Jakob Novotny: “Wacht auf, liebe Schlafschafe!”

Ein Gastbeitrag von Jakob Novotny.

Ich bin ein freundlicher Mensch, und ich mache gerne Komplimente.

Unser politisches System “Demokratie“ zu nennen, wäre allerdings Lobhudelei.

Vor wenigen Wochen wurde Philipp Amthor der Tatsache überführt, dass er von einer dubiosen US-Firma, die ihre Datenzentren in den USA hat & der Bundesregierung Überwachungstechnik zur Gesichts, Objekt- & Spracherkennung anbieten wollte, Aktienoptionen im Wert von über 250.000 US-Dollar angenommen hat.

Ich will gar jetzt auch nicht zu sehr mit den Details langweilen. Es ist einigen bewusst, dass viele PolitikerInnen während und nach ihren Karrieren Kontakte und Gefälligkeiten an Banken und Konzerne verkaufen. Es ist also kein neues Phänomen, und es ist auch nicht auf die CDU, die viele junge Menschen mittlerweile “Club Deutscher Unternehmer” nennen, beschränkt.

Wieso das so ist?

Korruption in Deutschland ist legalisiert

Weil Korruption in Deutschland legalisiert ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat aufgrund einer Strafanzeige geprüft, ob Amthors Verhalten den Anfangsverdacht einer Bestechlichkeit und einer Bestechung von Mandatsträgern ergebe.

Das Resultat: Es lägen keine Erkenntnisse darüber vor, ob Amthor einen ungerechtfertigten Vorteil erhalten habe, weil “mandatsunabhängige Einkünfte grundsätzlich keine verbotenen Zuwendungen seien.“

Bedeutet in einfacherem Deutsch:

Liebe PolitikerInnen, ihr habt freie Hand, euch während eurer Amtszeit so zu verhalten, dass Konzerne euch Summen in die Hand drücken, für die normale Beschäftigte Jahrzehnte brauchen, um sie zu verdienen.

Auf ein Bier mit Amthor

Ob ich ich Amthor persönliche Vorwürfe machen würde, wenn ich ihn auf ein Bier im blauen Engel treffen würde? 

Vielleicht, und ich hätte genug Gründe dafür. Aber ändern würde das nichts. Denn um echten Wandel zu erreichen, müssen bestehende Missstände benannt, Lösungen entwickelt und durch Engagement in sozialen und ökologischen Bewegungen in die Gesellschaft getragen werden.

Denn nicht nur einzelne PolitikerInnen, 5 der 6 Parteien im Bundestag nehmen Großspenden von Konzernen und Unternehmern an. So berichtet die gemeinnützige Organisation abgeordnetenwatch, die sich für mehr Transparenz stark macht, dass sich jedes Jahr unter anderem Wohnungs- Auto-, Tabak & Waffenkonzerne für die finanzielle Sicherheit der Parteien im Bundestag stark machen.

Ölkonzerne sponsern die CDU, Nestlé die Grünen, Wohnkonzerne die SPD

Dass diese Akteure überhaupt so einflussreich geworden sind, liegt an der Tendenz des Kapitalismus, der zu Oligopolen neigt und Konzernen eine große Macht über das Tagesgeschäft von Politikern verleiht, die alle vier Jahre wiedergewählt werden wollen.

Parteien werden dadurch zu Jobvermittlungscentern. Nur wer sich an vorgegebenes anpasst & mit den Mächtigen des Systems Allianzen eingeht, darf regieren. Der Kampf für Gerechtigkeit, eine intakte Umwelt und eine friedlichere Welt? Findet nur auf Wahlplakaten statt.

Dass die Partei der Grünen, die wegen ihrer Realpolitik zu Unrecht davon profitiert, dass junge Menschen monatelang freitags auf die Straße gegangen sind, nicht ausschließen will, mit der CDU zu regieren, die wie keine andere Partei in Deutschland für ein “weiter so“ steht, spricht Bände.

Die Bedürfnisse der Bevölkerung werden zeitgleich immer weniger erfüllt.

Während die 45 reichsten Haushalte in Deutschland soviel wie die unteren 40 Millionen der Bevölkerung besitzen, spricht sich eine Mehrheit dieser für bezahlbareren Wohnraum, eine Reform des Lobbyismus, den Rückzug der Bundeswehr aus Kriegsgebieten und ein Grundeinkommen aus.
Die politische Realität ist allerdings eine völlig andere und die Frage berechtigt: Wessen Interessen werden im Bundestag eigentlich vertreten?

Wessen Interessen vertritt der Bundestag?

Die Probleme unseres politischen Systems innerhalb einer Wirtschaftsform, die wegen ihrem Wachstumszwang eine massive Ungleichheit produziert & gleichzeitig unsere ökologischen Lebensgrundlagen gefährdet, lässt immer mehr Menschen unserer Gesellschaft auf der Strecke.

Darüber hinaus ist eine Gesellschaft, in der nichtmal mehr der Wohnraum sicher ist, während sich Altersarmut weiter manifestiert, ein willkommener Nährboden für rechte Populisten, Demokratiefeinde und Menschen, die sich nicht mehr zu helfen wissen.

Die Bewegung “Querdenken 711“ wird von dieser Orientierungslosigkeit, Unsicherheit und dem fehlenden Klassenbewusstsein eines zugegeben bislang kleinen Teils der Bevölkerung in einem hektischen, postfaktischen Zeitalter, getragen.

Während monatelang gegen eine vermeintliche Corona-Diktatur demonstriert wurde und immer noch wird, geraten wichtige Themen wie die Klimakrise, die massive Wohnungsnot, und das kommende Lobbyregister der großen Koalition, das nach Angaben von abgeordnetenwatch wieder eine Mogelpackung ist, in den medialen Hintergrund.

Nicht Ich. WIR.

Für echten Wandel, Freiheit und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen braucht es echte Demokratie & Transparenz, statt Kapitalismus und Korruption. Doch dafür braucht es Menschen, die sich in ihrem direkten Lebensumfeld zivilgesellschaftlich und gemeinsam mit anderen engagieren. Statt ausuferndem, auf scheinbarer Individualität basierenden Konsumismus brauchen wir eine Kultur der Solidarität & Kommunikation, sowie ziviles Engagement.

Politik wird dadurch legitimiert, dass es keinen Widerspruch des Souveräns, der Bevölkerung gibt. Ob dieser Widerspruch in Form von Bürgerjournalismus, kommunalem Engagement, der Mitgliedschaft in Gewerkschaften oder der Teilnahme an systemkritischen Demonstrationen ist, bleibt natürlich jedem selbst überlassen – wichtig ist, dass wir uns gemeinsam unserer eigenen Wirkmächtigkeit bewusst werden und diese für uns und andere nutzen.

 

Info:

Jakob Novotny, 27, der sich nach eigenen Angaben gegen Korruption, Wohnungsnot und für Klimagerechtigkeit engagiert, ruft seine Mitbürgerinnen und Mitbürger auf, sich stärker zivilgesellschaftlich einzubringen und in den politischen Prozess zu involvieren.
Berufspolitik und die aktuelle Form der Parteiendemokratie werden laut ihm in unseren aktuellen Zeiten nicht ausreichen, um die Gesellschaft zusammenführen um die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts meistern zu können.

Wie wichtig sind Kultur und Unterhaltung in diesen Zeiten?

Eine Gastkolumne von Thorsten Strotmann – Magier. Entertainer. Kulturunternehmer.

Humor ist die beste Medizin und stärkt unser Immunsystem. Menschen sind soziale Wesen, die den Kontakt zu anderen Menschen brauchen. Live-Unterhaltung ist etwas völlig anderes, als sich durch TV und Internet berieseln zu lassen. Vor allem in Krisenzeiten war Unterhaltung wichtig und hat bestens funktioniert. Wir haben mit Covid-19 ein neues Virus, allerdings gab es schon immer ebenso gefährliche Viren. Manche haben große Angst und reagieren fast schon panisch, was ungünstig für das Immunsystem ist. Andere haben einen neuen Fokus auf ihre Gesundheit, was sehr gut ist. Fragen, die auftauchen sind: Ist es momentan in Ordnung, Theater zu besuchen? Was wird und was muss sich in der Kulturszene ändern?

Manchen Theatern sind Sicherheitsmaßnahmen sehr wichtig und sie setzen diese um. Wir haben viel Geld investiert und alles Corona-gerecht umgebaut. Ohne Störgefühl oder Sichtbeeinträchtigung.

Ich glaube, dass die Kultur- und Veranstaltungslandschaft umdenken muss. Sich auf Hilfspakete vom Staat zu verlassen oder gar dafür zu demonstrieren, halte ich für kontraproduktiv. Wie lange sollen diese Hilfen gehen? Wem soll man helfen und mit wie viel? Was ist mit anderen, ebenso betroffenen Branchen? Außerdem erschafft der Aufschrei nach Hilfe Hilfsbedürftigkeit.

Die Coronakrise fungiert wie eine Lupe, die aufzeigt, was vorher schon nicht gut funktionierte. Die Probleme werden sichtbarer. Aber ich möchte nicht alles über einen Kamm scheren. Es gibt natürlich auch Schicksalsschläge.

Ich sehe mich als Kulturunternehmer, und trotzdem war ich niemals ein Freund von Subventionen. Subventionen verwässern den Markt und damit die Preise. Durch Subventionen wurden Preise verlangt, mit denen man ohne die Subventionen nicht hätte überleben können. Manche Bühnen konnten trotz der Zuschüsse kaum überleben. Allerdings dürfte einer der Gründe darin liegen, dass keine Rücklagen gebildet wurden. Ebenso ist kaum Geld für notwendige Umbauten vorhanden. Das fliegt jetzt vielen zusätzlich um die Ohren. Andere, die keine Subventionen bekommen haben, haben sich an den Preisen von subventionierten Bühnen orientiert und nicht das Geld verlangt, was es eigentlich hätte kosten müssen. Aus Angst, dass niemand kommt, weil es im Vergleich zu den Mitbewerbern zu teuer ist. Ein Teufelskreis.

Hier muss es ein Umdenken geben. Qualitativ hochwertige Shows und Unterhaltung haben ihren Preis. Wir brauchen dafür Unternehmer mit frischen Ideen, die zudem in der Lage sind, eine lukrative Preisgestaltung umzusetzen. Dadurch kann ein Puffer aufgebaut werden, und mit diesem kann in Krisenzeiten gewirtschaftet werden.

Wahrscheinlich werden viele Künstler, Kulturschaffende, Theater- und Veranstaltungsbetriebe pleitegehen. Der Staat kann nicht alle retten, und das ist auch nicht seine Aufgabe. Der Staat ist keine Versicherung.

Der Staat sind wir, die Bevölkerung. Wenn die Bevölkerung Interesse daran hat, dass Kultur und Live-Unterhaltung wiederaufleben und Künstler wie Theater überleben, dann sollten alle, auch Sie und ich aufstehen und die Unterhaltungsangebote, die mit dem notwendigen Sicherheitskonzept versehen sind, wahrnehmen. Dazu ist es wichtig, sich selbst (und andere) angemessen zu schützen und diejenigen zu unterstützen, die bereit sind, neue und kreative Wege zu gehen. Nur so ist die Kultur-Krise solidarisch und gemeinsam zu meistern.

Hintergrundinfo: Thorsten Strotmann hat zusammen mit seiner Frau Claudia Strotmann vor 11 Jahren die Strotmanns Magic Lounge im Römerkastell Stuttgart eröffnet. 

Regelmäßig, ehrlich und empathisch: Drei Regeln für erfolgreiche Krisenkommunikation

Eine Gastkolumne von Jacqueline Schäfer – Präsidentin des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS)

Als soziale Wesen ist für uns eine gelungene Kommunikation Voraussetzung für eine funktionierende Gesellschaft. Das wird vor allem in Krisensituationen deutlich. Denn hier kann die richtige oder falsche Ansprache schnell existentiell werden.

Gerade die Corona-Krise hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, einerseits überhaupt die Ansprache zu suchen, andererseits den richtigen Ton zu treffen. Das betrifft die politisch Verantwortlichen genauso wie Vertreterinnen und Vertreter der Wissenschaft oder Führungskräfte in Unternehmen. So unterschiedlich deren Aufgaben und Positionen sein mögen: Sie alle benötigen Rückhalt, um handeln zu können. Eine Grundvoraussetzung dafür ist Vertrauen.

Wer in der Krise Unterstützung will, muss in guten Zeiten die Grundlagen dafür schaffen

Ein zentraler Fehler, den beispielsweise viele Menschen in verantwortlichen Positionen machen, ist, in guten Zeiten auf präventive Maßnahmen zu verzichten. Immer wieder wird damit argumentiert, dass es nicht nötig sei, in Krisenkommunikation zu investieren, schließlich stehe man gut da. Doch Prävention ist die beste Investition, will man von echten Krisen nicht kalt erwischt werden. Was also gilt es zu bedenken?

Regel Nummer eins ist so einfach wie anscheinend schwer zu befolgen: „Kommuniziere regelmäßig!“. Gemeint ist hierbei nicht ausschließlich die Kommunikation nach außen, sondern vielmehr die interne Kommunikation. Eine Vorstandsvorsitzende oder ein Geschäftsführer, die das ganze Jahr für die eigene Belegschaft nicht sicht- oder vernehmbar sind und lediglich zu den Leuten sprechen, wenn es unangenehme Dinge zu verkünden gilt, können schwerlich Vertrauen aufbauen, geschweige denn in schwierigen Situationen auf die Motivation der Mitarbeiter hoffen. Im Gegenteil: Allein die Ankündigung einer Unterrichtung löst schon Ängste und Misstrauen aus. Werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter jedoch regelmäßig – allerdings nicht inflationär – von den Führungskräften unterrichtet über gute und schlechte Entwicklungen, dann trägt dies zur Transparenz bei – ein Zeichen von Respekt gegenüber den Mitarbeitern. Der schlimmste Fehler, den ein Unternehmen oder eine Institution machen kann, ist, zunächst die Öffentlichkeit zu informieren. Ob Deutsche Bank oder Remstal-Werkstätten – über Arbeitsplatzabbau oder Lohnkürzungen haben die Betroffenen aus der Zeitung erfahren. Ein Unding.

Dabei haben gerade während der Corona-Pandemie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den unterschiedlichsten Branchen viel Verständnis für die Situation der Unternehmen gezeigt. Dies geschah vor allem dann, wenn die Unternehmensleitung offen kommuniziert hat. Ohne zu beschönigen und ohne zu dramatisieren. Und damit sind wir bei Regel Nummer Zwei: „Kommuniziere ehrlich!“

Nicht beschönigen, nicht dramatisieren

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder galt nie als ein deutschlandweiter Politstar. Und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte nach langer Amtszeit deutlich an Popularität eingebüßt. Das alles hat sich seit Corona verändert, Merkel und Söder sind nach wie vor laut Umfragen die derzeit beliebtesten Politiker, auch wenn Söder aktuell Einbußen wegen des Testdebakels hinnehmen muss. Ein Grund dafür ist deren Art der öffentlichen Kommunikation. Beide widerstanden der Versuchung, die Gefahr durch das Virus herunterzuspielen, Sicherheit vorzutäuschen oder zu dramatisieren.  Sowohl die Bundeskanzlerin als auch der bayerische Ministerpräsident sprachen in Reden und Pressekonferenzen immer wieder an, dass jede Entscheidung immer nach dem gegenwärtigen Stand der Erkenntnisse getroffen würde. Anders als beispielsweise Boris Johnson in Großbritannien, der zunächst die Folgen des Virus negierte, bekannten sich deutsche Spitzenpolitiker fast aller Parteien dazu, sich in einem permanenten Lernmodus zu befinden. Politik zu Pandemiezeiten bedeutet, auf Sicht zu fahren. Diese Ehrlichkeit zahlt sich aus: Nie war das Zutrauen in die Politik in Deutschland in den letzten Jahren höher als heute. Es zeigt sich, dass das Zugeben von Schwäche („Das ist das, was wir derzeit wissen, morgen kann es anders sein“ – „Die nächsten Wochen werden noch schwerer.“) gepaart mit dem Bemühen, das eigene Handeln zu erklären, statt nur etwas anzuordnen, vertrauensbildend wirkt. Dazu kommt das Befolgen von Regel Nummer Drei: „Kommuniziere empathisch!“ Gerade Bundeskanzlerin Merkel, bekannt für ihre eher zurückhaltenden und nüchternen Ansprachen, überzeugte durch Einfühlsamkeit: „Wir kennen Zuwendung als körperliche Nähe oder Berührung….Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge.“

Verständnis zu zeigen erleichtert es, das Notwendige zu fordern, auch wenn dies mit Härten verbunden ist. Empathie ist keine Schwäche, sondern das, was uns als soziale Wesen ausmacht. Das muss sich auch in der Kommunikation widerspiegeln. Gerade in der Krise.

Info: Jacqueline Schäfer ist Präsidentin des Verbands der Redenschreiber deutscher Sprache (VRdS). Die gelernte Journalistin lebt in Berlin und ist deutschlandweit als Medientrainerin, (Krisen)Kommunikationsberaterin und Ghostwriterin für Politik und Unternehmen tätig.

Call me by my name!

Eine Gastkolumne von Gülseren Şengezer

Sie weisen Rassismus weit von sich. Sie verurteilen ihn und würden niemals das N-Wort in den Mund nehmen oder die Straßenseite bzw. ihren Sitzplatz im Bus wechseln, wenn ein Schwarzer Mensch sich Ihnen nährt. Das ist prima! Rassismus fängt aber nicht erst mit diesen Verhaltensformen an und endet bei einem Polizisten, der auf dem Hals eines Schwarzen sitzt, während er dabei gemütlich seine Hände in die Hosentasche steckt. Rassistische Diskriminierung fängt schon viel früher an. Hier ein kleiner Test: Wann haben Sie sich das letzte Mal bemüht einen nicht-deutschen Namen richtig auszusprechen?

Ich heiße Gülseren Şengezer. Alle „R´s“ in meinem Namen müssten gerollt werden. Das „S“ in meinem Vornamen ist stimmlos, das „S“ in meinem Nachnamen müsste mit einer Cedille, einem Häkchen geschrieben – also „Ş“ – und dann wie ein „Sch“ ausgesprochen werden. … Sind Sie hier schon raus? Ist das zu viel des Guten? Zu viel Differenzierung? Ich würde sagen, das ist eine weit verbreitete Haltung weißer [1]  Menschen in Deutschland bei nicht-deutschen Namen keine Mühe zu zeigen, ihn richtig aussprechen zu wollen. Auch das ist rassistische Diskriminierung!

Ich habe die Verunglimpfung meines Namens schon so oft erlebt, dass ich irgendwann angefangen habe eine Liste darüber zu führen. Die phantasievollste Variante darunter war „Schöngießer“. Nun schreit der eine oder die andere gleich: Das Problem kennt eine Frau Leutheusser-Schnarrenberger oder eine Frau Kramp-Karrenbauer auch. Die Nachnamen der beiden Frauen enthalten objektiv betrachtet tatsächlich viele Buchstaben und stellen eine echte Herausforderung für den lingualen Muskelkörper aller Erdenbürger dar. Aber, diese Frauen sind weiße Frauen. Und werden ihre Namen falsch ausgesprochen, geht es um einen Versprecher, bei People of Color (PoC) [2]  geht es um Ignoranz und Arroganz.

PoC erleben in diesem Kontext auch immer ein Moment, das ähnlich wie Sexismus manchmal schwer greifbar ist, nicht eindeutig. Es schwingt unterschwellig im Raum und macht den Umgang damit schwierig: es ist dieses diskriminierende Moment, in dem das Gegenüber zu seiner eigenen Bequemlichkeit meinen Namen falsch ausspricht oder ihn sogar eindeutscht. Das alles ist ein Ausdruck von Privilegien [3] weißer Menschen, die diese gegenüber Menschen anwenden, die sie als „anders“ markieren. Bewusst oder unterbewusst sind sie der Auffassung, dass weiß die Norm ist.

Welcher Hans oder welche Annegret wird beim ersten Kennenlernen gefragt, ob er Hansi oder Anni genannt werden dürfe? Ich wurde ständig gefragt, ob ich einen Spitznamen hätte. „Gülseren“ sei zu lang. Ungefragt kamen sogleich die skurrilsten Vorschläge.

Diese Form der Diskriminierung ist kurz und schmerzvoll – wie der Stich einer Mücke, der schnell wieder abklingt. Innerlich ist der Impuls vorhanden, etwas dagegen sagen zu müssen, aber der diffuse Charakter der Erniedrigung macht es schwer eine adäquate Reaktion zu zeigen. Außerdem wird man als Person of Color früh konditioniert in migrantischen Fragen nicht aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen. Oft ist man es als PoC Leid mit solchen Menschen zu diskutieren. Ja, es macht müde, weil es Energie kostet. Wenn man sich doch darauf einlässt, gilt man als „anstrengend“ oder „hypersensibel“. Für PoC ist der Elefant im Raum deutlich zu sehen, auf dem groß „Diskriminierung“ steht.

Als ich während meiner Schulzeit im damals coolsten Mainzer Klamottenladen gejobbt habe, hat mein Chef mich eigenmächtig „umgetauft“! Gülseren war ihm zu kompliziert. Ich war für ihn nur noch die Ilse. Dessen nicht genug, hat er auch ständig das Lied von der Ilse Bilse, die keiner will, quer durch den Laden geträllert. Damals als Teenager fehlte mir der Mut, mich zu wehren und auch das Bewusstsein, dass mein Name Teil meiner Persönlichkeit ist und niemand das Recht hat, ihn zu verballhornen. Natürlich hatte ich auch Angst möglicherweise meinen Job zu verlieren.

Diese Herabsetzung zu decodieren hat lange gedauert. Rückblickend ist das Verhalten dieses privilegierten weißen Mannes nichts anderes als rassistische Diskriminierung und ein typisches Muster eines gesellschaftlichen Macht- und Herrschaftsverhältnisses von Weißen.

Wie ich schon eingangs geschrieben habe, geht es an dieser Stelle nicht um die Verhandlung des hässlichen weißen Rassismus, nicht um das offensichtlich Böse, sondern um die alltäglichen latenten Erniedrigungen. Die Verunglimpfung meines Namens mag harmlos erscheinen, in Relation zu schwerwiegenden Fällen von rassistischer Gewalterfahrung oder Diskriminierung bei der Job- bzw. Wohnungssuche, aber sie ist eine Variante davon.

Dennoch sind die Abwehrreflexe selbst darauf voraussehbar. Die Zweifler fühlen sich durch solche rassistischen Erfahrungsberichte stets angegriffen. Meine Schilderungen werden sicherlich als singuläre und subjektive Ereignisse abgetan. Noch schlimmer, sie zweifeln solche Erfahrungen oft an und versuchen reflexartig diese zu relativieren oder wollen keinen Zusammenhang zum „Anderssein“ erkennen. Die Soziologin Robin DiAngelo hat für diese ablehnende Reaktion den Begriff „white fragility” geprägt, was mit „weißer Zerbrechlichkeit“ übersetzt werden kann. Ein Blick in die Kommentarleisten zu Anti-Rassismus-Texten im Netz zeigt was DiAngelo damit meint.

Glaubhaft sind rassistische Erfahrungen für diese weißen Zweifler erst dann, wenn sie objektiv in Form von Zahlen oder Statistiken gemessen werden. Fakt ist: Bisher werden Studien zu Gleichstellungsdaten in Bezug auf Diskriminierung in Deutschland nicht erhoben. Deutschland sträubt sich bislang gegen die Erfassung seiner Bürger nach ethnischen Kriterien. Ein ganz aktuelles Beispiel für die institutionelle Abwehrhaltung einer Selbstreflexion offenbar die deutsche Bundesregierung. Sie möchte zurzeit den Rassismus in der Polizei wissenschaftlich nicht untersuchen lassen. Akademische Studien hinken der erlebten Wirklichkeit immer hinterher. Diskriminierung und Rassismus sind aber nicht nur wissenschaftliche Terminologien. Sie sind Praxis und alltägliches Handeln, denen PoC ausgesetzt sind.

Negieren führt also nicht weiter und löst kein Problem. Vielmehr müssten weiße Menschen anfangen ihre Perspektive zu wechseln und sich selbst auf den Prüfstand stellen und dabei den Blick auf ihr eigenes Weißsein richten. „Critical Whiteness“, die “kritische Weißseinsforschung” beschreibt Weißsein als übersehenes Privileg innerhalb des Rassimusdiskurses. „Critical Whiteness“ geht davon aus, dass People of Colour von Weißen als abweichend wahrgenommen werden. Weiß entspricht in diesem Konstrukt der Norm.

Wer Rassismus bekämpfen möchte, muss erkennen wie sehr er als Weißer der Nutznießer dieser Privilegien ist. Dieser Erkenntnisprozess könnte Unbehagen auslösen, denn es besteht die Gefahr, dass sie feststellen, dass es die Opfer von Rassismus nur gibt, weil es auch weiße Täter gibt.

Zurück zu meiner ursprünglichen Frage. Können Sie sie am Ende dieser Kolumne beantworten? Wann haben Sie sich das letzte Mal bemüht, einen nicht-deutschen Namen richtig auszusprechen? Ich selbst wurde sehr selten nach der richtigen Aussprache meines Namens gefragt. Das aber wäre ein guter Ausgangspunkt, um aus dem Elefanten eine Mücke zu machen.

 


[1] „Weiß“ hier kursiv geschrieben, bezieht sich nicht auf die Hautfarbe, sondern auf kulturelle und politische Konstruktionen, die im Kolonialismus als Norm etabliert wurden, mit dem Ziel, Privilegien der eigenen Gruppe und Rassismus zu legitimieren.

[2] People of Color (Singular: Person of Color) ist eine selbst gewählte Bezeichnung von Menschen, die sich als nicht-weiß definieren. PoCs verbindet ihre Rassismus- und Ausgrenzungserfahrungen seitens der Mehrheitsgesellschaft und die kollektive Zuschreibungen des „Andersseins“.

[3] Dieser soziologische Begriff beschreibt die Kultur weißer Gesellschaften, in denen ständig Signale ausgesendet werden, dass weißdie menschliche Norm sei, quasi ein menschliches Ideal. Nicht-weiß entspricht in dieser Konstruktion einer Abweichung von diesem Ideal. Das weiße Privileg als „normal“ wahrgenommen zu werden manifestiert sich im Alltag, z. B. bei der Job- oder Wohnungssuche, in Schulen bzw. auf der Arbeit oder im öffentlichen Raum. Hier werden privilegierte Weiße nicht mit stereotypen Zuschreibungen, verweigerten Zugängen oder diskriminierendem Verhalten konfrontiert. Privilegierte müssen sich mit Diskriminierung und der daraus folgenden Ungerechtigkeit erst gar auseinandersetzen.

ZUR PERSON:

Gülseren Şengezer ist eine deutsch-schwedische Filmemacherin und Journalistin mit kurdischen Wurzeln.

Geboren 1974 in Tunceli in der Türkei, zog sie mit ihrer Familie im Alter von 6 Jahren nach Deutschland. Ihr Studium der Pädagogik, Psychologie und Soziologie schloss sie im Jahre 2000 ab. Im selbigen Jahr bis 2013 arbeitete Gülseren Şengezer als Redakteurin beim Zweiten Deutschen Fernsehen (ZDF) in Mainz.

  • 2010 erhielt sie für ihre Dokumentation „Die Brandkatastrophe von Ludwigshafen: Das Leben danach“ den Mainzer Journalistenpreis.
  • 2013 wechselte Gülseren Şengezer erneut ihren Lebensmittelpunkt und zog in die schwedische Hauptstadt Stockholm.

 

„Wer ist hier eigentlich der Chef hier bei den Grünen?

Eine Kolumne von Swantje Sperling, Gemeinderätin der Stadt Remseck am Neckar, Sprecherin des Kreisvorstands der BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN im Landkreis Ludwigsburg

„Wer ist hier eigentlich der Chef hier bei den Grünen?“ – Ich stehe dem Fragenden, immerhin einem politischen Mandatsträger, etwas ratlos gegenüber: „Wie meinen Sie das?“ Antwort: „Naja wer ist denn der Vorsitzende der Grünen im Kreis?“.
Der Groschen fällt: „Bei uns nennt sich das Sprecher*in. Wenn Sie das mit Chef meinen, dann bin ich das.“

Eine Erfahrung, die so keiner meiner Vorgänger, die hier ihre Gedankensplitter veröffentlichen durften, mit mir teilt. Das ist erklärlich. Wenn sie danach gefragt werden, wer denn hier der Chef, der Abgeordnete oder der Entscheidungsträger ist, dann sind es die Herren ja meist sie selbst. Sie erleben weitaus seltener Diskriminierung, auch keine sprachliche.

Empfindsamkeit für Ungerechtigkeit entsteht meist, wenn man sie selbst erlebt oder zumindest nachfühlen kann. 75 Prozent der systemrelevanten Berufe  – vom Gesundheitswesen über die Altenpflege und den Einzelhandel bis zur Kita – werden von Frauen ausgeübt, meist massiv unterbezahlt. Das hat viele Gründe, wird aber trotz des öffentlichkeitswirksamen Klatschens nicht wirklich bekämpft. Für mich liegt einer der Gründe in der mangelnden Repräsentanz der Frauen in unseren Parlamenten. Dort, wo die Rahmenbedingungen für gerechte Entlohnung und die Aufwertung von Berufsgruppen unter anderem gelegt werden. Über drei Jahrzehnte waren männliche Abgeordnete in Bund und Land fast unter sich. Mehrheitlich ein Herrenclub – noch immer. Der Landtag von Baden-Württemberg ist das einzige deutsche Landesparlament, in dem noch nie ein Anteil von wenigstens 30% weiblichen Abgeordneten erreicht wurde. Keine gute Lobby für die 75 % hart arbeitenden systemrelevanten Frauen. Dabei möchte ich ausdrücklich nicht, dass Geschlechtergerechtigkeit alleine den Frauen als Thema überantwortet wird. Weibliche Repräsentanz alleine bedeutet nicht automatisch eine geschlechtergerechte Politik. Die politischen Führerinnen der Welt, von Margaret Thatcher bis Angela Merkel, machen es vor – auch als Frau kann man geschlechterspezifische Problemlagen ignorieren

Was hier zu tun ist – nicht weniger als ein gesamter struktureller Wandel. Im Denken wie im Handeln. Vor allem im Bereich der bezahlten wie auch unbezahlten (da privaten) Care-Arbeit, also des sich „um Andere Kümmerns“.

Jegliches Handeln beginnt allerdings mit Sprache. Und diese Sprache bestimmt, wie wir unsere Umgebung und andere Menschen wahrnehmen und bewerten. Sie bestimmt unser Denken und unser Handeln, sogar unsere Körperbewegung. Und dabei sind Wörter nur die Spitze des Eisbergs – hinter einzelnen Ausdrücken konstruiert unser Gehirn einen ganzen Deutungsrahmen, der aus unseren Erfahrungen mit der Welt resultiert. Abhängig von unserer Wortwahl werden bestimmte Fakten und Realitäten hervorgehoben. Andere treten in den Hintergrund.

Ein konkretes Beispiel sind die Wörter „Klimawandel“ und „Klimakrise“. Eigentlich drücken sie das gleiche aus. Die Erwärmung unseres Klimas mit allen Konsequenzen. Doch mit zwei völlig unterschiedlichen Deutungsrahmen. Das Wort Wandel ist von jeher sprachlich neutral, im häufigeren Sprachgebrauch positiv besetzt. Ja, oft geschieht ein Wandel auch von selbst, ohne menschliche Einwirkung.
Das Wort „Krise“ ist hingegen nie positiv besetzt.

Was ich mir wünsche: dass wir unsere gesamte Sprachwahl überdenken. Und zwar nicht nur, wenn einzelne eine Freude daran zu haben scheinen, sich über Gendersternchen und eine vermeintliche Verschandelung der Sprache zu echauffieren. Vor allem, wenn sie zuvor selbst nicht durch besondere Spracheleganz aufgefallen sind. Wenn dies dazu führt, dass wir grundsätzlich über die Deutungsmacht von Sprache nachdenken – dann wäre diese Debatte ein Gewinn.
Es geht um unseren gesamten Sprachgebrauch und unseren Blick auf die Welt.
Blicken wir gemeinsam darauf!

Fabian Gramling: “Verbote retten das Klima nicht”

Eine Kolumne von Fabian Gramling, Landtagsabgeordneter der CDU

Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist verwundbar. Das wurde selten so deutlich, wie in der Corona-Pandemie. Volle Auftragsbücher und Vollbeschäftigung – das gehört erstmal der Vergangenheit an. Wir sind und bleiben in hohem Maße von unserem Export abhängig. Wenn Lieferketten nicht mehr funktionieren, die Binnennachfrage ausbleibt und der Export nicht anspringt, dann sind unsere Arbeitsplätze in großer Gefahr.

Die Corona-Krise hat die eine oder andere Schwachstelle in unserem Land aufgedeckt, aber auch positive Begleiterscheinungen mit sich gebracht. So sind beispielsweise große Teile unserer Gesellschaft in die digitale Welt katapultiert worden. Wir haben gesehen, was alles möglich ist und wir haben gesehen, wo wir nachsteuern müssen. In den kommenden Monaten und Jahren stehen wir vor großen und weitreichenden Entscheidungen. Es wird wichtig sein, dass wir die Weichen für ein modernes und nachhaltiges Leben stellen. Wir müssen mit viel Verstand heute dafür sorgen, dass unsere Kinder und Enkel morgen in einer liebens- und lebenswerten Welt aufwachsen können.

Im Jahr 2019 haben Klimaschutzbewegungen viele Bürgerinnen und Bürger in ihren Bann gezogen. Das ist verständlich, denn wer will denn kein klimaneutrales und nachhaltiges Leben für uns und unsere nachfolgenden Generationen? Doch zur Wahrheit gehört auch, dass es vielen in Zeiten von Wohlstand und Wachstum leicht fällt, über Verzicht zu philosophieren – solange es „die Anderen“ betrifft und wir weiter im Wohlstand unser Leben wie bisher genießen dürfen.

Wie so oft im Leben gibt es für das gleiche Ziel zwei grundverschiedene Wege, um dieses Ziel zu erreichen. Die einen predigen den Verzicht, fordern Verbote und den Staat zu drastischen Maßnahmen auf. Sie wollen die Marktwirtschaft aushebeln und freie Märkte nicht regulieren, sondern politische Preise aufrufen. Zusammengefasst: Sie wollen die Deindustrialisierung, die Abschaffung der Sozialen Marktwirtschaft und einen Systemwechsel in der Bundesrepublik.

Ich bin der Meinung, dass wir das große Ziel, effektiven Klimaschutz und die Rettung des Weltklimas, nicht erreichen, wenn wir alles verbieten. Sei es das Fliegen, der Verzehr von Fleisch oder das Autofahren. Ich stehe für einen anderen Weg ein. Ich will, dass wir mit Innovationen, mit technischen Lösungen, die Herausforderung der Gegenwart und der Zukunft meistern. In der Geschichte hat sich immer gezeigt: Innovation schafft Arbeitsplätze und sichert den Wohlstand jedes Einzelnen von uns. Umso wichtiger ist es, dass neben all den kurzfristigen Maßnahmen in den aktuellen Konjunktur-Paketen des Bundes und der Länder auch mittel- und langfristige Milliardenpakete für Technologie- und Innovationsförderung vorgesehen sind. Wenn wir unsere Standards und unsere Technologie auch in Zukunft in die Welt exportieren, dann können wir einen großen Beitrag für den weltweiten Klimaschutz leisten. Wir sind für viele Länder ein Vorbild – vor allem wegen unseren effizienten und nachhaltigen Innovationen. Im Sinne des Klimaschutzes muss das auch in Zukunft so bleiben!

Nachhaltiger Klimaschutz geht nicht mit Verboten, sondern indem wir unser Leben nachhaltiger und effektiver gestalten. Mit einem attraktiven Bahnangebot und Online-Videokonferenz bei der Arbeit werden wir die Zahl der Inlandsflüge reduzieren. Doch wir müssen uns auch darüber im Klaren sein, dass in jeder Minute weltweit über 1 Million Menschen im Flugzeug unterwegs sind – 24 Stunden am Tag, an 365 Tagen im Jahr. Wir retten das Weltklima also nicht, indem wir das Fliegen bei uns verbieten, sondern indem wir innovative Lösungen entwickeln, um das Fliegen klimafreundlich zu machen.

Verbote und Gängelungen vernichten Arbeitsplätze und Wohlstand. Das Weltklima retten sie aber nicht. Lassen Sie uns proaktiv nachhaltigen Klimaschutz machen – mit Innovation und Transformation, mit Mut, Optimismus und Technologieoffenheit, mit klarem Kompass und Verstand!

 

“Bei uns allen hat dieses Virus viel verändert”

Eine Kolumne von Steffen Bilger, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur und Bundestagsabgeordneter der CDU

Das Jahr 2020 wird uns als das Jahr der Corona-Krise noch sehr lange in Erinnerung bleiben. Bei uns allen hat dieses Virus viel verändert. Neben vielen negativen Folgen der Corona-Krise sehe ich auch ein paar positive Begleiterscheinungen: ein Mehr an Miteinander, für viele mehr Zeit mit der Familie und eine gewisse Entschleunigung. Berufsgruppen, welche bisher noch nicht so sehr im Vordergrund standen, haben endlich die gebührende Wertschätzung erfahren, sobald ihre “Systemrelevanz” entdeckt wurde. Zu meinen Aufgaben gehört, dass ich mich für die Bundesregierung um den Güterverkehr und die Logistik in Deutschland kümmere. Ohne die LKW-Fahrer hätten wir weder volle Regale im Supermarkt noch würden die Produktionsketten laufen. Auf der einen Seite haben die LKW-Fahrer in der Corona-Krise viel Dankbarkeit erfahren, auf der anderen Seite sah es im Alltag oft ganz anders aus. Deshalb habe ich mit anderen die Aktion “Logistikhilft” initiiert. Während viele WC-Anlagen für die LKW-Fahrer geschlossen wurden, haben wir neue mobile Anlagen errichtet, die auch zum Duschen genutzt werden können. Wir haben Schutzmasken organisiert und auch sonst einiges unternommen, um den Dankesworten Taten folgen zu lassen. Beispielsweise solche spontanen Reaktionen auf die Corona-Krise haben meinen veränderten Alltag seit März geprägt.

Wenn ich in meinen Kalender schaue, stelle ich fest, was uns alles dieses Jahr entgeht: “Pferdemarkt-Umzug – abgesagt”, “Eröffnungskonzert Schloßfestspiele – abgesagt”, “Tag der offenen Tür im Wahlkreisbüro – abgesagt”, “Schäferlauf – abgesagt”, “Weinlaube abgesagt” usw. Dadurch werden die Wochenenden für einen Politiker ungewohnt terminarm. Mir geht es aber so wie vielen Lesern sicher auch. Die ganzen schönen Feste fehlen. Für mich sind sie immer eine gute Gelegenheit “Volkes Stimme” aufzunehmen und natürlich gibt es dabei auch viele angenehme Begegnungen. Aber die Vernunft sagt uns: es ist besser so, solange wir noch keinen Impfstoff haben.

Auch in der politischen Arbeit, sowohl in den Parteien und Verbänden als auch im Bundestag, haben sich übliche Abläufe komplett verändert. Vorstands- /Ausschuss- / Fraktions- und Arbeitsgruppensitzungen finden plötzlich digital statt – und: es funktioniert! So schlecht sind wir dann doch wieder nicht bei der digitalen Infrastruktur. Bundestagssitzungen und Abstimmungen werden bis heute auf Abstand durchgeführt. Dies hat dem ganzen Parlament, aber sicher auch anderen Gremien einen Digitalisierungs-Schub verliehen, der auch über die jetzige Ausnahmesituation hinaus anhalten wird.

Corona wird erstmal bleiben – sichtbar und auch unsichtbar. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat im Zuge einer Regierungsbefragung im Deutschen Bundestag während der Hochphase des Lockdowns gesagt, dass “wir einander in den nächsten Monaten sicher vieles verzeihen werden müssen”. Die Maßnahmen und Entscheidungen, die die Politik seit Mitte März und bis heute getroffen hat, sind sowohl was die Einschränkungen von Wirtschaft, Gesellschaft und öffentlichem Leben als auch die finanzielle Belastung und Nachwirkungen für uns alle betrifft in dieser Form in der Bundesrepublik noch nie da gewesen.

Es gibt Pandemiepläne der Bundesregierung, aber trotzdem waren wir nicht optimal vorbereitet auf eine solche Ausnahmesituation. Die Sitzungen des Bundeskabinetts oder unserer Fraktion, an denen ich in der Krisenzeit teilnehmen durfte, werden mir immer in Erinnerung bleiben. Oft mussten Entscheidungen getroffen werden, obwohl unterschiedliche Experten völlig unterschiedliche Ratschläge gaben. Da hilft kein Zaudern und Zögern: wir sind schließlich gewählt, um zu entscheiden. Aus jetziger Sicht ziehe ich eine positive Bilanz unseres Handelns. Die Menschen in unserem Land haben gut mitgezogen, um die Folgen zu mindern. Aus Fehlern werden wir für die Zukunft lernen, aber noch haben wir einen weiten Weg zu gehen bis wir sagen können: die Corona-Krise ist beendet. Deshalb braucht es von uns allen auch weiterhin viel Vernunft, Rücksichtnahme und Geduld.

„Wir lassen uns nicht beirren!“

Eine Kolumne von Dr. Heinz-Werner Schulte, Vorsitzender des Vorstands der Kreissparkasse Ludwigsburg

Es wäre ein Leichtes, die Vielzahl von Herausforderungen ganz unterschiedlicher Natur en détail zu beschreiben, mit denen wir – wie alle Akteure der Finanzbranche – seit Langem zu kämpfen haben. Die umfassende Schilderung dessen würde allerdings den Rahmen dieses Beitrags sprengen. Darum will ich an der Stelle nur wenige Schlagworte nennen, um die komplexe Problemlage zu umreißen: Finanzkrise, Niedrigzinsen, ausufernde Bürokratie und Regulatorik, anhaltende Flutung der Märkte durch die Zentralbanken, rasante Digitalisierung, Protektionismus und drohende Handelskriege, wachsende politische Instabilitäten mit entsprechenden negativen Folgen für die Finanz- und Wirtschaftswelt.

Zu all den ohnehin schon bestehenden Problemen ist Anfang des Jahres ein neues, so noch nie gekanntes hinzugekommen: das Virus Corona. Der Kampf gegen das Virus und die von ihm verursachten immensen Folgeschäden hat erst begonnen. Auf sehr vielen Ebenen. Die Zäsur Corona hat nicht nur die Welt der Kreissparkasse in eine „davor“ und „danach“ geteilt. Das „Davor“ und „Danach“ betrifft die ganze Welt. Allein für die Bewältigung von Corona wird enorme Kraft benötigt und werden große Ressourcen gebunden. Auch und gerade in der Finanzwirtschaft. Davon ist die Kreissparkasse Ludwigsburg natürlich nicht ausgenommen.

Beim Blick auf die Problemlage vor dem Ausbruch der Pandemie sticht besonders die seit Jahren anhaltende Niedrigzinsphase ins Auge. Wir haben es mit einem Zinsniveau zu tun, das in der Historie seinesgleichen sucht. Daraus ergeben sich sowohl für die Finanzinstitute als auch für die Anleger Folge-Schwierigkeiten. Ein Ende scheint nicht abzusehen. Diese Entwicklung hat sogar zu punktuellen „Negativzinsen“ geführt. Gibt es einen Weg zurück aus diesem absurden Szenario? Nicht wenige Experten fragen sich, ob überhaupt noch mit einem Zinsanstieg zu rechnen ist. Es müssen Anlage-Alternativen gesucht und gefunden werden, die Interessenten akzeptable Rendite-Chancen eröffnen. Das halten wir für machbar.

Mit Lösungen, die stets das Wohl unserer Kunden, das Wohl der Region, in der wir tätig sind, und das gesunde Wachstum unseres Hauses im Blick haben. Lösungen, die überhaupt nur deshalb entstehen können, weil Innovationskraft, Kreativität und Mut zu Neuem zur Kreissparkassen-DNA gehören. Schon immer gehört haben. Seit unser Haus 1852 gegründet worden ist.

In diesen bald 170 Jahren hat immer eines gegolten: Wir lassen uns nicht beirren! Dieses Leitmotiv gilt für uns in unveränderter Weise. Darauf konnten und können sich unsere Kunden verlassen. Alles, was wir tun, zielt darauf ab, ihnen und der Region, in der wir aktiv sind, Nutzen zu stiften. Wir unternehmen dafür große Anstrengungen. Jahr für Jahr. Und dürfen durchaus mit Stolz sagen, dass unser Tun von wirtschaftlichem Erfolg gekrönt wird. Wir sind ein ökonomisch erfolgreiches Finanzinstitut, sind in unserem Marktgebiet nicht zufällig die Nummer 1. Unsere Wirtschaftskraft schafft und vergrößert stetig die Basis für unser umfassendes gemeinnütziges Engagement. Jahr für Jahr fließen in Summe Millionenbeträge in die Unterstützung von Hunderten von Projekten, die das Leben der Menschen im Landkreis bereichern.

Wir stellen uns auch in Zukunft allen Herausforderungen und werden alles dafür tun, um auch künftig ökonomischen, ökologischen und sozialen Fortschritt zu erzielen. Denn beim Blick auf Herausforderungen sehen wir nicht allein die Risiken. Wir sehen stets auch die Chancen, sehen den Wandel als Möglichkeit zur kreativ-konstruktiven Veränderung. Und auch dabei lassen wir uns nicht beirren!

Herausforderungen bewusst annehmen

Eine Kolumne von Christian Schneider – Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke Ludwigsburg-Kornwestheim GmbH

Was haben Hindernisse, scheinbar unüberwindbare Grenzen und Krisen gemeinsam? – Sie halten uns auf, hindern uns am Weitergehen, versetzen uns in Alarmbereitschaft und verunsichern. So reagieren wir zunächst: menschlich und vollkommen natürlich. Trotzdem liegt es an uns, wie wir mit gewissen Situationen umgehen. Unsere Überzeugung beeinflusst unser Denken und Handeln. Im privaten wie auch im beruflichen. Doch jede Krise birgt Chancen. Wird uns das einmal bewusst, fällt es leichter nicht mehr nur Probleme zu sehen, sondern aktiv an Lösungen zu arbeiten.

In den letzten Monaten wurde die Geschäftswelt auf eine harte Probe gestellt. Von heute auf morgen hieß es: Umdenken, umstellen, neu ordnen. Transformieren in eine neue Grundordnung. Schnelles und konsequentes Handeln war gefragt. Unternehmen, die bereits zuvor ihre Systeme, Prozesse und Kommunikationswege im Sinne der Digitalisierung angepasst haben, konnten den neuen Herausforderungen leichter begegnen als klassisch organisierte Betriebe, in denen Home- Office und agile Arbeitsprozesse bisher keine große Rolle gespielt haben. Die Spielregeln haben sich viel zu schnell verändert und für viele Existenz bedrohende Schwierigkeiten mit sich gebracht. Kurzfristige Kostensenkungsmaßnahmen, um wirtschaftlich zu bleiben, schienen unumgänglich. Dennoch sind langfristige Planung und strategisch gut durchdachte Schritte im Rahmen der Wertschöpfungskette von zentraler Bedeutung. Weitblick statt Aktionismus. Nur so können Geschäftsmodelle auf ein sicheres Fundament gestellt und zukunftssicher ausgerichtet werden. Und so schwerwiegend manche Krisen auch sein mögen, sie rütteln uns wach. Sie regen uns zum Umdenken an und lassen uns bewusstwerden, dass neue Chancen warten: Ist das was wir heute machen, morgen für unsere Kunden noch relevant? Worin müssen wir besser werden? Die Sicht über den Tellerrand hinaus wird wieder frei. Und dann liegt es an uns, worauf wir den Fokus richten.

Als Unternehmen über Jahre und Jahrzehnte erfolgreich zu bleiben erfordert Mut zur Veränderung. Und zwar nicht nur, wenn weitreichende Krisen dazu zwingen, sondern stetig. Denn wir sind von Wandel umgeben. Deshalb ist es wichtig seine Umwelt im Auge zu behalten, klare Ziele zu definieren, die sich auf Visionen stützen, und diese immer wieder auf die Probe zu stellen. Gleichzeitig eine Unternehmenskultur zu schaffen, die es erlaubt mutig zu sein, zu hinterfragen und Komfortzonen zu verlassen. Motivierte und qualifizierte Mitarbeiter sind wesentlich. Vor allem in Krisensituationen sind ein starkes Management und starke Führungskräfte gefordert auf Zukunftsbereiche des Unternehmens noch mehr einzugehen, Trends zu erkennen und diese kurz- oder langfristig zu bedienen. Gas geben ist angesagt! Wer auf die Bremse tritt, verliert. Nur so wird Wachstum gegenwärtig.

Wie andere Unternehmen auch, hat die Corona-Krise auch uns, die Stadtwerke Ludwigsburg- Kornwestheim, dazu animiert wieder klarer auf uns selbst zu blicken und die Gegenwart, mit Blick auf die Zukunft, noch besser wahrzunehmen. Für uns steht innerhalb unserer Transformationsphase vom Versorger zum Umsorger nach wie vor der Kunde im Mittelpunkt. Wir richten unser Handeln darauf aus, Mehrwerte zu schaffen und unsere Produkte und Dienstleistungen für Privat- sowie Firmenkunden erlebbar zu machen. Unsere strategische Ausrichtung widmet sich weiterhin Zukunftsthemen wie smarten, nachhaltigen Energie- und Mobilitätslösungen, Vernetzung durch die Verlegung einer Glasfaserinfrastruktur und dem Einsatz modernster Technik. Wir sind stolz darauf, die Digitalisierung aktiv voranzutreiben und damit einen echten gesellschaftlichen Beitrag zu leisten. Mit allen unseren Partnern, die uns unterstützen und denen auch unsere Unterstützung sicher ist, werden wir jede unvorhersehbare Situation meistern. Davon bin ich überzeugt! Uns allen sollte fortan immer bewusst bleiben: Hindernisse bringen uns nicht zum Fallen, Grenzen sind überwindbar und jede Krise birgt Chancen, wenn wir Veränderungen mutig entgegenblicken.

„Rassismus und Grundgesetz“

Eine Kolumne von Dr. Matthias Knecht, Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg

Liebe Leserinnen und Leser von Ludwigsburg24,
ich freue mich Ihnen heute niederschreiben zu dürfen, was mich derzeit bewegt.

Stellen Sie sich folgendes Bild vor: Sie werden in einer Gegend geboren, in der Menschen leben, die den gleichen beruflichen Status und eine ähnliche Lebenssituation wie Sie aufweisen. Sie sind in Sport-, Kultur- oder Musikvereinen aktiv, deren Mitglieder Interessen mit Ihnen teilen. Sie haben Freunde, die Urlaubsziele wie Sie präferieren und die die gleichen Konzerte besuchen. Diese Ausgangssituation lässt sich wohl tausendfach auf Bürgerinnen und Bürger in Ludwigsburg bzw. unseres  Landes übertragen, und für uns ist das ein Vorteil, etwas Schönes, was uns Vertrautheit gibt. Erkennen Sie sich wieder? Ich mich in jeden Fall.

Jetzt stellen Sie sich vor, dass auf Sie die oben genannten Aussagen alle zutreffen und Sie doch merken, dass Sie aufgrund eines Merkmals nicht zu dieser Gruppe gehören dürfen. Einem Merkmal, das eigentlich keine Wirkung auf Ihr Zusammenleben oder Ihre Interaktion mit anderen Personen hat. Es wird Ihnen klischeehaft vorgehalten und grenzt Sie aus. Wir alle würden das wohl als für völlig ungerechtfertigt und unfair halten.

So verhält es sich beim Rassismus. Menschen werden aufgrund Ihrer Hautfarbe, Ihres familiären Hintergrunds, Ihres Herkunftslandes oder anderer Merkmale Eigenschaften nachgesagt, die die Individualität jeder Einzelnen und jedes Einzelnen außen vor lässt. Rassismus gibt Menschen nicht die Chance sich zu verwirklichen, da sie durch Vorurteile daran gehindert werden.

In unserer Barockstadt fand vor wenigen Wochen eine Kundgebung „Black Lives Matter“ statt, bei der ich anwesend sein durfte. Dabei sprach eine junge Frau, die sich immer wieder mit der Frage auseinandersetzen musste „woher sie denn komme“. Ihre Antwort war immer die gleiche: „Ludwigsburg!“. Auf erneute Nachfrage antwortete sie: „Geboren wurde ich in Leverkusen.“ Doch das Nachbohren hört hier nicht auf – und das ist das Problem. Liebe Leserinnen und Leser, äußerliche Merkmale von Menschen mit Wertungen zu verbinden, war und ist nicht akzeptabel und wird es nie sein. Viele leisten in Ludwigsburg vorbildliche Arbeit für Integration, Inklusion und Völkerverständigung, weswegen wir in einer so tollen Stadt mit unterschiedlichsten Facetten leben – und doch dürfen wir nie müde werden, oben genannte Aussage zu betonen.

In Artikel 2, Absatz 1 unseres Grundgesetzes heißt es „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,…“ Lassen Sie uns dies immer verinnerlichen! Die Würde aller Menschen ist zu achten, wie Artikel 1 unseres Grundgesetzes nicht umsonst betont! Ludwigsburg mit seinen internationalen Restaurants und Cafés, seinen Kulturvereinen, seinen Menschen! Das macht diese Stadt aus.

Unser Bundespräsident hat neulich in einer Ansprache deutlich gemacht, dass wir „Antirassisten“ sein müssen.  Liebe Leserinnen, liebe Leser, das müssen wir uns zu Herzen nehmen – denn es reicht nicht zu Rassismus zu schweigen, wir müssen ihm aktiv im Alltag entgegentreten.

Ihr Matthias Knecht

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