corona-Schutzmaßnahmen des Staates grundsätzlich ablehnen. Die Überwachung der staatlichen Beschränkungen durch die Polizei, bewerten sie als einen rechtswidrigen Eingriff in ihre Freiheitsrechte.

Demonstrationen oder Autokorsos dieses Personenkreises begleiten uns nahezu täglich. Grundsätzlich ist es in unserem freiheitlich demokratischen Rechtsstaat legitim, dass die Corona bedingten Einschränkungen hinterfragt werden. Diese Legitimation findet aber dann ihre Grenzen, wenn unseren Einsatzkräften, die entsprechende Versammlungen oder Aufzüge schützen und für deren störungsfreien Verlauf sorgen müssen, mit Respektlosigkeit und Aggression begegnet wird.

Meine Kolleginnen und Kollegen müssen da viel aushalten und ich bin dankbar dafür, dass sie sich nicht provozieren lassen und sachlich mit entsprechenden Situationen umgehen.

Persönlich beunruhigt mich mehr, dass auch Menschen, die grundsätzliches Verständnis für die staatlichen Maßnahmen zur Pandemiebewältigung haben, sich mit zunehmender Dauer der Einschränkungen immer stärkeren Belastungen ausgesetzt sehen. Mangelnde Einkaufs- und Freizeitgestaltungsmöglichkeiten, die Belastungen von Homeschooling und Homeoffice auf engem Raum, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen und vor allem die Sorge um den Arbeitsplatz oder existenzielle Nöte, können Spannungen hervorrufen, die nur schwer zu kompensieren sind.

Besorgt machen auch die momentan wieder stark ansteigenden Infektionszahlen.  Die Hoffnung auf Lockerung der Coronamaßnahmen und eine Rückkehr zum von allen ersehnten halbwegs normalen Leben, wird dadurch zunichtegemacht. Besonders schwer wiegt das natürlich angesichts der auf uns zukommenden Osterfeiertage, für die wir uns alle eine andere Entwicklung gewünscht hätten.

Man braucht kein Prophet sein, um zu prognostizieren, dass die Zahl der Stimmen, die die Sinnhaftigkeit politischer Entscheidungen hinterfragt, weiter zunehmen wird. Und meine Kolleginnen und Kollegen werden im täglichen Dienst hautnah mit dem aufkommenden Unmut und teilweise auch der Verzweiflung der Menschen konfrontiert werden.

Für derartige Situationen wünsche ich mir, dass nicht vergessen wird, dass in den Uniformen Männer und Frauen stecken, die als Mensch genauso von den Coronamaßnahmen betroffen sind, wie alle anderen auch.

Beleidigungen oder körperliche Angriffe bei Kontrollen und Demonstrationen hat die Polizei nicht verdient. Denn die Polizistinnen und Polizisten im Land waren von Beginn der Pandemie an trotz eigenem Ansteckungsrisiko immer da, wenn sie gebraucht wurden.

Eine Rückkehr in Richtung Normalität sehe ich erst, wenn unsere Gesellschaft weitgehend geimpft ist. Es wäre schön, wenn es uns gelänge, die Zeit bis dahin mit Respekt, Solidarität und Verständnis zu bewältigen.

“Das Eis wird immer dünner für die Clubs und den Sport insgesamt” – Ein Gastbeitrag von René Rudorisch

Gastbeitrag von René Rudorisch: 

Der Profisport erlebt, genau wie viele anderen Branchen auch, eine schwierige und existenzbedrohende Zeit. Hier schlägt die Corona Pandemie zu und tatsächliche Schäden und Folgen sind Stand heute noch nicht abzusehen. Weder im Bereich des Nachwuchssportes, der seit Oktober komplett still steht, noch im Bereich des Profisports, der unter eingeschränkten Bedingungen um das wirtschaftliche Überleben kämpft.

Noch lebt der Sport, wenn auch vollkommen anders als gewohnt. Die reine Tätigkeit und die Erbringung der sportlichen Höchstleistungen dürfen, wie in anderen Unternehmen unseres Landes die Produktion und Geschäftstätigkeit von Firmen, unter der Berücksichtigung der allgemein notwendigen Hygienebestimmungen, erbracht werden. Der Sport wurde durch die Vorgaben der Behörden, angepasst dem aktuellen Pandemiegeschehen,um den wichtigen Teil des Events rund um die Sportwettkämpfe reduziert. Eine Sonderstellung, wie oftmals falsch in den Medien proklamiert, hat er nicht. Der Sport wurde um seinen erlösträchtigen Eventbereich reduziert und stelltausschließlich die unternehmerische Tätigkeit zum Erhalt der Arbeitsplätze und der Leistungsfähigkeit seiner Athleten dar.

Dass damit wesentliche benötigte Einnahmen wegfallen, liegt auf der Hand. Der aktuelle Zustand hat fehlende Ticketing- und Cateringerlöse zur Folge, aber auch Auswirkungen auf die Zuwendungen im Sponsoringbereich. Insgesamt machen bei einem DEL2-Clubs diese Erlöspositionen zirka 85 Prozent des Umsatzes aus. In vielen anderen Sportarten und Ligen ist es ähnlich.

Umso dankbarer ist dieser Sport über die erst letzte Woche nochmal konkretisierten Unterstützungsleistungen des Bundes in Form der Corona-Beihilfe für den professionellen Mannschaftssport. Dank dieser Hilfen wurden bereits 2020 die verloren gegangenen Ticketeinahmen, immerhin zirka 35 Prozent des Umsatzes eines DEL2-Clubs, zu großen Teilen ausgeglichen. Diese Leistungen wurden für das Jahr 2021 verlängert, teilweise erweitert und zudem um eine Fixkostenhilfe, gemäß den von Seiten der EU vorgegebenen Grenzen für die Kleinbeihilfe, ergänzt. Die Hilfe wirkt, wenn auch einschränkend, da es im Vergleich mit den Hilfspaketen der freien Wirtschaft Abweichungen bezüglich der Höhe der Unterstützungsleistung und der Antragsvoraussetzungen gibt. Umso wichtiger ist eine schnelle Umsetzung der zuletzt getroffenen Beschlüsse, sowie eine Anpassung der bestehenden Richtlinien und eine beschleunigte Durchführung der Antragsstellung mit einer vorangehenden  Antragsprüfung und Auszahlung der notwendigen Leistungen. Die finanzielle Unterstützung wird jetzt im aktuell laufenden Wettkampfbetrieb gebraucht.  Nur so kann die Liquidität der Clubs aufrecht erhalten werden.

Gleichzeitig muss, wie auch für Kultur, Events und Gastronomie, der Blick nach vorn gerichtet werden. Mit Hilfe der aktuellen Unterstützungsleistungen des Staates, leidenschaftlichen Sponsoren und deutlichen Kosteneinsparungen auf Seiten der Clubs wird eine solche Saison überwindbar, aber nicht wiederholbar sein. Der Sport wird die tatsächlichen Folgen und Schäden, die die Pandemie und die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung dieser, erst zeitversetzt in der kommenden Saison wahrnehmen. Während in der laufenden Spielzeit unter den für alle neuen Bedingungen die Sponsoren weitestgehend die Notwendigkeit der Unterstützung des Sports auch ohne Zuschauer in den Arenen als wichtig angesehen haben, werden sie eine weitere Saison ohne Zuschauer oder mit deutlichenZuschauereinschränkung nicht mehr mitgehen können. Allein deswegen bedarf es neben den Hilfen jetzt gemeinsamer positiver Strategien und umsetzbarer Konzepte, die Arenen ab dem Spätsommer wieder mit Zuschauern zu füllen. Es braucht wieder deutlich mehr Normalität für den Sport, genau wie für alle anderen Branchen im Event und Erlebnisbereich, da ansonsten die langfristigen Schäden und Folgen nicht mehr aufzuhalten sind.

Gleiches gilt für den gesamten Freizeit-, Breiten- und Nachwuchsleistungssport als Motor der sportlichen Entwicklung im Hochleistungssport. Schließlich steht das Geschehen im organisierten Sport seit Oktober still. Zahlreiche Kinder und Jugendliche können seit über einem halben Jahr keinem geordneten Sportbetrieb mehr nachgehen. Gerade in einem Alter, wo Koordination und sportliche Fähigkeiten wesentlich erlernt werden, fehlt derzeit jegliche Entwicklung. Dieser Zustand kann verheerende sportliche Auswirkungen haben, vor allem wenn nicht zeitnah Möglichkeiten zur Rückkehr erarbeitet werden.

Gastbeitrag von Konrad Epple: “Ehrenamtliches Engagement ist der Kit unserer Gesellschaft”

Gastbeitrag von Konrad Epple:

Das ehrenamtliche Engagement in Vereinen und Verbänden, bei sozialen Einrichtungen oder in den „Blaulicht-Organisationen“ wie der Freiwilligen Feuerwehr, den Rettungsdiensten oder dem Katastrophenschutz ist der Kit unserer Gesellschaft. Dem ehrenamtlichen Engagement kommt in Baden-Württemberg und in unserer Region hohe Bedeutung zu. Das ist für mich nicht nur eine leere Worthülse, sondern ich selbst fülle diese intensiv mit Leben. Für mich selbst gehören ehrenamtliche Aufgaben seit jeher zu meinem Leben. Seit nunmehr fast vier Jahrzehnten bin ich bei der Freiwilligen Feuerwehr meines Heimatorts Ditzingen aktiv, unter anderem auch mehrere Jahre Abteilungskommandant. Darüber hinaus bin ich Mitglied in zahlreichen Verein und besuche regelmäßig deren Veranstaltungen und helfe auch, wenn es die Zeit zulässt.

Generell bin ich vor Ort präsent und möchte den ehrenamtlich Engagierten durch meinen Besuch von Festen, Konzerten oder Sportveranstaltungen größtmögliche Wertschätzung entgegenbringen. Nur wenn ich mich direkt mit den Menschen unterhalte, merke ich auch wo der Schuh drückt und welche Herausforderungen zu meistern sind. Der Beitrag, den die verschiedenen Vereine und Organisationen beispielsweise aus den Bereichen Sport, Musik und Kultur, Jugend und Soziales, Kirchen, Natur und Umwelt sowie Rettungsdienst und Feuerwehr und vielem mehr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Unterstützung lokaler Strukturen leisten ist von unschätzbarem Wert.

Deshalb war es mir auch wichtig, dass wir in der Corona-Krise schnellstmöglich finanzielle Soforthilfen von 50 Mio. Euro für Vereine auf den Weg gebracht haben. Die Unterstützung des Ehrenamts im Land müssen wir nun zielgerichtet weiterentwickeln. Mit der „Soforthilfe Sport“ haben wir knapp zwölf Millionen Euro für die Vereine und die Sportverbände in Württemberg sowie im Gebiet des Badischen Sportbunds Nord und des Badischen Sportbunds in Südbaden zur Verfügung gestellt.“

Doch neben der finanziellen Unterstützung muss es aus meiner Sicht gerade nach der Pandemie darum gehen, die Menschen weiterhin für das Ehrenamt zu begeistern. Um die breite ehrenamtliche Beteiligung zu sichern, setze ich mich im Verbund mit der CDU Baden-Württemberg dafür ein, dass die Stelle eines Landesbeauftragten für das Ehrenamt geschaffen wird. Baden-Württemberg ist Ehrenamtsland Nummer 1, da ist ein direkter Ansprechpartner wichtig und richtig. Die im Ländlichen Raum ausgeprägte Ehrenamtsstruktur soll durch ein spezielles Förderprogramm für ehrenamtliche Strukturen gestützt werden. Dazu gehören die Einführung einer Ehrenamtskarte und die Errichtung eines Netzes von Ehrenamtsansprechpartnern auf Landkreisebene.

Mit der Einführung einer Ehrenamtskarte möchte die CDU den Ehrenamtlichen im Land Anerkennung für das Geleistete – etwa durch vergünstigte Eintrittspreise zu Veranstaltungen und Sehenswürdigkeiten – zuteilwerden lassen. Weitere Entlastungen sind Teil des Regierungsprogramms: Um das Ehrenamt in seiner Arbeit zu unterstützen, wollen wir die Beratungs- und Serviceleistungen bei den Registergerichten weiter ausbauen. Eine kostenlose Beglaubigung von Vereinsangelegenheiten soll bei den Kommunen zukünftig wieder flächendeckend möglich sein. Wir werden zudem die Vorschläge des Normenkontrollrates zur Entlastung der Vereine und des Ehrenamtes zeitnah angehen.

Auf jeden Fall freue ich mich vor allem darauf, dass nach dem Ende der Pandemie wieder Normalität einkehrt. Ein Besuch eines Vereinsfestes und der persönliche Austausch dort und das gemeinsame Feiern ist oftmals mehr Wert als alles andere, gerade für mich. Und für die Vereine sind die Feste und Feiern gerade im Hinblick auf die Förderung der Jugendarbeit auch finanziell sehr wichtig.

“Warum wir keinen Männerbeauftragten brauchen!” – Ein Gastbeitrag von Nadja Schmidt

Ein Beitrag von Nadja Schmidt – Kandidatin bei der Landtagswahl am 14. März 2021 für die Partei DIE LINKE in Ludwigsburg

Vor einigen Tagen habe ich mit einem guten Freund über das Thema Frauenpolitik gesprochen und über die Notwendigkeit einer Gleichstellungsbeauftragten im betrieblichen und politischen Kontext. Mein Freund, den ich für einen aufgeklärten und fortschrittlichen Menschen halte, hielt entgegen: Manchmal denke ich, wir bräuchten eher mehr Männerbeauftragte bei der Dominanz des Themas Frauenpolitik. Ich war baff erstaunt. Warum? Nicht, weil mir nicht klar wäre, dass es auch Männer gibt, die häusliche Gewalt erfahren oder Ungerechtigkeiten beim Thema Sorgerecht. Sondern weil mein Freund mit diesem Argument negiert, dass die Ungleichbehandlung von Frauen ein strukturelles Problem ist!

Sicher, das Thema Gleichberechtigung wirkt manchmal etwas verstaubt. Ich gebe zu, dass auch mir die Aktualität der Problematik erst richtig bewusst wurde als ich Mutter wurde. Ich bin Krankenschwester, der Vater meines Kindes arbeitet in der Autoindustrie. Ich verrate ihnen kein allzu privates Geheimnis wenn ich ihnen sage, dass er deutlich mehr verdient als ich. Entsprechend kurz viel die Diskussion aus, als es nach der Geburt unseres Kindes darum ging, wer ein Jahr lang Zuhause bleibt. Dreimal dürfen Sie raten … Verstehen sie mich nicht falsch, ich bin gerne bei meinem Kind geblieben, aber ich bin nicht der häusliche Typ und ich hätte gerne die Option gehabt, nach einigen Monaten zu wechseln. Aber wirtschaftlich wäre es einfach unvernünftig gewesen. Was auch der Grund ist warum ich diejenige war, die nach diesem Jahr Elternzeit in Teilzeit ging, damit unser Kind nicht mit einem Jahr in Vollzeitbetreuung musste. Vor meiner Abwesenheit war ich stellvertretende Vorsitzende in unserem  Betriebsrat. Danach nicht mehr. Und jetzt stellen Sie sich vor, was es mit ihren beruflichen Chancen macht, wenn sie das zwei oder dreimal machen.

Jetzt können Sie natürlich sagen, dass meine Geschichte ein Einzelfall, ein individuelles Problem ist. Aber so ist es nicht. Über 85% der Pflegekräfte in der Altenpflege sind laut dem Bundesministerium für Gesundheit weiblich. Ähnlich groß und noch höher ist der Frauenanteil der  Pflegekräfte in den Kliniken, der  Erzieherinnen und der Heilerziehungspflegerinnen. Womit wir einige der am schlechtesten bezahlten Ausbildungsberufe in unserer Gesellschaft genannt hätten. Verdient die Frau in einer Beziehung aber weniger, wird sie viel eher in die klassische Rollenverteilung gedrängt. Durch Teilzeit und fehlendem Aufstieg verschärft sich dieses Bild noch. Diese Umstände führen zu einem Gender-Pay-Gap in Deutschland von rund 19% im Jahr 2020. Das heißt, dass Frauen fast 20 % weniger verdienen als Männer! Stellen Sie sich vor, was es für eine Frau mit geringem Einkommen bedeutet, sich von ihrem Mann zu trennen und in einer Stadt wie Ludwigsburg eine Wohnung zu finden. Manche Frau wird sich angesichts ihrer finanziellen Situation dagegen entscheiden. Vielleicht sogar, obwohl sie von ihm Gewalt erfahren muss. (Übrigens denke ich nicht, dass die Männer an der Benachteiligung der Frauen schuld sind. Wir haben hier ein gesellschaftliches Thema, das gemeinsam von uns allen, unabhängig unserer Geschlechtes angegangen werden muss)

Die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Frau ist der wichtigste Schlüssel zur Emanzipation. Und hier liegt noch sehr viel im Argen. Viele klassische „Frauenberufe“ sind unterbezahlt und Sorgearbeit wird nicht honoriert. Mädchen und junge Frauen müssen noch mehr motiviert und gefördert werden, in berufliche Männerdomänen vorzudringen und wir müssen Frauen gezielt in Führungspositionen bringen. Aus meiner Sicht auch gerne mit einer Quote. Darüber hinaus gilt es, Geschlechterstereotypen zu hinterfragen und warum die katholische Kirche ihr vorsinnflutartiges Frauenbild leben und gleichzeitig unsere Kinder erziehen darf.

Und falls das noch nicht reicht um Sie davon zu überzeugen, dass wir noch nicht fertig sind mit dem Thema Emanzipation: Vier von fünf Gewaltopfern in Beziehungen sind weiblich. Jeden dritten Tag wird eine Frau in Deutschland von Ihrem Partner oder Expartner getötet. Täglich werden Frauen und Mädchen Opfer schwerster sexualisierter Gewalt. Nur 36,5 % der Aufsichtsräte deutscher DAX-Unternehmen sind weiblich. 14 von 40 Stadträten in Ludwigsburg sind Frauen. Im Baden-Württembergischen Landtag liegt ihr Anteil bei 26,6%. Bäm!

Ich möchte bitte nie wieder den Ruf nach einem Männerbeauftragten hören!

Fast am Ende meines Textes möchte ich über Eines noch aufklären: Wir sprechen heute von einer Gleichstellungsbeauftragten und nicht einer Frauenbeauftragten, weil diese Person Geschlechterdiskrimminerung aller Art angehen soll. Und ganz zum Ende noch eine Zahl, die Hoffnung macht: Vier von fünf der Ludwigsburger Kandidat*innen für die Landtagswahl sind Frauen. Junge Frauen brauchen weibliche Vorbilder. Liefern wir sie ihnen in Kolleginnen!

Klimaschonend und fit unterwegs in die Zukunft – Ein Gastbeitrag von Silke Gericke

Mobilität ist für jeden Menschen ein Begriff von Selbstbestimmung und Freiheit. Wir Menschen können ohne Mobilität nicht leben. Sobald wir einen Schritt vor die Haustür treten, um zur Arbeit, in die Schule oder zum Ausbildungsort zu kommen, sind wir Teil der öffentlichen Mobilität. Gerade hier im Ballungsraum sind wir Scharen von Menschen, die mit ihren Anliegen individuell unterwegs sind – und viele mit dem PKW. Das stellt eine große Herausforderung für jeden Verkehrsplaner dar, diese Verkehrsströme im öffentlichen Raum unter einen Hut zu bringen. Doch die Kehrseite dieser Mobilität sind Lärm, Stress, Flächenverbrauch und Luftverschmutzung. Der Klimawandel macht nicht vor unseren Breiten halt. Baden-Württemberg ist von den Veränderungen durch den Klimawandel betroffen: Vermehrte Starkregenereignisse und Überschwemmungen im Sommer gerne im Wechsel mit Hitzeextremen und Dürren sind die Konsequenzen. Klimaschutz ist daher ein erklärtes Ziel der grün-geführten Landesregierung von Baden-Württemberg.

Für den Landkreis Ludwigsburg bedeutet dieses Ziel des Landes im Bereich der Verkehrsplanung: Der Ausbau der Regionalbahnen und S-Bahnen sowie die Umsetzung des Straßenbahnprojekts mit Hilfe von Bundes- und Landesförderungen müssen vorangetrieben werden. Da geht es um eine Verlängerung der S5 über Bietigheim-Bissingen hinaus nach Sachsenheim, Sersheim, Vaihingen/Enz bis nach Mühlacker. Die Pläne zur Stadtbahn Ludwigsburg müssen in die Tat umgesetzt, die Reaktivierung der Strecke nach Markgröningen und der Anschluss nach Schwieberdingen schnell vorangetrieben werden. Die Bottwartalbahn muss durch die Bahn wieder in Betrieb genommen, die Trasse reaktiviert werden. Wir brauchen die Durchbindung der Strohgäubahn in Richtung Stuttgart. Busse müssen in stärkerer Taktung die alten und neuen Mobilitätsknoten des Landkreises bedienen. Zusätzlich zu den bestehenden Busverbindungen müssen Direktverbindungen in den Schülerverkehren geschaffen werden: zum Beispiel ein Verbindung von Ditzingen über Korntal-Münchingen, Möglingen über Markgröningen und Asperg nach Tamm.

Die Vertreter*innen der kommunalen Verwaltungen vor Ort befürworten dieses verkehrspolitische Ziel, den Ausbau des ÖPNV so voranzutreiben, dass die Verdopplung der Nachfrage im ÖPNV (gemessen an den Personenkilometer) bis 2030 im Vergleich zu 2010 erreicht wird. Durch die Einführung eines Mobilitätspass in Kommunen und die Aufstockung der Verkehrsfinanzierung, stehen ausreichend Mittel zum Ausbau der ÖPNV-Infrastruktur, von Takt-Angeboten sowie einer Anpassung des Tarifangebotes zur Verfügung.

Auch im Bereich des Güterverkehrs soll bis 2030 jede dritte Tonne klimaneutral das Endziel ihrer Reise erreichen. Der Güterverkehrsknoten Kornwestheim muss deshalb wieder stärker genutzt werden. Das geht auch aus einem Gutachten des Landes hervor. Grundvoraussetzung ist jedoch, es muss in die Infrastruktur der Schiene im ganzen Land investiert werden, um die Kapazitäten erhöhen zu können. Hier sind der Bund und die Bahn gefragt. Diese Investition zahlt sich beim Klimaschutz aus. Vorständin der DB Cargo,  Sigrid Nikutta zeigt das enorme Potential auf: „Wir sparen auf der Schiene im Vergleich zum LKW mindestens 80 Prozent CO2 ein.“[1] Zudem muss noch mehr die Citylogistik auf den Prüfstand kommen. Damit auch die letzten Meilen im Landkreis Ludwigburg durch das Angebot von Logistik-Hubs und Mini-Logistik-Hubs, Kombiverkehre außerhalb der Pendlerzeiten und durch Lastenräder abgedeckt sein können.

Für unsere Region ist der Faktencheck des Landes für den Nord-Osten der Metropolregion Stuttgart im letzten Jahr entscheidend gewesen. Hier wurde klar, dass die Landkreise Ludwigsburg und Waiblingen, sowie die regionale Wirtschaft und Verbände und Vereine zusammen einen gut geplanten, nachhaltigen Mobilitätsmix für die Region entwickeln müssen. Dieser Prozess muss in den kommenden Jahren vorangetrieben werden.

Der Fuß- und Fahrradverkehr wird attraktiver gestaltet werden. Es braucht sichere Radwegbeläge, gute Beleuchtung und sinnvolle Ausschilderung. Die geplanten Schnellradwege Ludwigsburg-Waiblingen und Bietigheim-Stuttgart müssen zügig angelegt werden. Corona zeigt uns noch mehr, wie wichtig diese Art der selbstaktiven Mobilität ist. Laufen und Radfahren hält fit und macht auch Spaß.

 

[1] Vgl. Bietigheimer Zeitung, 27.1.2021, S.4

Wohnen darf kein Luxus sein – Ein Gastbeitrag von Colin Sauerzapf

Bietigheim-Bissingen auf dem 30. Platz, Remseck auf Platz 22, Kornwestheim auf Platz zwölf, Ditzingen auf zehn und Ludwigsburg auf Platz acht. Der Landkreis Ludwigsburg ist Spitzenreiter bei den Mietpreisen (Quelle: F+B Mietspiegelindex 2019). Fast die Hälfte der TOP 30 Städte mit den teuersten Mieten kommen aus Baden-Württemberg, die meisten davon aus unserer Region.

Auch wenn Baden-Württemberg gerne als „Ländle der Häuslebauer“ bezeichnet wird, wohnt doch knapp die Hälfte der Menschen in unserem Bundesland zur Miete. Viele Studierende können sich das WG-Zimmer in der Universitätsstadt nicht leisten und bis in den Mittelstand hinein fehlt bei immer mehr Menschen am Ende des Monats das Geld, weil sie über 40% ihres Einkommens für die Miete aufbringen müssen. Das Wohnen in unseren großen und kleinen Städten wird für immer mehr Menschen unbezahlbar.

Aber gerade unsere Städte leben vom Austausch von Menschen mit unterschiedlichen Interessen, Ausbildungen, Hintergründen und damit auch Einkommen. Die angespannte Wohnungssituation wird auch immer mehr zum Hemmnis unserer schwäbischen Wirtschaft. Deshalb brauchen wir eine neue und starke Wohnungspolitik, um den Zusammenhalt unserer Gesellschaft zu stärken. Immer mehr Menschen merken, dass der freie Markt allein für viele nicht funktioniert.

Eine Stadt, die seit über 100 Jahren eine ganz andere, sozialdemokratische, Wohnungs- und Bodenpolitik betreibt, ist Wien. 62 % aller Wohnungen der österreichischen Hauptstadt gehören der Kommune oder sind genossenschaftlich organisiert und gefördert. Eine Wohnung in Gemeindebau in Wien kostet maximal 5 € auf den Quadratmeter. Und vor allem: Die Stadt baut selbst, auch aktuell, neue Wohnungen und wird damit dem Zuzug besser gerecht als die meisten deutschen Städte.

Auch Wien ist nicht perfekt. Die restlichen rund 40% der Wohnungen auf dem Privatmarkt haben in den letzten Jahren starke Preissteigerungen erfahren und für viele ist der Zugang zum Gemeindebau, obwohl nötig, nicht gegeben.

Trotzdem können wir aus meiner Sicht von Wien lernen. Städte und Gemeinden müssen einfacher und schneller an Bauland kommen, um die dringend gebrauchten Wohnungen realisieren zu können. Im Grundgesetz steht neben dem Schutz des Eigentums auch: „Eigentum verpflichtet“. Wenn junge Familien oder Rentner aus ihren Heimatstädten wegziehen müssen, weil sie keine für sie bezahlbare Wohnung finden, müssen wir diesen Satz auch ernst nehmen.

Auch müssen unsere Wohngebäude bis 2050 klimaneutral werden. Dabei brauchen Eigentümerinnen und Mieter strukturelle und finanzielle Unterstützung, damit wir diese Mammutaufgabe bewältigen können, ohne dabei die Mieten explodieren zu lassen.

Kommunaler Wohnungsbau muss auch vom Land unterstützt werden. Wir werden es in den nächsten Jahren zwar nicht schaffen Wien beim Anteil an städtischen Wohnungen einzuholen, aber wer nicht anfängt, wird sein Ziel nie erreichen. Wohnungsbau ist Langstrecke und kein Sprint.

Mit diesen und vielen weiteren Maßnahmen, wie Baulückenschließung, Leerstandsbekämpfung oder seniorengerechtem Wohnen, sind die neue Landesregierung und unsere Städte und Gemeinden gefragt das Problem anzupacken, um unser Ländle gerechter und Lebenswerter zu gestalten.

Kaum ein Fleck Erde ist reicher als Baden-Württemberg. Wer wenn nicht wir, kann es schaffen, die Probleme unserer Zeit anzugehen und zu lösen.

Info: Colin Sauerzapf ist Stadtrat in Remseck am Neckar und will 2021 als Abgeordneter für die SPD in den Landtag einziehen.

 

Andrea Wechsler: Impfen oder nicht impfen? Ich bin bei der Corona-Impfung dabei! 

Ein Gastbeitrag für Ludwigsburg24 von Dr. Andrea Wechsler, Landtagskandidatin der CDU für den Wahlkreis Ludwigsburg 

Liebe Leserinnen und Leser von Ludwigsburg24,

„Würdest Du Dich gegen Corona impfen lassen?“ werde ich in letzter Zeit häufiger gefragt. Meine Antwort ist eindeutig: „Ja! Ich werde mich impfen lassen, sobald ich nach der Coronavirus-Impfverordnung berechtigt bin.“ Und manchmal ertappe ich mich bei dem ungeduldigen Gedanken, dass mir eine Impfung in diesem Jahr deutlich lieber wäre als im Verlaufe des Jahres 2021.

Unabhängig von meinem individuellen Impfdatum ist der 27.12.2020 für mich ein Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie. Er wird in die Geschichte eingehen. Erstmals wird in Deutschland der von BioNTech-Pfizer entwickelte Impfstoff BNT162b2 verimpft werden. Ob der Impfbeginn jedoch das Potenzial hat, der Beginn vom Ende der Pandemie zu werden, hängt von unserer Impfbereitschaft ab. Nur bei einer Durchimpfungsrate von 60-70% der Bevölkerung werden wir eine Herdenimmunität erreichen. 

Neueste Umfragen zeigen, dass sich zwei Drittel der Bevölkerung grundsätzlich impfen lassen würden. Das sind großartige Nachrichten. Zugleich zeigen die Umfragen jedoch auch, dass große Ängste vor den Nebenwirkungen der Impfung herrschen. Ich habe großes Verständnis für diese Ängste. Daher muss es nun zentrale Aufgabe der Wissenschaftskommunikation sein, für Transparenz bezüglich der Impfung zu sorgen und das Vertrauen in die Impfung zu stärken. Ich persönlich habe meine Risikoabwägung bereits getroffen und werde mich impfen lassen. 

In den letzten 200 Jahren ist die Impfstoffentwicklung eine Erfolgsgeschichte und hat unzählige Menschenleben gerettet. Ich bin zuversichtlich, dass der Corona-Impfstoff hierzu beitragen wird. Die Übersterblichkeit wegen Corona liegt in einzelnen Bundesländern aktuell im zweistelligen Bereich. Täglich sterben fast 1000 Menschen in Deutschland an oder mit Corona. Ich lasse mich impfen, weil ich überzeugt davon bin, dass es Menschenleben rettet und vielleicht sogar mein eigenes. 

„Hast Du keine Angst, weil der Impfstoff so schnell entwickelt wurde?“, werde ich gefragt. „Nein!“, sage ich. Einerseits ist dies die logische Folge des mRNA-Impfstoff-Ansatzes, da dieser schneller herzustellen ist als herkömmliche Impfstoffe. Andererseits wurde der Impfstoff in der EU nicht per Notverordnung zugelassen. Er wurde auf sicherer wissenschaftlicher Basis genehmigt. Ich vertraue dem qualitätsgesicherten Herstellungsprozess (vgl. Annex I der Richtlinie 2001/83/EG) ebenso wie der Tatsache, dass es für den Impfstoff keine inhaltlichen Anpassungen, Einschränkungen oder Ausnahmen des geforderten Qualitätsprofils gab. 

„Hast Du keine Angst vor den Nebenwirkungen?“, werde ich gefragt. „Nein!“, sage ich. Allergische Reaktionen sind zwar bei einer Impfung mit BNT162b2 vereinzelt aufgetreten. Diese werden aber aktuell intensiv untersucht. Sollten Personen oder gar ich als Ergebnis dieser Untersuchungen aufgrund eines Allergierisikos von der Impfung mit BNT162b2 ausgeschlossen werden müssen, so werden in Kürze weitere Impfstoffe zur Verfügung stehen. Der Impfstoff von Moderna (mRNA-1273) steht kurz vor der Zulassung und der Vektorviren-Impfstoff (ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222)) von AstraZeneca ebenfalls in den Startlöchern. 

„Hast Du keine Angst vor der Wirkweise eines mRNA Impfstoffes?“, werde ich gefragt. „Nein!“, sage ich. Die mRNA-Technologie wird seit Jahren erforscht. Ihr Potenzial für Krebsimmuntherapien und prophylaktische Vakzine ist nicht erst durch Corona wissenschaftlich anerkannt. Ein Einbau der RNA in die DNA des Menschen ist nicht ohne Weiteres möglich, da die mRNA bei einer Impfung nicht in die Nähe der DNA gelangt und sie sich zu stark voneinander unterscheiden. Im Gegenteil sehe ich sogar die Vorteile der RNA-Impfstoffe, denn durch ihn wirken bereits niedrigere Dosen, so dass auf Wirkverstärker verzichtet werden kann. 

„Wenn Du so klar für eine Impfung bist, befürwortest Du dann für eine Impfpflicht?“, werde ich gefragt. „Nein!“, sage ich. Ich halte es für den besseren Weg, den Menschen die Ängste vor den Nebenwirkungen und der mRNA-Impfung zu nehmen, als sie zu einer Impfung zu verpflichten. Ich glaube fest daran, dass mit jeder Impfstoffdosis das Vertrauen in die Sicherheit der Impfung steigen wird. Ich glaube fest daran, dass wir gemeinsam im Jahr 2021 die Herdenimmunität in Deutschland erreichen können. 

In diesem Sinne: Vielleicht sehen wir uns im Impfzentrum in Ludwigsburg?

Bis dahin Ihnen allen ein gesundes Jahr 2021! 

Ihre 

Andrea Wechsler 

 

Menschheit hat mit Abstand überlebt – in fehlender Distanz lauert schon immer Gefahr

Ein Gastbeitrag von Uwe Roth – Journalist

Körpernähe ist zu einer Form des Protests geworden. Anhänger der Querdenker-Bewegung laufen Schulter an Schulter durch die Straßen. Sie fühlen sich dabei wie heldenhafte Freiheitskämpfer. Man muss sich nicht persönlich kennen, um gegenseitig Nähe zuzulassen. Wildfremde eint die Überzeugung, dass die Forderung, in Corona-Zeiten auf Abstand zu gehen, eine staatliche Anmaßung ist. Sie schreien lauthals und verteilen dabei munter ihre Spucke in der Umgebung. Eine Maske setzen sie gleich mit Willkür und einem Herrschaftsinstrument, das sie mundtot machen soll. 

Massenproteste haben immer mit körperlicher Enge zu tun. Doch in einer Zeit der Pandemie ist bewusst gesuchter Körperkontakt eine doppelte Provokation: Sie fordert denjenigen heraus, der die Abstandsregel aufgestellt hat. Also den Staat. Sie gefährdet diejenigen, denen Abstand in diesen Zeiten besonders wichtig ist, weil sie ihr Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit gefährdet sehen. Auch das steht im Grundgesetz, nicht nur das Recht auf Meinungsfreiheit, das Querdenker vor sich hertragen.

Ist Nähe außerhalb der Familie oder der Partnerschaft tatsächlich das Normalste der Welt? Man kann das Thema Nähe und Distanz im Internet recherchieren. Darüber ist erstaunlich viel geforscht worden – und meistens mit der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Abstand gegenüber Fremden zu halten, eine zu Natur gewordene Regel ist. In der Literatur wird das natürliche Abstandsmaß mit einem bis zwei Meter angegeben, also im Schnitt mit 1,5 Meter. Die Fundstellen sind lange vor Corona und dem Pandemie-Jahr 2020 ins Internet gestellt worden. 1,5 Meter sind kein willkürliches Maß für eine Schutzzone um den einen Körper. 1,5 Meter Abstand ist eine lang erprobte Erfahrungsregel.

Die Menschen haben über die Jahrtausende gelernt, dass Abstand überlebensnotwendig ist. Nähe setzt Vertrauen zum Gegenüber voraus und bedeutet im Zweifel Gefahr für Leib und Leben. Auch wenn die Menschen in Pestzeiten nichts über den Erreger und die Übertragungswege wussten, sie merkten dennoch, dass körperlicher Abstand ihre Überlebenschancen steigen lässt und Nähe das Gegenteil bewirkt. Diese Vorsicht wurde in gesunden Zeiten beibehalten. Man wusste ja nie, wo die nächste Gefahr droht.

Diese Vorsicht, im Zweifel besser Abstand zu halten, ist scheinbar weg. Im Fernsehen lief der Krimi „Das Geheimnis des Totenwaldes“. Die wahre Geschichte beginnt in den 1980er Jahren. Die Filmkulisse sehr authentisch. Es zeigte den 80er-Style, den ich so als junger Erwachsener mitgelebt habe. Aber eines störte mich: der Umgang der Menschen untereinander. Sie nahmen sich zur Begrüßung in den Arm und berührten die Wangen. So war das damals nicht! Man blieb über das engste Umfeld hinaus auf höflichem Abstand. Auch die neue Freundin des besten Freunds wurde mit Handschlag oder nur einem Hallo begrüßt. Auch den Kumpel in den Arm zu nehmen, war eher ungewöhnlich. Eine Männerumarmung machte verdächtig.

Heute ist das komplett anders. Nähe ist das neue Verhaltensmuster – nicht mehr der Abstand. Wann das gekippt ist, weiß ich nicht. Eine Begrüßung außerhalb des beruflichen Umfelds ohne kurze Umarmung wird beinahe als unhöflich betrachtet. Das schließt völlig Unbekannte ein. Grundsätzlich finde ich den neuen, engen Umgang gut. Ich finde das sehr in Ordnung, dass Männer untereinander körperlich vertrauter geworden sind. Das heißt aber nicht automatisch, dass die alte Vorsichtsregel überflüssig geworden ist. Man darf sie außer Kraft setzen, muss dann jedoch persönliche Verantwortung übernehmen. Denn wie der aktuelle Verlauf der Covid19-Pandemie zeigt, hat sich seit den Pesttagen, was die Ansteckungsgefahr betrifft, nicht viel geändert. Die medizinische Versorgung und damit die Überlebenschance hat sich Gottseidank verbessert. Das gibt aber keinem das Recht, die eigene Verantwortung an das Gesundheitssystem abzudrücken. 

Die Pandemie sollte Anlass sein, grundsätzlich darüber nachzudenken, ob Nähe nicht längst zu einem rein kommerziellen Geschäftsprinzip Masse statt Klasse geworden ist. Die größte Rendite gibt es für Anbieter, wenn möglichst viele Menschen sich an einem Ort versammeln und Geld für eine gemeinsame Sache ausgeben. Passagiere sind zusammengepfercht im Billigflieger, Kreuzfahrtschiffe haben mit 6000 Passagieren fast schon etwas Container-artiges. Die Stadien und Veranstaltungshallen werden immer größer. Wenn sich die Menschen gegenseitig durch die Menge schieben, ist scheinbar alles gut. Ein Fest ist nur dann erfolgreich, wenn sich dort die Menschen drängeln. Wirte jubeln, wenn Festzelte und Kneipen knallvoll sind. Normalvoll ist bereits Anlass für eine Enttäuschung. 

Mit Abstand verdienen Veranstalter kein oder nicht genug Geld. Der Verbraucher wiederum glaubt, dass er Geld spart, wenn er sich die Kosten für das Freizeitvergnügen mit möglichst vielen anderen teilt. Der Mensch wendet sich gegen die Massentierhaltung und macht bei der Massenmenschhaltung munter mit. Damit sich irgendwann Corona in anderer Form nicht wiederholt, sollte das tückische Geschäftsprinzip Masse statt Klasse zumindest in Frage gestellt oder doch besser aufgegeben werden.

 

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