Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat ein mögliches Fortbestehen der Ampel-Koalition offengelassen. “Deutschland braucht eine Richtungsentscheidung”, sagte der FDP-Chef dem Videoformat “Spitzengespräch” des “Spiegels”.
Auf die Frage, für wie wahrscheinlich er eine vorgezogene Bundestagswahl am 9. März nächsten Jahres halte, antwortete Lindner: “An solchen Spekulationen will ich mich nicht beteiligen.” Er habe “keinen diesbezüglichen Vorsatz”, sagte er hinsichtlich einer möglichen vorzeitigen Beendigung der Ampel.
Die Art und Weise, wie die Regierung sich gegenwärtig präsentiere, “und auch die nicht geklärte Grundrichtung entspricht nicht meinem Selbstanspruch an Regierungshandeln”, erklärte er. An eine Regierung stelle man den Anspruch, dass sie sich intern auf etwas verständigt und dies dann auch öffentlich vertritt und umsetzt. “Das gelingt der Koalition gegenwärtig in zunehmendem Maße nicht”, so Lindner.
In der vergangenen Woche hatten sowohl Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) als auch Lindner selbst zu jeweils unterschiedlichen Wirtschaftsgipfeln geladen. Lindner verriet, dass er erst eine Stunde vor der öffentlichen Ankündigung des Kanzler-Gipfels informiert worden sei. “Einen weiteren Vorlauf gab es nicht.”
Es sei das gute Recht des Kanzlers, einen solchen Gipfel einzuberufen. “Es wird nur eine gemeinsame Regierungslinie geben, wenn alle drei Partner zustimmen. Es könnte also ratsam sein, auch den Wirtschafts- und Finanzminister einzubinden, wenn es um Grundfragen der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht – Richtlinienkompetenz hin oder her”, so der FDP-Chef. “Es sind ja auch Fachleute in den Ministerien, die was beitragen könnten.”
Die FDP will am kommenden Montag Vertreter von 23 Unternehmerverbänden in die Fraktion einladen. “Die FDP macht nur eine weitere Veranstaltung. Der Bundeskanzler hat ja, wenn ich es richtig sehe, über den Regierungssprecher ausrichten lassen, dass er noch zwei weitere Gipfel in diesem Format beabsichtigt.” Auch darüber sei er nicht persönlich vom Kanzler in Kenntnis gesetzt worden, sagte er.
Dass Wirtschaftsminister Habeck seine eigene Sicht auf wirtschaftliche Fragen öffentlich präsentiere, sei für Lindner kein Problem. “Ich bin jetzt keine Heulsuse, dass ich in mein Kopfkissen weine, wenn der Wirtschaftsminister seine Ideen öffentlich vorstellt.” Allerdings habe Habeck mit dieser Aussage unterstrichen, dass es gegenwärtig keine geklärte Regierungslinie in den Grundfragen der Wirtschaftspolitik gebe.
Entscheidend für Lindner seien die anstehenden Haushaltsverhandlungen. “Eine Regierung braucht einen Haushalt, sonst ist sie keine Regierung mehr.” Nach der letzten Steuerschätzung muss der Haushalt im kommenden Jahr mit 12,7 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen auskommen müssen. Während Lindner auf Etatkürzungen pocht, spricht sich Habeck für ein groß angelegtes Investitionsprogramm aus.
red