Streeck: Mit HIV erhöhtes Risiko bei Corona-Infektion

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Die Corona-Pandemie ist seit anderthalb Jahren Dauerthema. Doch die schon während vier Jahrzehnten unter der Menschheit wütende HIV-Pandemie sollte nicht aus dem Blickfeld geraten, warnt Professor Dr. Hendrik Streeck, Direktor der Virologie an der Uniklinik Bonn gegenüber medical press (mp) anlässlich der HIV-Wissenschaftskonferenz der International Aids-Society (IAS) in Berlin.

“Im Verlauf der Sars-Cov2-Pandemie sind deutlich weniger Menschen auf das HI-Virus getestet worden”, sagt Streeck, nationaler Kongresspräsident der IAS und Kuratoriumsvorsitzender der Deutschen AIDS-Stiftung.

Unterdessen sei Covid19 insbesondere für HIV-Infizierte gefährlich, sagt der Virologe. “HIV-Positive weisen eine signifikant höhere Sterblichkeit auf, wenn eine Infektion mit SarsCov2 hinzukommt.” Entsprechende Patienten trügen ein um 23 Prozent erhöhtes Risiko an dem Corona-Virus zu sterben.

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Die traurigste Botschaft der HIV-Wissenschaftskonferenz sei der enorme Rückgang an Testungen. “Die Leute infizieren sich ja trotzdem mit HIV, und das wird weltweit Leben kosten.” Andererseits sehe man seit ein paar Jahren auch eine erfreuliche Entwicklung: “Der größte medizinische Erfolg ist, dass wenn ein HIV-Positiver therapiert wird und bei der Virenlast unter der Nachweisgrenze liegt, hat er eine ungeminderte Lebenserwartung”, sagt Streeck. “Das hätte noch in den 90er Jahren niemand geglaubt.”

Ein weiterer wichtiger Erfolg sei die Pille vor dem Geschlechtsverkehr, die vor einer HIV-Infektion schütze. Hinzu käme die Entwicklung von Therapeutika mit Langzeit-Schutzwirkung von mehreren Wochen. Die könne man bereits als chemische Prophylaxe vor HIV bezeichnen. “Das muss überall auf der Welt angewendet werden”, fordert Streeck. Wichtig sei dies gerade in Ländern mit hoher Diskriminierung von HIV-Positiven. “Im südlichen Afrika trauen sich junge Frauen zum Beispiel nicht mehr Medikamente in ihrer Handtasche mitzuführen aus Angst vor Stigmatisierung.” Erfolgsversprechende Prophylaxe-Präparate sind bereits entwickelt worden

Zur Frage, warum es noch immer nicht gelungen ist, einen Impfstoff gegen das HI-Virus zu finden, obwohl es bei SarsCov2 doch recht zügig geklappt hat, nennt Streeck gleich mehrere Gründe: Zunächst seien HIV und Sars zwei ganz unterschiedlich geartete Viren. Die Beschaffenheit des HI-Virus sei viel komplexer. Zudem weise es eine hohe Diversität aus mit vielen Varianten. “Die Struktur kann sehr leicht mutieren.” Außerdem seien die Spike-Proteine beim HI-Virus ineinander verschlungen und von einer Zuckerschicht überzogen. Resistent mache es darüber hinaus eine nur geringe Zahl an Punkten, an denen es von Antikörpern angegriffen werden kann.

Unterdessen gebe es auch einen politischen Grund dafür, dass es beim Corona-Virus vergleichsweise schnell klappte mit der Impfung: “Bei SarsCov2″ gelangten schon früh 30 Produkte in Testphase 3, bei HIV sind seit 1987 nur acht Impfstoff-Konstrukte in Phase 3 gelangt.” Der politische Druck sei bei Covid19 einfach höher als beim Kampf gegen Aids.

Lars Wallerang / glp