Gedanken zur Winterolympiade in Peking von Andreas Wagner

Ein Gedankensplitter zu Olympia von Andreas Wagner – Leiter Abteilung Sport Hörfunk im SWR

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass die Kritik an einem Ausrichter Olympischer Spiele schon einmal so heftig gewesen wäre wie im Vorfeld von Peking 2022. Um es vielleicht an zwei zentralen Aspekten festzumachen: Olympischer Geist und Menschenrechtsverletzungen sind nicht miteinander vereinbar; der Sport sollte im Mittelpunkt stehen, nicht der Kommerz. Dem dürfte kaum jemand widersprechen. Aber wo ist im öffentlichen Diskurs ein konstruktiver Ansatz, diese Themen anzupacken? Wir spielen den Ball da gerne in das Feld des Internationalen Olympische Komitees und seines Präsidenten Thomas Bach. Das IOC mag in so mancher Hinsicht zurecht kritisiert werden, aber beim Thema Menschenrechte machen wir es uns ein bisschen einfach. Wie soll ein Weltsportverband, dessen Mitgliedsverbände nur zum kleineren Teil aus Ländern mit funktionierender Demokratie stammen, zu Entscheidungen kommen, die in das Wertesystem von uns „funktionierenden Demokraten“ passen? Wie verhindern, dass Diktaturen die Spiele ausrichten? Und vergessen wir nicht: München wollte Olympia 2022 nicht haben. Oder sollen wir etwa sagen „Ohne uns“ und uns ein kleines feines IOC nach EU-Wertestandard basteln? Wobei wir dabei nicht übersehen dürften, dass sich selbst die EU schwertut, all ihre Mitglieder auf (Werte-)Kurs zu halten.

Beim Thema Kommerz liegt der Fall anders. Natürlich hat das IOC daran einen entscheidenden Anteil. Aber der Kommerz basiert auf marktwirtschaftlichen Mechanismen; ist also Teil unseres Wertesystems. Und er braucht Kunden. Mögen die ein bestimmtes Produkt nicht, wird der Anbieter das Produkt im Sinne der Kunden verbessern oder ganz vom Markt nehmen. Hier hätten wir es also selbst in der Hand, zu Veränderungen beizutragen. Das tun wir aber nicht. Wenn die Wettbewerbe einmal laufen; wenn sie Triumphe und Tränen produzieren – oder auch Ärger über einen allzu pingelig vermessenen Skispringer-Anzug –, dann rücken die kritischen Aspekte weit in den Hintergrund. Das Unbehagen, das die Olympia-Stadt Peking transportiert, drückt uns am Ende eben doch weniger, als uns die Emotionen der Spiele beflügeln. Und wenn wir darauf schauen, wer die nächsten Olympischen Spiele ausrichtet, dann haben wir da Paris im Sommer 2024, Mailand im Winter 2026 und Los Angeles im Sommer 2028. Das sind die Guten. Passt doch. In Mailand war es diese Woche übrigens sonnig mit Temperaturen bis zu 16 Grad. Vielleicht ist es da in vier Jahren ja noch ein bisschen wärmer. Im Parco Sempione blühen dann schon die Tulpen, und unsere Gold-Rodler, die wie immer alles abräumen werden, kommen im T-Shirt zur Siegerehrung auf die Medals Plaza. Freuen wir uns drauf!

“Es ist Eure Wahl” – Ein Kommentar von Ayhan Güneş

Die erste Runde der Präsidentschaftswahl in der Türkei am 14. Mai 2023 ist vorbei, und am 28. Mai steht die Stichwahl bevor. Im Vorfeld dieser Wahlen haben sich zahlreiche führende Politikerinnen und Politiker aus Deutschland deutlich gegen die aktuelle türkische Regierung positioniert und für einen Machtwechsel plädiert. Dieses Eingreifen in den Wahlkampf eines anderen souveränen Landes wirft wichtige Fragen auf und erfordert eine sorgfältige Betrachtung.

Spulen wir kurz zurück: Vor dem eigentlichen Wahldatum wurden türkische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger, die in Deutschland leben, dazu aufgerufen, ihre Stimme abzugeben. Die Wahlbeteiligung war hoch, und laut den vorläufigen Zahlen der türkischen Wahlbehörde gaben rund 730.000 Personen in Deutschland ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung bundesweit lag bei etwa 48,8 Prozent.

Nachdem knapp 98 Prozent der Wahlurnen geöffnet wurden, steht laut der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu fest: Der amtierende Präsident konnte in Deutschland mehr als 65 Prozent der Stimmen für sich verbuchen, was mehr als 460.000 Wahlberechtigten entspricht. Auf den Herausforderer entfielen knapp 33 Prozent der Stimmen.

Das Eingreifen ausländischer Politiker in die Wahlen anderer Länder ist eine kontroverse Angelegenheit. Befürworter argumentieren, dass politische Akteure ihre Meinung frei äußern können sollten, insbesondere wenn es um Menschenrechte, Demokratie oder andere grundlegende Werte geht. Sie könnten behaupten, dass das Eingreifen in den türkischen Wahlkampf eine Möglichkeit für deutsche Politiker war, ihre Unterstützung für Oppositionskandidaten zum Ausdruck zu bringen und sich für ihre politischen Überzeugungen einzusetzen.

Auf der anderen Seite könnten Kritiker argumentieren, dass ausländische Politiker sich nicht in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einmischen sollten. Einige könnten dies als Einmischung in die Souveränität und die demokratischen Prozesse des Landes betrachten. Darüber hinaus könnte argumentiert werden, dass das Eingreifen ausländischer Politiker die innenpolitische Dynamik und den Wahlprozess eines Landes beeinflussen könnte.

Es ist verständlich, dass politische Akteure ihre Unterstützung für demokratische Werte und Menschenrechte zum Ausdruck bringen möchten. Insbesondere in Fällen, in denen grundlegende Prinzipien und Freiheiten in Frage gestellt werden, verspüren politische Führungspersonen den Drang, ihre Stimme zu erheben und Solidarität mit der Opposition zu zeigen. Dies könnte als Ausdruck des Glaubens an universelle Werte und des Engagements für eine gerechtere Zukunft betrachtet werden.

Dennoch ist es wichtig, die möglichen Auswirkungen einer solchen Einmischung zu bedenken. Wahlempfehlungen aus dem Ausland könnten zu Reaktionen bei den Wählerinnen und Wählern führen, die sich von den politischen Entscheidungsträgern in Deutschland bevormundet fühlen könnten. Der Widerstand aus Trotz oder der Wunsch nach Unabhängigkeit könnten dazu führen, dass einige Wählerinnen und Wähler bewusst das Gegenteil von dem tun, was empfohlen wurde.

Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass eine starke Einmischung aus dem Ausland die innenpolitische Dynamik eines Landes beeinflusst und das Vertrauen der Wählerschaft untergräbt. Die Souveränität eines Landes sollte respektiert werden, und die Entscheidungen über politische Führungspersonen sollten vor allem von den Wählerinnen und Wählern im Inland getroffen werden.

Es ist daher wichtig, dass politische Mandatsträger die Balance zwischen dem Ausdruck ihrer Überzeugungen und dem Respekt vor den demokratischen Prozessen anderer Länder finden. Die Meinungsfreiheit ist ein grundlegendes Recht, aber auch die möglichen Konsequenzen einer Einmischung in einen Wahlprozess müssen bedacht werden. Eine verantwortungsvolle und respektvolle Herangehensweise ist erforderlich, um das Vertrauen in demokratische Prozesse zu wahren und den Wählern die Freiheit zu lassen, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen – unabhängig davon, wie diese aussehen mögen.