Corona – Schule – Wir: Ein Gastbeitrag von Manuela Afolabi

Am 14. September begann das neue Schuljahr für alle Schülerinnen und Schüler (SuS) in voller Klassenstärke und festen Gruppen mit Präsenzunterricht unter Pandemiebedingungen: eine Mammut-Aufgabe für alle Beteiligten, so auch für den Landeselternbeirat! Relativ zügig erreichten uns etliche Anfragen bezüglich des Mund-Nase-Schutzes (MNS); in der Folge, ab Mitte Oktober, auch beträchtlich viele Fragen wegen des neuen Lüftungskonzeptes. Schnell wurde allen bewusst, es kann kein Konzept geben, mit dem man allen gerecht werden könne: Man erntete bitterböse Worte zum MNS, entweder aufgrund der Tragezeit oder infolge gesundheitlicher Bedenken, sowie zum Lüften – zu kalt, zu feucht, zu zugig etc.!

In der Schülerschaft hat die Inzidenz während der vergangenen Wochen in allen Altersgruppen deutlich zugenommen. Der Schwellenwert von 50 Infektionen pro 100.000 Einwohnern in den letzten sieben Tagen ist deutlich überschritten, besonders deutlich bei den 10- bis 19-Jährigen. Selbst die Inzidenz der Grundschülerinnen und -schüler ist mit einem Wert von 88,8 in Kalenderwoche 45 überaus hoch. Dabei ist eine hohe Dunkelziffer (bspw. durch asymptomatische Fälle insbesondere in dieser Altersgruppe) zu beachten. D.h., de facto dürften die Inzidenzen weit höher sein. Somit sollte aber das Gesamtkonzept definitiv überarbeitet werden. Warum dann Grundschullehrkräfte keine Masken zur Verfügung gestellt bekommen, zum Eigenschutz UND dem ihrer SuS, entzieht sich meinem Verständnis.

Selbstverständlich versuchen wir, die Meinung der Elternmehrheit zu vertreten, so auch im folgenden Kritikpunkt – der Digitalisierung. Hier hat sich in den vergangenen Monaten einiges getan, man muss fast sagen dank Corona, denn nachdem bereits im Februar 2018 das Projekt Ella kläglich scheiterte, war das Thema erst einmal in der Versenkung verschwunden.

Erleichtert waren wir, als nach dem Wirrwarr der ersten Corona-Welle das Land zügig Gelder freigab, um benötige Hardware (zumindest für die Lehrerschaft) zu beschaffen. Das Chaos um die Bildungsplattform blieb jedoch bestehen: So arbeiten nun alle mit einem bunten Blumenstrauß von Software; die einen mit Webex – Schulcloud – Microsoft Office, andere mit Jitsi – E-Mail – Nextcloud. Warum gibt es nach wie vor keine vernünftigen Bildungsplattformen mit Schnittstellen zu diversen Anbietern, um bedarfsgerecht Module andocken zu können?

Ich selbst habe 2 Kinder an Stuttgarter Schulen, wobei meine Tochter das Glück hatte, in diesen Zeiten ihren Realschulabschluss zu absolvieren. Nachdem noch nicht einmal schulintern eine einheitliche Regelung getroffen wurde, haben wir nun alle BBB, Jitsi, Teams, Skype, Webex, und Zoom sowie diverse Cloudanbieter auf dem Laptop.

Es gilt, umgehend eine einheitliche, verbindliche Variante zu schaffen, damit SuS und deren Elternhäuser nicht mehr diesem Chaos ausgesetzt sind.

„Der Grundsatz der Chancengleichheit gebietet, alle SchülerInnen mit entsprechenden Leihgeräten inklusive einer zentral definierten Software auszustatten. Jede Schule wird verpflichtet, den entsprechenden Bedarf ihrer SchülerInnen selbst zu ermitteln. Die Schulträger müssen dafür Sorge tragen, dass die Schulen entsprechend ausgestattet werden, während das KM einen Rahmenvertrag zur Versicherung aller Leihgeräte in Baden- Württemberg abschließt“ Quelle: Positionspapier vom 11.08.2020

Ferner hilft es nicht im Geringsten, Diskussionen um verlängerte Weihnachtsferien zu führen! Haben unsere SuS nicht bereits genügend Fehlzeiten aufgrund von Schulschließungen, Quarantäne oder sonstigen Ausfällen? Schlussendlich bleibt es einmal mehr den Schulen selbst überlassen, wie sie reagieren wollen, ob Präsenz-, verbindlicher Fernlernunterricht oder eben doch bewegliche Ferientage. Wie und wann sollen daraus entstehende Lerndefizite überhaupt noch aufgeholt werden?
Eltern wünschen sich zwingend wieder Beständigkeit im Schulalltag – keine wöchentlichen Änderungen!

Hätten wir 3 Wünsche frei – so wären diese:
1. Glaubwürdigkeit, Verlass und Planbarkeit
2. Verpflichtende Mindeststandards an Sachmitteln, welche der Schule zur Verfügung gestellt werden – dazu gehört auch die räumliche Ausstattung
3. Konsequente Aufstockung der Lehrkräfte, wir sprechen hier nicht von 10-20 % sondern mehr!

Der Landeselternbeirat wünscht allen eine besinnliche Vorweihnachtszeit!

Manuela Afolabi seit März 2017 Mitglied im Landeselternbeirat BW für die Realschulen

Markus Fischer: “Innenstädte in Pandemie-Zeiten und danach”

Ein Gastbeitrag von Markus Fischer

Die aktuelle Situation von Innenstädten ist eine große Herausforderung. Der sogenannte Lock Down Light ist für jede Innenstadt im Grunde ein Komplett-Lockdown. Keine staatliche Unterstützung bei laufenden Kosten und vollen Regalen, welche natürlich von den Kunden in der Vorweihnachtszeit erwartet werden, aber gleichzeitig Frequenzeinbrüche, welcher jeder Händler spürt.

Es gibt auch in diesem Szenario ein positives Bild. Natürlich kämpfen nicht alle Innenstadtakteure um ihre Existenz. Ein Großteil, Umfragen rechnen mit ca. 70%, wird diese Pandemie gut überstehen und auch im nächsten Jahr existieren. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen: das Geschäft liegt in der eigenen Immobilie, der Vermieter hat sehr viel Entgegenkommen gezeigt, es wurden über Jahre Rücklagen geschaffen, die Anzahl an Stammkunden ist groß, die Kurzarbeit greift, man hatte bereits vor Corona mehrere Standbeine. Und bei manchen Geschäften, wie beispielsweise Möbelhäusern, Feinkostläden, Baumärkten oder Fahrradgeschäften gab es in diesem Jahr sogar häufig eine Umsatzsteigerung.

Im Umkehrschluss ist aber auch klar: es gibt ebenso einen nicht unerheblichen Teil von Innenstadtakteuren, welche um ihre Zukunft fürchten. Ca. 30% sehen ihre Existenz als gefährdet an – eine große Zahl mit sehr vielen Arbeitsplätzen dahinter! Leerstände sind in jeder Innenstadt eine große Gefahr, denn diese führen zu einer Abwärtsspirale. Die Auswirkungen von wegfallenden Arbeitsplätzen und den sozialen Folgen für unsere Gesellschaft sind ein weiteres Thema, welches uns sicher alle noch lange beschäftigen wird.

Was momentan leider komplett fehlt, das ist ein Plan der Landes- und Bundesregierung, wie man Innenstädte für die Zukunft unterstützen kann! Das ist ein inakzeptabler Zustand!

Frau Hoffmeister-Kraut als zuständige Ministerin von Baden-Württemberg wurde zwar zitiert mit „40 Millionen sollen gezielt für Marketingmaßnahmen zu Verfügung gestellt werden, damit die stationären Geschäfte erhalten bleiben“ – jedoch blieb es bei dieser Ankündigung. Nachfragen beim Ministerium durch LUIS sind seit Wochen unbeantwortet geblieben.

Auch der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hat angekündigt, dass er sich natürlich für eine Stärkung von schwer getroffenen Innenstädten einsetzt. Vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aus Berlin kam die Antwort, dass es nun Workshop-Reihen geben soll, jedoch Fördermittel zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen sind.

Ich möchte an dieser Stelle gar nicht die Vergleiche ziehen zu den Milliarden, welche an Fördermitteln bei großen Konzernen und Industriezweigen schnell und unkompliziert gewährt wurden. Letztlich versucht man auch dort Arbeitsplätze zu sichern und das ist grundsätzlich zu begrüßen.

Jedoch muss zwingend, schnell und unbürokratisch, die Politik auch bei der Förderung von Innenstädten für die „Post-Corona-Zeit“ aufwachen und reagieren! Das gilt nicht nur für Ludwigsburg, sondern für jede Stadt! Natürlich bringt es nichts, das Geld mit der Gießkanne auszuschütten. Zielgerichtete Hilfen sind jedoch möglich in Form der Unterstützung von Interessenvertretungen und Marketing-Organisationen vor Ort. Es ist egal, ob das nun der Handelsverband, der Bund der Selbstständigen, ein Zusammenschluss aktiver Unternehmer ist oder ein Verein wie der LUIS in Ludwigsburg. Es muss Geld in die Hand genommen werden, dass sich hauptamtliche Personen um die Anliegen und Entwicklungen einer Innenstadt kümmern. Der Staat sollte weitere Fortbildungen und Workshops anbieten, digitale Lösungen können hier helfen. Jedoch benötigt man vor Ort Menschen, welche sich um die Umsetzung kümmern! Jede Stadt hat natürlich andere Bedürfnisse und eine andere Situation. Entsprechend ist eine Maßnahme in der einen Stadt vielleicht ein großer Erfolg, greift jedoch in einer anderen Stadt überhaupt nicht. Es muss individuell vor Ort entschieden werden, wie man der jeweiligen Innenstadt, dem Einzelhandel, den Gastronomen und Dienstleistern helfen kann.

So wäre beispielsweise ein Schlüssel von einer hauptamtlichen Stelle pro 20.000 Anwohnern in meinen Augen eine realistische Hilfe, welche viel bewegen kann. Auf diese Art können Frequenzbringer wie zum Beispiel verkaufsoffene Sonntage, lange Shoppingnächte, Stadtfeste, Stadtteilfeste, Marketing-Maßnahmen, etc. professionell und zielgerichtet begleitet werden. Pop-Up Konzepte können umgesetzt und mit viel Unterstützung begleitet werden. Nur Städte mit einer hohen Frequenz und einer hohen Aufenthaltsqualität können der Online-Konkurrenz auf Dauer etwas entgegen setzen. Diesen „Treffpunkt Innenstadt“ benötigt unsere Gesellschaft auch in Zukunft unbedingt, zudem sind Innenstädte in jeder Gemeinde ein sehr großer Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor.

Ein offener Brief an Donald Trump: “Dear Mr. President”

Sehr geehrter Herr (Noch-) Präsident Trump,

es werden im Januar genau 4 Jahre, als Sie, als der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt und somit der mächtigste Mann auf diesem Planeten wurden. Es werden ebenfalls im Januar 4 Jahre, in den Millionen von Menschen auf Sie geschaut haben und gehofft haben, dass Sie sie in eine bessere Zukunft führen würden. In eine Zukunft, geprägt von gegenseitigem Respekt und Menschlichkeit. In eine Zukunft voller Freude und Glückseligkeit. In eine Zukunft ohne Angst und Hass. In eine Zukunft voller Frieden und Einigkeit. Doch wenn ich jetzt zurückschaue, stelle ich fest, dass Sie genau das Gegenteil erreicht haben. Wo Respekt und Menschlichkeit selbstverständlich sein sollte, herrscht größtenteils Hass oder bestenfalls Gleichgültigkeit. Wo Freude und Glück täglich die Menschen begleiten sollte, herrscht Ungewissheit und Furcht. Wo Frieden und Einigkeit das Fundament einer Gesellschaft bilden sollten, besteht Feindseligkeit und Ablehnung.

Nein, Sie haben nicht nur eine große Chance vertan, all das Gute, dass in jedem Menschen steckt, zu finden, sondern Sie haben dafür gesorgt, dass Werte wie Anstand, Moral und Demut zerrüttet wurden. Werte, die wir uns im Laufe von hunderttausenden von Jahren als Zivilisation angeeignet haben und die uns erst zu Menschen machen.

Die Mehrheit des amerikanischen Volkes hat entschieden, dass sie Ihnen auf diesem Weg nicht weiter folgen wollen, weil sie ihn als falsch betrachten. Die große Hoffnung ist. dass der neue Präsident den Menschen das zurückbringt, was Sie während Ihrer Amtszeit zu großen Teilen zerstört haben.

Mit nachdenklichen Grüßen,

Ayhan Güneş

von Ludwigsburg24

 

City-Pfarrer Martin Wendte: Auf der Suche nach einer Haltung zwischen Gelassenheit und Solidarität im zweiten Lockdown

Ein Gastbeitrag von Pfarrer Martin Wendte – Friedenskirche Ludwigsburg 

„Ja, mach nur einen Plan…“: aus dem Innenleben eines Pfarrers Anfang November 2020

Ja, mach nur einen Plan
sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch´nen zweiten Plan
gehn tun sie beide nicht.

Nein, Berthold Brecht hat diese Zeilen nicht für diesen November geschrieben, aber sie geben meinem derzeitigen Lebensgefühl gut Ausdruck. Was hatte ich als Privatmensch und als Pfarrer für schöne Pläne für den Frühsommer: Im Privaten wollte ich ein Frühjahrsfest feiern und beruflich neue Formen entwickeln, um die Kirche attraktiver zu machen. Ich fühlte mich wie ein großes Licht – aber gehen tat dieser Plan leider garnicht. Schnell machte ich einen zweiten Plan: Nach einem Sonnen-Sommer im Freien strömen die Menschen bestimmt im Herbst wieder in die Kirche, und dies umso mehr, wenn sie von meinem faszinierenden Programm hören: Die Krabbelgruppe wuselt wieder durch den Kirchenraum und ein Theaterabend zu Dietrich Bonhoeffer regt ebenso an wie ein Gottesdienst mit Tanz.

Wieder nichts. Wieder umsonst geplant. Ich merke ganz widerstreitende Gefühle und Impulse in mir. Ärger einerseits und Frust: Jetzt geht das Absagen wieder los, das permanente Umorganisieren und die Unsicherheit. Befürchtungen andererseits: Wie werden die kommenden Wochen für mich, aber vor allem für die Gemeinde, wenn sich so viele Menschen nicht mehr treffen können? Vereinsamen die alten Menschen, werden manche krank oder depressiv? Was passiert mit den vielen kleinen und mittleren Unternehmern und Selbständigen, die beruflich in großen Schwierigkeiten stecken? Und mindestens genauso dramatisch: Was passiert mit den Menschen mit schlecht bezahlten Jobs, die vom Kurzarbeitergeld kaum ihre Miete zahlen können? Doch zugleich spüre ich auch ein wenig Erleichterung: War der Herbst nicht wieder allzu vollgepackt mit allem, was ich tun und erleben wollte? Hatte ich mich nicht wieder auf die Überholspur des Lebens begeben, um möglichst viel mitzunehmen an Ereignissen und Events, Begegnungen und Besprechungen? Letztlich aus dem Grund heraus, mit mir als Mittelpunkt die Welt in Bewegung zu setzen?

Auf der Suche nach einer angemessenen Haltung: Gelassenheit…

Ein altes Wort steigt in mir auf – könnte das den Weg weisen für eine hilfreiche Haltung in diesen Zeiten? Das Wort lautet: Gelassenheit. Darin steckt das Wort „Lassen“, im Sinne von Loslassen, Ablassen, Gehenlassen. Ich lasse meine Pläne los, ich lasse sie gehen. Ich kann mein Leben nur sehr begrenzt planen, nur für heute und morgen. Ich lasse auch mein Bedürfnis los, mit höchster Geschwindigkeit durch die Tage zu rauschen, um nichts zu verpassen. Ich lasse die Vorstellung los, an allem teilhaben zu müssen, was es so an aufregendem gibt, in der Kultur- und Partyszene Ludwigsburgs.

Gelassenheit: Darin steckt das Wort „Lassen“, auch im Sinn von Zulassen, auf mich zukommen lassen. Ich lasse zu, dass ich wieder jeden Tag für sich leben muss, mit seinen kleinen Freuden und seinen manchmal recht großen Sorgen. Ich lebe ohne Aussicht auf die große Party oder den Kurztrip am Wochenende, die mich von dem heutigen Tag ablenken. Der heutige Tag zählt, mit seinem begrenzten Horizont und seiner reduzierten Geschwindigkeit. Vieles an ihm kann mir wertvoll werden, was mir darin an Gutem zukommt: Ein Lächeln hinter einer Maske, auch wenn dadurch die Brille beschlägt. Oder das Leuchten gelber Blätter im Herbstlicht. Ich nehme mir morgens und abends ein paar Minuten Zeit, um mich auf diese Haltung einzulassen.

Als Christ gehört für mich zur Gelassenheit noch ein größerer Gedanke. Ich lasse davon ab, mein Leben ganz beherrschen zu wollen. Denn jemand Anderes hält mein Leben in der Hand: Gott, der uns auch durch diese besonderen Zeiten führt und es gut mit uns meint. Ich lasse es zu, dem wieder mehr zu glauben. Ich lasse es zu, mich darauf wieder mehr zu verlassen. Gott ist der tiefste Grund meiner Gelassenheit.

Und dennoch ist der Lockdown nicht nur eine Schule der Gelassenheit und des Glaubens. Vor allem ist er auch eine harte Zeit für viele Menschen in gesundheitlicher, wirtschaftlicher, sozialer und psychologischer Hinsicht. Gott sei’s geklagt, dass das Virus nicht über den Sommer verschwand. Ich bin auch wütend darüber, dass dieser Gott nicht sichtbarer eingreift, um soviel Leid zu verhindern. Zugleich lasse ich mich von diesem Gott dazu drängen, selbst einer von denen zu werden, die das Leid ein wenig bekämpfen:

…und Solidarität  

Wo kann ich in den nächsten vier Wochen ganz konkret solidarisch sein? Ich nehme mir vor, einen bestimmten alten Menschen zwei Mal anzurufen, auch wenn der am Telefon manchmal etwas grummelig ist. Aber ich weiß, dass er sonst kaum Kontakt zu anderen Menschen hat. Ich nehme mir vor, mehrfach Essen beim kleinen Restaurant um die Ecke zu bestellen, auch wenn der Lieferdienst mehr Abfall produziert. Ich nehme mir vor, eine größere Spende an die kirchliche Hilfsorganisation in Indien zu überweisen. Das ist ein Land, in dem der Lockdown für viele Menschen die ganz grundlegende Frage aufwirft, woher sie das Geld für ihr Essen am nächsten Tag nehmen sollen.

November 2020. Unsere Pläne gehen nicht auf. Könnte uns eine Haltung zwischen Gelassenheit und Solidarität helfen?

 

Stefanie Knecht: “Die Menschen haben die Nase voll – oder: wie denken wir Mobilität neu?”

Ein Gastbeitrag von Stefanie Knecht

Das Automobil – seit Jahrzehnten Garant unseres Wohlstands wird geächtet von einer eindimensionalen Verkehrspolitik in Baden-Württemberg. Dieselfahrverbote, einseitige Förderung und Fokussierung auf Elektromobilität setzen tausende von Arbeitsplätzen in der Automobilindustrie und deren Zuliefererbetriebe aufs Spiel.

Um den Klimawandel aufzuhalten ist neues, intelligentes Denken in der Mobilität gefragt. Wir alle haben verstanden, dass unsere Straßenräume nicht für alle Verkehrsträger ausreichen. Konkurrenz- und Konfliktsituationen nehmen stetig zu, wir dürfen die einzelnen Verkehrsteilnehmer nicht weiter gegeneinander ausspielen.

Allzu oft werden in der Politik Entscheidungen getroffen, die von hoher Ideologie gegen das Automobil geprägt sind. Wir sollten alle gemeinsam mehr auf Innovationen und weniger auf Verbote, sondern auf attraktive Alternativen und Angebote setzen, die Schritt für Schritt langfristig allen Verkehrsteilnehmern und den Klimazielen gerecht werden.

Die Frage muss daher gestellt werden: ist es der richtige Weg, im ersten Schritt Busspuren – wie z.B. auf der Ludwigsburger Schloßstraße – einzurichten und somit neue und längere Staus heraufzubeschwören? Nutzt das dem Klima, werden dadurch Emissionen reduziert? Oder führt dies letzten Endes nur dazu, dass staugeplagte Autofahrer unsere Stadt meiden und dem innerstädtischen Einzelhandel der Garaus gemacht wird?

Dieses und viele weitere Beispiele zeigen, dass Mobilität nicht mehr eindimensional in einzelnen Verkehrsträgern gedacht werden darf: Mobilität braucht Freiheit. Freiheit im Denken, die verhindert, dass Ideologie zum Maß aller Dinge wird.

Ich bin davon überzeugt, dass es nicht Aufgabe der Politik ist, Entscheidungen der Bürger, wie sie sich fortbewegen, zu diktieren. Aufgabe der Politik ist es ebenfalls nicht, einzelne Verkehrsmittel oder Antriebsformen zu verteufeln. Aufgabe der Politik ist es, die richtigen Rahmenbedingungen für den Erhalt der individuellen Mobilität zu schaffen, die den individuellen Lebensentwürfen, Arbeitszeiten und Vorlieben der Menschen entsprechen. Sowohl aus ökonomischen als auch aus ökologischen Gründen können nur verschiedene Verkehrsträger gemeinsam die Mobilitätsnachfrage einer modernen Gesellschaft befriedigen.

Eine vernetzte und verkehrsträgerübergreifende, also intermodale Mobilität, sollte anstelle ideologischer, einseitiger Verbote das Leitbild sein.  Wir müssen vernünftige Angebote schaffen, die Menschen überzeugen, Verkehr zu vermeiden, wo er vermeidbar ist. Ebenso müssen wir die bestehende Infrastruktur den heutigen Anforderungen anpassen, besonders da, wo seit Jahren nicht mehr investiert wurde.

Ein Beispiel für intermodale Mobilität in Ludwigsburg: Ein neues Parkhaus im Westen der Stadt, nahe der A81 und der hoffentlich bald reaktivierten Bahnlinie nach Markgröningen gelegen, das Menschen animiert, ihr Auto abzustellen und sich mit dem ÖPNV, zu Fuß oder einem Leih-Fahrrad oder -Pedelec weiter fortzubewegen. (s. https://www.fdp-ludwigsburg.de/2020/09/28/stefanie-knecht-fdp-fordert-pr-stadtrandparkhaus-west/).

Diese Idee fand eine breite Unterstützung im Gemeinderat, leider nicht in der Grünen-Fraktion.

Aber gerade die Schaffung solcher neuer Mobilitätsdrehscheiben mit attraktiven Anschlussmöglichkeiten regen zum Umsteigen an und verringern, wie weitere Quartiersgaragen ebenso, innerstädtischen (Parksuch-)Verkehr. So können wir Raum für neue Trassen, z.B. Fahrradwege, schaffen.

Vernunftsorientierte, nachhaltige Verkehrspolitik, unterstützt von digitalen Mobilitäts-Apps und Sharing-Angeboten, nimmt den Menschen mit und regt sie zum Neudenken an.

Es bedarf allerdings auch regionale und -überregionale Maßnahmen, um durchfahrenden Verkehr in Ludwigsburg zu reduzieren, wie z.B. eine Nord-Ost-Umfahrung nach dem Alternativkonzept „Landschaftsmodell Nord-Ost-Ring“ als Tunnelvariante (https://www.landschaftsmodell-nordostring.de), die Pendler landschafts- und umweltschonend an unserer Stadt vorbeiführen.

Zudem hat sich der schienengebundene Verkehr seit 2011, dem Amtsantritt des grünen Verkehrsministers, nicht spürbar verbessert. Viele Verspätungen, hohe Ticketpreise und unzureichende Zusammenarbeit der Verkehrsverbünde steigern nicht die Attraktivität. So sind grüne Kollegen, auch im Stadtrat von Ludwigsburg, gegen eine schnelle Reaktivierung der Markgröninger Linie, die eine hohe Auslastung verspricht. Was den Schienen-Güterverkehr betrifft, stellen wir ebenfalls keinerlei Steigerung fest – die Straße ist auch hier nach wie vor attraktiver. Eins ist klar: wenn man die Verkehrswende möchte, dann muss man an vielen Rädchen drehen, nicht nur Dieselfahrverbote aussprechen und Autofahrer weiter gängeln.

Zudem brauchen wir mehr Mut für Innovationen und müssen Arbeitsplätze, Wohlstand und Klimaschutz zusammen denken!

Die einseitige Fokussierung auf Elektromobilität und Abkehr vom Verbrennungsmotor kostet Tausende von Arbeitsplätzen. Die technologieoffene Weiterentwicklung von Verbrenner, Batterieelektrik und Brennstoffzelle sind Voraussetzung zur Erreichung festgelegter Klimaziele. Elektroautos alleine schaffen das nicht. Ein klares Bekenntnis zum Verbrennungsmotor auf Basis synthetischer Kraftstoffe und Wasserstoff ist das Gebot der Stunde.

„E-Fuels“ sind z.B. synthetische Kraftstoffe, die mithilfe von Öko-Strom, Wasser und CO2 aus der Atmosphäre hergestellt werden. Sie setzen im Gegensatz zu fossilen Kraftstoffen kein zusätzliches CO2 frei. Dieser klimaneutrale Treibstoff kann in sämtliche Verbrennungsmotoren eingesetzt und über das vorhandene Tankstellennetz vertrieben werden. Somit können mit E-Fuels Verbrennungsmotoren klimaneutral betrieben werden! Ganz sicher ist: ohne CO2-neutrale synthetische Kraftstoffe werden die Pariser Klimaziele nicht erreicht.

Lassen wir die Tüftler aus dem Ländle technologieoffen forschen und neue Produkte entwickeln, die wir in die Welt exportieren. Das erhält Arbeitsplätze und sichert unseren Wohlstand.

Info: 

Stefanie Knecht, FDP Kandidatin der Landtagswahlen 2021 im Wahlkreis 12 Ludwigsburg, Stadträtin und Mitglied im Ausschuss „Mobilität, Umwelt und Technik.

“Masken und Menschen” – Ein Gastbeitrag von Joachim Kölz

Die Corona-Pandemie hat innerhalb weniger Monate unser Leben, so wie wir es gewöhnt waren, wie wir es geliebt haben, auf den Kopf gestellt. An die leider notwendigen Einschränkungen unseres täglichen Lebens haben sich zumindest die meisten von uns gewöhnt – auch wenn ein Lebensmitteleinkauf oder eine Shoppingtour mit Maske weniger Spaß macht – und ich meinen Kolleginnen und Kollegen auf den Fluren im Rathaus gerne ins (ganze) Gesicht schauen würde, um zu sehen, ob Sie ein Lächeln oder Probleme mit sich herumtragen. Und ein Jahr fast ohne Urlaubsreisen und mit weniger Besuchen in Restaurants, Bars, Clubs und Kneipen schont zwar das Portemonnaie, hebt aber gerade beim jetzigen herbstlichen Schmuddelwetter die Stimmung nicht ins Unermessliche.

Und trotzdem müssen wir uns alle darauf einstellen, dass der Spuk noch lange nicht vorbei ist, dass die neuen Regeln notwendig sind und diese, wenn wir einen zweiten Lockdown vermeiden wollen, umgesetzt werden müssen. Wir alle dürfen, zum Schutz unserer Mitbürgerinnen und Mitbürgern, nicht nachlassen in unserem Bemühen, diese Einschränkungen mitzumachen – und müssen sie auch mittragen und für ihre Notwendigkeit werben. Die gerade auf uns zurollende zweite Infektionswelle zeigt uns schmerzlich auf, dass wir nicht zu schnell wieder in alte Verhaltensweisen zurückfallen dürfen, weil das Virus dann genauso schnell wieder die Krankenhäuser füllen wird – auch mit schweren Fällen und tödlichen Verläufen.

Menschlichkeit heißt in diesen Zeiten, zuerst an die Mitmenschen zu denken und erst in zweiter Linie an sich selbst, gerade diejenigen zu schützen, die eine Infektion nicht so leicht wegstecken werden, vor allem die alten und kranken Menschen, die jetzt unseren besonderen Schutz brauchen. In den letzten Jahren hat der Egoismus in unserer Gesellschaft spürbar zugenommen – vielleicht hilft uns Corona dabei, wieder mehr an andere zu denken als an uns selbst.

Gerade deshalb muss es uns gelingen, dieses neue Leben mit dem Coronavirus auch zu einer neuen Normalität werden zu lassen. Wir alle werden noch viel mehr als bisher lernen müssen, mit den Einschränkungen, die die Pandemie von uns verlangt, in unserem Alltag umzugehen und unser Leben um diese Regeln herum ein Stück weit neu zu erfinden. Dazu gehört auch, dass wir uns – immer unter Beachtung der Regeln, der Abstände, der Hygiene – nicht verstecken müssen. Unsere Kommunen und unsere Wirtschaft brauchen auch in Pandemiezeiten Menschen, brauchen Kunden, brauchen Mitarbeiter und brauchen auch Konsumenten, die aktiv sind. Die in der Gemeinschaft mit ihren Familien und ihrem Umfeld eine neue Normalität gestalten und weiter am öffentlichen Leben teilhaben, sich einbringen und sich engagieren. Nur dann wird es auch gelingen, in der vermutlich noch viele Monate dauernden Phase coronabedingter Restriktionen unser Gemeinwesen und unsere Wirtschaft am Leben zu erhalten. Denn beides muss sein – und darf sich auch nicht ausschließen: Einerseits die nötige Vorsicht und ein andererseits ein Leben, das sich nicht nur im Wartestand auf einen Impfstoff befindet.

Gerade für unsere vor Kraft strotzende Region Stuttgart mit ihren starken Städten und Gemeinden ist es dabei eminent wichtig, dass ihre Bewohnerinnen und Bewohner zu dieser neuen Lebensweise finden, die sie trotz allem glücklich und zufrieden macht – lassen Sie uns gemeinsam versuchen, diese vielen kleinen Schritte zu machen, die es braucht, um dem Virus, wenn wir es schon nicht von heute auf Morgen besiegen können, zwar mit viel Respekt, aber auch mit Selbstvertrauen, mit der nötigen Ruhe und Gelassenheit und manchmal auch mit einem Augenzwinkern zu begegnen.

Und wenn dann ein lautes Lachen unter der Maske die Brille beschlagen lässt, ist es allemal besser als ein griesgrämiges Dreinschauen ohne das Stück Stoff vor Mund und Nase!

Militärischer Standortübungsplatz bedroht Nachsorgeklinik in Tannheim

Ein Gastbeitrag von Günther Przyklenk – 1. Vorsitzender Förderverein der Deutschen Kinderkrebsnachsorge

Seit 30 Jahren gibt die Nachsorgeklinik Tannheim Familien mit schwer chronisch kranken Kindern neue Kraft und Hoffnung. Sie bietet familienorientierte Rehabilitationen bei krebs-, herz- oder mukoviszidoseerkrankten Kinder einer Familie.  Allein aus dem Landkreis Ludwigsburg waren es 300 Menschen, die im letzten Jahr in Tannheim Unterstützung erhielten.

Im April 2019 fand in der Ludwigsburger Musikhalle erstmals eine Benefizveranstaltung zugunsten der Nachsorgeklinik Tannheim statt. Schirmherr war der damalige Ludwigsburger Oberbürgermeister Werner Spec.

Wie schon 2019 benötigt die Nachsorgeklinik in Tannheim auch aktuell die Unterstützung der Ludwigsburgerinnen und Ludwigsburger. Wenn es nicht so Ernst wäre, müsste man eigentlich über diese Geschichte laut lachen.

Bewusst haben sich die Verantwortlichen der Klinik vor 30 Jahren für den Standort inmitten des Schwarzwaldes entschieden. Die Ruhe, Abgeschiedenheit sowie die Luftqualität waren ausschlaggebend für die Ansiedlung in der Umgebung vom verkehrsgünstig gelegenen Villingen-Schwenningen. Denn die betroffenen Familien benötigen eine Oase der Ruhe und Begegnung, um nach den schweren Krankheitsverläufen wieder als Familie ins Leben zurückzufinden.

Vor wenigen Wochen platzte jedoch eine „Bombe“ im friedlichen Tannheim. Fast schon dem Zufall ist es zu verdanken, dass man von den Planungen der Bundeswehr erfuhr, nur wenige Kilometer von der Klinik entfernt einen neuen Standortübungsplatz einzurichten. Es sollte wohl eine weitgehend geheime Operation bleiben, denn Baumaßnahmen der Bundeswehr werden üblicherweise nicht öffentlich diskutiert. Die Bevölkerung wird meist mit Tatsachen konfrontiert.

Das sehen die Verantwortlichen der Klinik aber nicht so und riefen eine Petition ins Leben, um diesen Standortübungsplatz zu verhindern. Zumal das geplante Gelände eine Naturschutzzone ist und im besonders geschützten Bereich des „Naturpark Südschwarzwald“ liegen würde.

Mehr als 30.000 Unterstützer haben aktuell bereits die Petition unterschrieben, die an Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer und den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages gerichtet ist. Um den Unmut über diese militärische Planung nachhaltig zum Ausdruck zu bringen, strebt man 50.000 Unterschriften an. Deshalb erhofft sich die Klinikleitung von den Leserinnen und Lesern von Ludwigsburg24 weitere Unterstützung. Wenn auch Sie mithelfen wollen, den Standortübungsplatz zu verhindern, können Sie mit nachfolgendem Link zur Petition der Nachsorgeklinik gelangen.

LINK: Petition für Nachsorgeklinik

Der Link kann natürlich kopiert und an Freunde und Bekannte weitergeleitet werden. Auch die Sparda-Bank hat in den letzten Tagen mit einem Aufruf bei Ihren Kunden dafür gesorgt, dass weitere 6.000 Unterschriften von Kundinnen und Kunden hinzukamen.

Inzwischen gibt es mehr als 6.800 – zum Teil – harsche Kommentare in der Petition zu den Planungen der Bundeswehr. Hier ein Beispiel:

„Die Neueinrichtung eines Standortübungsplatzes dieser Größe in bis dato militärisch ungenutztem Gebiet ist im Jahr 2020 nicht mehr zeitgemäß und völlig unangebracht. Noch absurder wird das Ganze, da bereits vor der Entscheidung zur Schließung des Standorts Immendingen (inklusive adäquatem Übungsplatz) klar war, dass für den Standort Donaueschingen dann keine ausreichenden Übungsmöglichkeiten im Umkreis mehr vorhanden sein würden. Es war jedoch politischer Entschluss Immendingen trotzdem aufzugeben und das Gelände an Daimler zu verkaufen. Jetzt muss die Politik auch die schmerzhafte Konsequenz gehen und den mittlerweile rein nationalen Bundeswehrstandort Donaueschingen aufgeben…“

Dieser beispielhafte Kommentar verdeutlich, welche militärischen Fehlplanungen jüngst in dieser Region geschehen sind. Die Klinikleitung legt allerdings großen Wert auf die Feststellung, dass diese Initiative sich nicht gegen die Bundeswehr im Allgemeinen richtet und Ihrer Aufgabe, für Recht, Frieden und Freiheit zu sorgen. Vielmehr steht die Petition für die nicht nachvollziehbare aktuelle Standortplanung gegenüber von Tannheim. Die Auflösung des Standortübungsplatzes im nahe gelegenen Immendingen im Jahr 2016 führt nun zu dieser unsäglichen Neuplanung. Und dass, obwohl aktuell in Meßstetten sowie in Stetten am kalten Markt genügend Übungskapazitäten vorhanden sind.

Wenn auch Sie die Petition unterstützen wollen, freut sich die Nachsorgeklinik in Tannheim sehr darüber.

E-Mobilität: Neue Chancen für die Zukunft

Eine Gastkolumne Kolumne von Daniel Haas

In kaum einem Bereich werden wir in naher Zukunft die Veränderung durch neue Technologien so sehr erleben können wie im Bereich der Mobilität. Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist die Automobilbranche in Deutschland in heller auf ruhe. Die Art, wie wir von A nach B kommen, wird sich in den nächsten zehn Jahren grundlegend ändern.

Bedingt durch Faktoren wie den Klimawandel und die erhöhte Luftverschmutzung ist eine weitere Nutzung fossiler Brennstoffe für die Mobilität bereits heute nicht mehr zu verantworten. 2025 wird Norwegen als eines der ersten Länder Neuzulassungen stoppen. China will die Anzahl der zugelassenen Benziner ab sofort jährlich reduzieren. An der Stelle vom Verbrennungsmotor treten elektrisch betriebene Fahrzeuge, mit Batterie oder mit Wasserstoffzellen.

Die Auswirkungen, die die Elektrifizierung der Autos auf den gesamten Automobilsektor haben wird, damit auch auf den Wirtschaftsstandstandort Baden-Württemberg möchte ich mit einem „einfachen“ Beispiel näher erklären: Ein Verbrennungsmotor hat über 1.000 bewegliche Teile. Eine Reihe spezialisierter Zulieferer produziert vom Anlasser bis zur Zündkerze alle Einzelteile. Ein Elektromotor hingegen besteht aus rund 20 Teile. Wenn Elektroautos den Verbrennungsmotor verdrängen, bricht der Markt der Zulieferer weg, ein Fundament des deutschen Mittelstandes.

Auch der deutsche Staatshaushalt wird dadurch betroffen sein. Über die Energieabgabe nimmt der Staat rund 40 Mrd. Euro pro Jahr ein. Fast 90% der Energieabgaben stammen aus dem Verkauf von Diesel und Benzin. Die Abgabe eines Elektroautos schlägt mit 0,30 Euro pro 100 km zu Buche – bei einem Benziner beträgt diese rund 4 Euro.

Für Stromproduzenten sehen die Zeiten besser aus. Das bedeutet aber zugleich, dass dringend aufgestockt in CO2- neutrale Stromproduktion und ein stärkeres Netz investiert werden muss.

Ein positiver Effekt, von dem alle profitieren werden, ist die Verbesserung der Luftqualität in den Städten. Die Vorteile der Elektromobilität greifen insbesondere dort, wo Strecken mit Elektroantrieb planbar zurück gelegt werden können. Der Stadtbus, der jeden Tag x-mal auf der selben Strecke verkehrt, aber auch der Bagger oder die Raupe auf der innerstädtischen Baustelle macht reichlich Sinn. Auch z.B. die Müllfahrzeuge, die wegen der Geräuscharmut außerhalb der Rush-Hour ihre Routen fahren können.

In einer Branche, die von so vielen Veränderungen beeinflusst wird, müssen die einzelnen Akteure ihr Geschäftsmodell anpassen oder sie werden vom Markt verschwinden. Die ersten Autobauer haben die Zeichen der Zeit erkannt und schwenken um. E-Autos sind nur der erste Schritt. In Reaktion auf das geänderte Konsumentenverhalten definieren manche Hersteller ihren Markt und ihr zukünftiges Geschäftsmodell komplett neu.

Wir stehen, gerade in Baden-Württemberg, vor der Herausforderung, wie die Transformation vom klassischen Autobauer umgesetzt werden kann, dabei Arbeitsplätze nicht verloren gehen bzw. langfristig gesichert werden und der Klimaschutz im Auge behalten wird. Gerade in der Region Stuttgart und Ludwigsburg findet man in jeder Kommune Unternehmen die direkt oder indirekt von der Automobilindustrie betroffen sind. Es wäre fatal diesen wichtigen Arbeitgebern bei der wirtschaftlichen Transformation, dem Wandel vom Verbrennungsmotor hin zur Elektrifizierten Mobilität, zu verlieren. Ein wirklicher Strukturwandel muss aktiv und konsequent gestaltet werden. Dies bewirkt einen Wandel der Arbeitsplätze. Um Arbeitsplätze langfristig zu sichern muss der Fokus auf das Umschulungs- und neue Ausbildungsangebot gelegt werden um zukünftige Fachkräfte auf diesen Wandel vorzubereiten.

Die wirtschaftliche Transformation gerade im Bereich E-Mobilität sollte uns keine Angst machen. Vielmehr sollten wir gerade jetzt die neuen Chancen der Zeit annehmen und aktiv in die Umsetzung kommen.

Information zu Daniel Haas

Der 32-jährige Familienvater lebt in Freiberg a.N.. Seit mehr als 14 Jahren arbeitet er in der Werbe- und Druckbranche. Der Marketingleiter und Berater für Unternehmenskommunikation, beobachtet ständig aktuelle Trends und Auswirkungen, gerade im Bereich des Mittelstandes. 2021 wird er für die SPD um ein Landtagsmandat im Wahlkreis Bietigheim-Bissingen kandidieren.

Reiner Pfisterer: “Die Rückkehr der Musik”

Ein Gastbeitrag von Reiner Pfisterer – Fotograf und leidenschaftlicher Verfechter guter Musik 

„Früher war alles besser, früher war alles gut.“ Diese Textzeile sang Campino schon 1986 im Stück Wort zum Sonntag – und wenn man die Situation der Kultur und der Kulturschaffenden betrachtet, kommt man sechs Monate nach dem Corona- Lockdown nicht daran vorbei, diesem Satz erst einmal komplett zuzustimmen.

Für Musikbands gab es in den letzten Jahren viele Möglichkeiten, live aufzutreten und damit auch Geld zu verdienen. Vor allem die Anzahl der Sommerfestivals stieg in den letzten Jahren stark an. Die Livebranche boomte, doch auf einen Schlag kam Mitte März die Vollbremsung.

Doch kurz zurück zu den Toten Hosen. Es ist zwar schon eine Weile her, dass ich die Düsseldorfer Punkrocker über viele Jahre hinweg intensiv bei Konzerten und Tourneen begleitete, doch manche Eindrücke sind so stark, als ob es gestern gewesen wäre. Darunter befinden sich auch zwei der eindringlichsten Konzerterlebnisse, die ich bisher erfahren durfte oder musste. Das eine war ein Wohnzimmerkonzert in Buenos Aires, bei dem auf 50 Quadratmetern 50 Besucher und 5 Musiker einen unvergesslichen Abend voller Lachen und grenzenlosem Spaß  hatten. Und dann gab es auf der anderen Seite den tragischen Tod einer jungen Frau beim tausendsten Konzert der Band vor vielen Jahren. Ein traumatisches Erlebnis für Band und Crew! Sie starb aufgrund des unglaublichen Gedränges zu Beginn des Auftritts im vorderen Bereich des ausverkauften Düsseldorfer Rheinstadions im Jahr 1997. Zwei extreme Konzertsituationen, die man sich aktuell kaum mehr vorstellen kann.

Wenn man genreübergreifend ein Synonym für die Situation bei Konzerten des Sommers 2020 sucht, dann ist es weder Körperkontakt, Schweiß noch Enge. Das Wort der Stunde ist Beinfreiheit. Konzerte finden mit Corona-Abstand im Sitzen statt. Das muss man als passionierter Pogotänzer nicht gut finden, aber es ist die neue Realität. Und je schneller wir uns alle mit der  neuen Situation arrangieren, desto leichter fällt es uns, das alles zu akzeptieren und gemeinsam das Beste daraus zu machen und nach vorne zu blicken.

Wer in der Musikbranche wartet, dass der Corona-Spuk endlich vorbei ist, der wird möglicherweise auf der Strecke bleiben. Kreative Konzepte sind mehr denn je gefragt. Zugleich ist die traurige Wahrheit, dass es zur Zeit fast unmöglich ist, mit Livemusik und Konzerten Geld zu verdienen. Sehr viele Veranstaltungen und Festivals sind nur durch staatliche Zuschüsse, persönlichen Enthusiasmus und Sponsoren überhaupt durchführbar. Das Gebot der Stunde ist es, sichtbar zu bleiben und zu zeigen, dass Kultur systemrelevant ist und damit aus unserem Leben – vor und mit Corona – nicht weg zu denken ist. Es lohnt sich, dafür zu kämpfen, dass die Strukturen, die das alles über Jahrzehnte ermöglichten, erhalten bleiben, denn sie sind die Lebensadern.

Die Initiative #alarmstuferot der Veranstaltungsbranche ist ein dramatischer Hilferuf. Unzählige Existenzen stehen auf dem Spiel.

Da ich seit 30 Jahren unter anderem als Musikfotograf arbeite, bin ich nah an der Branche und an den Nöten der Künstler und Veranstalter dran und natürlich bin ich als Fotograf auch direkt von der Absage vieler Festivals betroffen.

Nach kurzem Besinnen im Frühjahr startete ich mein Fotoprojekt DIE RÜCKKEHR DER MUSIK.  Seither dokumentiere ich im Großraum Stuttgart – meiner Heimat – wie sich die Livemusik ihren Platz und die öffentliche Wahrnehmung zurückholt: Konzerte auf Parkhäusern, in kleinen Zirkuszelten, in Autokinos oder auch nur gestreamt. Klassik in der ausverkauften Stuttgarter Liederhalle vor zugelassenen 99 Zuschauern. Chorproben unter einem Nussbaum, weil Singen in Räumen nur sehr eingeschränkt durchführbar ist oder Trommeln für Demenzkranke in einem Altenheim, da auch die wöchentliche Singstunde aus Sicherheitsgründen gestrichen wurde. Glückliche Senioren, die zu den Klängen von Helene Fischer auf die Trommel schlagen. Dieses Bild des Jahres 2020 wird mir für immer im Gedächtnis bleiben. So wie einst das Wohnzimmerkonzert in Buenos Aires.

In meinem Projekt Die Rückkehr der Musik geht es um die Liebe zur Musik und den unbedingten Wunsch, diese Liebe weiterzuleben.  Es geht nicht nur um die Nöte der Profis, sondern um Lebensqualität und diese ist für ganz viele von uns mit gemeinsamem Musizieren verbunden.

Ich bin mir sicher, dass es eine Zukunft gibt, in der wir wieder mit 15000 Menschen in der ausverkauften Schleyerhalle stehen, singen und feiern werden. Wann das ist, kann im Moment niemand prognostizieren. Doch dann werde ich meine Musikfotos aus der Coronazeit in einer großen Ausstellung zeigen und damit erzählen „was früher einmal war“.

Info:

Der Ludwigsburger Fotograf Reiner Pfisterer ist 1967 in Bietigheim-Bissingen geboren und startete seine Fotografenlaufbahn Anfang der 90er Jahre vorwiegend als Musikfotograf. Im Lauf der Jahre arbeitete er für Künstler wie Metallica,  Muse, Amy McDonald und die Rolling Stones.

Langzeitreportagen über die Jazz Open Stuttgart, die Brenz Band oder die TSG Hoffenheim, sowie Buch– und Ausstellungsprojekte zu gesellschaftlichen und sozialen Themen sind weitere Schwerpunkte seiner Arbeit.

Das Stuttgarter Kammerorchester begleitet er seit dem Jahr 2010 bei Konzertreisen im In-und Ausland. Das Buch „Gut gespielt ist nicht genug. Die Welt des Stuttgarter Kammerorchesters“ ist im August 2020 im Verlag Urachhaus erschienen.

Aktuell arbeitet er an der Serie „ Die Rückkehr der Musik“, einer Dokumentation über Konzerte  und Livemusik unter Corona-Bedingungen.

 

Michael Theurer: “75 Jahre liberaler Neuanfang – Lehren aus der Geschichte”

Ein Gastbeitrag des FDP-Landesvorsitzenden und -Bundestagsfraktionsvize Michael Theurer

September 1945: Deutschland liegt in Trümmern. Mit der Kapitulation Japans endete der Zweite Weltkrieg, Deutschland diskutiert bereits über Wiederaufbau. In Stuttgart bespricht eine kleine Gruppe, wie es nun weiter gehen soll. Einige waren vor der Machtergreifung in der liberalen Deutschen Demokratischen Partei gewesen, die Kriegsniederlage empfinden sie als Befreiung vom Joch der Nazi-Diktatur. Für die Gruppe um Wolfgang Haußmann und Reinhold Maier ist klar: Der erfolgreiche Aufbau eines demokratischen Deutschlands muss mit marktwirtschaftlichen und sozialen Prinzipien verknüpft und durch die Gründung von Parteien vorangetrieben werden. Nur so kann man Wohlstand und Frieden erreichen. Bereits am 18. September 1945 gründen sie die “Demokratische Volkspartei Groß-Stuttgart”, einen Tag nachdem die Amerikaner lokale Parteigründungen erlauben.

Die Bewegung erhält schnell Zulauf, so dass es bereits im Hungerwinter 1946 beim traditionellen liberalen Dreikönigstreffen in der ungeheizten Stuttgarter Oper zur Gründung der überregionalen Demokratischen Volkspartei (DVP) kommt. Gründungsvorsitzender wird der inzwischen dazu gestoßene Theodor Heuss. Dieser treibt die Gründung der FDP voran und wird am 12. Dezember 1948 ihr erster Vorsitzender, die DVP wird Landesverband der FDP. Dass es vom ersten Tag an wieder Menschen gab, die sich für den Aufbau einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung eingesetzt haben, war alles andere als selbstverständlich. Im Gegenteil ist es eine Besonderheit des Südwest-Liberalismus, dass seine Wurzeln tief und seine Sprösslinge immer da sind.

Nun ist Tradition aber nicht das Bewahren der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers. Viele der Themen und Ideale der DVP-Gründer sind auch heute, genau 75 Jahre später, noch relevant. Während Haußmann als Justizminister Baden-Württembergs gegen den anfänglichen Widerstand des CDU-Ministerpräsidenten und späteren Bundeskanzlers Kurt-Georg Kiesinger eine strafrechtliche Aufklärung der Nazi-Verbrechen durchsetzt, lehrte Heuss den Bürgern der jungen Demokratie den Pluralismus. Das geht gut zusammen: Auf dem Boden des Grundgesetzes müssen auch abstruse Meinungen diskutiert werden dürfen, darüber hinaus jedoch nicht. Da ist einiges verloren gegangen. Der antiautoritäre  Linksliberalismus, der einmal Grünen und intellektuelle Zirkel der SPD prägte, verblasst hinter Staatshörigkeit, Identitätspolitik, dem Glauben an die eine, eigene Wahrheit. Weil sich die offene Gesellschaft Stück für Stück verschließt und etwa Menschen, die das Problem einer Pandemie anders bewerten, aus dem Diskurs ausschließt, ja gar als Extremisten verächtlich macht, verliert gleichzeitig die Verächtlichmachung ihren Schrecken. Wer wegen Lappalien oder schlicht konservativen Positionen als Nazi bezeichnet wird, für den normalisiert sich diese Bezeichnung – und er verliert seine Immunisierung gegen die echten Feinde der Demokratie.

Es ist auch Reinhold Maier, dem ersten Ministerpräsidenten Baden-Württembergs, zu verdanken, dass die freiheitlich-demokratische Ordnung der jungen Republik und eine demokratische Streitkultur in breiten Bevölkerungsschichten Wurzeln schlagen konnten – er prägte für sein Politikbild “von unten” den Begriff Graswurzeldemokratie. Diese hat funktioniert, weil sie die zentrale Rolle des Mittelstands in der deutschen Gesellschaft anerkannte. Die Mehrheit der Deutschen arbeitet im Mittelstand: Sei es als Freiberufler, Handwerker und Selbständige oder als Angestellte bei einem der tausenden Hidden Champions. Durch den Mittelstand gibt es einen lebendigen ländlichen Raum, eine echte Wahlmöglichkeit für Arbeitssuchende und letztlich auch einen soliden gesellschaftlichen Zusammenhalt durch eine viel breitere Verteilung des Produktivvermögens. Doch den Mittelstand treffen Verbotspolitik und Bürokratie viel härter als einen Großkonzern. Eine Lehre aus den Anfangsjahren der Bundesrepublik muss auch sein, den Mittelstand wieder viel stärker in den Blick zu nehmen.

 

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