So fehlerfrei werden Todesbescheinigungen ausgestellt – Vortrag im Ludwigsburger Gesundheitsamt

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LUDWIGSBURG. Rechtsmediziner Prof. Dr. Oliver Peschel besuchte kürzlich das Landratsamt Ludwigsburg. Weit über die Grenzen von Deutschland bekannt wurde der Münchener Rechtsmediziner als „Leibarzt“ der Gletschermumie Ötzi. Im Ge- sundheitsamt informierte er zusammen mit Wirtschaftswissenschaftlerin Dr. Ulrike Winkelmann und Dorothee Kujath vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg über rechtsmedizinische und praktische Probleme bei Todesart und Todesursa- che.

Dr. Uschi Traub, Leiterin der Gesundheitsförderung und Gesundheitsberichterstattung beim Landratsamt zitierte eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin der Universitätsmedizin Rostock, die 10.000 Todesbescheinigungen des lokalen Krematoriums ausgewertet hat. Todesbescheinigungen sind nur in zwei Prozent der Fälle fehlerfrei. Rund ein Drittel der Bescheinigungen weisen sogar mindestens einen schwerwiegenden Fehler auf, stellte Traub fest. „Todesbescheinigungen sind für uns so wichtig, weil sie Daten generieren, die als Grundstein für Taten in der Prävention und Behandlung von Krankheiten dienen“, so Traub.

Grundsätzlich gebe es Probleme, weil die Leichenschau nicht in der Hand von Spezialisten sei. In einer Multi-Center-Studie der Universität Münster kam heraus, dass mindestens 1.200 Tötungsdelikte jährlich unaufgedeckt bleiben. Bei einer Görlitzer Studie gab es nur eine Übereinstimmung von 50 Prozent bei der Diagnose auf der Todesbescheinigung und der Autopsie. Häufige Fehler passieren bei Herzkreislauf- und endokrinologischen Erkran- kungen. Bei Krebs- und Atemwegserkrankungen sind die Angaben eher valide.

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Prof. Peschel brachte interessante Fallbeispiele mit – ein unerkannter Fall von Schütteltrauma bei einem drei Monate alten Baby, das als „Plötzlicher Kindstod“ durchging, bis der Zwillingsbruder mit Hirnblutungen im Krankenhaus eingeliefert wurde. Bei der Exhumierung wurden Rippenbrüche und fehlende Hirnmasse festgestellt. Eine tot geglaubte Frau aus Landsberg/Lech, die doch noch am Leben war, übersehene Schussverletzungen, Verätzungen im Mund durch „Rohrfrei“ im Bier, übersehene Messer, die vom Bestatter entdeckt werden, eine 18-Jährige mit einem Milzriss bei Pfeifferschem Drüsenfieber und weitere erschreckende Beispiele.

Professor Peschel, Stellvertretender Vorstand des Instituts für Rechtsmedizin der Ludwig- Maximilians-Universität München hat weit über 10.000 Leichen obduziert. Als Leibwächter, Leibarzt und Krankenpfleger der weltberühmten Gletschermumie Ötzi in Österreich kümmert er sich regelmäßig um dessen Erhaltung. Peschel war im Einsatz bei vielen Fragestellungen wie bei der Identifizierung von Toten beim Brand in einer Zahnradbahn in Kaprun mit 155 Opfern, oder bei Opfern des Tsunamis in Thailand sowie bei von dem UN- Kriegsverbrechertribunal angeordneten Exhumierungen im früheren Jugoslawien. Er wurde auch zu Rate gezogen bei Ermittlungen, wie alkoholisiert Beate Zschäpe war, als sie die Zwickauer Wohnung des NSU-Trios in Brand setzte.

Info:

Laut § 11 Abs. 6 und 7 der Bestattungsverordnung Baden-Württemberg überprüft das Gesundheitsamt die ärztlichen Angaben des vertraulichen Teils der Todesbescheinigung und übersendet elektronisch die vertraulichen Teile der Todesbescheinigung dem Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zur Auswertung. In Deutschland wird nur in unter einem Prozent der Todesfälle obduziert, in Schweden sind es 30 Prozent. Die Leichenschau kann durch einen ärztlichen Leichenschaudienst mit einer Gruppe erfahrener Ärzte, wie in München, verbessert werden.

red