Trotz schwierigen Starts: Das E-Auto kommt

Die Zukunft der Elektromobilität hat längst begonnen. In Norwegen zum Beispiel. Das Land im hohen Norden hat sich zum Paradies für E-Autos entwickelt. Inzwischen fährt dort fast jeder zweite Neuwagen ganz oder teilweise mit Strom. Nach den Plänen der Regierung in Oslo sollten bis Ende dieses Jahres rund 50.000 Automobile mit Batterie- oder Hybridantrieb auf Norwegens Straßen unterwegs sein. Fast 200.000 werden es wohl werden. “Norwegen ist das erste Land der Welt, das die Anfangsphase der E-Mobility schon hinter sich hat. Aktuell befinden wir uns in einem beginnenden Massenmarkt”, sagt Christina Bu, Generalsekretärin von “Norsk Elbilforening”, dem Verband der Elektroautobesitzer. Davon kann Deutschland nur träumen.

Nach Angaben des Center of Automotive Management (CAM) an der Fachhochschule für Wirtschaft in Bergisch Gladbach sind in Deutschland in den ersten drei Quartalen dieses Jahres 50.141 E-Autos (Batterie/BEV und Plug-in-Hybrid/PHEV) neu zugelassen worden – 36 Prozent mehr als von Januar bis September 2017. Damit erzielten BEV und PHEV einen Neuzulassungsanteil von 1,9 Prozent. Im internationalen Marktanteilsranking liegt Deutschland auf Platz 6 hinter Norwegen, den Niederlanden, China, Großbritannien und Frankreich.

In Anbetracht der Marktentwicklung sehen Kritiker das Ziel der Bundesregierung, Deutschland zum Leitmarkt und Leitanbieter für Elektromobilität zu machen, in weite Ferne gerückt. Und dies, obwohl Berlin den Erwerb von E-Autos und den Ausbau der Ladenetzinfrastruktur mit Millionen-Beträgen subventioniert. Die deutsche Automobilindustrie wird bis 2020 rund 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe investiert haben. Davon wird der größte Teil in die Entwicklung der Elektromobilität fließen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich inzwischen vom Ziel verabschiedet, dass in Deutschland in zwei Jahren eine Million E-Autos zugelassen sein werden. Jetzt soll es zwei Jahre später soweit sein. “Das ist nicht so ein Drama”, sagt die Kanzlerin und betont: “Wir sind auf dem richtigen Pfad.”

In Norwegen hat vor allem eine massive staatliche Förderung dem E-Auto zum Durchbruch verholfen. Deren Besitzer zahlen keine Mehrwertsteuer und weniger Kfz-Steuer. Sie parken kostenlos und dürfen die Busspur benutzen. Auch den Strom gibt es vielerorts umsonst. Schon denkt die Regierung darüber nach, die Förderung einzuschränken, um von der enormen Nachfrage nach E-Autos nicht weiter links überholt zu werden.

Auch wenn die Situation in Deutschland anders ist, haben Experten keine Zweifel daran, dass dem E-Auto auch hierzulande die Zukunft gehört. Dafür sorgen schon allein die strengen Abgasgrenzwerte, die ab 2021 mit 95 Gramm CO2 pro Kilometer bereits EU-weit festgeschrieben sind. Bis 2025 sollen die Emissionen nach dem Willen der Europäischen Kommission um weitere 15 Prozent und bis 2030 noch einmal um 30 Prozent gesenkt werden. Ohne E-Autos werden diese Werte nicht einzuhalten sein. Reißen die Automobilhersteller die gesetzlichen Latten, drohen ihnen Milliardenstrafen. Das werden sie zu verhindern wissen. Doch die große Frage lautet: Wie können die Kunden von der neuen Form der Mobilität begeistert werden? Die Antwort: durch eine ausreichende Reichweite der E-Autos, akzeptable Preise, eine flächendeckende Ladenetzinfrastruktur und eine attraktive finanzielle Förderung. Insofern hängt der Durchbruch der Elektromobilität in Deutschland vom entschlossenen Handeln vieler Stakeholder ab.

Köln, nach München und Stuttgart die Stadt mit der höchsten Stickstoffdioxidbelastung in Deutschland, sieht in der Elektromobilität “ein wichtiges Element zur Senkung der Luftschadstoffe”. Anfang des Jahres waren in der rheinischen Metropole 1.330 E-Autos zugelassen. Das entsprach einem Marktanteil von knapp 0,3 Prozent. Nach Einschätzung des regionalen Energieversorgers RheinEnergie wird die Zahl der in Köln zugelassenen E-Autos bis zum Jahr 2025 auf bis zu 50.000 steigen. Bezogen auf den heutigen Pkw-Bestand wäre dies ein Marktanteil von rund 10,5 Prozent. In den kommenden zwei Jahren sollen die TankE-Ladestationen im öffentlichen Verkehrsraum von 30 auf 400 ausgebaut werden. Zusätzliche Nachfrage werden die weitreichenden Fahrverbote für ältere Dieselfahrzeuge dem E-Auto weit über Köln hinaus bescheren.

Bis das E-Auto wirklich grün ist, werden freilich noch viele Jahre vergehen. Auch wenn der Anteil der alternativen Energieträger in Deutschland stetig zunimmt, wird der größte Teil des Stroms hierzulande noch immer in Braunkohlekraftwerken erzeugt. RWE will im nordrhein-westfälischen Hambacher Forst sogar in ein neues Braunkohletagebaurevier investieren. Es soll bis mindestens 2030, wenn nicht sogar bis 2038, Kohle fördern. Frühestens dann wird Deutschland aus der Kohleverstromung aussteigen. Das bringt selbst den sonst so besonnenen Volkswagen-Chef Herbert Diess auf die Barrikaden. “Ich sehe derzeit nicht, wie wir bis 2030 unsere Primärenergie CO2-frei bekommen wollen. Gelingt dies nicht, fahren wir eben anstatt mit Benzin oder Diesel im Prinzip mit Kohle, auch wenn wir elektrisch unterwegs sind, schlimmstenfalls sogar mit Braunkohle. Das treibt die Idee der Elektromobilität ad absurdum”, schimpft der Manager. Freunde wird er mit dieser Aussage bei RWE kaum gewonnen haben.

Das Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu), das vor 40 Jahren aus der Arbeitsgemeinschaft Umweltschutz an der Universität Heidelberg (AGU) hervorgegangen ist, beurteilt die aktuelle Umweltbilanz des E-Autos weitaus positiver. Heute zugelassene Elektroautos hätten im Durchschnitt über ihr gesamtes Leben auch gegenüber einem Diesel einen Klimavorteil von etwa zehn Prozent. “Deutlich verbessert sich die Klimabilanz bei Nutzung eines höheren Anteils erneuerbarer Energien”, so die Heidelberger Wissenschaftler. Ein weiterer Vorteil batteriebetriebener Automobile: Rund 75 Prozent der elektrischen Energie kommen auf dem Rad des Fahrzeugs an. Bei Brennstoffzellenfahrzeugen sind es nur etwa 30 Prozent. “Die direkte Speicherung von Strom in einer Fahrzeugbatterie stellt also die effizienteste Einsatzmöglichkeit erneuerbarer Energie im Verkehrssektor dar”, stellt das ifeu fest. Vielleicht ist es um die Brennstoffzelle deshalb so ruhig geworden? Eine wesentliche Voraussetzung für den Durchbruch des E-Autos in Deutschland sehen die Heidelberger in einer flächendeckenden Schnellladeinfrastruktur an Autobahnen und prophezeien: “Die Zeit spielt für das Elektroauto.”

Auch in Bezug auf die Preisentwicklung? Ja, sagen Experten und verweisen darauf, dass sich die Herstellkosten für Benzin- und Dieselfahrzeuge aufgrund sich verschärfender Umweltregularien in den nächsten Jahren signifikant erhöhen werden. Gleichzeitig würden die Kosten für E-Autos vor allem durch günstigere Batteriezellen-Kosten pro Kilowattstunde deutlich sinken und technologische Innovationen insbesondere im Hinblick auf Reichweite und Ladedauer den Kundennutzen erhöhen.

Mit rund 30 E-Modellen sind die deutschen Automobilhersteller derzeit auf dem deutschen Markt vertreten. Hinzu kommen noch einmal so viele elektrisch angetriebene Autos ausländischer Anbieter. Bis 2020 wird die Zahl wohl auf 200 Modelle steigen. Volkswagen hat vor wenigen Tagen angekündigt, seine Werke in Zwickau, Emden und Hannover auf die Fertigung von E-Fahrzeugen umzustellen. Und man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass das IAA-Autojahr 2019 ganz im Zeichen der Elektromobilität stehen wird – mit vielen neuen Modellen, die vor allem mit deutlich verbesserten Reichweiten und kürzeren Ladezeiten auftrumpfen. Von bis zu 500 Kilometer ist die Rede. In Anbetracht dessen geht das Center of Automotive Management ab 2020 von einem massiven Wachstum des E-Mobilitätsmarkts aus. Allerdings, so CAM-Chef Stefan Bratzel mit Blick auf die chinesischen Anbieter, müssten die deutschen Autobauer ihre Aktivitäten im Bereich der E-Mobilität verstärken, um nicht international Marktanteile und Image einzubüßen.

Derweil engagieren sich im Motorsportchampionat Formel E, mid/rs

EU gibt grünes Licht zur Förderung von Öko-Bussen

Die Luft in Städten soll europaweit sauberer werden. Darum hat die EU-Kommission nun entschieden, dass die von Deutschland geplante Förderung für die Nachrüstung von Dieselbussen, die im öffentlichen Nahverkehr eingesetzt werden, mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang steht. Die Maßnahme könne zur Reduzierung der Stickoxidemissionen um mehr als 2.000 Tonnen pro Jahr beitragen, ohne den Wettbewerb übermäßig zu verzerren.

“Diese Förderregelung ist ein gutes Beispiel dafür, wie das europäische Ziel sauberer Luft für alle unterstützt werden kann”, lobt EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Initiative. Die Regelung biete öffentlichen Verkehrsbetrieben einen Anreiz, in umweltfreundlichere Fahrzeuge zu investieren, und ermögliche so die Verbesserung der Luftqualität in deutschen Städten.

Deutschland wird für die Regelung 107 Millionen Euro zur Verfügung stellen, um in rund 90 Städten und Gemeinden, in denen 2016 oder 2017 die Stickoxid-Grenzwerte überschritten wurden, die Nachrüstung von Dieselbussen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu unterstützen. Finanziert werden mit diesem Betrag System- und externe Einbaukosten der Nachrüstung von genehmigten Abgasnachbehandlungssystemen zur Reduzierung der Stickoxidemissionen. Die Maßnahme ist Teil des “Sofortprogramms Saubere Luft 2017 bis 2020” der Bundesregierung, das darauf abzielt, den Stickoxid-Ausstoß so schnell wie möglich zu reduzieren. Nach Auffassung der EU-Kommission wird die staatliche Regelung Busunternehmen Anreiz bieten, in umweltfreundlichere Busse mit deutlich geringeren Stickoxidemissionen zu investieren. Die nachgerüsteten Busse sollen mindestens 85 Prozent weniger Stickoxide ausstoßen.

Unterdessen hat das EU-Parlament jetzt auch über die künftige CO2-Regulierung für schwere Nutzfahrzeuge abgestimmt. Die Parlamentsmehrheit hat für den Vorschlag des Umweltausschusses des EP (ENVI) gestimmt. Danach sollen die CO2-Emissionen neu zugelassener schwerer Nutzfahrzeuge bis 2025 um 20 Prozent sinken. Bis zum Jahr 2030 wird eine Reduzierung von 35 Prozent gefordert.

Hierzu gibt es indes Kritik seitens der Autoindustrie: “Die Nutzfahrzeugindustrie hat anspruchsvolle, aber machbare Ziele immer unterstützt”, räumt Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) ein. Mit dem jetzigen Votum aber ignoriere die Mehrheit des Europäischen Parlaments die Situation auf den Nutzfahrzeugmärkten, die aus sich heraus auf Effizienz getrimmt seien. “Die vom Parlament beschlossenen Vorschläge sind technologisch und wirtschaftlich in der anvisierten Zeit nicht umsetzbar.” Wegen der unverhältnismäßig hohen Strafandrohung von 5.000 Euro für jedes überschrittene Gramm könnten diese Vorgaben für einzelne Nutzfahrzeughersteller sogar zur Existenzbedrohung werden. mid/wal

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