Urteil des EuGH: Fingerabdruck-Pflicht im Personalausweis ist zulässig

Luxemburg – Die Pflicht zur Aufnahme von zwei Fingerabdrücken im Personalausweis ist mit den Grundrechten auf Achtung des Privatlebens und auf Schutz personenbezogener Daten vereinbar. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Donnerstag. Die Herstellung gefälschter Personalausweise und der Kampf gegen Identitätsdiebstahl sind Ziele, die nach Ansicht des Gerichts die Fingerabdruck-Pflicht ausreichend rechtfertigen.

Ein deutscher Staatsangehöriger hatte vor einem deutschen Gericht gegen die Weigerung der Stadt Wiesbaden geklagt, ihm einen neuen Personalausweis ohne Aufnahme seiner Fingerabdrücke auszustellen. Das deutsche Gericht hatte daraufhin den Europäischen Gerichtshof gebeten, die Gültigkeit der Unionsverordnung zu prüfen, die die Pflicht zur Speicherung von zwei Fingerabdrücken vorsieht.

Der EuGH monierte nun, dass die entsprechende Verordnung auf die falsche Rechtsgrundlage gestützt worden sei. Er erklärte sie für ungültig – ihre Wirkung soll die Verordnung dennoch erst zum Ende des Jahres 2026 verliere. Bis dahin hat der europäische Gesetzgeber Zeit, eine neue Verordnung auf Basis der richtigen Rechtsgrundlage zu erlassen.

red

Faeser kündigt Null-Toleranz-Strategie an: Hartes Vorgehen gegen Jugendkriminalität

Berlin – Angesichts neuer Zahlen zu Gewalttaten nichtdeutscher Tatverdächtiger und von Jugendkriminalität in den Ländern hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein hartes staatliches Durchgreifen des Staates angekündigt.

“Es gibt soziale Ursachen, aber es gibt niemals eine Rechtfertigung für Gewalt. Hier muss der Grundsatz gelten: null Toleranz”, sagte Faeser der “Rheinischen Post” (Donnerstagausgabe). “Wir brauchen mehr Prävention und zugleich die harte Hand des Staates. Denn die Kriminalstatistiken der Länder zeigen eine Zunahme der Jugendgewalt und der nichtdeutschen Tatverdächtigen”, so die SPD-Politikerin.

Anfang April sollen die bundesweiten Zahlen dazu vorgestellt werden. “Mir ist wichtig, dass der Rechtsstaat hart gegen Gewalt durchgreift. Täter müssen die Konsequenzen spüren. Das heißt konkret: schnelle Verfahren, konsequente Verurteilung, spürbare Strafen”, betonte Faeser. “Das schließt bei ausländischen Tätern auch ein, dass sie Deutschland deutlich schneller verlassen müssen.” Dafür habe man mit dem Gesetzespaket für schnellere Rückführungen, insbesondere von Straftätern, gerade die Grundlage geschaffen.

Diese restriktiven neuen Abschieberegeln würden jetzt gelten, so Faeser. “Ausländische Straftäter können sich der Abschiebung jetzt deutlich schwerer entziehen”, sagte die Innenministerin. Für die Prävention gelte: “Wir müssen bei den sozialen Ursachen ansetzen, die sich hinter Kriminalität und Gewalt verbergen. Dazu gehören fehlende Schulabschlüsse und Perspektivlosigkeit. Gute Sozial- und Bildungspolitik ist die beste Prävention”, so Faeser weiter.

In schwierigen Zeiten dürfe hier niemand die Axt anlegen. “Außerdem setzen wir auf Integration von Anfang an. Wir haben die Teilnehmerzahlen der Integrationskurse verdreifacht, um gerade auch bei jungen Erwachsenen vom ersten Tag in Deutschland an zu zeigen, welche Regeln und Werte bei uns gelten.”

red

Grüne verlieren an Beliebtheit: Neue Umfrage zeigt starken Imageverlust

Die Grünen haben laut einer neuen Allensbach-Umfrage seit der Bundestagswahl 2021 so sehr an Ansehen verloren wie keine andere Partei der Ampelkoalition. Zugleich schreibt ihnen eine wachsende Zahl von Bürgern besonders großen Einfluss auf die Politik der Bundesregierung zu.

43 Prozent der Befragten sind der Ansicht, die Politik der Ampel werde besonders stark von den Grünen geprägt, so ein Ergebnis der Erhebung im Auftrag der FAZ. Über die FDP sagen das 19 Prozent, während die Kanzlerpartei SPD nur für zehn Prozent die dominierende Partei in der Koalition ist. Dieses Kräfteverhältnis wird von denen, die in der Bundesregierung vor allem eine grüne Handschrift wahrnehmen, zu 79 Prozent kritisch gesehen.

Die Grünen sind laut der Umfrage mit einer stark gewachsenen Ablehnung in der Bevölkerung konfrontiert. Äußerten in einer Umfrage vor fünf Jahren nur 25 Prozent, dass ihnen die Partei gar nicht gefalle, so ist dieser Wert nun auf 56 Prozent gestiegen. Der Anteil derer, denen die Grünen teilweise gefallen, ist in der gleichen Zeit von 41 auf 27 Prozent gesunken. Nur noch acht Prozent antworteten jetzt, dass ihnen die Grünen gut gefielen, gegenüber 18 Prozent im Jahr 2019.

An der Spitze der Gründe für diese Entwicklung steht der von 67 Prozent geteilte Eindruck, die Grünen wollten der Bevölkerung zu viele Vorschriften machen. 63 Prozent stimmten der Aussage zu, dass die Grünen oft an den tatsächlichen Sorgen der Menschen vorbei redeten. Fast die Hälfte der Befragten – 48 Prozent – meinen, die Grünen gefährdeten den Wohlstand im Land. 40 Prozent sehen durch deren Politik direkte Nachteile für sich selbst.

Gleichzeitig sind die Grünen aber auch die einzige Partei der Ampel, die derzeit hoffen kann, bei der kommenden Wahl etwa gleich stark abzuschneiden wie bei der vorigen. 2021 erzielten sie mit 14,8 Prozent ihr bisher bestes Ergebnis. In der aktuellen Allensbach-Umfrage liegen die Grünen bei 14 Prozent, während die SPD mit 15 Prozent gegenüber ihrem Ergebnis in der vergangenen Bundestagswahl fast elf Punkte verloren hat. Die FDP müsste mit fünf Prozent um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.

Für die Umfrage wurden zwischen dem 1. März und dem 14. März genau 1.027 Personen befragt.

red

Sicherheitsrisiko Tiktok: Politiker fordern scharfe Regulierung oder Verbot

Berlin – Angesichts erheblicher Sicherheitsbedenken gegen Tiktok fordern Politiker parteiübergreifend eine härtere Gangart gegen die chinesische Video-App.

“Sofern eine schärfere Regulierung nicht effizient umsetzbar ist, halte ich die Überlegung für ein grundsätzliches Verbot von Tiktok für nötig”, sagte der Vize-Vorsitzende des Geheimdienst-Kontrollgremiums des Bundestages, Roderich Kiesewetter (CDU), dem “Handelsblatt” (Donnerstagausgabe). Die App sei “eine Gefahr für unsere Demokratie” und ein wichtiges Instrument im Rahmen der hybriden Kriegsführung Chinas und Russlands. Tiktok werde nicht nur zur Verbreitung von Desinformation genutzt, sondern auch “gezielt zur Spionage und zum Datenabgriff verwendet”.

Sofortige Konsequenzen fordert Kiesewetter für Beschäftigte in staatlichen Einrichtungen und Behörden auf allen Ebenen – von der Bundesregierung bis zur Kommunalverwaltung. Hier “sollte die App auf dienstlichen Geräten verboten werden”, sagte er. Auch die SPD sieht Handlungsbedarf. Er hielte es für sinnvoll, wenn die oberste Cybersicherheitsbehörde, das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), “allgemeinverbindliche Verbote für die Nutzung in der Bundesverwaltung aussprechen könnte”, sagte der Digitalexperte der Bundestagsfraktion, Jens Zimmermann, dem “Handelsblatt”.

Der SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner will “deutlich strengere Maßstäbe” für Mitarbeiter von Sicherheitsbehörden. “Da sind aus Sicherheitsgründen auch Beschränkungen im privaten Bereich angemessen und notwendig, die es für andere Bürger nicht gibt”, sagte er.

Für die “Ausschöpfung aller regulatorischen Möglichkeiten” plädiert neben Stegner auch der Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz. “Ich bin kein Fan von ohnehin schwer durchzusetzenden Verboten”. Besser sei eine klare Regulierung. Er spielt auf das neue EU-Gesetz für digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA) an, das Internetunternehmen auferlegt, konsequent gegen die Verbreitung von illegalen Inhalten und Desinformation vorgehen.

red

Deutscher Richterbund: Cannabis-Gesetz führt zu 100.000 zusätzlichen Arbeitsstunden

Berlin – Der Deutsche Richterbund hat seinen Widerstand gegen das Cannabis-Gesetz mit neuen Zahlen untermauert. Mit der geplanten Amnestieregelung kämen mehr als 100.000 Stunden Arbeit allein auf die Staatsanwaltschaften zu, sagte Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Donnerstagausgaben).

Bundesweit müssten mehr als 200.000 Strafakten nochmals überprüft werden. “Bereits die erste Sichtung dieser Akten auf amnestiefähige Vergehen dauert durchschnittlich 30 Minuten pro Fall”, so Rebehn. “Danach beginnt die Arbeit erst richtig, weil in den herausgefilterten Verfahren zum Beispiel Beteiligte anzuhören, Vollstreckungen zu ändern und Betroffene aus der Haft zu entlassen sind.”

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach wolle “ein Bürokratiemonster von der Kette lassen, das Dutzende neue Ordnungswidrigkeiten einführt, die nach Einsprüchen Betroffener vielfach wieder vor den Gerichten landen”, kritisierte der Richterbund-Geschäftsführer. “Das Gesetz ist gespickt mit zahlreichen Auflagen für den Anbau von Cannabis und mit aufwendig zu kontrollierenden Abstandsregeln, Konsumverbotszonen oder Konsumverbotszeiten.” Polizei, Ordnungsbehörden und Gerichte dürften mit einer Flut von Zweifels- und Streitfragen konfrontiert werden.

red

Streit um Tierschutz: CDU/CSU fordert Rücknahme von Gesetzentwurf

Berlin – Die Bundestagsfraktion von CDU und CSU fordert Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) auf, seinen Entwurf für eine Verschärfung des Tierschutzgesetzes zurückzuziehen.

“Die von Ihnen geplante Gesetzesänderung hätte spürbare negative Folgen für den Agrarstandort genauso wie für die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Wissenschafts- und Forschungsstandortes”, heißt es in einem an Özdemir sowie dessen Kabinettskollegen Marco Buschmann (FDP, Justiz) und Bettina Stark-Watzinger (FDP, Wissenschaft) adressierten Brief, über den die Zeitungen des “Redaktionsnetzwerks Deutschland” berichten.

Deutschland verfüge bereits heute über eines der strengsten Tierschutzgesetze der Welt, schreiben die CDU-Abgeordneten Albert Stegemann, Thomas Jarzombek, Günter Krings und Astrid Damerow. “Es ist daher nicht nachzuvollziehen, dass die Bundesregierung oder Teile der Bundesregierung versuchen, im Hauruckverfahren eine derart gravierende Änderung des Tierschutzgesetzes durchzusetzen.”

Die Unionsabgeordneten stören sich an dem hohen Erfüllungsaufwand des Gesetzentwurfs, der den Landwirten zusätzliche Kosten für den Stallumbau von fast 900 Millionen Euro aufbürde sowie weitere jährliche Kosten von rund 100 Millionen Euro. Die Lage für die Bauern sei “aktuell wirtschaftlich äußerst angespannt”, aufgrund der von der Bundesregierung beschlossenen und geplanten Kürzungen. Daher sei es “unverständlich, mit einem nationalen ordnungsrechtlichen Alleingang die Landwirtschaft derart zu belasten”, heißt es in dem Brief.

Viele der verschärften Regelungen seien unverhältnismäßig und nicht praxistauglich. Die Übergangsfrist für den Umbau der Betriebe sei außerdem viel zu kurz und werde in vielen Fällen zu Betriebsaufgaben führen. Auch für Wissenschaft und Forschung fürchten die Unionsabgeordneten gravierende Einschnitte. “Die ohnehin schon sehr komplexen Beantragungs- und Genehmigungsprozesse für Tierversuche würden in einem nicht vertretbaren Umfang noch weiter erschwert”, warnen die Parlamentarier.

Außerdem werde mit der Verschärfung des Strafrahmens eine Drohkulisse für Wissenschaftler aufgebaut, die insbesondere im Bereich der biomedizinischen Forschung nicht folgenlos bleiben werde. “Das dem Gesetzesentwurf zugrundeliegende Misstrauen gegenüber Akteuren in Wissenschaft und Forschung weisen wir in aller Entschiedenheit zurück.”

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, den Gesetzentwurf zurückziehen und grundlegend neu zu überarbeiten. “Dem Wissenschafts- und Forschungsstandort droht ein irreparabler Schaden, wenn das Gesetz in der vorliegenden Form kommen würde”, warnen sie.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP vereinbart, den Tierschutz in Deutschland zu verbessern. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat einen Gesetzentwurf erarbeitet, der allerdings bislang von der FDP blockiert wird.

red

NRW-Innenministe Reul (CDU) verteidigt Veröffentlichung von Tatverdächtigenzahlen

Düsseldorf – Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) hat sich dafür verteidigt, Zahlen zu ausländischen Tatverdächtigen vorab herausgegeben zu haben, bevor am 2. April die NRW- Kriminalitätsstatistik 2023 veröffentlicht wird.

“Ich habe gesagt, ich will mal gezielt diese Zahlen untersucht haben”, sagte Reul am Mittwoch in der Sendung “RTL Direkt”. “Wenn Sie Probleme, die da sind und die Menschen spüren, nicht benennen, sagen die: Die da oben, die da in der Politik, wissen gar nicht was los ist. Warum leugnen sie die Probleme?” Dann gebe es Spielraum für Gerüchte und Verschwörungen, und das sei “viel gefährlicher”.

Bei den Zahlen gehe es nicht um “Ausländer oder nicht Ausländer”, so Reul weiter: “Es ist ja nicht nur die Aussage, wir haben da ein Problem, sondern gleichzeitig auch ein Gegenargument gegen all die Klugschwätzer da draußen, die Ausländerhass schüren, als wären die alle so. Und wir haben auch dadurch, dass wir so differenzierte Zahlen haben, die Chance eröffnet, unterschiedlich hinzuschauen.”

Warum es zu einem erhöhten Anteil ausländischer Tatverdächtiger kommt, erklärt der NRW-Innenminister so: “Offensichtlich ist uns die Integration nicht so gelungen, wie wir geglaubt haben. Zweitens: Ich glaube, wir muten uns zu viel Zuzug zu. Integration stößt an Grenzen, wenn man zu viele Menschen dazu nimmt. Drittens: Wir haben vermutlich auch nicht genug beigetragen, um denjenigen, die zu uns gekommen sind, zu erläutern, zu erklären, zu vermitteln, wie unser System funktioniert.”

red

Angriff auf Kiew: Russland setzt Hyperschallraketen ein, mehrere Verletzte

Kiew – Die ukrainische Hauptstadt Kiew ist in der Nacht zu Donnerstag von Russland wieder mit Raketen angegriffen worden. Dabei sollen bis zu zehn Menschen verletzt worden sein.

Kiew – Laut ukrainischen Angaben sollen erstmals seit Wochen wieder Hyperschall-Luft-Boden-Raketen vom Typ Ch-47M2 Kinschal benutzt worden sein. Im Bezirk Swjatoschynskyj sollen Raketensplitter auf einen Kindergarten gefallen sein, im Bezirk Shevchenkivskyi wurden Autos in Brand gesteckt, in einem Umspannwerk und in einem zweistöckigen Nichtwohngebäude im Bezirk Podilskyi wurde ein Brand infolge herabstürzender Raketentrümmer gemeldet.

In den letzten Monaten war es in Kiew vergleichsweise sicher gewesen, während sich die Kampfhandlungen auf einen Stellungskrieg im Osten der Ukraine konzentrierten.

red

Warum die Geburtenrate in Deutschland dramatisch sinkt

Wiesbaden – Die Geburtenrate in Deutschland ist innerhalb der vergangenen beiden Jahre deutlich zurückgegangen. Sie fiel von 1,57 Kindern pro Frau in 2021 auf rund 1,36 im Herbst 2023 – damit ist das Fertilitätsniveau so niedrig wie seit über zehn Jahren nicht mehr, wie das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BIB) am Mittwoch mitteilte.

Der beobachtete starke Rückgang der Fertilität innerhalb von zwei Jahren sei deshalb ungewöhnlich, da sich Phasen sinkender Geburtenraten in der Vergangenheit eher langsamer vollzogen haben, so das Institut. Die Zahlen basieren auf einer Veröffentlichung des BIB und der Universität Stockholm.

Die Autoren der Studie führen das rapide Absinken der Geburtenrate auf verschiedene mögliche Ursachen zurück: Sie sehen den abrupten Einbruch im Januar 2022 auf 1,4 zunächst als Reaktion auf die beginnende Impfkampagne gegen das Coronavirus neun Monate zuvor. Demnach könnte es sein, dass viele Frauen angesichts der damals für Schwangere nicht zugelassenen Impfstoffe den Kinderwunsch aufgeschoben haben, um sich erst impfen zu lassen. Den verstärkten Geburtenrückgang ab Herbst 2022 führen die Forscher dann auf weitere andere Krisen zurück, die sich in der Endphase der Pandemie entwickelt haben und die sich negativ auf den Kinderwunsch ausgewirkt haben könnten.

“Der Krieg in der Ukraine, die gestiegene Inflation oder auch der fortschreitende Klimawandel haben die Menschen zusätzlich zur Pandemie verunsichert”, sagte Martin Bujard vom BIB, Mitverfasser der Studie. “In einer solchen Zeit multipler Krisen setzen viele ihren Kinderwunsch nicht um.”

Inwiefern die neuen Zahlen einen generellen Trend zu sinkenden Geburtenzahlen in Deutschland einleiten oder nur einen temporären Effekt abbilden, ist dem Bundesinstitut zufolge derzeit noch nicht absehbar. Dauerhaft niedrige Geburtenraten tragen demnach zu einer alternden Gesellschaft bei. Im Zusammenspiel mit zahlreichen anderen Faktoren ergäben sich daraus Herausforderungen unter anderem durch den Rückgang potenzieller Fachkräfte auf dem Arbeitsmarkt und für die Sozialsysteme.

Dennoch zeigt auch die langfristige Betrachtung einen Rückgang der Fertilität nach einem zwischenzeitlichen Hoch: Die Geburtenrate in der Bundesrepublik pendelte nach 1975 für vier Jahrzehnte im Bereich zwischen 1,2 bis 1,4 Kindern pro Frau und gehörte lange Zeit zu den niedrigsten in Europa. Von 2015 bis 2021 lag sie dann deutlich höher mit Werten von 1,5 bis 1,6. Dieser Anstieg wird mit familienpolitischen Reformen wie dem Elterngeld und dem Ausbau der Kindertagesbetreuung in Verbindung gebracht.

Auch die gestiegene Anzahl von Frauen mit Migrationshintergrund in Deutschland spielt wohl eine Rolle, die, sofern sie noch nicht lange in Deutschland leben, im Mittel mehr Kinder bekommen. “Während die Geburtenrate in Deutschland in den 2010er-Jahren anstieg, haben einige europäische Länder einen Rückgang der Geburtenraten erlebt. Seit 2015 lag die Geburtenrate in Deutschland im europäischen Mittelfeld”, so Bujard.

Dass der starke Rückgang der Fertilität seit 2022 kein rein deutsches Phänomen darstellt, zeigt der Blick nach Skandinavien: In Schweden ist die Geburtenrate in den vergangenen beiden Jahren ebenfalls deutlich zurückgegangen. Hier fiel sie von rund 1,67 in 2021 auf nunmehr 1,45 Kindern pro Frau in 2023 ab – und damit auf den niedrigsten Wert seit Beginn der statistischen Erhebung.

Obwohl die politischen Rahmenbedingungen in dem skandinavischen Land als besonders familienfreundlich gelten, ist die Geburtenrate hier bereits seit 2011 im Rückgang begriffen. Damals hatten Frauen durchschnittlich knapp zwei Kinder bekommen. Mit der aktuellen Entwicklung hat sich in Schweden der langfristige Rückgang der Fertilität nochmals beschleunigt.

Auch in anderen europäischen Ländern macht sich der Geburtenrückgang bemerkbar: Im EU-Durchschnitt lag die Geburtenrate im Jahr 2022 nach Angaben der europäischen Statistikbehörde Eurostat bei 1,46 – und ist damit identisch mit dem deutschen Wert.

“Wir sehen nicht nur in Deutschland, sondern in vielen europäischen Ländern sowohl eine große Verunsicherung durch die zahlreichen internationalen Krisen als auch einen Geburtenrückgang”, sagte Bujard. In den wenigen Ländern, in denen die statistischen Ämter bereits Daten für das Jahr 2023 berechnet haben, sind die Werte weiter gesunken. Die Forscher gehen davon aus, dass sich das Muster des fallenden Fertilitätsniveaus auch in weiteren europäischen Ländern zeigen wird.

Der plötzliche und unerwartet starke Rückgang der Geburtenrate in Deutschland könnte unterdessen zu einer heftigen Diskussion über die Familienpolitik der Ampel-Regierung führen: Der rapide Absturz der Geburtenrate zeige einmal mehr die Verunsicherungen bei Familien, ausgelöst durch internationale Krisen und Inflation, sagte die familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Silvia Breher (CDU), der “Welt”.

“Der Absturz verdeutlicht aber auch, dass das Vertrauen der Familien in die Politik massiv verloren gegangen ist. Die Ampel schafft es mit ihrer undurchdachten und ideologisch geprägten Gesellschaftspolitik nicht, den Familien Vertrauen zurückzugeben.” So würden wichtige familienpolitische Maßnahmen wie die Investitionshilfen für den Ausbau von Kita-Plätzen “einfach aufkündigt”, große Reformprojekte wie die Ganztagsbetreuung im Grundschulalter dauerten ewig, beklagte Breher. “Was wir brauchen, ist eine pragmatische und bedarfsgerechte Familienpolitik. Nur mit einer verlässlichen Familienpolitik schaffen wir es, die Geburtenrate wieder zu steigern.”

Im Familienministerium werden die neuen Zahlen noch mit Vorsicht aufgenommen: “Festzuhalten ist: Menschen setzen ihren Kinderwunsch aktuell seltener um”, sagte eine Sprecherin. “Die Post-Corona-Zeit sowie die aktuellen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Krisen verlangen den Menschen viel ab. In unsicheren und wirtschaftlich angespannten Zeiten verschieben die Menschen ihre Familienplanung lieber. Das sehen wir gerade.”

Umso wichtiger sei es, Familien bedarfsgerecht zu unterstützen: finanziell, durch eine qualitativ hochwertige und flächendeckende Kinderbetreuung und die Unterstützung partnerschaftlicher Vereinbarkeit von Familie und Beruf, so die Sprecherin. “Hier müssen wir gerade jetzt in eine fortschrittliche Familienpolitik investieren, um Familien und künftigen Eltern Sicherheit zu geben und den Menschen Mut für Familiengründung zu geben.”

red

Rentenerhöhung: So viel mehr gibt’s ab Juli

Die Renten in Deutschland sollen zum 1. Juli 2024 deutlich steigen. Die Rentenanpassung soll sowohl im Osten als auch im Westen 4,57 Prozent betragen, teilte das Bundesarbeitsministerium am Dienstag mit. Hintergrund sind demnach Daten des Statistischen Bundesamtes und der Deutschen Rentenversicherung.

Es ist das erste Mal, dass die Erhöhung bundesweit einheitlich erfolgt. Hintergrund ist, dass der Rentenwert im Osten 2023 den des Westens erreicht hatte. 2023 hatte der Anstieg im Westen 4,39 Prozent und im Osten 5,86 Prozent betragen.

Auf Basis der vorliegenden Daten und unter Anwendung der Rentenanpassungsformel ergibt sich ein rechnerischer aktueller Rentenwert von 39,31 Euro. Damit würde aber das Mindestsicherungsniveau von 48 Prozent knapp unterschritten. Daher greift die Niveauschutzklausel und der aktuelle Rentenwert wird so festgesetzt, dass ein Rentenniveau von 48 Prozent erreicht wird.

Damit ergibt sich eine Anhebung des aktuellen Rentenwerts von gegenwärtig 37,60 Euro auf 39,32 Euro. Dies entspricht einer Rentenanpassung von 4,57 Prozent. Für eine Standardrente bei durchschnittlichem Verdienst und 45 Beitragsjahren bedeutet die Rentenanpassung laut Arbeitsministerium einen Anstieg um 77,40 Euro im Monat.

“Die Rentenanpassung fällt in diesem Jahr erstmalig in ganz Deutschland gleich aus und liegt deutlich über der Inflationsrate”, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD). “34 Jahre nach der Deutschen Einheit ist das ein Meilenstein für unser Land.”

red