Geheime Kassen der Radiologen?

ANZEIGE

In fünf Bundesländern in Deutschland können Radiologen durch die Abrechnung von Kontrastmitteln Zehntausende Euro zusätzlich im Jahr verdienen. Das ergeben Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung auf Basis von internen Unterlagen von Radiologiepraxen und Pharmaherstellern.

Demnach konnten zum Beispiel Radiologen in Bayern das MRT-Kontrastmittel Dotagraf von der Firma Jenapharm zum Preis von 760 Euro je Liter einkaufen und von den Krankenkassen dafür 3.900 Euro über die sogenannte Kontrastmittel-Pauschalen erstattet bekommen.

Damit sind mit einem einzigen MRT-Gerät Zusatzeinnahmen von rund 100.000 Euro pro Jahr möglich. Auf Anfrage teilt das Pharma-Unternehmen mit: “Wir bitten um Verständnis, dass Jenapharm, ein Tochterunternehmen von Bayer, zu Geschäftsbeziehungen Dritter grundsätzlich keine Stellung nimmt.”

ANZEIGE

Außer im Freistaat Bayern können Radiologen auch in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Kontrastmittel über Pauschalen abrechnen. Bei diesem Modell kaufen niedergelassene Radiologen Kontrastmittel für Computer-Tomographen (CT) und Magnetresonanz-Tomographen (MRT) ohne Preisbindung bei Pharmaunternehmen ein und rechnen sie dann zu einer festen Pauschale bei den Krankenkassen ab.

Wie niedrig die tatsächlichen Einkaufspreise sind, war bisher ein gut gehütetes Geheimnis der Branche. NDR, WDR und SZ liegen nun erstmals Dutzende von Einkaufsrechnungen von Radiologen und Liefer-Angebote von Firmen vor, die zeigen, zu welch niedrigen Preisen die Ärzte diese Präparate tatsächlich einkaufen.

Ein ebenfalls interner Vergleich von 28 radiologischen Praxen des “Radiologienetzes Deutschland” legt zudem nahe, dass Ärzte in jenen Bundesländern, in denen sie an Kontrastmitteln verdienen können, doppelt so viel MRT-Kontrastmittel einsetzen wie in den Bundesländern, in denen die Abrechnung direkt über die Krankenkasse läuft. Das ist deshalb problematisch, weil einige dieser Kontrastmittel im Verdacht stehen, seltene schwere Nebenwirkungen verursachen zu können.

Auf Anfrage von NDR, WDR und SZ teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, dass es die Verantwortung bei den Krankenkassen sehe. Sie müssten sich auch bei den Vereinbarungen über Kontrastmittel an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten. Mal schauen, ob es sich nur um die Spitze eines Eisberges handelt. mp/rlo