
Ein Interview von Ayhan Güneş
Bezahlbarer Wohnraum in Ludwigsburg ist knapp, viele Haushalte kämpfen mit steigenden Mieten. In diesem Spannungsfeld ist die Wohnungsbau Ludwigsburg (WBL) ein zentraler Akteur. Andreas Veit, seit 2010 Geschäftsführer des kommunalen Unternehmens der Stadt Ludwigsburg, sorgt dafür, dass Neubauten, Modernisierungen und soziale Wohnkonzepte ineinandergreifen. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 berichtet der 59-Jährige, wie die WBL große Projekte wie das Jägerhof-Quartier umsetzt, welche Herausforderungen Corona, der Ukraine-Krieg und die daraus resultierende Flüchtlingskrise mit sich brachten – und warum die Wohnungssituation in Ludwigsburg aktuell als katastrophal einzuschätzen ist.
LB24: Wie zufrieden sind Sie mit der Entwicklung der WBL und welche Erfolge waren für Sie persönlich besonders wichtig?
Andreas Veit : Seit 2007/2008 ist die WBL ein wichtiges Instrument der Stadtentwicklung geworden. Ein Beispiel ist das Wohngebiet Sonnenberg – ehemalige Offizierswohnungen, das heute zu den schönsten Wohngebieten Ludwigsburgs zählt. Aktuell arbeiten wir in Grünbühl, wo wir einen ganzen Stadtteil mit 420 Wohneinheiten erneuern.
Besonders wichtig waren auch schnelle Lösungen in Krisenzeiten, wie während der Flüchtlingskrise 2017/18: mit unserem ‚Cube‘-Projekt haben wir in nur dreieinhalb Monaten ein Gebäude mit 12 Wohnungen komplett aus Holz gebaut – von der Kellerdecke bis zum Einzug.
Parallel haben wir im Bestand viel investiert – Dachaufstockungen, Modernisierungen, Fenstererneuerungen – und von Anfang an den Klimapfad im Blick behalten.
Als ich kam, hatten wir knapp 30 Mitarbeitende, heute sind es 64. Das Aufgabenfeld hat sich deutlich erweitert. Es macht Spaß, mit Gemeinderat, Stadtverwaltung und Partnern zusammenzuarbeiten, auch wenn es unterschiedliche Interessen gibt – bisher haben wir immer gute Lösungen gefunden.
LB24: Welches war das herausforderndste Projekt?
AV: Ganz klar: die Veränderung der Jägerhof-Kaserne zum Jägerhof-Quartier. Das war unser größtes Einzelprojekt mit allen Herausforderungen, die man sich vorstellen kann. Es macht einen riesigen Unterschied, ob man auf der grünen Wiese baut oder im Bestand – hier mussten wir die Fassaden erhalten, eine riesige Tiefgarage mit 213 Stellplätzen bauen, Heizöltanks und Munition bergen.
Dazu kam die Corona-Krise, ein Förderstopp der damaligen Bundesregierung und später noch der Ukraine-Krieg. Die Projektleitung war wirklich ein Herkules-Job.
Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen: 161 Wohnungen, davon 70 gefördert, Mieten ab 8,80 €/qm, knapp 5.000 qm Gewerbefläche, eine Kindertagesstätte und ein autofreies Innenstadtareal mit hoher Aufenthaltsqualität. Die Jägerhof-Kaserne war die letzte Kaserne in Ludwigsburg, die noch zur Verfügung stand – und heute ist daraus ein echtes Schmuckstück geworden.
LB24: Wie definiert sich die WBL selbst – eher wirtschaftlich orientiert, sozialer Dienstleister oder eine Mischung aus beidem?
AV: Wir sagen: Wir handeln sozial, ökonomisch und wirtschaftlich. Auf der einen Seite müssen wir Überschüsse erzielen, um den Bestand zu modernisieren, die Mieten niedrig zu halten und Neubauten finanzieren zu können. Auf der anderen Seite ist unser Kerngeschäft die Daseinsvorsorge – Menschen Wohnraum zu bieten, die auf dem freien Markt kaum Chancen haben.
Von unseren 2.500 Wohnungen sind über 1.000 für den sozialen Bedarf reserviert: teils öffentlich gefördert, teilsfreiwillig preisgedämpft nach Einkommen. Diese 1.000 Wohnungen reichen aber bei weitem nicht aus – die Warteliste liegt aktuell zwischen 1.500 und 1.800 Haushalten. In unserem Wohnungsbestand gibt es kaum Fluktuation, die Wartezeiten sind sehr lang.
LB24: Wieviel Miete muss eine Familie für eine durchschnittliche 3-Zimmer-Wohnung (ca. 80 qm) in Ludwigsburg aktuell zahlen?
AV: Rund 80 % unserer Wohnungen liegen unter der ortsüblichen Vergleichsmiete, die derzeit bei 10,01 € pro Quadratmeter (ab 01.08.25 bei 10,66 €/qm) liegt. Unser Durchschnitt liegt bei 8,38 € pro Quadratmeter – trotz zahlreicher Neubauprojekte, die naturgemäß teurer sind.
Bei den rund 1.000 geförderten Wohnungen, die wir für Haushalte mit Anspruch auf soziale Unterstützung oder mit niedrigem Einkommen bereitstellen, liegt die Miete sogar bei durchschnittlich 7,02 € pro Quadratmeter. Diese Wohnungen sind uns besonders wichtig, weil sie Menschen helfen, auf dem freien Markt kaum Chancen auf bezahlbaren Wohnraum hätten.
Neubauten sind teurer: Hier liegen die Mieten aktuell zwischen 14 und 18 € pro Quadratmeter. Das zeigt den Druck auf dem freien Markt – unsere Aufgabe ist es, auch angesichts steigender Bau- und Grundstückskosten sowie hoher Zinsen,weiterhin Mieten zu gestalten, die für die meisten Menschen bezahlbar bleiben. Unser Ziel ist, gut ausgestatteten und CO₂-neutralen Wohnraum anzubieten, ohne dass die Mietbelastung für die Mieter untragbar wird. Das ist unser Sozialauftrag und den verfolgen wir auch ganz konsequent.
LB24: Welche Erfolge erzielt Ihr Programm ‚Mein passendes Zuhause‘ – und wo hakt es noch?
AV: Die lange Wartezeit ist tatsächlich das Hauptproblem. Unser Wohnungsbestand hat kaum Fluktuation – die meisten Mietverhältnisse bestehen 30, 40 oder sogar 50 Jahre. Deshalb haben wir das Programm ‚Mein passendes Zuhause‘ entwickelt: Wer eine zu große Wohnung hat und in eine kleinere umziehen möchte, behält die Quadratmetermiete der alten Wohnung. Wir unterstützen beim Umzug und begleiten die Haushalte. Es ist oft mühsam, weil viele an ihrem gewohnten Umfeld hängen und passende Wohnungen verfügbar sein müssen. Aber wo es klappt, profitieren beide Seiten: der Haushalt zieht passender ein, die frei gewordene Wohnung kann an Familien vergeben werden.
LB24: Welche Haushalte haben aktuell am meisten Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden?
AV: Grundsätzlich haben alle Haushalte Schwierigkeiten, bezahlbaren Wohnraum zu finden – Singles, Paare, Familien. Besonders schwer haben es große Familien mit fünf oder mehr Personen, weil es nur wenige entsprechende Wohnungen gibt. Deshalb achten wir bei Neubauten darauf, auch 5-Zimmer-Wohnungen zu schaffen, auch gefördert, um den dringendsten Bedarf zu decken. Priorität hat immer die Vermeidung von Obdachlosigkeit, besonders bei Familien mit Kindern. Dabei unterstützen wir zusätzlich mit Beratung und Wohnungsvermittlung.
LB24: Welche Auswirkungen hatte die Unterbringung von Geflüchteten auf den Wohnungsmarkt in Ludwigsburg?
AV: Aktuell sehen wir kaum noch Einfluss der Geflüchteten auf die Wohnungssituation, weil die Zahlen stark zurückgegangen sind. Während der Krise 2017/2018 standen wir vor der Herausforderung, schnell Wohnraum zu schaffen – leerstehende Wohnungen hatten wir praktisch nicht. Deshalb mussten wir Neubauten planen, wie die ersten Cubes, die zum Teil noch heute für Geflüchtete genutzt werden. Aktuell bauen wir den dritten Abschnitt mit 16 Mietwohnungen – diese wären ohne die Krise vermutlich nicht entstanden, da an dieser Stelle früher ein Parkplatz war. Es gab natürlich Diskussionen, warum Geflüchtete Neubauten bekommen, aber wir haben immer darauf geachtet, dass dadurch kein Wohnraum für die übrige Bevölkerung verloren geht. Ganz im Gegenteil: Alle Projekte sind so konzipiert, dass sie nach der Flüchtlingsunterbringung als reguläre Mietwohnungen genutzt werden können.
Ich finde, wir haben die Situation in Ludwigsburg zusammen mit der Stadt gut gemeistert, effizient und fair.
LB24: Wie viele Menschen stehen aktuell auf der Warteliste der WBL und wie lange beträgt die Wartezeit?
AV: Eine pauschale Zahl lässt sich schwer nennen, da es auf die Dringlichkeit und den Einzelfall ankommt. Bei prekärer Lage, etwa drohender Obdachlosigkeit oder barrierefreien Bedürfnissen, helfen wir so gut wie es geht – maßgeschneiderte Lösungen inklusive Umbauten sind möglich. Bei normalen Fällen ist die Fluktuation im Bestand sehr gering: Rund 80 bis 90 Wohnungen werden pro Jahr frei. Für große Familien kann die Wartezeit daher durchaus 4 bis 7 Jahre betragen. Deshalb bauen wir kontinuierlich nach, auch größere Wohnungen, um den Bedarf besser zu decken.
LB24: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation auf dem Wohnungsmarkt in Ludwigsburg?
AV: Die Lage ist katastrophal. Viele positive Faktoren wie niedrige Zinsen oder KfW- Förderungen sind weggefallen, steigende Baukosten, hohe Zinsen und der Ukraine-Krieg haben alles ins Negative gekehrt. Baukosten sind enorm gestiegen: eine Wohnung, die 2001 100.000 Euro kostete, liegt heute bei rund 250.000 Euro in der Herstellung. Förderprogramme wie KfW 55 gibt es nicht mehr, das Landeswohnraumprogramm ist zwar gut, aber die Mittel sind knapp. Wer plant, muss lange auf Fördermittel warten und das Kapital liegt gebunden – Verzögerungen von ein bis zwei Jahren sind realistisch.
Ungefähr ein Drittel von dem, was wir bauen, verkaufen wir, zwei Drittel behalten wir selbst, um unseren Bestand zu stärken und weiterhin bezahlbaren Wohnraum anbieten zu können. Hinzu kommen die Signale aus der Wirtschaft: große Firmen wie Bosch, Porsche, Daimler, Trumpf oder Dürr reduzieren Arbeitsplätze und sorgen für Unsicherheit. Das hemmt Investitionen, verzögert Verkäufe von Eigentumswohnungen.
LB24: Grundstückspreise und Baukosten steigen kontinuierlich. Wie gelingt es der WBL dennoch, die Mieten unter dem städtischen Durchschnitt zu halten?
AV: Bis jetzt hat das sehr gut funktioniert. Die Wohnungsbau Ludwigsburg ist bereits über 70 Jahre alt . Wir sind ein grundsolides Unternehmen und haben immer gut gewirtschaftet – das ist die Grundlage. Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass wir einen Teil der Eigentumswohnungen verkaufen, während wir zwei Drittel imBestand behalten. Das hat unsere finanzielle Stabilität deutlich gestärkt.
Gleichzeitig fokussieren wir uns auf einen klimaneutralen Wohnungsbestand und auf Neubauten im Rahmen unserer Möglichkeiten. Natürlich ist der Markt aktuell herausfordernder als früher – Steigende Grundstückspreise, Baukostenund Zinsen wirken sich auch auf uns aus –, aber wir geben nicht auf. Unter diesen Rahmenbedingungen versuchen wir das Beste zu erreichen und weiterhin Mieten unter dem städtischen Durchschnitt anzubieten.
LB24: Als kommunales Bauunternehmen stehen Sie im Wettbewerb mit privaten Immobilienunternehmen – auch aus der Region. Wie intensiv ist dieser Wettbewerb, und mit welchen Strategien behauptet sich die WBL hier?
AV: Der Markt ist für alle gleich – ob kommunales oder privates Unternehmen, die Rahmenbedingungen sind überall dieselben. In der Vergangenheit haben wir gut kooperiert, und der Wettbewerb hat sich meist auf einzelne Wohnungen beschränkt. Natürlich gab es Diskussionen, als wir uns stärker im Eigentumswohnungsmarkt engagierthaben, aber das war für uns immer ein Mittel zum Zweck: Ein Teil der Eigentumswohnungen wurde verkauft, um Projekte zu finanzieren, während wir den Großteil im Bestand behalten. Es gab auch Jahre, in denen wir keine Eigentumswohnungen verkauft und alles aus eigener Kraft realisiert haben, insbesondere wenn die Förderungen gut waren. Insgesamt ist es gelungen, eine faire Balance zu finden, und wir haben uns gut mit den privaten Marktteilnehmern arrangiert.
LB24: Im vergangenen Jahr hat die WBL 125 neue Wohnungen fertiggestellt. Welche Ziele haben Sie sich für 2025 gesetzt?
AV: Für dieses Jahr haben wir zwei weitere Bauabschnitte im Jägerhof-Quartier fertiggestellt. Außerdem läuft derzeit der Bau des 2. Bauabschnitts mit 16 Wohnungen in der Brucknerstraße. Wir planen weiterhin 54 bis 57 Wohnungen in Grünbühl und prüfen die Lorcher Straße für Senioren- und inklusives Wohnungen, wobei wir noch Fördermittel beim Sozialministerium anfragen. Positiv ist auch, dass das Land Baden-Württemberg ein zweites Frauenhaus finanziert – dafür steht uns bereits eine Immobilie in der Marbacher Straße zur Verfügung, mit Umbaubeginn voraussichtlich Anfang nächstes Jahr.
LB24: Mit der Aufnahme der 2.501. Mietwohnung hat die WBL einen historischen Meilenstein erreicht. Welche Bedeutung hat diese Zahl für Sie persönlich und für die Stadt Ludwigsburg?
AV: Langfristig wollen wir 4.500 bis 5.000 Wohneinheiten erreichen. Damit würden wir rund 10 % aller Haushalte in Ludwigsburg abdecken, was der Stadt große Spielräume für eine aktive und gute Wohnungspolitik gibt.
Unser Ziel erreichen wir nicht nur über Neubauten, sondern auch durch den Zukauf von Bestandswohnungen. Im letzten Jahr haben wir 1 Bestandsobjekt erworben – in den letzten Jahren war das wegen stark gestiegener Preise kaum möglich. Mit den aktuell etwas gesunkenen Marktpreisen sondieren wir den Markt und kaufen geeignete Objekte, wenn sie verfügbar sind.
LB24: Im Jahr 2024 leben geschätzt über 600.000 Wienerinnen und Wiener im in städtischen Wohnungen. Wieso lässt sich dieses Modell nicht auf Ludwigsburg übertragen?
AV: Ein Modell wie in Wien ist in Ludwigsburg nicht übertragbar. Solch eine hohe städtische Beteiligung am Wohnungsmarkt funktioniert nur, wenn die Stadt seit mehreren Jahrzehnten aktiv Grundstücke erwirbt und steuert – wie in Ulm oder Wien. In Wien wird das zudem mit enormen finanziellen Zuschüssen betrieben, oft dreistellige Millionenbeträge jährlich.
Außerdem entstehen bei Wien-Modellen weitere Herausforderungen: Instandhaltungskosten, soziale Ungerechtigkeit und teilweise hohe Eintrittszahlungen für Wohnungen. Kurz gesagt: finanziell und strukturell lässt sich das Wiener Modell hier nicht umsetzen.
LB24: Sie führen die WBL nun seit über 15 Jahren. Was hat sich in dieser Zeit am stärksten verändert – für das Unternehmen, den Wohnungsmarkt in Ludwigsburg und für die Menschen, die hier leben?
AV: Unsere Gesellschaft hat sich in den letzten 15 Jahren stark verändert – nicht nur durch die Generation Z, auch durch Corona und wirtschaftliche Krisen wie die Finanzkrise 2008. Die Wirtschaft ist lange auf sehr hohem Niveaugewachsen, viele Fehler und überhöhte Gehälter haben nun Folgen, die wir heute spüren. Es ist schwierig, von diesem hohen Niveau wieder zurückzurudern.
Für uns als kommunales Unternehmen bedeutet das, dass viele Menschen Sicherheit suchen, aber die Ansprüche an Zusatzleistungen hoch bleiben. Gleichzeitig erleben wir in der Industrie massiven Arbeitsplatzabbau und Unsicherheit, was sich auch auf die Nachfrage nach Wohnraum auswirkt.
Trotz dieser Herausforderungen können wir stolz sein: Zusammen mit der Stadt und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern haben wir viel Wohnraum geschaffen, bezahlbare Wohnungen realisiert und klug investiert. Ich sehe darin einen Erfolg – aber auch die Notwendigkeit, weiterhin vorausschauend und verantwortungsvoll zu handeln.
Herr Veit, wir danken Ihnen für das Gespräch.


