Der Kürbis ist international und vor allem uralt

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Bevor der Kürbis nach Europa kam und auch die deutsche Küche eroberte, war er auf einem anderen Kontinent schon längst ein Klassiker. Doch viele der ursprünglichen Sorten sind inzwischen vom Aussterben bedroht. Die Macher der Kürbisausstellung im Blühenden Barock haben deshalb Maßnahmen ergriffen, um die Urkürbisse zu retten.

Wer kennt sie nicht, die leckeren Kürbisse, die derzeit wieder überall angeboten werden: der Butternut, der Muskat- und der Spaghettikürbis, die Bischofsmütze und – nicht zu vergessen – der kräftig orangefarbene Hokkaido, der unserer geliebten Kürbissuppe so eine herrliche Farbe verleiht. Es gibt sie alle in verzehrtauglicher Größe zu kaufen, dazu findet man mittlerweile jede Menge an unterschiedlichen Rezepten für die Verarbeitung des Fruchtgemüses.

Kaum noch bekannt und erhältlich sind dagegen die Raritäten, die Ur-Kürbisse, die es schon seit hunderten von Jahren gibt und die alle ursprünglich aus Amerika kamen. Ein Großteil dieser Sorten haben wir vor allem den Indianern zu verdanken, deren unterschiedliche Stämme jeweils ihre eigene Kürbisart hatte, z.B. den Lakota oder den Hopi. „Da die Indianer im Rahmen ihres Nomadentums viel herumgereist sind, haben sie mit anderen Stämmen das Saatgut getauscht, so dass auf diese Weise jeder Stamm mehrere Sorten hatte. Dank der fleißigen Bienen wurden die einzelnen Kürbisse durchkreuzt, so dass schon allein bei den Indianern in Amerika eine große Sortenvielfalt entstand“, erzählt Stefan Hinner, der Leiter des Veranstaltungsteams der Ausstellung. „Erst mit Christopher Columbus kamen die ersten Kürbisse nach Europa, wo sie sich dann in die einzelnen Länder verteilt haben und wiederum neu gekreuzt wurden. So ist diese unglaubliche Artenvielfalt auch in Europa und mit der Zeit weltweit entstanden. Allein im letzten Jahr konnten wir unseren Besuchern hier 684 verschiedene Sorten zeigen.“ Zu den europäischen Ur-Kürbissen zählen beispielsweise ländereigene Gewächse wie der französische Muscat de Provence, der Napoli oder der Zucca Mantovana in Italien, der Gelbe Zentner in Deutschland, der Blaue Ungar in Ungarn oder der Bergkürbis aus der Türkei.

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Doch was für die Indianer früher existenziell war, ist heute der Nachteil für den hiesigen Verbraucher – diese Kürbisse werden alle sehr groß und können schnell mal fünf bis zehn Kilo oder noch mehr wiegen. „Weil niemand mehr so große Kürbisse kaufen will, werden diese Ur-Arten leider von den Landwirten trotz ihres feinen Geschmacks nur noch selten angebaut und sind vom Aussterben bedroht“, bedauert Hinner. Deshalb haben sich die Macher der Ludwigsburger Kürbisausstellung gesagt: „Diese Ur-Sorten retten wir jetzt!“ Zum ersten Mal wurde hierfür auf einem Testfeld des Kürbiszüchter Jens Eisenmann aus Marbach-Rielingshausen das Experiment gestartet, aussterbende Riesensorten aus Frankreich, Spanien, Russland, aus der Türkei und der Balkanregion anzupflanzen. Welches Saatgut angehen und Früchte erzeugen würde, war für alle Beteiligten nicht absehbar. In den eigens eingeführten Länderwochen für Frankreich, Türkei, Russland, Italien, Spanien und die Region Osteuropa werden jetzt die jeweiligen Ergebnisse präsentiert, erklärt und dürfen zudem verkostet werden. „Wir haben deshalb den neuen Verkaufsstand ‚Geschnitten oder am Stück‘ ins Leben gerufen“, so Hinner. „Dort können die Besucher je nach Bedarf diese ihnen unbekannten, aber sehr schmackhaften Kürbisse geachtelt, geviertelt oder halbiert kaufen und sich Tipps für die Verarbeitung holen. “

Das Angebot der unterschiedlichen Kürbisportionen ist eine absolute Premiere auf der Kürbisausstellung, ebenso der Verkauf des jeweiligen Saatguts. Beides soll helfen, die Nachfrage der Konsumenten wieder zu steigern. „Wenn der Stand bei den Besuchern ankommt und sie das Fruchtgemüse oder dessen Samen zur eigenen Aufzucht kaufen, dann werden wir im nächsten Jahr diese Aktion wiederholen. Somit tragen wir dazu bei, dass die selten gewordenen Kürbissorten erhalten bleiben“, erläutert Stefan Hinner das Engagement. Ihn selbst begeistert an diesen rar geworden Früchten, dass sie nicht nur optisch bereichern, sondern vor allem geschmacklich. „Manche der alten Kürbisse haben ein so besonders intensives Aroma, das wir so in den neuen Züchtungen nicht mehr finden. Manche schmecken wie eine Marone, der Napoli beispielsweise schmeckt unglaublich fruchtig, geht in Richtung Melone, der Blaue Ungar, dessen Scheiben man wunderbar im Ofen backen kann, hat eher ein süßliches Aroma, wieder andere erinnern im Geschmack an Oliven“, schwärmt der Kürbisfachmann, der selbst pro Jahr bis zu 20 Kilo in allen Variationen verspeist.

Form, Farbe, die unterschiedliche Beschaffenheit der Schale sowie der intensive Geschmack der alten Sorten laden geradezu ein, sie auf unterschiedliche Weise zu leckeren Gerichten zu verarbeiten. Der Kreativität sind gerade bei den Ur-Kürbissen keinerlei Grenzen gesetzt. Denn auch, wenn wir sie lieben: Es muss nicht immer nur die Kürbissuppe aus dem Hokkaido sein.

Patricia Leßnerkraus