Landrat bittet um Geduld: Müllchaos löst sich nur langsam auf – Allgaier droht Entsorgern mit juristischen Schritten

Von Uwe Roth

Im Landkreis Ludwigsburg herrscht pures Müllchaos. Völlig überfüllte Restmüllbehälter stehen an den Straßenrändern. Die Bewohner warten auf die Müllabfuhr. Aber sie kommt nicht. Und das schon seit Tagen. Aufgeplatzte Müllsäcke, für die in der Tonne kein Platz mehr war, verschmutzen die Gehwege. Die neuen Tonnen mit den gelben Deckeln sind eigentlich für den Verpackungsmüll bestimmt. Doch darin landen in diesem Chaos auch volle Babywindeln, Zigarettenkippen und alles, was sich seit den Feiertagen zum Wegwerfen angesammelt hat. Bei der Abfallverwertungsgesellschaft Ludwigsburg (AVL) stehen die Servicetelefone nicht still. Die einen Anrufer beschweren sich lautstark wegen der überfälligen Abholtermine. Andere fordern mit Nachdruck einen größeren Behälter fürs Altglas ein. Die Entsorger haben ihnen einen blauen Korb vor die Haustüre gestellt. Doch dieser ist vielen schlicht zu klein. Das Behältnis hat ein Volumen von 36 Liter und ist damit kaum größer als eine Getränkekiste. Nur einmal im Montag kommt die Leerung. Viele Anrufer verlangen den Umtausch in einen 120 Liter-Eimer. Die AVL-Mitarbeitenden zeigen Verständnis, können aber nicht liefern, weil die Entsorger den Umtausch bislang verweigern.

Als ob das für AVL-Geschäftsführer Tilman Hepperle und seinen Aufsichtschef Landrat Dietmar Allgaier (CDU) nicht genug Ärger wäre, wurde in dieser Woche bekannt, dass eine Bürgerinitiative eine Klage gegen die Müllgebühren-Satzung des Landkreises eingereicht hat. Der nagelneue Mülllaster, der am Donnerstag bei Sachsenheim von der Straße abgekommen war und spektakulär wie ein gestrandeter Wal auf der Seite liegengeblieben ist, gab ein Symbolbild für die aktuelle Lage der Entsorgungswirtschaft im Landkreis ab.

Am Freitag tagte der Kreistag. Landrat Allgaier hatte eine Erklärung angekündigt. Viel Neues konnte er den Kreistagsmitgliedern allerdings nicht mitteilen. Die Lage sei „äußerst unbefriedigend“, sagte er verärgert und nannte drei privatwirtschaftlich arbeitenden Entsorgungsfirmen als die eigentlichen Verursacher des Chaos. Im Gegensatz zur Landeshauptstadt Stuttgart hat der Landkreis Ludwigsburg keine eigene Müllabfuhr. Die AVL ist zwar ein kreiseigenes Unternehmen, hat aber keine Müllfahrzeuge. Vielmehr koordiniert er die Entsorgung und treibt die Gebühren für die Entsorgung des Rest-, Bio- und Sperrmülls ein. Zudem betreibt die AVL die Wertstoffhöfe, Häckselplätze und die Mülldeponien.

Seit Januar ist mit der Entsorgung des Gebühren finanzierten Abfalls im Landkreis Ludwigsburg die ALBA Süd beauftragt. Der Entsorger mit Sitz in Waiblingen (Rems-Murr-Kreis) gehört zu einem internationalen Konzern. Die ALBA Group ist über eine EU-weite Ausschreibung der AVL an den lukrativen Auftrag gekommen. Sie begründet die nicht geleerten Restmüll-Behälter mit Anlaufschwierigkeiten: Die Teams der Müllfahrzeuge seien neu zusammengestellt und hätten Probleme sich im Landkreis zurechtzufinden. Die Ortskenntnisse müssten erst wachsen. Außerdem sei der Krankenstand hoch – nicht zuletzt wegen Corona. AVL-Geschäftsführer Hepperle und der Landrat zeigten sich im Kreistag zwar verwundert, dass ein so erfahrenes Unternehmen ein solches Chaos anrichten kann. Sie gaben sich aber optimistisch, dass sich in den nächsten Tagen die Lage nach und nach normalisiert. Mülltonnen und -container sollten vorerst am Straßenrand stehenbleiben, weil niemand sagen könne, wann der nächste Mülllaster um die Ecke biegt. ALBA habe versprochen, aus Landkreisen, in denen sie ebenfalls für die Entsorgung zuständig ist, Müllfahrzeuge zur Unterstützung in den Landkreis Ludwigsburg zu holen.

Verpackungsmüll, Altglas und Altpapier werden seit Jahresbeginn von den Firmen PreZero (Asperg) und Kurz (Ludwigsburg) abgeholt. Sie erhalten das Geld für ihre Dienstleistung nicht von der AVL, sondern über das Duale System. Finanziert wird es von den Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit dem Kauf der Produkte auch gleich die Entsorgung des Verpackungsmaterials bezahlen. Wer Verpackungen statt in die gelbe Tonne in die Restmülltonne wirft, bezahlt die Entsorgung somit doppelt. PreZero gehört übrigens zur Handelsgruppe Schwarz, zu der Lidl und Kaufland gehören.

Der Streitpunkt ist nun, dass sich laut Landrat und AVL-Geschäftsführer PreZero hartnäckig weigert, die Altglasbehälter auszutauschen, obwohl es eine entsprechende Vereinbarung gäbe. Diese laute, dass „auf Wunsch der Nutzer ein kostenloser Größentausch vorzunehmen beziehungsweise ein zusätzlicher Behälter zu stellen ist“. Allgaier schließt daraus, es sei „klar ersichtlich, dass die Menschen im Landkreis Ludwigsburg einen Anspruch darauf haben, einen angemessenen Abfallbehälter zu erhalten.“ Und weiter: „Wir sind nicht bereit, dies auf Kosten unserer Bürgerinnen und Bürger hinzunehmen.“ Sollte sich keine einvernehmliche Lösung finden, dann schrecke der Landkreis vor einer rechtlichen Auseinandersetzung nicht zurück.