“Mit einer Million wären wir gut aufgestellt” – Ludwigsburg24 im Gespräch mit Burkhard Metzger

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Gerade erst ist Burkhard Metzger mit seiner Frau von einem Bootsurlaub vor der Küste Kroatiens zurückgekehrt. Dort hat er sich nicht nur von seinem fordernden Job als Polizeipräsident erholt, sondern er hat auch Kraft getankt für seine ehrenamtlichen Sonderaufgaben. Denn am 18. Juli auf der Jahreshauptversammlung in Bruchsal soll der 59-Jährige zunächst für drei Jahre zum Präsidenten der Landesverkehrswacht gewählt werden, deren Landesgeschäftsstelle mit einem hauptamtlichen Geschäftsführer und mehreren Mitarbeitern sich in Stuttgart befindet. Ziel der Landesverkehrswacht ist, für mehr Sicherheit im Straßenverkehr zu sorgen. Dafür und mit einer Menge neuer Ideen im Gepäck tritt auch Burkhard Metzger als neuer Präsident an.

Herr Metzger, fast jeder kennt die Landesverkehrswacht dem Namen nach, aber nicht alle wissen, was sich genau dahinter verbirgt.

Vor rund 70 Jahren wurde die Landesverkehrswacht als gemeinnütziger Verein in Baden-Württemberg gegründet und derzeit engagieren sich rund 7000 Mitglieder in 56 Kreis-, Gebiets- und Ortsverkehrswachten ehrenamtlich für mehr Verkehrssicherheit. Momentan sind wir aktiv im Bereich Kindergarten- und Schulkinder für eine sichere Verkehrsteilnahme als Fußgänger. Wir leisten unseren Beitrag in Kooperation mit der Polizei bei der Fahrradausbildung. Die Verkehrswachten betreiben in der Regel hierbei die Jugendverkehrsschulen sowie Fahrradübungsplätze, die Polizei stellt die Moderatoren für die Fahrradausbildung, so dass jedes Kind in der vierten Klasse seinen Fahrradführerschein machen kann. Dazu kommen Schulbustrainings, meist auch in Kooperation mit der Polizei. Dabei lernen die Kinder richtiges Verhalten im Bus und an der Haltestelle und wir bilden große und kleine Schülerlotsen aus.

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Wie profitieren erwachsene Verkehrsteilnehmer von der Landesverkehrswacht?

Erwachsene können bei uns Sicherheitstrainings beispielsweise für PKWs oder das Motorrad machen, sogar für LKWS gibt es in Baden-Württemberg einen Platz. Inzwischen bieten wir auch Pedelec-Trainings an. Wir veranstalten Verkehrssicherheitstage, aber nicht nur rein für Erwachsene, sondern wir gehen damit auch in Schulen. Es geht um Informationen rund um den Fahrradhelm, man kann den Auto-Überschlagsimulator testen, man kann eine Rauschbrille aufsetzen, um in einem Parcours zu erleben, wie sich das Sicht- und Wahrnehmungsvermögen durch Alkohol verändert. Für Senioren bieten wir ein Training mit dem Rollator an, denn es will geübt sein, wie man im öffentlichen Verkehr über einen Bordstein kommt, wie man eine Rolltreppe hochfährt, wie man mit dem Rollator in Bus oder Bahn einsteigt. Außerdem beraten wir Senioren noch zu dem sensiblen Thema sichere Verkehrsteilnahme im Alter. Da arbeiten wir zum Beispiel mit dem Apothekerverband zusammen, der aufklärt, welchen Einfluss Medikamente aufs Fahrverhalten haben. Und wir beraten die Senioren außerdem über den Wert von Fahrerassistenzsystemen zur Gefahrenvermeidung, wie beispielsweise über die Vorteile einer Rückfahrkamera, die unterstützt, wenn man sich nicht mehr so drehen kann wie in jungen Jahren.

Welche konkreten Aufgaben haben Sie als künftiger Präsident?

Seit 1. April bin ich bereits vom Vorstand der Landesverkehrswacht umfangreich mit Leitungsaufgaben bevollmächtigt und habe die verwaiste Geschäftsstelle zuerst einmal mit kompetentem Personal bestückt. Da die Landesverkehrswacht etwas in die Jahre gekommen ist und ein sehr großer Teil unserer Mitglieder schon über 70 Jahre alt sind, werde ich mich für einen Generationenwechsel einsetzen. Ich habe ein paar Ideen, wie man die Landesverkehrswacht für die Zukunft ausrichtet und sie auch wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.

Verraten Sie doch bitte ein paar Ihrer Ideen.

Ich würde gerne zielgruppenorientierter arbeiten. Bei den Kindern möchte ich einsteigen und sie spielerisch ans Verkehrsgeschehen heranführen anhand von Parcours mit Bobby Cars oder kleinen Elektroautos. Das wollen wir gerne als Veranstaltungsausstattung in allen Regierungsbezirken bereitstellen, vielleicht auch noch Hüpfburgen mit unserem Emblem drauf, so dass man die Kinder auf Veranstaltungen für unser Thema interessieren kann. Gerne würde ich eine landesweite Aktion „Sicher zu Fuß zur Schule“ anstoßen. Dadurch soll den Kindern Verkehrskompetenz vermittelt, aber zugleich auch das Helikopterverhalten mancher Eltern eingeschränkt werden. Die Schülerlotsenausbildung soll intensiviert werden, um die Lotsen hinterher auch gezielt in Projekte zu integrieren. Außerdem würde ich gerne eine Jugendorganisation innerhalb der Landesverkehrswacht bilden, wofür junge Menschen gezielt in Workshops ausgebildet werden sollen, sich bei Gleichaltrigen gegen Verkehrsgefahren wie Raserei, riskantes Überholen etc.  einzusetzen. Ich stelle mir vor, dass diejenigen, die sich ausbilden lassen, eine Urkunde bekommen, die jeder Bewerbung als Beleg für soziales Engagement beigefügt werden kann.

Das heißt, Sie konzentrieren sich vor allem auf die Kinder- und Jugendarbeit?

Ebenso möchten wir – mein Konzept ist mit dem Vorstand abgestimmt – die E-Mobilität fördern, also nachhaltige Fortbewegungsweisen. Das Pedelec-Training soll ebenfalls intensiviert werden, dazu werden wir noch E-Scooter ins Programm aufnehmen und dafür Instruktoren ausbilden. Wir unterstützen seit wenigen Wochen die Initiative „Motorrad-Lärm“, die das Verkehrsministerium für rund 100 teilnehmende Landkreise und Kommunen bündelt. Da wir ja auch Motorrad- Sicherheitstrainings machen, werden wir den Aspekt rücksichtsvolles Fahren künftig in diese Trainings einbinden. Bei den Senioren wollen wir die Angehörigenberatung angehen zu so typischen Problemen, wie man sich als Angehöriger am besten verhält, wenn ein älteres Familienmitglied den Führerschein nicht abgeben will und man sich ständig Sorgen macht, dass etwas passiert.

Sie sind als Polizeipräsident von Ludwigsburg und Böblingen eigentlich ausgelastet. Warum bürden Sie sich dieses aufwendige Ehrenamt noch auf?

Langweilig ist es mir in der Tat in meinem Alltagsgeschäft nicht. Aber meine aktive Amtszeit ist begrenzt, für die Landesverkehrswacht würde ich anschließend aber immer noch tätig sein. Deswegen ist das jetzt ein guter Zeitpunkt, um in dieses Amt einzusteigen. Zudem liegt das Thema Verkehrssicherheit auch im Interesse des Landes. Aber ich gebe natürlich zu, dass das neue Amt sehr viel Arbeit mit sich bringt, die ich in der Regel am Wochenende bewältige, auch ohne schon gewählt zu sein. Ich gehe bereits viele Projekte an, unter anderem auch die Finanzierung, die durch Corona nicht leichter geworden ist.

Wie hat Ihre Frau auf die zusätzliche Arbeit durch das neue Amt reagiert?

Meine Frau unterstützt mich in meinen neuen Aufgaben und macht quasi das Präsidialsekretariat für die Landesverkehrswacht. Es macht uns beiden großen Spaß, eine solche Organisation weiter aufzubauen, weil man dadurch in der Gesellschaft sehr viel bewegen kann. Eine weitere Motivation ist das Bewusstsein, dass diese Präventionsarbeit sehr wichtig ist, denn als Polizist habe ich leider schon mehr als einmal Angehörigen eine Todesnachricht überbringen müssen. Von daher weiß ich nur zu gut, welche Belastungen das für Familien mit sich bringt, vor allem, wenn Kinder betroffen sind. Das ist fast nicht auszuhalten. Solche schrecklichen Ereignisse zu verhindern, ist aller Ehren wert. Für mich ist alles rund um den Verkehr ein absolutes Herzensthema.

Wie würden Sie sich selbst als Autofahrer beschreiben?

In der Zwischenzeit bin ich ein Fahrer, der sich freut, wenn er es ruhig angehen lassen kann. Früher bin ich durchaus auch mal schneller gefahren. Am liebsten bin ich allerdings mit meinem Pedelec unterwegs.

Sie haben gerade eben gesagt, dass die Finanzierung der Landesverkehrswacht schwieriger geworden ist. Woher beziehen Sie die notwendigen Gelder?

Ein Teil unserer Finanzierung kommt aus staatlicher Förderung, der andere Teil setzt sich aus Spenden und Bußgeldzuweisungen zusammen. Aber das reicht leider hinten und vorne nicht. Deshalb mache ich mir gerade intensive Gedanken, wie und wo ich nachhaltige Förderquellen für unsere zukünftige Arbeit auftue.

Was benötigen Sie jährlich mindestens an Geld, um Ihre Projekte alle umsetzen zu können?

Mit einer Million Euro wären wir gut aufgestellt. Zur Verfügung stehen uns derzeit jährlich zirka 200.000 Euro. 150.000 Euro bekommen wir vom Verkehrsministerium, 10.000 Euro sind Mitgliedsbeiträge, der Rest setzt sich zusammen aus Spenden und Bußgeldzuweisungen. Hier ist also noch eine gewaltige Steigerung drin. Ich denke über Fördermitgliedschaften nach, ebenso über große Unternehmen als langfristige Unterstützer.

Glauben Sie, dass Sie das trotz Corona schaffen werden?

Ich hoffe es sehr. Dennoch machen mir die Auswirkungen von Corona generell große Sorgen. Wir müssen mit einer Milliardenschuldenlast des Staates rechnen, die unbedingt wieder abgetragen werden muss. Vielleicht sollte man darüber nachdenken, den Solidaritätszuschlag für einen Zeitraum von zehn Jahren in einen Corona-Zuschlag umzuwandeln, um von diesem riesigen Schuldenberg auch im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen schnell wieder herunterzukommen.

Herr Metzger, wir danken Ihnen für das Gespräch!

Patricia Leßnerkraus