Einzelhandel in Ludwigsburg trotzt Corona-Krise

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Von Uwe Roth

Die Zahl leerstehender Läden in der Ludwigsburger Innenstadt ist überschaubar. In der Fußgängerzone wartet das eine oder andere Geschäft auf einen Nachmieter. Aber es ist kein großes darunter. Auffällig ist die Situation dagegen im Marstall. Auf der unteren Ebene sind im westlichen Teil einige Schaufester verklebt. Auf der oberen kündigt ein Kleidergeschäft die Schließung an. Insgesamt sind fünf Läden dicht. Aber alles nicht so wild. „Wir haben kein strukturelles Problem beim Einzelhandel“, stellt Citymanager Markus Fischer fest und liefert als Beleg diese Zahl: „Der Leerstand liegt bei fünf Prozent.“ Da leidet die Stuttgarter Königsstraße sehr viel stärker unter dem Wachstum des Onlinehandels. In einer der längsten Fußgängerzonen Deutschlands sind in Geschäftshäusern sämtliche untere Stockwerke verwaist.

Die Zahl fünf stammt allerdings aus der Zeit vor Corona. In der Zwischenzeit waren diejenigen Geschäfte ein Vierteljahr geschlossen, die als nicht systemrelevant gekennzeichnet waren. Es ist anzunehmen, dass viele Ladenbesitzer bitterlich gelitten und Existenzängste hatten oder immer noch haben. Aktuelle Zahlen zum Leerstand werden derzeit erhoben. Fischer leitet seit Oktober 2019 den Ludwigsburger Innenstadtverein LUIS. Er erwartet nach seiner Beobachtung keine signifikante Verschlechterung. Für das Marstall seien vom Betreiber des Einkaufszentrums neue Mieter angekündigt. „Wir haben einen guten Mix an Waren und Dienstleistungen, der auch Käufer von außerhalb der Stadt anzieht.“ Doch der Mix bekommt immer mehr Macken: Jeder Geschäftsaufgabe folgt gefühlt die Filiale einer Optiker-Kette oder eines Mobilfunkbetreibers. In kleine Läden ziehen Nagelstudios. Die Gefahr einer Entwicklung zur Monotonie entgeht dem Innenstadtverein nicht.

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Das Marstall in Ludwigsburg

Ob die Ladeninhaber die Corona-Krise mit einem blauen Auge überstehen, hängt für den Citymanager von der weiteren Entwicklung im Herbst ab. Die Sommerware hat der Einzelhandel bereits abgeschrieben. Nun kommt es darauf an, ob bei Verbrauchern angesichts der Herbst- und Winterware die Kauflust wieder anschwillt. Diese hängt wesentlich von der Pflicht ab, eine Maske zu tragen. Diese halte Kunden davon ab, im Laden zu stöbern, sagen Ladenbesitzer. Es gebe im Wesentlichen sogenannte Zielkäufe. Rein in den Laden, Ware schnappen, zahlen und wieder raus. Fischer nennt ein weiteres Problem: „Gastwirte müssen vor allem abwarten, ob die Gäste im Innern Platz nehmen wollen, wenn es für die Außengastronomie zu kalt wird. Bislang täten sie es aus Angst vor Ansteckung nicht. Mit der Folge: Regnet es, macht die Gastronomie weiterhin keine guten Geschäfte.

Verbraucher mit Kreativität in das Ladengeschäft zu locken. Das war für die Betreiber die Herausforderung der vergangenen Wochen. Hergen Blase betreibt den Unverpacktladen „Ohne Plapla“ in der Lindenstraße. Er verkauft Lebensmittel und durfte sein Geschäft offenhalten. Dennoch musste er sich einiges einfallen lassen, um den Umsatzeinbruch aufzufangen. Vor Corona sei es sehr gut gelaufen, sagt Blase, der seinen Laden Anfang vergangenen Jahres in Ludwigsburg eröffnet hat. Nach Ausbruch „ist zwei Wochen überhaupt nichts losgewesen. Vor Ostern erholten sich die Geschäfte, aber nicht so wie geplant“, berichtet Blase. Besondere Öffnungszeiten für Senioren oder ein Einkauf, ohne den Laden betreten zu müssen – diese Angebote seien von der Kundschaft nicht so angenommen worden wie erhofft. Nun verbesserten sich Schritt für Schritt die Geschäfte, und Blase ist guter Hoffnung, wieder ins frühere gut laufende Fahrwasser zurückzukommen.

Hergen Blase, Geschäftsführer von GeNuss ohne PlaPla

Martin Ruckh ist Inhaber der „Böhmer Schuhe“ am Stadtkirchenplatz. Er wollte nach der zwangsweisen Ladenschließung den Verkauf nicht den großen Onlinehändler überlassen. Er schloss sich im Internet einer Plattform an, über die zahlreiche Schuhhändler ihre Waren anbieten. Ruckh vertrieb seine Schuhe mit einem Schlag in ganz Europa. Es sei eine Entscheidung „aus der Not heraus gewesen, um Platz in meinem Lager zu schaffen“, stellt er rückblickend fest. Glücklich ist er mit ihr nicht geworden. „70 Prozent der Pakete kommt zurück.“ Für ihn bedeutet das nicht allein Einnahmenverluste und zusätzliche Arbeit. Die langen Lieferwege, die nach einer Onlinebestellung Pakete aus seinem Lager zurücklegen, bezeichnet er als ökologische Katastrophe. Langsam kommen die Kunden aber wieder in seinen Laden. Im Wesentlichen verkauft er Kinderschuhe. Deren Füße sind während der Corona-Zeit gewachsen. Die der Erwachsenen hingegen nicht. Homeoffice und kaum Möglichkeiten, das Haus zu verlassen, verringern den Verschleiß an Straßenschuhen. Wie alle Einzelhändler, die auf Markenware setzen, hofft auch er, dass sich die Kunden stärker auf einen nachhaltigen Konsum besinnen.

„Böhmer Schuhe“ am Stadtkirchenplatz

Das wünscht sich ebenso Klaus Peter Haidt, Inhaber des Modeshauses Kodweiss in der Oberen Markstraße. Seit über 100 Jahren kaufen dort Frauen vor allem elegante Kleidung ein. Onlineshopping ist keine Leidenschaft seiner Kundschaft, die überwiegend älter ist und sich durch Treue zum Laden auszeichnet. Trotzdem muss er sich einiges einfallen lassen, um zu den alten Umsätzen zurückzukehren. Insgesamt gibt sich Haidt aber optimistisch. Für Citymanager Fischer lässt sich der Optimismus auf den Einzelhandel übertragen. Trotz der schwierigen Zeiten habe sich der Innenstadtverein LUIS in diesem Jahr bereits um 19 Mitglieder vergrößert. Dies sei ein Zeichen, dass die Einzelhändler an die Zukunft glauben.

Modehaus Kodweiss in der Oberen Markt Straße