Jahresgrenzwert für Stickoxid weiter zu hoch – Ludwigsburg muss handeln und überlegt Radweg auf B27

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Von Uwe Roth

Nun ist es amtlich: Die Stickstoffdioxid (NO2)-Werte an der Schlossstraße in Ludwigsburg sind weiterhin zu hoch. Der Jahresdurchschnitt lag 2021 mit 43 Mikrogramm pro Kubikmeter (µg/m3) Luft über dem Grenzwert von 40 µg/m3, der seit dem Jahr 2010 Gesetz ist. Das Ergebnis fällt sehr zur Enttäuschung der Stadtverwaltung aus. Sie hatte gehofft, mit 15 XXL-Luftfiltersäulen in der Umgebung der Messstelle das Problem mit der Luftverschmutzung und ein damit drohendes Fahrverbot alter Dieselfahrzeuge ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Nach dem Prinzip eines Staubsaugers saugen die Geräte von Mann & Hummel Tag und Nacht Schadstoffpartikel ein und halten diese fest. Doch offensichtlich nicht genug.

Dass Ludwigsburg die einzige Stadt in Baden-Württemberg ist, der es nicht gelungen ist, den NO2-Wert dauerhaft im grünen Bereich zu halten, geht aus der in dieser Woche vorgelegten Statistik der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) hervor. Sie betreibt die Luftmessstation an der vielbefahrenen Durchfahrtsstraße, die zugleich eine Bundesstraße (B27) ist. Im Schnitt fahren dort nach offiziellen Angaben täglich 62000 Fahrzeuge, vier Prozent davon sind Schwerlastverkehr. Aneinandergereiht ergäben diese eine Länge von über 300 Kilometer – also die Strecke von der Stadt bis zum Bodensee.

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Die Stadtverwaltung betont, sie habe alles unternommen, um den Verkehr in der Schlossstraße zu entschleunigen. So sei Tempo 40 eingeführt, eine Busspur angelegt und die Ampeltechnik digitalisiert worden. Sie verweist auf das eingeführte, günstige Stadtticket fürs Busfahren und den Ausbau der eigenen Flotte mit E-Fahrzeugen. Die Vorgaben aus dem Luftreinhalteplan des Landes seien umgesetzt worden, wird versichert. Die Schadstoffbelastung ist tatsächlich etwas zurückgegangen: 2020 lag der Jahresdurchschnitt laut LUBW bei 47 µg/m3, im abgelaufenen Jahr bei 43. Doch knapp daneben ist auch vorbei. Dass der Luftreinhalteplan unzureichend ist, hat sich schon länger abgezeichnet.

Mit der Jahresstatistik der LUBW hat das Regierungspräsidium (RP) Stuttgart an diesem Montag den Entwurf für eine Fortschreibung veröffentlicht. Das RP ist im Auftrag der Landesregierung für den Luftreinhalteplan zuständig. Dieser umfasst knapp 60 Seiten. Auf Seite 30 sorgt ein kurzer Absatz für Aufregung. Dort heißt es: „Die Stadt Ludwigsburg prüft in Abstimmung mit den zuständigen Behörden des Landes, inwieweit die B27 baulich reduziert werden kann, auch um Straßenflächen ggf. für nachhaltige Verkehrskonzepte (bspw. Fahrradspuren) zur Verfügung stellen.“ Das hätte zur Folge: Wenn weniger Fahrzeuge gleichzeitig auf der Schlossstraße fahren, weil weniger Straßenfläche zur Verfügung steht, verringert sich automatisch die Schadstoffbelastung der Luft.

Das könnte außerdem zu einem vom Land beschlossenen Plan passen, zwischen Bietigheim-Bissingen und Stuttgart einen Radschnellweg anzulegen. Und dieser soll nicht über die Felder oder gar am Neckar entlangführen, sondern möglichst auf kürzestem Weg von A nach B. Radfahrende sollen wie Autofahrer ohne Umwege ihr (berufliches) Ziel erreichen, so die Idee dahinter. Zwar gibt es entlang der Schlossstraße in der Baumallee einen Weg, den sich Fußgänger und Radfahrer teilen, doch dieser entspricht nicht der Norm für einen ordentlichen Radweg. Und erst recht nicht der Breite, die ein Radschnellweg haben muss.

Die Kommunalpolitik hat seit den 1960er Jahren das Image gepflegt, eine autofreundliche Stadt zu sein. Diesen Ruf wird sie so schnell nicht los: In den sozialen Medien ist der Aufschrei unter Autofahrern groß. in den Kommentaren sehen sie die Stadt weiter in der Pflicht, dem Autoverkehr Vorrang einzuräumen. Sie fordern unter anderem, die Grün-Phasen für den Straßenverkehr zu verlängern. Den Radverkehr betrachten sie als überbewertet. Die Stadt möchte den Durchgangsverkehr loswerden, dann wäre auch mehr Platz für den innerstädtischen Verkehr. Da die Planung und der Bau eines Radwegs auf der Schlossstraße mehrere Jahre in Anspruch nehmen, suchen die städtischen Planer nach weiteren kurzfristig umzusetzenden Lösungen. So sollen in Kürze an den Stadteingängen sogenannte Pförtner-Ampeln in Betrieb gehen. Die lassen dann eine für den Straßenraum erträgliche Zahl auf die Frankfurter und Stuttgarter Straße einfahren. Die Verwaltung geht nicht davon aus, dass vor den Pförtner-Ampeln längere Rückstaus entstehen werden.