Feldwege: Rücksichtslose Autofahrer gefährden Corona-Spaziergänger – kaum Regelungen und Kontrollen

ANZEIGE

Von Uwe Roth

An schönen Tagen sind auf den Feldwegen rund um Ludwigsburg manchmal mehr Fußgänger unterwegs als zeitgleich in der Fußgängerzone. Corona und der Lockdown haben das Spazierengehen zu einer neuen Attraktion werden lassen. Nicht nur an den Wochenenden sind die Menschen paarweise, mit Hund, Pferd oder im Familienverbund unterwegs, sondern genauso unter der Woche. Eine Stunde an der frischen Luft bringt Abwechslung zum Home-Office. Ein Spaziergang ist Erholung pur – für Körper und Geist, sollte man meinen.

Doch besonders auf breiten, asphaltierten Feldwegen geht es zeitweise verdammt eng zu. Denn neben Flanieren ist das Radfahren inzwischen sehr populär. Radler bringen ihre E-Bikes auf 25 Stundenkilometer. Rennradler holen das Maximale an Schnellkraft aus ihren Muskeln heraus. 40 Stundenkilometer sind nicht selten. Mancher hat seine Rollerskates im Keller wiederentdeckt und gleitet in Schlangenlinien über die Teerdecke. Besonders groß ist die Drängelei auf den Wegen entlang des Neckars. Spaziergänger müssen die Augen offenhalten und in Gänseformation möglichst am Rand entlangmarschieren.

ANZEIGE

Schlimm wird es, wenn ein Feldweg nicht nur für den landwirtschaftlichen Verkehr freigegeben ist, sondern ebenso für Anlieger. Dann dürfen Autofahrer den landwirtschaftlichen Wirtschaftsweg nutzen, wenn sie in entlang der Strecke ein Anliegen haben. Was ein Anliegen ist, hat der Gesetzgeber nicht näher bestimmt. Ein gesichertes Anliegen und Zufahrtsrecht haben nach der Straßenverkehrsordnung Besitzer oder Pächter eines Kleingartens. Davon gibt es im Umkreis nicht wenige.

Gleich mehrere große Schrebergarten-Anlagen, von denen eine „Wehrmachtstadion“ heißt, gibt am westlichen Rand des Ludwigsburger Stadtteils Grünbühl. Viele Kleingärtner kommen mit ihrem Auto aus dem drei Kilometer entfernten Kornwestheim. Sie könnten ihr Ziel über öffentliche Straßen erreichen. Doch die Stadt hat ihnen den Gefallen getan, den zwei Kilometer langen Feldweg zwischen Kornwestheim und den Schrebergartenanlagen für Anlieger zu öffnen. Rechtlich gehören Besucher der Kleingartenbetreiber ebenfalls zu den Anliegern. Auch ihnen darf die Fahrt über die Feldwege nicht verwehrt werden.

An schönen Abenden und Wochenenden wird in den Schrebergärten nicht nur Unkraut gezupft und Gemüse geerntet, sondern auch kräftig Party gemacht – mit Grillen, Getränken und allem, was dazu gehört. Besuchbare Kleingärtner sind sehr beliebt und scheinen oftmals einen großen Freundeskreis zu haben – vor allem seit wegen Corona Kneipen und Biergärten geschlossen sind. Ob die Corona-Regeln eingehalten werden, wird kaum kontrolliert. Höchstens, wenn Beschwerden eingehen.

Nachmittags ist auf dem Feldweg Rushhour. Im Minutentakt sind Autos zwischen Kornwestheim und den Gartenanlagen unterwegs. Weil keine Geschwindigkeitsschilder am Rand stehen, glauben manche Autofahrer, es dürfe nach Belieben gerast werden. Tatsächlich ist es schwer zu definieren, welches Höchsttempo auf befahrbaren Feldwegen gilt. Die Kreispolizeibehörde im Landratsamt verweist auf den Paragrafen drei der Straßenverkehrsordnung (StVO). Danach dürfen Autofahrende „nur so schnell fahren, dass das Fahrzeug ständig beherrscht wird“.

Die Geschwindigkeit, so heißt es weiter, sei insbesondere den Straßen-, Verkehrs-, Sicht- und Wetterverhältnissen sowie den persönlichen Fähigkeiten und den Eigenschaften von Fahrzeug und Ladung anzupassen. Es dürfe nur so schnell gefahren werden, dass innerhalb der übersehbaren Strecke gehalten werden können. Auf Fahrbahnen, die so schmal seien, dass dort entgegenkommende Fahrzeuge gefährdet werden könnten, müsse jedoch so langsam gefahren werden, dass „mindestens innerhalb der Hälfte der übersehbaren Strecke gehalten werden kann.“

Mit Tempo 30 wäre ein Autofahrer auf der sicheren Seite. Doch daran orientieren sich die wenigsten. Die Stadt Kornwestheim hat nicht vor, die Kleingärtner vom Feldweg zu verbannen und auf offizielle Straßen zu zwingen. Stattdessen appelliert sie an die Vernunft der Autofahrer, auf Fußgänger und Radfahrer Rücksicht zu nehmen.

Die StVO ist offensichtlich zu einer Zeit geschrieben worden, als Traktoren gelegentlich ein Pkw von einem Bauernhof entgegenkam. Dass ein Feldweg multifunktionell geworden ist, darauf hat die öffentliche Ordnung bislang nicht reagiert. Strengere Geschwindigkeitsregeln wären von der Polizei angesichts der Vielzahl von Wegen schwer zu überwachen. Im Prinzip kann sich jeder Autofahrer selbst zum Anlieger erklären und drauflosfahren. Wem tatsächlich bei einer der seltenen Kontrollen keine Ausrede einfällt, zahlt 25 Euro Ordnungsstrafe.

Am Ziel Kleingarten angekommen, darf er aber nicht beliebig in der Landschaft parken. Das wiederum regelt Paragraf 44 des Naturschutzgesetzes. Ein Parkplatz muss offiziell ausgewiesen sein. Aber oftmals sind auch die Ränder der Feldwege zugeparkt. Die Überwachung des ruhenden Verkehrs liegt in der Zuständigkeit der kommunalen Ordnungsdienste. Die Stadt Kornwestheim teilt dazu mit: „Wir führen regelmäßig Kontrollen auf Wegen im Außenbereich durch.“

Zum anschwellenden Anliegerverkehr kommt auf Feldwegen der wachsende Schleichverkehr. Ein Beispiel ist der Weg zwischen Pattonville und dem Ludwigsburger Stadtteil Oßweil. Er ist neu gemacht und lädt geradezu ein, diesen als verbotene Abkürzung zu wählen. Im Ludwigsburger Rathaus weiß man über diesen Schleichverkehr Bescheid. Gelegentlich werde kontrolliert, heißt es von dort. Man habe daran gedacht, dort, wo die städtische Gemarkung beginnt, Pfosten als Hindernis für Autofahrer aufzustellen. Wegen des dichten Radverkehrs habe die Stadt diese Lösung gegen den Schleichverkehr als zu gefährlich für Radfahrer verworfen.