Dietmar Allgaier wird der neue Landrat des Landkreises Ludwigsburg

LUDWIGSBURG. Der neue Landrat des Landkreises Ludwigsburg heißt Dietmar Allgaier. Der Kreistag hat in seiner Sitzung am Freitag (15. November) den 53-Jährigen im dritten Wahlgang mit 77 von insgesamt 103 Stimmen auf acht Jahre gewählt.

Dietmar Allgaier war bisher Erster Bürgermeister der Stadt Kornwestheim. Er tritt sein neues Amt im Januar 2020 an. Landrat Dr. Rainer Haas hatte nach drei Amtszeiten auf eine weitere Kandidatur verzichtet.

Christoph Erdmenger von den Grünen hatte bereits nach dem ersten Wahlgang seine Kandidatur zurückgezogen. Der Kandidat der Freien Wähler, Gerd Maisch, ließ nach dem zweiten Wahlgang seinen Namen von der Bewerberliste streichen, so dass zum dritten Wahlgang nur noch die beiden Bewerber Dietmar Allgaier (CDU) und der Parteilose Heiner Pfrommer zur Wahl standen.

Am Ende lautete das Ergebnis: 77Stimmen für Allgaier und 26Stimmen für Pfrommer.

Ergebnis der Landratswahl vom 15.11.2019

1. Wahlgang
2. Wahlgang
3. Wahlgang
Dietmar Allgaier
46 Stimmen / 44,7% 46 Stimmen / 44,7% 77 Stimmen / 74,8%
Christoph Erdmenger
20 Stimmen / 19,4% zurückgezogen zurückgezogen
Gerd Maisch
30 Stimmen / 29,1% 31 Stimmen / 30,1% zurückgezogen
Heiner Pfrommer
7 Stimmen / 6,8% 26 Stimmen / 25,2% 26 Stimmen / 25,2%

Wahl in Ludwigsburg: Wer wird der neue Landrat?

Heute ab 14.30Uhr wird im Ludwigsburger Kreisparlament der Nachfolger von Landrat Dr. Rainer Haas gewählt. Ludwigsburg24 hat im Vorfeld mit den vier Bewerbern gesprochen.

Wer sind die Kandidaten? 

Für die CDU geht der Erste Bürgermeister der Stadt Kornwestheim, Dietmar Allgaier, ins Rennen. Die Freien Wähler haben sich für den Oberbürgermeister der Stadt Vaihingen an der Enz, Gerd Maisch, entschieden. Dritter Bewerber aus dem Verkehrsministerium ist Christopf Erdmenger von den Grünen. Als einziger Parteiloser hat Heiner Pfrommer, Sozialdezernent im Landratsamt, seinen Hut in den Ring geworfen.

Das sind die vier Kandidaten:

Dietmar Allgaier“Landrat, das passt zu mir” – Ludwigsburg24 im Interview mit Dietmar Allgaier

Gerd Maisch“Meine Chancen stehen 50:50” – Ludwigsburg24 im Gespräch mit Gerd Maisch

Christoph Erdmenger“Es gibt ein ganz starkes Verlangen, dass endlich etwas passiert”: Ludwigsburg24 im Interview mit Christoph Erdmenger

Heiner Pfrommer“Einen Plan B oder alternative Überlegungen habe ich nicht”: Heiner Pfrommer im Interview mit Ludwigsburg24

 

“Einen Plan B oder alternative Überlegungen habe ich nicht”: Heiner Pfrommer im Interview mit Ludwigsburg24

Heiner Pfrommer war der erste Kandidat, der seinen Hut für die Landratswahl in den Ring geworfen hat. Der 39-jährige Volljurist ist ein Eigengewächs des Landratsamtes und arbeitet dort – mit einer Abordnung an das Innenministerium – seit nunmehr zehn Jahren. Zu seinem Job als Dezernent für Arbeit, Jugend und Soziales ist 2018 auch noch die Zuständigkeit für die Stadtbahn gekommen. Nun strebt der in Böblingen geborene und in Mötzingen aufgewachsene als Leitender Regierungsdirektor die nächste Stufe der Karriereleiter an und will seinen Chef Rainer Haas als Landrat beerben.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

 

Herr Pfrommer, es sind nur noch wenige Tage bis zur Landratswahl. Sind Sie schon ein bisschen aufgeregt?

Aufgeregt bin ich nicht, aber ich bin natürlich schon sehr gespannt auf den Verlauf und den Ausgang der Wahl. Anderseits weiß ich, dass ich gut vorbereitet bin und im Vorfeld alles getan habe, damit ich diese Wahl und das Amt gut bestreiten kann.

Wann haben Sie den Entschluss gefasst, sich auf die Nachfolge von Ihrem Chef zu bewerben?

Im Januar hat Landrat Haas mitgeteilt, dass er nicht erneut antritt. Als ich wusste, dass dieses Amt frei wird, habe ich mir zuerst selbst meine Gedanken dazu gemacht, ob eine Bewerbung für mich in Betracht kommt, danach mit meiner Familie darüber gesprochen. Als die Stellenausschreibung vorlag, habe ich mich mit den Fraktionen in Verbindung gesetzt und mit ihnen ebenfalls das Gespräch gesucht. Im Anschluss daran habe ich mich endgültig zur Kandidatur entschlossen.

Die Gespräche mit den Fraktionen haben Ihnen den letzten Push für die Kandidatur gegeben?

Die Gespräche waren positiv, auch wenn abzusehen war, dass aus einzelnen Fraktionen weitere Bewerber kommen würden. Aber ich bin motiviert dieses Amt anzugehen, zumal ich das Landratsamt, den Kreis und die damit verbundenen Aufgaben und Herausforderungen sehr gut kenne. Ich habe Ideen, die ich mit all meiner Arbeitskraft in den Kreis einbringen und gestalten möchte.

Oftmals haben die Eigengewächse eines Unternehmens oder einer Verwaltung weniger Chancen als jemand, der von außen kommt.

Das wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Kommt man von innen, muss man das natürlich reflektieren und sich bewusst machen, dass man in eine neue Rolle kommt. Aber bislang habe ich jede neue Stelle innerhalb des Landratsamtes aus der nächsten Führungsebene heraus gestaltet, weshalb ich diese Situation also schon kenne. Die Position des Landrats mit der gesamten Breite des Amtes, für den ganzen Kreis und die Kooperation mit dem Kreistag und den Städten und Gemeinden ist natürlich deutlich umfangreicher angelegt. Dessen bin ich mir bewusst, denke aber, dass diese Situation mehr Vorteile bietet, weil ich das Amt und die Akteure sowie die Weiterentwicklungsnotwendigkeiten genau kenne und in den inhaltlichen Themen gut drin bin.

Sie sehen das interne Know-how also als Ihr Alleinstellungsmerkmal?

Es ist eines meiner Alleinstellungsmerkmale. Dazu kommt meine Erfahrung auf Landkreisebene zu arbeiten und meine unabhängige Position, um für einen fairen Interessensausgleich zwischen Städten und Gemeinden, aber auch zwischen dem Kreis und den Städten und Gemeinden stehen zu können. Auch mein Alter ist durchaus ein Unterschied zu den Mitbewerbern. Wir sind alle sehr erfahrene und qualifizierte, aber auch unterschiedliche Persönlichkeiten für dieses Amt.

Was macht Ihre Persönlichkeit aus?

Ich bin ein offener, interessierter und verlässlicher Mensch, der gerne Prozesse mitgestaltet und der Verantwortung übernehmen kann und will. Zugleich betrachte ich es als Privileg, wenn man Verantwortung übernehmen darf.

Welchen der Mitbewerber stufen Sie als Ihren schärfsten Konkurrenten ein im Rennen um das Landratsamt?

Alle drei Mitbewerber sind qualifiziert und in sehr verantwortungsvollen Bereichen tätig. Zwei kenne ich schon länger, weil ich auf Landkreisebene schon mit ihnen zusammengearbeitet habe, den dritten Kandidaten habe ich inzwischen ebenfalls persönlich kennengelernt. Bislang habe ich alles als sehr faires, positives Miteinander erlebt, deshalb will ich keine Einschätzung zu einer bestimmten Person treffen. Es ist eine offene, spannende und deswegen auch eine gute Wahl für den Landkreis, aber niemand weiß, wie sie ausgehen wird.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein?

Prozentual kann und möchte ich sie nicht einschätzen. Aber Chancen sind durchaus da.

Sie müssen ins Kalkül ziehen, dass Sie sich möglicherweise mit Ihrem neuen Boss duellieren. Fürchten Sie, dass das Verhältnis dadurch belastet werden könnte?

Darüber habe ich mir bisher überhaupt keine Gedanken gemacht. Ich konzentriere mich auf die Wahl, denn ich möchte Landrat werden. Allein darauf liegen meine Energie und Konzentration. Einen Plan B oder alternative Überlegungen habe ich nicht.

Sie haben als einziger der Kandidaten kein Parteibuch. Warum nicht?

Zwar bin ich ein politisch interessierter Mensch, doch in der Verwaltung, in der ich seit meinem Studium tätig bin, hat man eine gewisse neutrale Position, die nicht zwingend Parteipolitik abbildet. Ich fühle mich in erster Linie dem Landkreis verbunden, für den ich das Beste erreichen will. Deshalb habe ich mich bislang gegen ein Parteibuch entschieden und ordne mich auch jetzt bei der Wahl bewusst nicht einem Lager zu. Vielmehr versuche ich, mit gut erläuterten Themen und entsprechenden Ideen für die Umsetzung zu überzeugen.

Sehen Sie Ihre Parteilosigkeit eher als Vor- oder als Nachteil bei der Wahl?

Das kann man sehen wie man will. Ich trete als die Person an, die ich bin, mit meiner Persönlichkeit, meinen Themen. Ich will ein gutes, glaubhaftes sowie authentisches Angebot machen und hoffe, es überzeugt am Schluss.

Haben Sie sich bei allen Fraktionen vorgestellt?

Ja, bis auf die AFD habe ich mit allen Fraktionen gesprochen. Als Landrat ist man selbstverständlich für alle demokratisch gewählten Kreisrätinnen und -räte da, das würde auch für mich gelten. Im Bewerbungsverfahren habe ich mich aber bewusst nicht bei der AFD vorgestellt, weil deren Positionen prinzipiell von meinen sehr weit weg sind.

Als Sozialdezernent tragen Sie Verantwortung für rund 700 Mitarbeiter, als Landrat wären es ca. 2000. Das wäre ein großer Sprung für Sie…

Mein Dezernat ist das größte im Landratsamt, in dem gut ein Drittel aller Mitarbeiter der Verwaltung beschäftigt sind. Daneben verantworte ich auch ein großes Budget. Selbstverständlich ist es ein großer Schritt vom Dezernenten zur Landratstätigkeit, aber ich führe ja im Landratsamt bereits seit Ende 2010 Führungstätigkeiten mit einem breiten Themenspektrum und umfangreicher Personalverantwortung aus.

Was macht ein Sozialdezernent überhaupt?

Konkret heißt mein Bereich Dezernat für Arbeit, Jugend und Soziales und es ist eine kommunale Leitungsaufgabe mit der viel Personal- sowie Themenverantwortung einhergeht. Dabei geht es beispielsweise vom Jobcenter über die Jugendhilfe, über die Hilfe für Menschen mit Behinderung, Inklusion, Pflegethemen. Im Prinzip bilden die Themen meines Dezernats auch die Themenbreite eines gesellschaftlichen Lebens in einem Landkreis ab. Wir arbeiten im Dezernat auch mit vielen externen Trägern und Organisationen zusammen, um Hilfen zu planen, zu finanzieren und zu organisieren und so eine möglichst gute soziale Infrastruktur anbieten zu können mit dem Ziel eines guten Zusammenlebens der Menschen, dass die Menschen, die Hilfe benötigen, diese auch bekommen. Ich bin dankbar, dass wir einen Kreistag haben, der den Sozialbereich bislang immer sehr gut unterstützt hat.

Als Volljurist hätten Sie auch in den Anwaltsbereich oder die Wirtschaft gehen können, um richtig gut Geld zu verdienen. Warum haben Sie eine Laufbahn in der Verwaltung vorgezogen?

Mein Interesse am öffentlichen Recht hat sich schon im Studium entwickelt, so dass ich Europarecht und das internationale Recht als Vertiefungsschwerpunkte im Studium gewählt habe. Während des Referendariats hatte ich eine Station in der Stadtverwaltung und dem Staatsministerium, wo ich jeweils tiefer ins öffentliche Recht eintauchen konnte. Dort Prozesse für das Gemeinwesen mitgestalten zu können, hat mich letztlich motiviert, in die Verwaltung zu gehen.

Mit Ihrem Profil hätten Sie sich ebenso als OB in Ludwigsburg bewerben können…

Das stand für mich nie zur Diskussion. Die Arbeit eines Oberbürgermeisters ist mit Sicherheit eine großartige Aufgabe, aber ich habe mich ausschließlich mit der Frage beschäftigt, ob ich Landrat werden will und sie mit einem deutlichen Ja beantwortet. Einzig darauf konzentriere ich mich.

Wie ist Ihre Kandidatur innerhalb des Landratsamtes angekommen?

Bislang habe ich positive Rückmeldungen erhalten, was mich sehr freut.

Unterstützt Ihr Chef Rainer Haas Ihre Kandidatur und ist das für Sie ein Vorteil?

Grundsätzlich ist es nie verkehrt, wenn der Chef mit der geleisteten Arbeit zufrieden ist und die Person dadurch geeignet hält für weitere Ämter. Ich habe im Vorfeld mit ihm über meinen Wunsch zur Kandidatur gesprochen und er hat mich darin bestärkt.

Ist er auch Ihr Vorbild oder unterscheiden Sie sich von ihm?

Vor seiner Person sowie seiner Leistung habe ich großen Respekt. Das heißt aber nicht, dass ich ihn auf irgendeine Art und Weise kopieren möchte, denn ich bin eine eigenständige Persönlichkeit und komme aus einer anderen Generation. Ich habe meine eigenen Themen, gehe meinen ganz eigenen Weg und würde das Amt so ausüben wie es zu meiner Person passt.

Wie dürfen wir uns das vorstellen?

Ich bin ein sach- und ergebnisorientierter Mensch, arbeite stark in den Themen. Gleichzeitig möchte ich mich als Landrat für ein gutes Miteinander mit den Städten und Gemeinden einsetzen und sie bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben bestmöglich unterstützen. Ich bin daran interessiert, dass sich die Verwaltung bürger- und kundenfreundlich präsentiert, sie sich modern und als guter Arbeitgeber darstellt, wozu für mich auch die Digitalisierung innerhalb des Landratsamts gehört. Außerdem möchte ich mich dafür einsetzen, dass wir ein weltoffener, mit seinen Partnerregionen gut vernetzter Landkreis sind, der sich zugleich seiner Geschichte und Traditionen bewusst ist.

Was macht den Landkreis für Sie so attraktiv?

Der Landkreis ist insgesamt gut aufgestellt mit starken Städten und Gemeinden, mit einer starken Wirtschaftsstruktur. Es gibt eine sehr engagierte Bürgerschaft in unterschiedlichen Bereichen mit einem hohen Anteil an ehrenamtlichem Engagement. Wir haben eine abwechslungsreiche und lebenswerte Landschaft, eine gute Landwirtschaft, ebenso eine gute Gesundheitsversorgung und eine gute soziale Infrastruktur. Das alles macht die Attraktivität für mich aus.

Was wollen Sie da überhaupt noch besser machen?

Es gibt durchaus noch Herausforderungen. Die hochwertige medizinische Versorgung der Kliniken muss weiterentwickelt und für die Zukunft finanziell gesichert werden. Die Verbesserung der Mobilität, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, die Digitalisierung, der Ausbau des Breitbands, bezahlbarer Wohnraum, Strukturwandel in der Wirtschaft, Fachkräftebedarf, , Förderung der Integration, Pflege, Abfallwirtschaft, das alles sind wichtige Themen.

Sollten Sie gewinnen, wo wollen Sie nach acht Jahren stehen?

Ich möchte in all den eben genannten Punkten Schritte erreicht haben, die die Situation deutlich verbessert bzw. bestimmte Themen gelöst haben. Wichtig ist mir auch, immer die ganze Breite der Themen im Blick zu behalten und mich nicht nur auf ein Gebiet zu fokussieren. Ich möchte dass wir in acht Jahren ein Landkreis sind, der ökonomisch erfolgreich und ökologisch nachhaltig ist mit einer guten sozialen Infrastruktur..

Können Sie noch konkreter werden bei Ihren Vorstellungen?

Ein aktuelles Projekt ist die Stadtbahn, die ich weiter voranbringen will. In acht Jahren sollen zumindest Teilstrecken wie zwischen Markgröningen und Ludwigsburg reaktiviert und die weiteren in Umsetzung sein. Auch Busbeschleunigungsmaßnahmen sollen realisiert sein. Außerdem möchte ich den Radverkehr weiter fördern – dazu gehört auch ein Schnellradweg – und insgesamt eine Entspannung beim Verkehr erreichen. Für den Campus in Marbach will ich eine gute Lösung gemeinsam mit der Stadt Marbach erreichen. Im Bereich Pflege brauchen wir eine Stärkung der ambulanten Pflege, wir brauchen z. B. Quartierslösungen, damit die pflegenden Angehörigen unterstützt und entlastet werden. Wir müssen die Kurzzeitpflege weiter ausbauen. Die Ausbildung in der Pflege ist ein zentraler Punkt, damit wir genügend qualifizierte Pflegefachkräfte haben. Da möchte ich gerne ein Netzwerk und einen Schulterschluss anbieten. Das Thema bezahlbares Wohnen ist sehr wichtig. Hier haben wir mit dem Bündnis für bezahlbaren Wohnraum eine gute Basis, um das Thema mit den verschiedenen Akteuren weiter voranzubringen.

Sie haben vorhin das Thema Integration angesprochen. Wie viele Flüchtlinge leben derzeit im Kreis?

Seit 2015 sind rund 10.000 Menschen im Landkreis angekommen. Aktuell kommen noch rund 600 neue Asylsuchende jährlich im Landkreis an. Für sie ist wichtig, wie es hier für sie weitergehen kann. Dürfen sie eine Arbeit annehmen, eine Schule besuchen, eine Ausbildung machen<ß Bislang sind Unterbringung und Versorgung der Flüchtlinge seit 2015 ganz gut gelungen, auch dank der vielen ehrenamtlichen Unterstützer. Aber die eigentliche Integration in Arbeit und Gesellschaft wird auch künftig eine große Herausforderung bleiben. Wir benötigen entsprechende Angebote, damit die Menschen in der Gesellschaft ankommen und sich auch wirklich integrieren können.

Zum Schluss noch ein paar persönliche Fragen. Sie wohnen mit Ihrer Familie in Stuttgart Degerloch. Werden Sie bei einem Wahlsieg umziehen?

Das haben wir innerhalb der Familie schon besprochen und alle würden gerne hier in den Kreis ziehen. Meine ältere Tochter ist siebzehn, die kleine Tochter ist acht. Wir würden jedoch einen geeigneten Zeitpunkt für einen Umzug abwarten, damit das auch mit den schulischen Abläufen passt.

Was machen Sie in der Freizeit?

Im Vordergrund stehen meine Frau und die Töchter, mit denen ich gerne Zeit verbringe. Als Hobby betrachte ich Radfahren und Lesen – von Romanen über Geschichtliches sowie Zeitgeschichtliches bis hin zu Sachbüchern.

Haben Sie einen Lieblingsautor?

Als Jugendlicher habe ich gerne Hermann Hesse gelesen, heute bin ich nicht mehr so festgelegt.

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie gerne mal ausgiebig zu Mittag essen und sich gedanklich austauschen?

Würde er noch leben, würde ich mich für Nelson Mandela entscheiden. Mich hat sehr beeindruckt, dass und wie er es nach 27 Jahren Gefängnis zurück in der Freiheit geschafft hat, nicht ein Wort der Bitternis zu haben, sondern dass er ausschließlich für Versöhnung stand und Südafrika zusammengeführt hat.

Wofür geben Sie Ihr Geld aus, um sich etwas zu gönnen?

Gelegentlich gehen meine Frau und ich essen. Ansonsten reisen wir gerne. Die letzten Reisen haben wir nach Frankreich oder nach Afrika, konkret nach Eritrea und Kenia, unternommen. Meine Frau ist gebürtige Eritreerin.

Lachen Sie gerne und oft?

Über lustige Geschichten oder einen guten Witz kann ich herzhaft lachen. Ich mag auch Situationskomik oder humorvolle Bücher. Den Kabarettist Rolf Miller finde ich ganz gut und die heute-show schaue ich auch ganz gerne. Es gibt immer wieder einen Grund zu lachen und am liebsten tue ich das zusammen mit anderen Menschen.

Was bevorzugen Sie, Musical oder Oper?

Ich würde doch eher die Oper vorziehen. Aber es gibt auch einzelne Musicals, die ich mir anschauen würde, beispielsweise ‚König der Löwen‘ wollen wir mit der Familie einmal anschauen.

Sie wohnen noch in Degerloch, das ist Kickers Land. Sind Sie Kickers-Fan oder Fan der Roten?

Ich bin schon mehr ein Fan der Roten, gelegentlich sehe ich mir auch mal ein Spiel im Stadion an. Als Kind und Jugendlicher habe ich selbst Fußball gespielt, aber mit Beginn des Zivildienstes habe ich damit aufgehört. Mein Lieblingsspieler war früher Zinédine Zidane.

Haben Sie, abgesehen vom Wahlsieg kommenden Freitag, einen Wunsch, den Sie sich gerne noch erfüllen möchten?

Auf meiner Wunschliste stehen noch verschiedene Länder, die ich am liebsten mit meiner ganzen Familie oder mit meiner Frau bereisen möchte. Eines dieser Länder ist Äthiopien, da möchte ich auf jeden Fall einmal hin. Es ist ein unheimlich vielfältiges und schönes Land, das mich ausgesprochen reizt.

“Es gibt ein ganz starkes Verlangen, dass endlich etwas passiert”: Ludwigsburg24 im Interview mit Christoph Erdmenger

Er ist der „Reingeschmeckte“ und ministeriale Seiteneinsteiger unter den Landrats-Kandidaten. Doch Christoph Erdmenger ist auch der Kandidat, der seine Berufserfahrung vor allem außerhalb des Ludwigsburger Landkreises gesammelt hat. 2013 kam er als Abteilungsleiter für „Nachhaltige Mobilität“ nach Stuttgart ins Verkehrsministerium. Dort ist Erdmenger u.a. für Klimaschutz im Verkehr, Elektromobilität, Luftreinhaltung, Lärmschutz, Naturschutz und Radverkehr zuständig. Als möglicher neuer Landrat will er künftig den Landkreis Ludwigsburg für die Zukunft fit machen. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 erzählt der Regierungsangestellte über seine Pläne, wann ihm die Tränen fließen und dass er erst vor wenigen Wochen mit seiner Frau und den beiden Kindern (7 und 10) ins Eigenheim nach Ludwigsburg-Oßweil gezogen ist.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

 

Herr Erdmenger, wie sind Sie denn zu uns in die Redaktion gekommen – mit dem Fahrrad oder dem Auto? 

Heute bin ich mit dem Fahrrad zu Ihnen gefahren. Das ist oft das einzige bisschen Sport am Tag, das ich bekomme.

 

Wie viele Kilometer fahren Sie in der Woche?

Nicht unbedingt so wahnsinnig viele Kilometer, schätzungsweise um die 50. Wenn ich nicht mit dem Rad fahre, dann nutze ich die öffentlichen Verkehrsmittel.

 

Haben Sie überhaupt ein Auto?

(lacht) Ich habe nicht nur ein Auto, sondern fünfhundert, weil ich nämlich Mitglied im Car-Sharing bin. Stadtmobil ist ja sehr gut über die ganze Region verstreut. Zum Beispiel für den Urlaub nutze ich das Car-Sharing um von A nach B zu kommen. Oder wir reisen mit dem Zug an und mieten vor Ort ein Auto. Ich bin kein begeisterter Autofahrer, aber auch kein Gegner.

 

Sie sind 1990 bei den Grünen eingetreten, warum?

Damals war es aus der Klimaschutzmotivation heraus, da es mich als jungen Mann unheimlich aufgeregt hat, dass die Bedrohung, die durch den Klimawandel insbesondere für die südlichen Länder auf uns zukommen wird, so ignoriert wird. Mich hat dabei weniger die Liebe zur Natur getrieben, die ich selbstverständlich auch in mir trage, sondern viel mehr der Gerechtigkeitsgedanke. Mich hat bewegt, dass wir in den reichen Ländern zumindest damals noch einen Lebenswandel führten, der deutlich zu Lasten der armen Länder geht.

 

Hatten Sie zu der Zeit ein politisches Vorbild bei den Grünen?

Es war die große Zeit von Joschka Fischer, der auch mich sehr beeindruckt hat. Aber es gab zudem noch den Bundesvorsitzenden Ludger Vollmer, den ich in seinen Analysen und mit seinen Herangehensweisen sehr überzeugend fand.

 

Wer sind heute die starken Grünen in Ihren Augen?

Annalena Baerbock und Robert Habeck, die beiden Bundesvorsitzenden, haben es geschafft, die grüne Politik aus einer Meckerecke herauszuholen, ohne sie zu verwässern. Sie schenken den Menschen reinen Wein ein, das macht sie sehr erfolgreich. Es gehört im politischen Leben einfach dazu, dass man den Menschen Angebote macht, denn dann fühlen diese sich auch mitgenommen. Das gelingt den beiden sehr gut.

 

Geboren in Braunschweig, studiert und gewohnt im Badischen, lange gearbeitet in Sachsen-Anhalt und seit 2013 in Stuttgart. Fühlen Sie sich wohl im Schwabenländle?

Ja, deshalb haben wir ja auch hier ein Haus gekauft. Ich mag die offene und freundliche Art der Schwaben und mir gefällt auch, dass hier viele Menschen aus sehr unterschiedlichen Kulturen leben und es auch ansonsten eine starke kulturelle Vielfalt gibt. Das habe ich in meinem vorherigen Wohnort Dessau in dieser Form nicht erlebt.

 

Sie sind erst vor wenigen Wochen nach Ludwigsburg-Oßweil gezogen. Wie hoch auf einer Scala von eins bis zehn bewerten Sie aktuell den kompletten Landkreis?

Spontan geantwortet liegt er für mich bei acht. Ludwigsburg ist eine wirklich schöne Stadt und davon gibt es noch weitere wie Marbach, Bietigheim-Bissingen, Besigheim, um nur einige aufzuzählen. Dann haben wir den nördlichen Landkreis, den Naturpark Stromberg, wunderschöne Landschaften rund um den Neckar mit Weinbaugebieten, das ist alles herrlich. Ich persönlich bin vielleicht durch mein Aufwachsen in Braunschweig so geprägt, dass ich die mittlere Stadtgröße den großen Städten vorziehe. Jedenfalls ist es hier so schön, dass wir uns vor Freiburg und Umgebung nicht verstecken müssen.

 

Haben Sie bereits Ihren Lieblingsfleck im Landkreis gefunden, an dem Sie auftanken und durchatmen?

Einer der schönen Flecken sind für mich die Zugwiesen, aber um sie abschließend schon zu meinem Lieblingsflecken zu küren, dafür wohne ich noch nicht lange genug hier. Es gibt für mich noch viel zu erkunden.

 

Sie sprachen vorhin Dessau an. Sie saßen zuletzt für die Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt. Warum haben Sie Ihre Politikerkarriere zugunsten eines Abteilungsleiter-Jobs in Stuttgart aufgegeben?

Das ist leicht erklärt. In Sachsen-Anhalt war ich Oppositionspolitiker. Zwar hatte ich sehr viel mediale Aufmerksamkeit, aber nur wenige Einzelfälle, wo ich tatsächlich auch mal etwas um- oder durchsetzen konnte. Das ist in der Opposition nun mal so. Es ist natürlich viel attraktiver zu gestalten, nicht nur zu mahnen und zu meckern, sondern die Ärmel hochzukrempeln und Vorhaben zu realisieren.

 

Jetzt sind Sie also glücklich mit dem Wechsel und dem Job als Abteilungsleiter „Nachhaltige Mobilität“ im Verkehrsministerium?

Absolut, das war eine ganz hervorragende Wahl. Das liegt natürlich auch daran, dass ich für einen sehr guten Minister arbeite, der auch selbst etwas bewegen möchte und durch die Schaffung dieser bundesweit einmaligen Abteilung dafür Freiraum ermöglicht hat. Wir müssen uns derzeit allerdings die Frage stellen, ob wir es tatsächlich schaffen, all das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben. Wir kommen mit der Arbeit kaum hinterher.

 

Warum wollen Sie dann unbedingt Ihren tollen Posten zugunsten des Landratsamtes räumen?

Ich möchte den Posten als Landrat haben, weil es eine Chance ist, als Grüner, als jemand, der in die Zukunft schaut, auch auf der Landkreisebene mitzugestalten. Meine Stärke ist, – und darin unterscheide ich mich meiner Ansicht nach von den anderen Kandidaten –, dass ich einen klaren Blick darauf habe, wo wir 2030 im Landkreis stehen wollen, statt wie andere zu sagen: „Uns geht es heute gut und so wollen wir gerade weitermachen.“ Die Zukunft Baden-Württembergs entscheidet sich viel mehr im ländlichen Raum als in den Großstädten und deshalb kommt es hier darauf an, mit vorzeigbaren Aktivitäten nach vorne zu kommen. Dazu kommt als weiteres Argument, dass ein Landrat eine Vielzahl von weiteren Aufgaben und Verantwortung hat im Vergleich zu meinem jetzigen Job.

 

Wie grün würde denn ein Landkreis Ludwigsburg mit einem Landrat Erdmenger?

Der Landkreis ist ja heute dank seiner wunderschönen grünen Natur schon sehr grün und ist an vielen Punkten auch aus einer grünen Perspektive gut aufgestellt im Vergleich zu anderen Landkreisen. Aber ich möchte an viel mehr Punkten auch international bekannter werden und Vorbild sein. Egal, ob im Klimaschutz, beim Verkehr oder im Wohnbereich, wir kommen ja nicht schnell genug voran. Deswegen können wir nicht damit zufrieden sein, so weiterzumachen wie bisher. Meine Gespräche hier haben mir gezeigt, dass es ganz viele Menschen in führenden Positionen in Unternehmen, in der Verwaltung gibt, die Lust darauf haben, mit noch mehr Tempo und mit neuen Vorhaben voranzukommen. Und auch die Bevölkerung ist in vielen Bereichen viel weiter als die Politik denkt. Sie spürt die Probleme auf dem Wohnungsmarkt, sie steht täglich im Stau und weiß, dass es durch den Klimawandel jetzt zwei trockene Sommer hintereinander gab. Es gibt ein ganz starkes Verlangen, dass endlich etwas passiert.

 

Die Bevölkerung beim Wandel mitzunehmen, wird also ein Kinderspiel?

Das habe ich so nicht gesagt. Natürlich muss man Transparenz wahren, in einem vernünftigen Ton mit den Menschen reden, sie einladen, eigene Vorschläge einzubringen sowie die einzelnen Vorhaben ganz genau erklären. Dafür gibt es aber moderne Instrumente.

 

An welche denken Sie da?

Ein Beispiel bei komplexen Planungen: Indem man sie über einen längeren Zeitraum von einer neutralen Gruppe aus der Bevölkerung begleiten lässt, die sich die Planungen anschauen, die Rückfragen stellen können, die konkrete Informationen bekommen und ein Votum abgeben können. Das ist eine aktive Bürgerbeteiligung von A bis Z, die Vertrauen schafft und die zur Folge hat, dass nicht nur die direkt beteiligten Bürgerinnen und Bürger sich mitgenommen und eingebunden fühlen.

 

Wo würden Sie denn konkret ansetzen, um den Landkreis voranzubringen?

Fangen wir bei meinem Fachgebiet Verkehr an. Derzeit gibt es zwei große Projektbausteine: eine Stadtbahn zu bauen gemeinsam mit der Stadt Ludwigsburg und Radschnellwege umzusetzen. Dafür bringe ich die richtigen Fähigkeiten mit, um das auch schnell hinzukriegen, weil ich die Landes- und Bundesebene kenne, die man für die schnelle Umsetzung benötigt. Und weil ich in meiner Biografie gezeigt habe, dass ich in der Lage bin, aus einer Verwaltung das herauszuholen, was in ihr steckt. Außerdem bin ich fähig, die Stolpersteine, die jedes Projekt zwangsläufig hat, mit wegräumen zu helfen.

Klar ist aber auch, dass wir eine Verdoppelung des öffentlichen Nahverkehrs nicht allein mit diesen beiden Vorhaben schaffen. Wir werden uns parallel dazu den Ausbau anderer Schienenprojekte ebenso anschauen sowie den Busverkehr ausbauen müssen. Da müsste auch ein Erdmenger mit der Autorität des Landrats an den Kreistag herangehen und sagen: Folgende Planungen habe ich ausarbeiten lassen, die konkret und belastbar sind, und jetzt werbe ich bei Ihnen dafür, dass wir die Finanzen auch dafür aufbringen. Dafür braucht es ein bisschen politischen Mut und politische Überzeugungskraft. Ich glaube, beides bringe ich mit.

 

Das heißt, Sie würden sich die gefassten Beschlüsse nochmals ansehen und überdenken oder bleibt alles beim Alten?

Wir fahren fort und beschleunigen die Umsetzung der getroffenen Beschlüsse. Seien sie sicher, dass wir an vielen Punkten auf Alltags- und Umsetzungsprobleme stoßen, wo man sagen muss, so funktioniert es nicht, deswegen haben wir folgende Alternative ausgearbeitet. Aber Grundsätzliches nochmals zu diskutieren, dafür reicht die Zeit nicht. Wenn der Kreistag oder einzelne Kommunen mit besseren Vorschlägen kommen, werden die natürlich aufgenommen und geprüft. Aber der Landrat ist an dieser Stelle Diener der Beschlüsse.

 

Weitere Sorgenkinder sind derzeit der Wohnungsbau, die ganze Verkehrsproblematik mit Feinstaubalarm und Fahrverboten, die Finanzierung der Kliniken, Abfall. Was gedenken Sie hier zu tun?

Wohnen ist deswegen für den Landrat kein leichtes Feld, weil der Landkreis da nicht die unmittelbaren Kompetenzen hat. Zu einem runden Tisch für ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum einzuladen, halte ich für richtig. Meinem Eindruck nach wird dort aber zu unverbindlich miteinander geredet und Ideen gesammelt. Wir brauchen einen Abgleich darüber, wie viel Veränderung und Aktivitäten brauchen wir auf welchem Feld. D.h., wie viel Neubau an Wohnungen brauchen wir, wie viele Wohnungen wollen wir durch Verdichtungen schaffen, wie viele Sozialwohnungen wollen wir auf anderem Wege haben. Um dann zu fragen, ob das bisher geplante ausreicht. Und da hat, meines Erachtens nach, der Landrat eine ganz wesentliche Rolle. Zeigt die ehrliche Bilanz, dass alles nicht reicht oder zu schaffen ist und dass man eigentlich nur an der Oberfläche rumdoktert, dann muss man doch darüber reden, ob es eine Wohnbaugesellschaft des Landkreises benötigt. Besser wäre, wir brauchen das nicht, weil neue Strukturen immer Zeitverlust bedeuten.

Warum?

Es ist unbestritten, dass wir viel zu wenige Sozialwohnungen haben. Wenn wir nur über den Neubau versuchen, dieses Problem zu lösen, wird es sehr lange dauern, bis wir einen Anteil von vielleicht fünf Prozent an den Mietwohnungen erreichen. Aber dieser Anteil ist nicht nur für die Menschen, die eine Wohnung kriegen entscheidend, sondern dieser Anteil an günstigen Wohnungen führt auch dazu, dass das Mietniveau insgesamt nicht in den Himmel schießt, sondern gedämpft wird. Deswegen ist das für den gesamten Wohnungsmarkt eine entscheidende Stellschraube. Wenn wir also miteinander ausrechnen, dass wir nicht ausreichend näherkommen, dann müssen wir uns die Frage stellen, wer zusätzliche Wohnungen am Markt kauft, die wir dann in solche mit vergünstigten Mieten umwandeln können. Dafür gibt es vom Land sogar Förderung, so dass wir richtig was tun können. Aber dann müssen wir auch rechtzeitig loslegen, damit sich wirklich innerhalb der nächsten Jahre was tut auf dem Wohnungsmarkt.

 

Haben Sie auf Landesebene ein so gutes Netzwerk, um leichter an bestimmte Fördertöpfe heranzukommen?

Ja und nein. Ich kenne die Landespolitik sehr gut. Und zwar so gut, um zu wissen, dass man nicht durch persönliche Freundschaften an bestimmte Töpfe kommt. Es geht vielmehr darum auf Zack zu sein, damit man weiß, wie man diese Töpfe nutzt. Also, wie stelle ich die Anträge rechtzeitig, wie sorge ich in der Verwaltung dafür, dass ich weiß, da gibt es Möglichkeiten und wie bereite ich mich darauf vor, dass ich die Voraussetzungen für die Fördergelder sofort erfülle und diese schnell erhalte. Es geht nicht um gute Netzwerke für Mauscheleien, sondern um das entsprechende Knowhow für die professionelle Antragsstellung. Ich kann sagen, dass ich sowohl Bundes- als auch Landesverwaltung verstehe und habe in meinen bisherigen Funktionen auch schon viel mit Kommunalverwaltungen zusammengearbeitet. Damit habe ich tatsächlich das Alleinstellungsmerkmal, für den Landkreis schnelle Verfahren herauszuholen.

 

Welche Chancen rechnen Sie sich im Wettbewerb mit den anderen Kandidaten aus?

Ich habe dann eine Chance, wenn es genug Kreisräte gibt, die sagen, ich lasse jetzt mal meine Fraktionszugehörigkeit und alle bisherigen Prägungen beiseite. Und die sagen, die Chance für eine schnellere Zukunftsgestaltung des Landkreises ist so attraktiv, dass ich den Erdmenger wähle. Die Frage ist, wie viele Kreisräte das machen, was ihnen nicht leichtfallen wird, weil sie meine Mitbewerber besser kennen als mich. Ich kann nur werben und sagen: „Ich bin das neue Pferd im Stall, mit mir kommt man schneller ans Ziel.“ Mein Vorteil ist vielleicht auch, dass ich mit keiner der Kommunen so eng verbandelt bin, dass ich nur bestimmte Projekte im Auge haben könnte, die ich voranbringen will. Andererseits sind meine Mitbewerber nicht nur ehrenwerte Kandidaten, sondern alles Persönlichkeiten, die natürlich auch Einiges mitbringen. Deswegen liegt es mir fern zu sagen, nur ich kann den Job. Aber ich habe ein bestimmtes Profil, für das ich werbe. Es kommt eben nicht nur auf das Hier und Jetzt an, sondern darum, den Landkreis so fit zu machen, dass es uns 2030 genauso gut geht wie 2019.

 

Welches Feedback haben Sie bislang auf Ihre Vorstellungsrunden in den Fraktionen bekommen?

Durchweg bin ich sehr freundlich von allen Fraktionen empfangen worden. Einzig die AFD habe ich nicht besucht und werde es auch bis zur Wahl nicht tun. Ich finde es nicht richtig, bei dieser Wahl auf die Stimmen der AFD zu setzen, denn es kommt für mich nicht infrage, mit einer fremdenfeindlichen Partei zusammenzuarbeiten, auch wenn ich Sie als Landrat dennoch respektvoll behandeln und ihre demokratische Legitimation beachten würde. Aber ich lasse mich nicht aktiv mit ihren Stimmen wählen. Die anderen Fraktionen sind offen auf mich zugegangen und haben sich meine Vorstellungen und Ideen angehört, haben mir Fragen gestellt. Das ist alles fair abgelaufen.

 

Haben Sie das Gefühl oder die Angst, dass es bei der Wahl vielleicht weniger ums Gestalten geht als vielmehr darum, einen Grünen als Landrat zu verhindern?

Natürlich hat jeder Kreisrat seine eigene Motivation. Mir geht es aber darum zu werben, sich die Person und das politische Gesamtpaket anzuschauen und dann zu entscheiden, was das Beste aus der Sicht des jeweiligen Kreisrats für den Landkreis ist. Ich kann nur versuchen zu überzeugen, dass ich seriöse Arbeit leiste und etwas umsetzen will und niemand mit meiner Wahl ein Risiko eingehen wird. Es geht nicht um einen grünen Landrat, sondern um die Frage, wollen wir Erdmenger, der etwas umsetzen will oder wollen wir einen anderen Kandidaten.

 

OB Fritz Kuhn will bis 2030 Stuttgarts Innenstadt autofrei haben. Können Sie sich das für den Landkreis ebenfalls vorstellen?

Nein, ein autofreier Landkreis ist nicht denkbar. OB Kuhn hat von der Stuttgarter Innenstadt gesprochen, was ein relativ kleines Gebiet und eine spezielle Situation betrifft. Wir müssen uns daran orientieren, was der Klimaschutz beim Verkehr uns aufgibt. Das bedeutet, ein Drittel weniger Autoverkehr in den Städten bis 2030. Und das passiert nur, wenn wir attraktive Alternativen bieten und gleichzeitig bestimmte Privilegien des Autoverkehrs bei der Flächenbelegung in den Städten Stück für Stück zurücknehmen. Der Landrat hat zu den Flächengestaltungen der Kommunen wenig zu sagen, weshalb ich nicht die Backen aufblasen und ankündigen würde, wir verändern die Städte. Das ist Sache der Kommunen. Der Landrat hat vielmehr die Aufgabe für einen attraktiven ÖPNV zu sorgen.

 

Sie arbeiten derzeit im Ministerium, ein möglicher Wechsel bringt eine Veränderung der Verantwortung mit sich. Wo sehen Sie die größten Unterschiede?

Die Verantwortung eines Landrats ist größer und für mich wäre das ein nächster Schritt, selbst mehr Verantwortung zu übernehmen. Ich hätte auch großen Respekt vor dieser Aufgabe. Bei einer Führungsaufgabe eines Landesministeriums lenken Sie allerdings auch nicht nur den Teil der Verwaltung, der mit Ihnen auf einem Flur sitzt, sondern Sie lenken große Teile der Landesverwaltung. Dazu gehören Teile der Straßenbauverwaltung, wir haben landeseigene Unternehmen, an denen jede Menge Mitarbeiter hängen. Vom Grundansatz her ändert sich an der Anforderung für die Führungsaufgabe nichts. Sie lautet: Behalte den Überblick, weiß, wo Du hinwillst, beschränke Dich auf die Sachen, wo die Verwaltung Dich braucht und überlass alles andere den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Diese täglichen Herausforderungen sind bei 2.000 Mitarbeitern natürlich höher, aber nicht grundlegend anders.

 

Welcher Führungstyp sind Sie?

Ich bin ein ergebnisorientierter Cheftyp. Das heißt, dass ich am liebsten mit meinen Führungskräften das Ziel definiere und ihnen den Weg der Umsetzung selbst überlasse. Eigenständiges Arbeiten bedeutet für mich aber auch offene Kritik in beide Richtungen, wenn etwas nicht funktioniert. Das ist meine Lieblingsarbeitsweise, die aber nicht immer funktioniert. Es gibt Situationen, da muss ich ganz eng dranbleiben, weil z.B.  die Aufgabenstellungen der Leitungs- und Mitarbeiterebene so eng miteinander verzahnt sind, dass eine Trennung nicht mehr möglich ist.

 

Wären Sie bei einer Niederlage sehr enttäuscht?

Bei einer Niederlage werde ich keine Flasche Sekt öffnen. Eine Niederlage ist eine Niederlage. Aber sowohl ich persönlich als auch der Landkreis hätten natürlich trotzdem weiterhin gute Perspektiven und deswegen muss da niemand in Sack und Asche gehen, sollte es nicht klappen mit dem Wahlsieg.

 

Würden Sie sich bei einer Niederlage trotzdem im Landkreis einbringen? 

Prinzipiell engagiere ich mich gerne in meinem Lebensumfeld, wenn sich eine Möglichkeit ergibt. Aber einen Plan B habe ich nicht, um mich hier an irgendeiner anderen Stelle einzubringen. Ich habe als Abteilungsleiter im Ministerium keine Langeweile und bin ehrlich gesagt auch froh über jeden freien Tag, den ich mit meiner Familie verbringen kann

 

Sie sind ein sehr rationaler Mensch. Wann kommen bei Ihnen die Emotionen in den Vordergrund?

Emotional werde ich beispielsweise bei gefühlvollen Filmen, dann weine ich auch durchaus mal, meist in den schönen Szenen.

 

Worüber können Sie lachen?

Ich lache viel und herzhaft, nach Meinung meiner Mitmenschen auch zu laut. Ich lache über Witze oder Comedians, wenn Menschen sich dabei selbst auf die Schippe nehmen, sich selber nicht ernst nehmen oder über sich selbst lachen können. Ebenso kann ich herzhaft mitlachen, wenn ich mich selbst nicht so ernst nehme.

 

Welcher Comedian trifft Ihren Humor?

Sehr gerne schaue ich Carolin Kebekus zu, Michael Mittermeier finde ich auch sehr lustig und ich bin ein regelmäßiger Zuschauer der Heute-Show.

 

Was machen Sie in Ihrer Freizeit, um richtig abzuschalten?

Radfahren ist wichtig. Bewegen, Nachdenken, Kopf freipusten, das hilft mir. Ansonsten gehört es zu meinen großen Vergnügen, eine schöne Mahlzeit zu kochen. In den Urlauben besorge ich mir Kochbücher oder Rezepte aus dem jeweiligen Land und koche sie nach. In Schweden habe ich jetzt gelernt, den Fliegenden Jacob zuzubereiten. Und weil mein Sohn einen Hecht gefangen hat, musste ich auch lernen, diesen schmackhaft zu verarbeiten.

 

Sie kommen aus Braunschweig, sind öfter umgezogen. Haben Sie einen Lieblingsverein im Fußball?

Lustig, das hat man mich in den Fraktionen ebenfalls gefragt. Ganz ehrlich: Ich verfolge selbstverständlich die Spiele von Eintracht Braunschweig. Ebenso interessiert mich, was der SC Freiburg so macht. Ich habe den VfB Stuttgart während meiner Zeit hier schon zu schätzen gelernt, doch noch hat er es nicht zu meinem Lieblingsverein geschafft. Ich finde allerdings, dass er in der 2. Liga nicht richtig aufgehoben ist.

 

INFOKASTEN:

1970 in Braunschweig geboren und aufgewachsen, Studium der Geoökologie sowie einige Semester Volkswirtschaft in Karlsruhe. Nachdem Examen arbeitete Erdmenger für das Städtenetzwerk ICLEI, 2004 wechselte er nach Dessau ins Umweltbundesamt, wo er zuerst das Fachgebiet „Nachhaltige Energieversorgung“ verantwortete und ab 2008 die Abteilung „Umwelt und Verkehr“ leitete. 2011 zog der Umweltwissenschaftler für die Grünen in den Landtag von Sachsen-Anhalt ein und wurde dort wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Fraktion.

“Landrat, das passt zu mir” – Ludwigsburg24 im Interview mit Dietmar Allgaier

In Kornwestheim sieht man mit einem lachenden und einem weinenden Auge der anstehenden Landratswahl entgegen. Denn der allseits beliebte Erste Bürgermeister Dietmar Allgaier ist einer der vier Kandidaten, die sich um das Amt des Landrats in Landkreis Ludwigsburg bewerben. Dem gebürtigen Stuttgarter werden gute Chancen ausgerechnet, das Rennen für sich zu entscheiden. Ebenfalls gute Chancen auf eine behutsame Überprüfung aller Fakten, hätte die beschlossene Doppelstrategie der ÖPNV bei einer Wahl Dietmar Allgaiers zum neuen Landrat. Darüber hat er sich sogar schon mit dem neuen Oberbürgermeister von Ludwigsburg ausgetauscht.

Sie haben gesagt: Landrat, das passt zu mir! Warum passt das?

Die Aufgaben eines Landrats passen nach meiner Ansicht zu meiner Persönlichkeit. Ich bin gerne unter Menschen, bewege mich gerne in der Gesellschaft, bin sehr kommunikativ. Und ich bin bereit, Verantwortung zu übernehmen und gehe zielstrebig voran. Dies alles sind Eigenschaften, die das Berufsbild eines Landrats prägen. Ich bin niemand, der auf der Suche nach einem neuen Job ist. Aber diese Stelle reizt mich, auch weil sie eine besondere Herausforderung darstellt.

Wie hat man in Kornwestheim darauf reagiert, dass Sie das Rathaus verlassen wollen?

Bevor ich mich um das Amt beworben habe, habe ich mit den Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats persönlich gesprochen, alle anderen Gemeinderäte habe ich per Mail informiert. Die Reaktionen sind sehr herzlich, was mich sehr ehrt und freut. Gerade erst hat mir wieder eine Mitarbeiterin gesagt, dass sie mir die Daumen drückt und mir den Sprung ins Landratsamt gönnen würde. Zugleich sagen alle unisono, dass sie es sehr bedauern, wenn ich Kornwestheim verlasse würde. Das freut mich deshalb, weil es eine schöne Anerkennung meiner Arbeit ist. Werde ich nicht gewählt, dann bleibe ich auf jeden Fall hier.

Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, gewählt zu werden?

Wir sind vier Bewerber, die zur Wahl stehen, von denen drei Bewerber eine politische Basis haben. Die 103 wahlberechtigten Kreisräte machen sich derzeit ein Bild von den Persönlichkeiten der Kandidaten und deren Inhalte. Als einer der Bewerber steht es mir nicht zu, eine Prognose über die einzelnen Chancen abzugeben.

Wird die Entscheidung schon im ersten Wahlgang fallen?

Ich rechne damit, dass erst der dritte Wahlgang mit einfacher Mehrheit die Entscheidung bringt, weil davon auszugehen ist, dass die Parteien in den ersten beiden Wahlgängen die Stimmen ihren eigenen Kandidaten geben werden. Im dritten Wahlgang ist dann alles möglich.

Sie rechnen also durchaus mit Stimmen anderer Parteien?

Das wird man sehen. 2008 beispielsweise bin ich hier in Kornwestheim zum Bürgermeister gewählt worden von der CDU, der SPD und mit zahlreichen Stimmen aus den Reihen der Grünen sowie der Freien Wähler. Damals habe ich 21 von 27 Stimmen bekommen. 2012 bin ich dann bei geheimer Wahl einstimmig zum Ersten Bürgermeister gewählt worden. Von daher ist das Rennen für jeden Kandidaten offen. Ich habe mich allen Fraktionen vorgestellt und bin zudem der Meinung, dass der gewählte Landrat nur dem Landkreis und dem Kreistag unterworfen ist, aber keiner Partei. Deshalb sollte er auch immer einen Kontakt zu allen Fraktionen pflegen. Das tue ich als Erster Bürgermeister ebenso.

Auf welche Aufgaben freuen Sie sich besonders, sollten Sie die Wahl gewinnen?

Im Falle einer Wahl freue ich mich zuerst einmal, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kennenlernen zu dürfen. Ebenso freue ich mich auf den Kontakt mit den ganzen Städten und Gemeinden, deren Bindeglied der Landrat ist. Die kommunalpolitische Arbeit eines Landrats ist spannend, weil sie direkt am Menschen ist. Natürlich freue ich mich auch auf die Herausforderungen, die dieses Amt mit sich bringt.

Welche Herausforderungen wären neu für Sie?

Ergänzend zu den Tätigkeiten meiner jetzigen Aufgabe als Erster Bürgermeister sind es die gemarkungsübergreifenden Themen der Mobilität, weitere Möglichkeiten beim Umwelt- und Klimaschutz und die Klinikenfinanzierung im Landkreis Ludwigsburg. Bei rein kommunalen Themen Wirtschaft und die Wohnraumversorgung, auch wenn der Landkreis da oftmals keine direkte Einwirkung darauf hat, möchte ich mit Städten und Gemeinden kooperieren und meine Erfahrungen einbringen. Außerdem würde ich dann gerne das Thema Innovation in meine Arbeit einfließen lassen.

Der Landkreis Ludwigsburg gehört zu den Top Ten der einkommensstärksten Kreise. Was kann der zukünftige Landrat tun, damit dies so bleibt.

Die Einnahmenseite ist immer nur mittelbar beinflussbar von den politischen Gremien und der Verwaltung oder gar dem Landrat selbst. Deswegen halte ich eine vernünftige und solide Haushaltspolitik des Landkreises auch in der Zukunft für wichtig. Das heißt beispielsweise, dass geplante Investitionen grundsätzlich immer auch auf ihre Folgekosten überprüft werden müssen. Wenn der Landkreis solide sowie generationengerecht handelt, wird auch, trotz aller nicht steuerbaren Einflüsse wie beispielsweise 2015 die Flüchtlingswelle, die ein enormes Finanzvolumen gebunden hat, der Wohlstand der Einwohnerinnen und Einwohner zu halten sein.

Sie selbst mussten in Kornwestheim vor ein paar Jahren als Finanzbürgermeister eine ungeplante Steuerrückzahlung in Höhe von über 20 Mio. Euro stemmen…

… was die Stadt tatsächlich geschafft hat, weil sie gemeinsam mit dem Gemeinderat in den Folgejahren den Haushalt so konsolidieren konnte, dass es an der einen oder anderen Stelle zwar schmerzhaft war, aber wir keine Leistungen streichen mussten. Wir haben die Krise überwunden, Kornwestheim steht schuldenfrei da und ist die Stadt im Landkreis mit der zweithöchsten Liquidität.

Kann ein Landrat neue Gewerbegebiete ausweisen, um neue Unternehmen an Land zu ziehen?

Die Hoheit über Planungen und Maßnahmen haben letztlich immer die Kommunen. Aber der Landrat kann gut unterstützen, wenn er mit den Bürgermeistern entsprechend über Entwicklungsmöglichkeiten kommuniziert. Als Landrat würde ich gerne Schwerpunkte setzen im Bereich Innovation und in den nächsten Jahren, junge, innovative Unternehmen in den Landkreis holen. Das sind nicht die Unternehmer, die große Flächen verbrauchen und Flächenressourcen benötigen, sondern sie benötigen oftmals am Anfang einfach nur eine Chance sowie eine politisch ideelle Unterstützung und manchmal vielleicht eine räumliche oder sachliche. Baden-Württemberg war schon immer das Land der Tüftler und Denker, wir haben dank guter Hochschulen sehr viele junge, innovative Köpfe, die man versuchen sollte, für den Landkreis zu gewinnen.

Welche Mechanismen hat ein Landrat, um beispielsweise beim Thema Wohnungsbau einzuwirken?

Der Landrat sollte ausgleichend und moderierend unterwegs sein. Natürlich sind die Bürgermeister und Gemeinderäte in ihren Entscheidungen autonom. Aber so ein übergreifendes Thema wie Wohnraum kann man nur gemeinsam angehen. Hier kann der Landkreis schon unterstützen, weil der Landkreis beispielsweise bei der Baulandplanung direkten Einfluss hat. Bei der Flächenausweisung und bei der Erstellung von Flächennutzungsplänen kann man unterstützen. Wichtig wird ebenso sein, mit den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften zu kooperieren und Gemarkungsübergreifend gemeinsam Projekte zu entwickeln, sofern die Kommunen dazu bereit sind.

Stichwort Doppelstrategie ÖPNV: Würden die Beschlüsse unter Ihrer Regie so durchgesetzt werden oder würden Sie sich nochmals genau anschauen, was seinerzeit zwischen Landrat Haas und Ludwigsburgs Ex-OB Spec verabredet wurde?

Gefassten Beschlüssen ist natürlich auch der neue Landrat unterworfen. Aber ich halte es dennoch für wichtig und richtig, die Fakten nochmals zusammenzutragen, um sie nüchtern und objektiv zu überprüfen auf das, was in dieser doch sehr aufgeregten Zeit insgesamt festgelegt wurde. Darüber habe ich mich mit dem neuen OB Dr. Knecht vor Kurzem bereits ausgetauscht, der es so ähnlich sieht wie ich. Man sollte dieses Thema noch einmal sehr behutsam angehen und sich besprechen, denn am Ende geht es um die hoffentlich beste Lösung für den Landkreis und da ist die Stadt Ludwigsburg ein wesentlicher Faktor. Aber die Frage der Mobilität geht weit über diese Diskussion hinaus, denn wir brauchen letztlich eine Lösung für den gesamten Landkreis.

„Ich ticke kommunal“, sagen Sie über sich. Was finden Sie an der kommunalen Ebene reizvoller als an der Landes- oder Bundespolitik?

Neben der Nähe am Menschen ist es die Sichtbarkeit des Handelns der Verwaltung sowie der Beschlüsse der Gremien. Die kommunalpolitische Arbeit findet an der Basis statt. Ich persönlich genieße es, wenn ich unterwegs bin und das Feedback der Bürgerinnen und Bürger bekomme, Anregungen und auch mal Kritik. Auf der kommunalen Ebene hat man eben die Möglichkeit, sehr viel schneller zu gestalten als in übergeordneten Organen.

 

Sie haben eben das Thema Kritik angesprochen. Wie reagieren Sie auf Kritik?

Mit sachlicher Kritik kann ich gut umgehen, was nicht geht, sind persönliche Anfeindungen, die ich allerdings in meinen elf Jahren als Bürgermeister noch nicht erlebt habe. Es ist natürlich auch immer eine Frage, wie man selbst mit seinem Gegenüber umgeht. Ich versuche, dies respektvoll zu tun, erwarte das allerdings auch umgekehrt. Die Gesellschaft hat sich allerdings verändert. Früher war die Verwaltung ein hoheitliches Organ, heute ist sie Dienstleister. Die Kommunen haben dies bereits zu großen Teilen wahrgenommen, der Landkreis muss noch ein bisschen daran arbeiten. Wenn man die Bürger mit ihren Anliegen ernstnimmt und vernünftig begründet, warum man nicht alles erfüllen kann, dann ist zumindest eine gewisse Akzeptanz vorhanden.

Sie sind Mitglied der CDU. Wann und warum sind sie in die Partei eingetreten?

Eingetreten bin ich 1994, also vor 25 Jahren. Zu dieser Zeit war ich Vorsitzender der Städtischen Orchester Kornwestheim. Als Vereinsvorsitzender ist man vor anstehenden Kommunalwahlen eigentlich immer im Blick der Parteien und Fraktionen. Also hat mich die CDU, deren Fraktionsmitglieder ich teils gut kannte und deren Themen mich überzeugt haben, angesprochen und ich konnte mir vorstellen, mich in meiner Heimatstadt politisch zu engagieren.

Würden Sie heute wieder in die CDU eintreten?

Ja, ich würde wieder in die CDU eintreten, möchte aber betonen, dass ich in all den Jahren meiner kommunalpolitischen Tätigkeit nie Parteipolitik betrieben habe. Für mich ging und geht es immer um Sachthemen.

Haben Sie Vorbilder in der Politik?

Vorbilder sind für mich die Politiker der alten Generation aus der Nachkriegszeit von Theodor Heuss bis Willy Brandt, also unabhängig von der Parteizugehörigkeit. Sie haben letztlich alle dafür gesorgt, dass Deutschland wiederaufgebaut wurde.

Sie würden gerne Barack Obama kennenlernen, warum?

Seinen Politikstil fand ich sehr ansprechend. Als Präsident war er aus meiner Sicht wahnsinnig glaubwürdig und er hat eine sehr ehrliche, verlässliche Politik gemacht. Diese Eigenschaften halte ich für sehr wichtig, zumal die Politik allgemein sehr an Glaubwürdigkeit verloren hat.

Worüber würden Sie mit ihm reden?

Obama interessiert mich als Mensch. Er hat eine Kindheit erlebt, die nicht von Wohlstand geprägt war. Ich würde ihn viel zu seiner Biografie fragen, aber ebenso zu seinen Erfahrungen, die er während seiner Präsidentschaft gemacht hat.

Zurück zu Ihrer eigenen Karriere: Ihre Frau und die beiden Töchter unterstützen Ihre Landratskandidatur. Wie wichtig ist Ihnen diese Unterstützung?

Diese Unterstützung ist eine Grundvoraussetzung. Schon der Schritt in meine jetzige Funktion war mit meiner Familie eng abgestimmt. In so einem Amt brauchen sie diesen Rückhalt sowohl vom Ehepartner als auch von den Kindern, weil dieser Beruf großen Einfluss auf die Familie hat.

Hätten Sie im Zweifelsfall die Familie über die Karriere gestellt?

Ja, dann hätte ich tatsächlich auf eine Kandidatur verzichtet. Das habe ich schon einmal getan, als mir vor ein paar Jahren eine Kandidatur für eine OB-Stelle in einer Stadt mit 60.000 Einwohnern angeboten worden ist. Das war eine große Ehre für mich und ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, das Angebot anzunehmen. Aber die Stelle wäre mit einem Umzug verbunden gewesen, die Kinder hätten Schule und Umfeld wechseln müssen und das wollten wir damals nicht.

Wäre Ihnen ein Umzug ebenfalls schwergefallen?

Schon, denn ich fühle mich hier ausgesprochen wohl, hier sind meine Wurzeln. Kornwestheim bedeutet für mich Familie, Freunde, Heimat. Das geht aber über die Stadtgrenze hinaus. Wir haben hier im Landkreis eine solche Vielfalt, die finde ich einfach fantastisch. Wir haben hier Wirtschaft, Sport, Kultur, Kunst und Freiraum. Wir haben Weinberge, Naherholungsräume, landwirtschaftliche Freiflächen, das alles ist wunderschön und ich genieße es.

Dabei wollten Sie doch angeblich mal nach Kanada auswandern…

Das kommt durch meinen Vater. Als er neunzehn Jahre alt war, ist er für vier Jahre nach Kanada, um dort zu arbeiten. Als er auf Heimatbesuch kam, lernte er meine Mutter kennen und blieb. Er hat mir immer viel über dieses Land erzählt und mich dafür begeistert. Aber ich muss gestehen: Bis heute war ich noch nicht ein einziges Mal dort und der Auswanderertraum ist längst begraben.

Was für ein Vatertyp sind Sie?

Meine beiden Töchter liebe ich sehr. Manchmal bin ich wohl etwas überfürsorglich – zumindest aus der Sicht meiner Töchter. Ich möchte immer gerne wissen, wo sie sind, was sie machen und ob es ihnen gutgeht. Aber zugleich habe ich beiden immer den Freiraum gelassen, den sie benötigen. Lisa, meine Große, ist jetzt für ein Jahr nach Amerika. Sie findet das großartig, ich leide ein bisschen. Plötzlich fehlt ein Teil der Familie. Lisa ist nicht mehr in Reichweite, denn Washington ist nicht gerade ums Eck. Aber es war ihr Wunsch, das habe ich respektiert, weil ich weiß, dass es wichtig und richtig ist für ihre Persönlichkeitsentwicklung. Also lerne ich jetzt loszulassen.

Welche Werte waren Ihnen wichtig in der Erziehung?

Ehrlichkeit ist mir sehr wichtig, aber auch ein gutes Sozialverhalten und dass meine Kinder aus innerer Überzeugung fühlen, wie wertvoll Familie ist. Sie sollen sicher sein können, dass Familie, Eltern immer eine Basisstation sind – in jedem Alter und egal, worum es auch im Leben geht. Meine Frau und ich haben auch immer eine frühe Selbständigkeit der Mädchen unterstützt. Unsere jüngere Tochter Franziska wollte trotz Gymnasialempfehlung unbedingt auf die hiesige bilinguale Realschule. Wir haben sie diese Entscheidung tatsächlich selbst treffen lassen und es hat sich im Nachhinein gezeigt, dass dies goldrichtig war. Nun wird sie dieses Schuljahr ihr Abitur an der Mathilde-Planck-Schule in Ludwigsburg machen.

Wo möchten Sie sich als Politiker einbringen, dass Sie nachhaltig etwas für die Generation Ihrer Töchter und deren Nachkommen hinterlassen?

Das fängt schon damit an, dass ich die junge Generation ernst nehme. Die Jugend formuliert gerade sehr hörbar ihre ihnen wichtigen Bedürfnisse für die Zukunft. Da spielt der Klima- und Umweltschutz eine große Rolle. Auch meine große Tochter hat an den Friday for Future-Demonstrationen teilgenommen und wir haben daheim über das Thema diskutiert. Es ist unsere Pflicht, dass wir unsere Erde, unser Klima, unsere Natur so für die Enkel und Urenkel erhalten, dass unsere Jugend positiv in die Zukunft blicken kann.

Die Medien der Zukunft, also die Digitalisierung liegt mir ebenfalls am Herzen sowie das Thema Wohnen und der Schutz unseres unbebauten Lebensraums zur Erhaltung der Freizeitmöglichkeiten. Nicht zu vergessen die ständige Verbesserung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Neben Frau und Töchtern gehört Ihre Liebe dem abgestiegenen VfB. Wie groß ist derzeit Ihr Liebeskummer?

Da ich jede Menge Herzblut mitbringe für diesen Verein, leide ich genauso mit wie jeder andere Fan. Zweimal zweite Liga innerhalb von zwei Jahren ist schon sehr schmerzhaft. Ich bin ja ehrenamtlich im Mitgliederausschuss tätig und schaue mir möglichst oft die Heimspiele im Stadion an. Natürlich ärgere ich mich über jede Niederlage und fiebere mit, dass am Ende der Saison der Aufstieg steht. Doch unterm Strich ist und bleibt es Sport.

Wie schätzen Sie derzeit Form und Leistung des Vereins ein?

So, wie die neuen Strukturen gerade aufgebaut werden, glaube ich, dass der Verein organisatorisch sowie personell gut aufgestellt sein wird und dadurch wieder in ruhigere Fahrwasser kommt. Die Ausgliederung halte ich noch immer für den richtigen Schritt und ich bin auch der Meinung, dass Wolfgang Dietrich zum damaligen Zeitpunkt der richtige Präsident war. Herr Dr. Gaiser ist für die Übergangszeit in seiner ruhigen, sachlichen und überlegten Art als kommissarischer Präsident ebenfalls der richtige Mann. Er ist sehr erfahren und ich schätze ihn sehr. Vieles wird jetzt davon abhängen, wer der neue Präsident wird. Er sollte auf jedem Fall die VfB-Familie wieder zusammenführen und integrieren, damit der Verein wieder eine Einheit wird. Was sportlich auf dem Platz abläuft, möchte ich nicht kommentieren, weil ich kein Fachmann bin.

Der neue Präsident muss mit Finanzen umgehen können, sich mit Verwaltung auskennen, er sollte für Personal ein Händchen haben, Fußballverstand und eine gehörige Portion Leidenschaft für diesen Sport sowie ein gutes Netzwerk mitbringen. Passt doch, falls das mit dem Landrat nicht klappen sollte!

(lacht herzhaft) Na ja, ich suche einen Job für mindestens acht Jahre und nicht nur für eins. Der Präsident des VfB Stuttgart sollte auch Sport- und Fußball-Kompetenz mitbringen und im besten Fall auch das passende Netzwerk. Und beides habe ich nicht. Deshalb wäre das für mich nicht der richtige Posten. Ich bewerbe mich nur auf Stellen, bei denen ich von mir selbst überzeugt bin, dass ich sie wirklich zu hundert Prozent gut ausfülle. In diesem Segment würde ich mir das auf jeden Fall absprechen.

Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

“Meine Chancen stehen 50:50” – Ludwigsburg24 im Gespräch mit Gerd Maisch

Sein Arbeitsplatz in Vaihingen an der Enz ist ein kleines Schmuckkästchen, das Gerd Maisch jetzt nach 13 Jahren verlassen will. Denn er möchte das alte Rathaus, das 1693 abbrannte und 1720 wieder neu aufgebaut wurde, gegen das viel modernere Landratsamt in Ludwigsburg tauschen. Wie groß der 55-jährige Oberbürgermeister von Vaihingen an der Enz (Freie Wähler) seine Chancen für diesen Wechsel einschätzt und warum er glaubt, der richtige Kandidat zu sein, erzählt er in einem ausführlichen Gespräch mit Ludwigsburg24.

 

Ludwigsburg24: Sie haben sich knapp vor Ablauf der Bewerbungsfrist entschieden, für die Landratswahlen am 15. November zu kandidieren. Warum kam Ihre Entscheidung erst in der letzten Minute?

Ich bin vielleicht ein Last-Minute-Kandidat was die Abgabefrist für die Bewerbung betrifft, aber mein Entscheidungsprozess ging natürlich schon viel länger. Dabei haben viele Überlegungen eine Rolle gespielt, zum Beispiel, dass ich hier als Oberbürgermeister eine schöne Aufgabe habe. Wir haben den Zuschlag für eine Gartenschau bekommen, die die Stadt im Jahr 2029 ausrichten wird. Die ersten Planungsvorbereitungen dafür beginnen schon jetzt. Eine Gartenschau zu gestalten ist eine Aufgabe, die nicht jeder meiner Amtskollegen und -kolleginnen bekommt.

Auch gefällt mir der gute und ständige Kontakt zu den Bürgern meiner Stadt, der natürlich intensiver ist als der eines Landrates. Außerdem sehe ich die geleistete Arbeit auf kommunaler Ebene sehr konkret. Ich laufe durch die Stadt und kann sagen: Hier haben wir was gemacht, dort haben wir etwas umgesetzt. Das macht natürlich Spaß. Mit jeder höheren beruflichen Ebene werden die Ergebnisse zwangsläufig abstrakter.

Warum haben Sie sich am Ende doch für eine Kandidatur entschieden?

Mit 55 Jahren möchte ich jetzt gerne nochmal neue Herausforderungen annehmen. Diese Kandidatur bietet mir eine gute Möglichkeit, zumal ich im Kreis Ludwigsburg fest verankert und gut vernetzt bin. Der Landkreis bietet viele spannende Themen und anspruchsvolle Aufgaben, denen ich mich gerne stellen möchte. Ich sehe dabei vor allem die Chancen, die man im gemeinsamen Erreichen von Zielen als Kommune, Kreis und Region hat, um das Beste für die Bürger zu erreichen. Hierfür möchte ich meine Erfahrung einbringen als Oberbürgermeister, als Kreisrat und auch als Mitglied der Regionalversammlung vom Regionalverband Stuttgart, der ich seit fünf Jahren angehöre.

Ihre Wahl zum Oberbürgermeister haben sie 2006 im ersten Wahlgang überraschend gewonnen, Ihre Wiederwahl war mit 97 Prozent noch fulminanter Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, zum neuen Landrat gewählt zu werden?

Sie können eine Volkswahl natürlich nicht mit einer Gremienwahl vergleichen. Bei der nun anstehenden Gremienwahl spielt beispielsweise die Parteizugehörigkeit zumindest in den beiden ersten Wahlgängen eine gewisse Rolle. Meine Chancen schätze ich 50:50 ein. Die Gespräche, die ich bisher mit den Fraktionen geführt habe, waren sehr positiv, und ich habe den Eindruck gewonnen, dass man mich als kompetenten Bewerber wahrnimmt, der diese Aufgabe erfüllen könnte.

Bei der OB-Wahl in Ludwigsburg wurden parteipolitische Koalitionen geschmiedet, um eine Ablösung des den Freien Wählern angehörenden Werner Spec an der Rathausspitze herbeizuführen. Fürchten Sie, dass sich gegen Sie auch etwas zusammenbraut?

Nein, das fürchte ich nicht. Bei der OB-Wahl entscheidet allein die Bevölkerung und wählt den Kandidaten, den sie für das Amt am besten hält. Die Parteien positionieren sich zwar zugunsten des einen oder anderen Kandidaten, aber das geht auch gar nicht anders. Eine OB-Wahl in einer Stadt wie Ludwigsburg erfordert einen beachtlichen finanziellen Aufwand des Kandidaten, aber es gibt anders als bei Bund und Land keine Wahlkampfkostenerstattung. Ohne Unterstützung von irgendwelchen Gruppierungen, die sich hinter den Kandidaten stellen und ihn auch finanziell unterstützen, ist so ein Wahlkampf allein kaum durchzuführen. Aber das hat mit der Landratswahl aus meiner Sicht sehr wenig zu tun. Eine Abrechnung in irgendeiner Form kann ich mir nicht vorstellen. Dafür besteht weder ein Bedarf noch ein Wunsch noch eine Strömung in diese Richtung.

Sie wollen wechseln von einer Stadt mit rund 29.000 Einwohnern und einer Verwaltung mit 650 Mitarbeitern in einen Landkreis mit 39 Gemeinden, über 500.000 Einwohnern und 2.000 Mitarbeitern. Wie groß ist Ihr Respekt vor diesem gewaltigen Sprung?

Die Organisationsstruktur einer Stadt und eines Landkreises ist ähnlich und doch wieder ganz anders. Ein Oberbürgermeister hat mindestens so viel direkten Kontakt mit seinen Mitarbeitern wie ein Landrat, das ist durch die Organisationsstruktur einfach gegeben. Und ich behaupte, dass jeder OB mehr Bürgerkontakt hat als ein Landrat. Und ob sie jetzt im Kontakt sind mit viel oder wenig Mitarbeitern, ob mit 29.000 Bürgern oder über 500.000, das ist egal. Den Umgang mit Menschen habe ich in 25 Jahren als Bürgermeister und Oberbürgermeister gelernt und bin somit gut aufgestellt und erfahren genug, um einen Landkreis führen zu können.

Sagen Sie uns doch bitte, warum Sie Ihrer Meinung nach der beste Kandidat von den vier Bewerbern sind.

Wenn man eben diese 25 Jahre Erfahrung als Bürgermeister und Oberbürgermeister hat, seit 20 Jahren im Kreistag sitzt, dann hat man den wichtigen Blick von beiden Seiten. Den Blick auf den Kreis durch den Kreisrat, den auf die kommunale Seite als OB. Ich glaube, dass ich die beiden Sichtweisen und Erwartungen gut zusammenbringen und zu einem Miteinander führen kann, um letztlich das Ziehen an einem gemeinsamen Strang von allen Beteiligten zu erreichen.

Beschreiben Sie sich doch bitte mal selbst. Wie sind Sie als Mensch, als Politiker?

Ich bin sicherlich sehr zielstrebig, arbeite gerne für die Allgemeinheit, ich glaube, dass ich mich verständlich ausdrücke und den Menschen alle Verwaltungsentscheidungen nachvollziehbar erklären kann. Ich bin sehr ehrlich und damit auch verlässlich. Mir kann man nicht vorwerfen, dass ich jemals etwas gesagt habe, was ich hinterher anders gemacht habe.

Und welcher Typ Chef sind Sie, welche Führungsqualitäten zeichnen Sie aus?

Ich weiß, dass der Kopf einer Organisation sehr wichtig ist. Ich weiß aber auch, dass es ohne das Team nicht geht. Ich bin nicht beratungsresistent und pflege schon immer mit meinen Mitarbeitern eine gute sowie vertrauensvolle Zusammenarbeit, suche ihren Rat, da sie naturgemäß in der Detailarbeit viel stärker drin sind als ich. Wir tauschen uns intensiv aus und versuchen gemeinsam, gute Vorschläge zu erarbeiten. Klappt das mal nicht, dann ist klar, am Ende entscheidet der Chef – mit allen Konsequenzen. Das heißt, ich ertrage dann im schlimmsten Fall auch die Kritik von außen und ducke mich nicht etwa weg, sondern ich stehe vor meinen Mitarbeitern und übernehme die volle Verantwortung.

Jeder von uns hat neben Stärken auch die eine oder andere Schwäche. Woran würden Sie gerne noch an sich arbeiten?

In der Regel habe ich mich im Griff, aber dennoch werde ich manchmal ungeduldig, zum Beispiel dann, wenn man ein Thema schon mehrfach durch- und ausdiskutiert und auch Entscheidungen getroffen hat und dann fängt irgendwer alles wieder von vorn an. Es gehört zum politischen Geschäft, dass getroffene Entscheidungen auch schlussendlich akzeptiert werden müssen.

Wie äußert sich Ihre Ungeduld, werden Sie laut, hauen Sie auf den Tisch?

Nein, weder noch, ich habe meine Emotionen gut im Griff. Ich äußere sachlich, aber sehr bestimmt, dass ich nicht bereit bin, erneut zu diskutieren. Allerdings gibt es ein paar langjährige Gemeinderäte, die behaupten, meine Ungeduld an meinem Blick erkennen zu können.

Was die eigene Karriere betrifft, sind Sie sehr erfolgsverwöhnt. Haben Sie auch gelernt mit Niederlagen umzugehen?

Seit über 30 Jahren arbeite ich nun in der öffentlichen Verwaltung, davon 25 Jahre in einer Führungsfunktion. Das ist zwar eine gerade Linie im Lebenslauf, dennoch gibt es im politischen Geschäft immer wieder Situationen oder Erlebnisse, von denen man überrascht, enttäuscht ist. Das habe ich natürlich auch erlebt. Das tut im ersten Moment weh, aber man lernt damit umzugehen.

Sind Sie ein nachtragender Mensch?

Wenn mich jemand persönlich verletzt, verändert sich mein Verhalten. Diesen Menschen gehe ich außerhalb meines Amtes aus dem Weg, weil ich privat nicht meine Zeit mit ihnen verbringen will. Das würde ich nicht als nachtragend bezeichnen, sondern als konsequent.

Würden Sie als Landrat mit allen Parteien zusammenarbeiten oder gibt es Ausnahmen?

Prinzipiell sind alle im Kreisrat sitzenden Vertreter demokratisch gewählt und somit darf jede Partei jederzeit ihre Vorschläge einbringen, die in den Gremien beraten werden. Aber natürlich habe ich eine Position und Meinung, die ich offen vertrete, weshalb nicht jede Idee bei mir auf Gegenliebe stößt. Aber ich schließe auch niemanden aus. Sie spielen wahrscheinlich auf den Umgang mit der AFD an. Einen sachlich guten Vorschlag eines AFD-Vertreters nehme ich genauso an wie den von allen anderen Parteien, auch wenn ich mit meinen eigenen politischen Ansichten von dieser Partei sehr, sehr weit weg bin.

Mit welcher Partei sehen Sie die größten Überschneidungen?

Der Kreistag ist mit seinen sieben Gruppierungen ein Querschnitt der Bevölkerung, die komplexer, heterogener geworden ist. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es für die Sachthemen immer große Mehrheiten über die Parteigrenzen hinweg gab, deshalb bin ich auch zuversichtlich für die Zukunft. Es gibt kein linkes oder rechtes, kein grünes, schwarzes oder rotes Krankenhaus, sondern nur eine gute medizinische Versorgung für die Bevölkerung. Deshalb ist die Parteistruktur in einem Kreistag nicht ganz so deutlich wahrnehmbar wie in einem Parlament. Das ist auch gut so und macht das kommunale Geschäft so angenehm.

In der Vergangenheit gab es häufig große Differenzen zwischen dem ausscheidenden Landrat Rainer Haas und dem jetzt abgewählten OB von Ludwigsburg, Werner Spec. Wie stehen Sie zu der beschlossenen Doppelstrategie im ÖPNV von Schnellbussen und Niederflurbahnen? Bleibt es dabei oder werden Sie das Kapitel als neuer Landrat nochmals neu aufmachen?

Die Diskussion dazu ist geführt, die Beschlüsse sind gefasst. Dabei bleibt es jetzt auch. Der Bürger hat das Recht darauf, dass die Beschlüsse endlich umgesetzt und abgearbeitet werden.

Welche Themen stehen als möglicher neuer Landrat noch ganz oben auf Ihrer Agenda?

Ein wichtiges Thema ist die Verbesserung des ÖPNV im gesamten Landkreis. Es geht um den S-Bahn-Ausbau beispielsweise der S5 oder die Ausdehnung der Strohgäubahn. Das ganze Krankenhauswesen bleibt wichtig. Das Akut-Krankenhaus in Vaihingen an der Enz wurde geschlossen, gerade wird über den Krankenhausstandort Marbach diskutiert. Hier brauchen wir bei allen Beschlüssen eine gute Transparenz für die Bürger, um die nötige Akzeptanz zu erzielen. Beim Thema Abfall geht es um die freigemessenen Abfälle aus Neckarwest und die damit verbundenen langfristigen Entsorgungsmöglichkeiten. Die Deponien sind irgendwann voll, dann brauchen wir neue. Einen neuen Standort kann man heute aber nur noch umsetzen, wenn man die Bevölkerung hinter sich hat.

Haben Sie auch ein Herzensprojekt, das Sie gerne vorantreiben würden?

Die Pflege ist mir ein Herzensanliegen. Neben dem allgemeinen Problem der fehlenden Pflegekräfte, haben wir im Landkreis auch zu wenig Kurzzeit-Pflegeplätze. Hier muss der Landkreis mit ins Boot, um die Kurzzeitpflege wieder interessanter zu machen für die Pflegeheimbetreiber und um die pflegenden Angehörigen besser zu unterstützen und zu entlasten.

Auf welches Projekt sind Sie als OB von Vaihingen an der Enz besonders stolz?

Er gibt durchaus mehrere Projekte, über die ich glücklich sein kann. So haben wir für unsere Mitarbeiter bessere strukturelle Arbeitsbedingungen oder für den Bauhof eine neue Einrichtung schaffen können. Richtig stolz bin ich jedoch auf den Umstand, dass es uns seit Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz im Jahr 2013 irgendwie immer gelungen ist, allen Eltern mit dringendem Betreuungsbedarf ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Wir haben einen bunten Strauß an Maßnahmen dafür ergriffen, haben u.a. neue Kindergärten gebaut, bestehende erweitert, so dass wir einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie geleistet haben. Es gab bislang keine einzige Klage gegen die Stadt.

Sie sind Vater von vier Kindern, diskutieren Sie daheim über Politik? Und was halten Sie von der Bewegung „Fridays for Future“?

Als Vater und als Politiker habe ich Verantwortung für die kommenden Generationen und natürlich habe ich für die nachwachsende Generation und ihre berechtigten Sorgen großes Verständnis. Ich denke zwar, dass es in der Emotionalität manchmal ein bisschen zu weit geht, aber die Sorgen als solche kann ich nachvollziehen. Wir müssen deutlich machen, was schon passiert ist und was künftig passieren muss und soll. Es ist zwar das Privileg der Jugend zu fordern, dass alles noch schneller gehen sollte, aber die Lebenswirklichkeit in einer sehr heterogen gewordenen Gesellschaft bedingt nun mal, dass es nicht immer sofort und schnell gehen kann. Darüber diskutiere ich selbstverständlich auch mit meinen Kindern.

Welchen Beitrag leisten Sie zum Klimaschutz?

Schon seit vielen Jahren haben wir die Dächer unserer kommunalen Einrichtungen mit Photovoltaik ausgestattet. Vor 15 Jahre haben wir bereits unsere Stadthalle und auch unsere Innenstadtschulen jeweils auf eine Holzhackschnitzel-Heizungsanlage umgestellt. Dieses System verlängern wir gerade in die Innenstadt. Wir haben im Stadtteil Gündelbach ein Fernwärmenetz aufgebaut und vieles mehr. Es ist also schon viel passiert auf unserer kommunalen Ebene. Aber jedem muss klar sein, dass der Klimaschutz ein gesamtgesellschaftliches Thema ist, zu dem jeder Einzelne seinen Beitrag leisten muss und das wird eine spannende Herausforderung, denn das heißt für jeden Einzelnen auch persönlicher Verzicht, beispielsweise schon bei der nächsten Urlaubsreise. Die Umsetzung zum Schutz des Klimas ist für viele Menschen in Bezug auf ihr eigenes Leben leider noch sehr abstrakt.

Warum hat es Sie bislang nicht in den Landtag oder in den Bundestag gezogen?

Politisch gehöre ich den Freien Wählern Baden-Württemberg an, die sich auch ganz bewusst nur in Stadt, Kreis und Region engagieren. Damit habe ich von Beginn an ganz bewusst deutlich gemacht, dass ich meine berufliche Zukunft ausschließlich auf der kommunalen Ebene sehe. Hier ist die Welt durch Bürger- und Projektnähe konkret, hier setze ich gefasste Beschlüsse auch selbst um, das macht mir Spaß.

Haben Sie auch nie darüber nachgedacht, in einer anderen Region beruflich Fuß zu fassen?

Nein, warum hätte ich dies tun sollen? Ich bin im Raum Böblingen aufgewachsen, habe hier in der Region meine ganz persönlichen Beziehungen wie Verwandtschaft, Freundeskreis. Alle sind in der Region, ich fühle mich hier wohl, warum sollte ich dann woanders hingehen. Ich hatte durchaus berufliche Anfragen aus anderen Regionen, mit denen ich mich auch beschäftigt habe, aber letztlich habe ich mich immer für meine hiesige Heimat entschieden, weil mir die Verwurzelung wichtig ist.

Sollten Sie gewählt werden, wollen Sie dann Richtung Ludwigsburg umziehen?

Nein, dafür besteht keine Notwendigkeit, denn man kann hier sehr schön wohnen und leben. Ich fühle mich privat sehr wohl in dieser Stadt.

Interview: Patricia Leßnerkraus und Ayhan Günes

Landrat-Wahl Ludwigsburg: Das sind die vier Kandidaten

LUDWIGSBURG. Jetzt ist es amtlich. Insgesamt vier Kandidaten bewerben sich um das Amt des Landrats des Landkreises Ludwigsburg. Das gibt der Vorsitzende des Ausschusses zur Vorbereitung der Landratswahl, Manfred Hollenbach, nach Ablauf der Bewerbungsfrist bekannt. Es handelt sich dabei um Dietmar Allgaier, Erster Bürgermeister der Stadt Kornwestheim, Christoph Erdmenger, Leiter der Abteilung Nachhaltige Mobilität im Landesverkehrsministerium, Gerd Maisch, Oberbürgermeister der Stadt Vaihingen, und Heiner Pfrommer, Sozialdezernent des Landkreises Ludwigsburg.

Die Bewerbungen der Kandidaten werden im nächsten Schritt dem Innenministerium vorgelegt. Die Entscheidung über die Vorschlagsliste trifft der Ausschuss zur Vorbereitung der Wahl des Landrats am 18. September. Die Wahl des neuen Landrats ist am 15. November. Der noch bis 4. Januar 2020 amtierende Landrat, Dr. Rainer Haas, hatte nach drei Amtszeiten nicht mehr kandidiert.

Info:

Der Landrat ist Organ und Hauptverwaltungsbeamter eines deutschen Landkreises oder Kreises und damit oberster Kommunalbeamter. Zugleich ist er in den meisten Ländern untere staatliche Verwaltungsbehörde. Er vertritt den (Land-)Kreis nach außen und wird in den meisten Ländern unmittelbar von den Kreisbürgern gewählt. Nur in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein wird der Landrat vom Kreistag gewählt.

Rechtsstellung und Aufgaben des Landrats sind in den einzelnen Ländern – insbesondere in den Landkreisordnungen– unterschiedlich ausgestaltet. In vielen deutschen Bundesländern ist „Der Landrat“ auch die Bezeichnung der von ihm geleiteten Behörde, der Kreisverwaltung. In Süddeutschland ist stattdessen die Bezeichnung Landratsamt üblich. Nach den Regelungen der meisten deutschen Bundesländer ist der Landrat als Wahlbeamter zugleich Behördenleiter des staatlichen Teils des Landratsamtes (untere staatliche Verwaltungsbehörde bzw. untere Landesbehörde).

Kornwestheims Bürgermeister Allgaier will Landrat in Ludwigsburg werden

Dietmar Allgaier ist seit 2008 als Bürgermeister in Kornwestheim tätig und verantwortet die Fachbereiche Finanzen und Beteiligungen, Organisation und Personal, Recht, Sicherheit und Ordnung sowie die Stabsstelle Wirtschaftsförderung. Zudem ist er Geschäftsführer der 100%-ig kommunalen Tochterunternehmen Städtische Wohnbau Kornwestheim GmbH und TechMoteum GmbH, einer Gesellschaft zur Förderung und Unterstützung von Start-up Unternehmen. Allgaier ist verheiratet, lebt in Kornwestheim und hat zwei Töchter.

Für das Amt des Landrats bringt Allgaier aus seiner derzeitigen Funktion als Erster Bürgermeister der Stadt Kornwestheim nicht nur die nötigen Fachkenntnisse und Kompetenzen mit, sondern auch langjährige politische Erfahrung. Seit 2009 sitzt er für die CDU im Kreistag in Ludwigsburg. Für Allgaier ist „der Landkreis Ludwigsburg mit seinen vielschichtigen Aufgabenfeldern im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs, der Digitalisierung, der Kliniken und der Abfallwirtschaft sowie den Aufgaben im Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes äußerst attraktiv“. Gerne möchte er den Landkreis Ludwigsburg „gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und den Mitgliedern des Kreistags weiterentwickeln und den Städten und Gemeinden im Landkreis Ludwigsburg ein verlässlicher Partner sein“, so Allgaier.