Ludwigsburgs OB Knecht: „Ausstieg aus Lockdown 1000-mal schwieriger, als einen zu verhängen“

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Von Uwe Roth

Die Gemeinderäte der Stadt Ludwigsburg haben am Mittwoch fast vier Stunden mit der Verwaltungsspitze über das weitere Vorgehen in der Covid19-Pandemie diskutiert. Obwohl über Videokonferenzen mit dem Land, dem Bund sowie den kommunalen Verbänden bestens informiert, konnten Oberbürgermeister (OB) Matthias Knecht und Bürgermeister Konrad Seigfried kaum Neues über die nächsten Schritte aus dem Lockdown berichten. Der OB zeigte sich selbst unsicher, welche Lockerungen vertretbar seien und welche nicht – zumal die Zahl der Corona-Infizierten seit einigen Tagen erneut anstiegen und von einer dritten Welle die Rede sei.

„Ein Ausstieg aus dem Lockdown ist 1000-mal schwieriger, als einen zu verhängen“, sagte er und appellierte an die Vernunft der Bürger, vor allem im privaten Umfeld trotz aller Lockerungen weiterhin auf Sicherheit zu achten. Die Menschen sollten „klar denken“, sagte Knecht in Anspielung auf die Querdenker. Diese Botschaft sei bei weitem nicht überall angekommen. Seit draußen frühlingshafte Temperaturen herrschten, seien größere Gruppen unterwegs – ohne jeglichen Abstand und Schutzmaske. SPD-Fraktionschefin Margit Liepins beklagte, dass freitags und samstags die Supermärkte so voll seien und niemand auf Abstand achte. Menschenansammlungen zu unterbinden, sei lediglich mit weiterem Personal im städtischen Vollzugsdienst möglich, aber nicht zu finanzieren. Die Stadt setzt den Schwerpunkt stattdessen auf ein wachsendes Angebot an Schnelltests. Von nächster Woche an werden im Kulturzentrum Schnelltests angeboten. „Wir machen das, um einer Überlastung anderer Anbieter wie Apotheker und Ärzten vorzubeugen“, so Bürgermeister Seigfried.

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Sämtliche Fraktionen lobten das aus ihrer Sicht gelungene Krisenmanagement der Rathausspitze. Sie mahnten aber zur Zurückhaltung, sämtliche durch Corona verursachen Probleme mit Geld aus dem kommunalen Haushalt lösen zu wollen. Die Stadtverwaltung hatte den Antrag gestellt, ein Darlehen über eine Summe von 250000 Euro ortsansässigen Unternehmen anzubieten, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Im Regelfall soll jedes Unternehmen mit bis zu zehn Beschäftigten 10000 Euro in Anspruch nehmen können.

Das städtische Geld ist als eine Überbrückungshilfe gedacht, bis die noch ausstehenden Corona-Hilfen von Bund und Land ausbezahlt worden sind, so die Begründung von Oberbürgermeister Knecht. Gemeinderäte äußerten Bedenken, dass Empfänger einer Überbrückungshilfe dennoch in Konkurs gehen könnten. Die Stadt würde in einem solchen Fall auf den Kosten sitzen bleiben. Insbesondere die Freien Wähler warnten vor einer solchen Darlehensvergabe, die aus deren Sicht zudem bürokratisch gestaltet sei. Stadtrat Reinhardt Weiss mahnte, „die Finger davon zu lassen“. Die anderen Fraktionen sahen in diesem städtischen Hilfsangebot weniger Risiken und unterstützen den Antrag der Stadtverwaltung. Der wurde dann mit großer Mehrheit verabschiedet.

Manchem Gemeinderat schien es beim Schnüren neuer und mit Ausgaben verbundenen Hilfspakete nicht ganz wohl zu sein. Denn der städtische Haushalt hat selbst ein großes Loch und muss mit Krediten gestopft werden. Ludwigsburg wird in diesem Jahr bis zu 22 Millionen Euro aufnehmen, um die durch den Lockdown entstandenen Einnahmeausfällen bei der Gewerbe- und Einkommensteuer ausgleichen zu können. In vier Jahren könnte der Schuldenstand der Stadt bei 100 Millionen Euro liegen, so die Prognose der Stadtkämmerei.

Der Innenstadtverein LUIS wollte in der Gemeinderatssitzung eine bessere Finanzierung von der Stadt. Im Verein, der von drei hauptamtlichen Kräften betrieben wird, ist vor allem der städtische Einzelhandel organisiert. LUIS unterstützt unter anderem Besitzer kleiner Läden, damit sie den längst fälligen Anschluss ans Internetzeitalter finden. LUIS beschäftigt bereits einen Experten fürs Onlinemarketing. Doch der allein reiche nicht aus, um Ludwigsburgs Einzelhandel im Internet abzubilden. Für die kommenden 3,5 Jahre werde eine weitere Fachkraft mit weiteren Personalkosten in Höhe von jährlich 50000 Euro benötigte, machte LUIS-Geschäftsführer Markus Fischer gegenüber dem Gemeinderat klar. Er begründete das mit dem großen Arbeitsaufwand, manchem Ladenbesitzer, der Mitglied bei LUIS ist, das Einmaleins der Präsenz im Internet näherzubringen.

Fischer versuchte, die Gemeinderäte davon zu überzeugen, dass die vierte Stelle im Innenstadtverein auch deswegen notwendig sei, um dem durch Corona beschleunigten Ladensterben etwas entgegensetzen zu können. So unterstütze LUIS den Einzelhandel beispielsweise mit Marketingideen. Die insgesamt für die neue Stelle benötigten 175000 Euro ging einigen Gemeinderäten jedoch zu weit. Grünen-Fraktionsvorsitzender Michael Vierling stellte die Frage, ob diese Mittel in dieser Weise Erfolg versprechend eingesetzt würden und ob es fair sei, die Einzelhändler mit Steuermitteln auf die Höhe der digitalen Zeit zu bringen.

Es sei möglicherweise sinnvoller, sich das Marketing-Knowhow als Sachleistung einzukaufen, statt mit Eigenpersonal anzugehen. Auch die Freien Wähler sahen das so. Am Ende einigten sich der Gemeinderat mit der Rathausspitze auf einen Kompromiss: Für den Zeitraum Juli dieses Jahres bis Juni 2023 erhält der Innenstadtverein zusätzliche 75000 Euro, der frei darüber entscheiden kann, ob er jemanden einstellen oder freiberuflich beschäftigen möchte.