Die Führung einer Stadt inmitten globaler Krisen: Oberbürgermeister Knechts Halbzeit-Bilanz in Ludwigsburg

Am 30. Juni 2019 wählten die Bürgerinnen und Bürger überraschend Dr. Matthias Knecht mit einem deutlichen Zuspruch von 58,45 Prozent bereits im ersten Wahlgang zum neuen Oberbürgermeister der Stadt Ludwigsburg. Sein Amt trat der 48-jährige Politiker am 1. September desselben Jahres an und beendete damit die 16-jährige Regentschaft seines Vorgängers Werner Spec. In der frühen Phase seiner Amtszeit wurde der parteilose Knecht unmittelbar mit einer wahrhaftigen Feuerprobe konfrontiert – der verheerenden Corona-Pandemie, gefolgt von einer beispiellosen Abfolge globaler Krisen, darunter der Ukraine-Krieg, die Flüchtlings- und Wirtschaftskrise. Diese epochalen Herausforderungen ließen seine Verantwortung keineswegs leichter erscheinen. Mit nunmehr vier Jahren seiner insgesamt 8-jährigen Amtszeit hinter sich, ziehen Ludwigsburg24 und Dr. Knecht eine Zwischenbilanz. In einem exklusiven Gespräch reflektiert der promovierte Jurist ausführlich über seinen außergewöhnlichen Amtsantritt und schildert über die intensiven Eindrücke und Herausforderungen, denen er von Anfang an gegenübersteht.

Ein Interview von Ayhan Güneş

LB24: Was waren die Höhepunkte Ihrer Amtszeit als Oberbürgermeister von Ludwigsburg in den vergangenen vier Jahren?

OB Knecht: Ich habe das Privileg, mit einem unglaublichen Team zusammenzuarbeiten. Das hat sich insbesondere gleich zu Beginn meiner Amtszeit während der Corona-Pandemie und jetzt auch in der Ukraine-Krise gezeigt. An diesen Herausforderungen sind wir als Stadtverwaltung gewachsen und haben uns auf den Weg gemacht, viele inhaltlichen Themen voranzubringen. Im engen und äußerst vertrauensvollen Zusammenspiel mit dem Gemeinderat haben wir Soforthilfe geleistet und erfolgreiche Maßnahmen ergriffen, wie unter anderem das Aktionsprogramm für den Einzelhandel in der Stadt.

Wir haben wichtige Beschlüsse gefasst, darunter den Neubau des Bildungszentrum West, die Grundlagenbeschlüsse für die Stadtbahn und die Beschlüsse für unverzichtbare Maßnahmen des Klimaschutzes. Die Ansiedlung oder Erweiterung von namhaften Unternehmen wie Roche, Stihl und Lapp Kabel oder Start-Ups wie Instagrid stärkt die wirtschaftliche Stabilität der Stadt. Die Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag der Rede von  Charles de Gaulle an die deutsche Jugend und der Besuch von Bundespräsident Frank-Walter Steinermeier zum 75-jährigen Bestehen des Deutsch-Französischen Instituts waren großartige Veranstaltungen.

LB24: Eine neue Städtepartnerschaft hat es ebenfalls gegeben. Das ist heutzutage eher eine Seltenheit.

OB Knecht: Stimmt, Sie sprechen von der Partnerschaft mit Bergamo in Italien. Das ist wirkich etwas Besonderes. Eine wunderbare Stadt, die zu uns paßt. Es ist ein schöner  Erfolg, diese Stadt für uns einnehmen zu können.

LB24: Was waren Ihre größten Herausforderungen?

OB Knecht: Zunächst ist es klar, dass ich die Corona-Pandemie und den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und die damit verbundenen Auswirkungen auf unsere Bürgerschaft in Ludwigsburg nenne. Es ist keine schöne Aufgabe, Sperrzeiten zu kontrollieren, Maskengebote zu erlassen oder Weihnachtsmärkte abzusagen. Und natürlich ist es eine große Herausforderung, die Zivilgesellschaft, die für Integration und sozialen Zusammenhalt unheimlich viel leistet, jetzt auch noch mit Containerdörfern zu belasten. Aber wir tun dies, um Sport- und Kultureinrichtungen offenhalten zu können.

Losgelöst von den beiden Themen gibt es im Bereich Wohnungsbau große Herausforderungen. Obwohl wir mit unserer städtischen Tochter der Wohnungsbau Ludwigsburg eine starke Partnerin haben, stehen wir vor Schwierigkeiten. Die Baupreise sind explodiert und die Finanzierung wird teurer. Ein Beispiel dafür ist das Wohngebiet Grünbühl, wo wir geplant hatten, 420 Wohneinheiten zu errichten, aber bisher nur etwa die Hälfte fertiggestellt wurde.

LB24: Sind steigende Mieten ebenfalls ein Problem?

OB Knecht: Ja sicher! Die Mietpreise steigen und steigen. Momentan bekommen wir das nicht in den Griff, wenn wir auch gewisse Spitzen durch unsere Wohnungsbau abfedern können.

LB24: Fehlen in Ludwigsburg nicht auch Sportstätten?

OB Knecht: Sie sprechen unter anderem vom Sportpark Ost. Wir haben bereits einige kleine Projekte wie die Tennisplätze und das Projekt der Reisser Stiftung umgesetzt. Aber die Sporthalle Ost fehlt unter anderem noch. Hoffentlich können wir noch in diesem Herbst den Baubeschluss für die Sporthalle fassen und mit dem Bau beginnen. Dies hätte ich mir schon vor einigen Jahren gewünscht. Lösungen für Oßweil und Poppenweiler hatte ich eigentlich auch versprochen. Jetzt fehlt uns aber das Geld. In Oßweil könnte eine Sanierung die Lösung sein. Das besprechen wir im Herbst mit dem Stadtteil.

LB24: Der Klimawandel wird den städtischen Haushalt zusätzlich belasten?

OB Knecht: Der Beschluss zum Klimaneutralitätskonzept wurde im Dezember 2022 gefasst. Unser Konzept ist vom Land als vorbildlich ausgezeichnet worden, aber es verursacht auch hohe Kosten, die wir ohne Förderung schlicht nicht stemmen können. Expertinnen und Experten sprechen von rund zwei Milliarden Euro, die bis 2035 auf uns zukommen werden. Das ist für uns ohne Förderung von EU, Bund und Land nicht machbar.

LB24: Sie haben zu Beginn Ihres Amts gesagt, dass Oberbürgermeister zu sein, Ihr Traumberuf sei. Nach vier Jahren im Amt, sind Sie immer noch derselben Meinung oder haben sich Ihre Ansichten geändert?

OB Knecht: Die vier Jahre haben meine Einschätzung zu 200 Prozent bestätigt: Es ist mein Traumberuf!  Was wäre gewesen, wenn ich kein Oberbürgermeister geworden wäre? Vielleicht wäre ich jetzt Präsident einer Hochschule oder weiter in einem juristischen Beruf tätig. Aber aus meiner Sicht wäre das ein Stück weit langweiliger, weil es nur ein Handlungsfeld wäre. Als Oberbürgermeister habe ich unter anderem mit Kultur, Bildung, Klima, Mobilität, Wirtschaftsförderung und Sport zu tun. Es ist eine unglaublich vielfältige Tätigkeit, daher bin ich weiterhin mit Begeisterung dabei! Ich gehe immer noch jeden Tag mit großer Freude zur Arbeit. Ein weiterer Aspekt: In Krisensituationen wie der Corona-Pandemie oder der Flüchtlingskrise merkt man, dass man für die Bevölkerung und die Verwaltung eine immense Verantwortung trägt, und dem stelle ich mich. Es macht unglaublich viel Freude und gibt viel Kraft, wenn man seinen Beitrag zum sozialen Zusammenhalt leisten kann.

LB24: Gibt es Entscheidungen, bei denen Sie im Nachhinein sagen, dass Sie sie vielleicht anders hätten treffen sollen?

OB Knecht: Natürlich gibt es solche Dinge, bei denen man denkt, dass sie nicht optimal waren und man sich anders hätte verhalten können. In Situationen mit hoher Emotionalität, in denen Krieg, Krise und wirtschaftliche Herausforderungen zusammentreffen, ist eine noch größere Sensibilität im Umgang mit den Menschen erforderlich. Beispielsweise beim Thema der Prüfung der Landeserstaufnahmeeinrichtung hätten wir sensibler kommunizieren müssen, nicht nur wir als Stadt, sondern auch das Land Baden-Württemberg. Zudem denke ich oft über die kurzfristige Absage des Weihnachtsmarktes 2021 wegen der Corona-Zahlen nach. Vielleicht hätten wir da früher die Reißleine ziehen sollen oder gar eine Durchführung ermöglichen sollen. Im Freien, mit Abstand und frischer Luft wäre es vielleicht doch vertretbar gewesen. Das trifft sicher auch auf die eine oder andere Corona-Maßnahme wie Maskengebote im Freien zu. Dafür waren sie in den Innenräumen sicher für viele lebensrettend.

LB24: Was haben Sie daraus gelernt?

OB Knecht: Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass Themen und aktuell zu entscheidende Entwicklungen frühzeitig und ausführlich kommuniziert werden. Denn man kann Menschen nicht in einem dreizeiligen Facebook-Eintrag verständlich machen, worum es geht. Die Bedeutung der Kommunikation wird mit jedem Tag, aufgrund der wirtschaftlichen Auswirkungen, der Flüchtlingsfrage und der politischen Herausforderungen, noch wichtiger. Ich glaube, in vielen Bereichen tun wir dies bereits, aber es wird jetzt noch zentraler. Wir müssen definitiv mehr Zeit für Erklärungen einräumen, um den sozialen Zusammenhalt zu bewahren.

LB24: Angesichts einiger Vorfälle in Ludwigsburg könnte man den Eindruck gewinnen, dass die Sicherheit in der Stadt beeinträchtigt ist. Wie würden Sie die aktuelle Sicherheitslage in Ludwigsburg einschätzen?

OB Knecht: Ich persönlich habe nicht wirklich dieses Gefühl! Natürlich gibt es bestimmte Ecken, um die wir uns Sorgen machen müssen. Zum Beispiel der Arsenalgarten, wo wir Maßnahmen mit der Polizei ergreifen mussten, oder der Akademiehof, wo wir festgestellt haben, dass sich dort eine inakzeptable Situation entwickelt. Wir schauen sehr genau hin, und reagieren auch entsprechend. Aber aus vielen Gesprächen kann ich sagen, dass die Menschen, auch die älteren,  sich weiterhin wohl in Ludwigsburg fühlen. Es ist eine großartige Stadt zum Leben. Das bestätigen viele Umfragen.

LB24: Die Bevölkerung wird bunter. Kann das nicht auch zum Problem werden?

OB Knecht: In Zeiten wie diesen erfordern der soziale Zusammenhalt und der soziale Frieden höchste Aufmerksamkeit und größtmöglichen Einsatz. Die Ängste, Befürchtungen oder Kritik aus der Bevölkerung nehmen wir ernst und vorverurteilen nicht. Wir versuchen nur zu erklären, dass subjektive Wahrnehmungen oft nicht die allgemeine Lage abbilden. Wir haben klare Statistiken, die belegen, dass zum Beispiel der Bahnhof oder die Innenstadt keine Kriminalitätsschwerpunkte sind.  

LB24: Der Bahnhof scheint ein Brennpunkt zu sein.

OB Knecht: Wie gesagt, es gibt einen Unterschied zwischen dem subjektiven Sicherheitsgefühl und objektiven Daten. Das hat unser Projekt „SiLBer“, das dazu Forschungsarbeit geleistet hat, eindrucksvoll bewiesen. Es ist nicht einfach, subjektive Wahrnehmungen zu ändern. Deswegen laufen bereits seit zwei bis drei Jahren Gespräche mit dem Eigentümer des Bahnhofs. Wir versuchen, eine gemeinsame Lösung zu finden, um das Bahnhofsgebäude besser zu gestalten – in Verbindung mit dem Franck-Areal. Wie schnell ungenutzte Fläche durch junge Unternehmen – die Spaß, Kultur und mehr bieten – aufgewertet wird, lässt sich hier beobachten. Es braucht oftmals keine jahrelang ausgearbeiten Konzepte, sondern manchmal nur den Mut, Neues zu probieren!

LB24: Verliert Ludwigsburg an Strahlkraft?

OB Knecht: Ich denke nicht, dass Ludwigsburg an Attraktivität verliert. Wir haben immer noch viele Menschen in der Stadt, aber ihre Aktivitäten und die Zeiten, in denen sie diesen nachgehen, haben sich teilweise geändert. Die Innenstadt bietet Erlebnisse, Treffen mit Freunden und vieles mehr neben dem so wichtigen klassischen Einkaufen! Unser Einzelhandel ist der Grundpfeiler einer florierenden Innenstadt! Aber das Bewusstsein der Bevölkerung hat sich natürlich auch verändert, es wird mehr online eingekauft. Wir müssen die Innenstadt neu denken und andere Nutzungen fördern. Wohnen sollte eine größere Rolle spielen, vielleicht sogar mit Veränderungen im Baurecht, um Wohnraum auch im Erdgeschoss zu ermöglichen. Gesellschaft, Stadt, Wirtschaft sortieren sich neu. Dafür müssen wir als Politik und Gesetzgeber die Weichen stellen.

LB24: Der Einzelhandel bereitet doch Probleme?

OB Knecht: Wichtig ist zu differenzieren. Die Bedeutung des Einzelhandels für das Antlitz einer Innenstadt ist unersetzbar. Mit dem Versanden des klassischen Ladengeschäfts nimmt die Aufenthaltsqualität ab. Das sehen wir bereits in ganz vielen Städten. Dagegen spielt der Einzelhandel im Einkaufsverhalten der Menschen weiterhin eine Rolle, aber seine Bedeutung nimmt ab. Ich klicke zweimal auf mein Smartphone und bekomme mein Lieblingsessen und den Film, den ich lange nicht gesehen habe, gleichzeitig in mein Wohnzimmer. Natürlich leiden die Städte darunter! Deswegen müssen wir mit unserem Innenstadtverein LUIS immer wieder Anreize schaffen, die es lohenswert machen, unsere Stadt zu besuchen. Wer einmal an einem lauen Freitagabend auf dem Marktplatz bei einem guten Essen und dem Freiluftkonzert der Schlossfestspiele saß, der weiß, wovon ich spreche. Das gibt es eben nicht daheim! Die Verbindung zwischen Einzelhandel, Gastronomie und Kultur ist ganz zentral.

LB24: Können Sie die Ängste und Befürchtungen der Protestler, die sich gegen die LEA (Landeserstaufnahmeeinrichtung) richten, nachvollziehen?

OB Knecht: Ja, ich kann die Ängste und Befürchtungen der Protestierenden nachvollziehen. Das System der LEAs ist nicht gut, besteht aber aktuell. Natürlich könnte das Land überlegen, ob es sinnvoller wäre, ein zentrales Zentrum mit größeren Kapazitäten zu schaffen und dann in den Kommunen mit kleineren Einheiten zu arbeiten. Statt 5-6 LEAs mit jeweils etwa 1000 Personen könnte das Land vielleicht eine Einrichtung für 5000 bis 6000 Menschen schaffen. Wer dann nicht zurückgewiesen wird, sollte schnell vor Ort in kleineren Einheiten wohnen und integriert werden.  

Grundsatzproblem an der Sache sind die EU-Außengrenzen bzw. die Verteilung der Menschen in Europa. Es kann doch nicht sein, dass Baden-Württemberg mehr Menschen aufnimmt als beispielsweise ganz Frankreich. Ich verstehe die Kritik am bestehenden EU-System und teile diese. Die demokratischen Kräfte der EU müssen den Menschen wieder viel mehr zeigen, dass sie die Sorgen und Ängste im Blick hat. Wenn wir den ständig den Zusammenhalt in der Bevölkerung fordern, muss das in der Politik vorgelebt werden. Das fehlt mir derzeit auf Bundesebene.

LB24: Ist der LEA-Standort Ludwigsburg eine Option?

OB Knecht: Ich habe im März betont, dass der Standort Schanzacker nur als Notlösung und unter scharfen Bedingungen in Betracht kommt. Meine Bedingungen sind weiter nicht verhandelbar. Durch das Nein der Kommunalpolitik in Tamm, Asperg und Ludwigsburg sehe ich gegenwärtig keine LEA am Standort Ludwigsburg.

LB24: Darf man Neuankömmlinge nur als Belastung sehen?

OB Knecht: Nein, das geht an der gesellschaftlichen Entwicklung tatsächlich vorbei. Ich würde sogar sagen, dass wir dringend eine besser gesteuerte Zuwanderungspolitik benötigen. Es fehlen uns hunderttausende Arbeitskräfte, nicht nur Fachkräfte! Es ist aber entscheidend, dass wir die Zuwanderung klug steuern und die Menschen schnell in Bildung und den Arbeitsmarkt integrieren. Wir sollten keine Angst vor Menschen aus dem Ausland haben, solange sie sich in unsere Gesellschaft einfügen, arbeiten und integrieren möchten. Wir müssen dafür sorgen, dass sie schnell in Arbeit kommen und nicht lange in Flüchtlingsunterkünften bleiben.

LB24: Angesichts des Engagements der Ludwigsburger Firma MHP – a Porsche Company als zukünftiger Namensgeber der Spielstätte des VfB Stuttgart, wie beurteilen Sie diese Entscheidung und welche Auswirkungen erwarten Sie für die MHP-Arena und die Ludwigsburger MHP-Riesen?

OB Knecht: Für MHP ist das eine großartige Sache, ich habe ein tolles Verhältnis zu dem Unternehmen und habe zu diesem Schachzug gratuliert. Als OB von Ludwigsburg muss ich realistisch sein und weiß, dass Fußball die Top-Sportart in Europa ist und enorme Aufmerksamkeit generiert. Natürlich ist es uns wichtig, dass die MHP Riesen weiterhin in gleichem Maße unterstützt werden, denn diese sind unser Ludwigsburger Aushängeschild! Das hat mir CEO Dr. Ralf Hoffmann aber bereits vor der Veröffentlichung des neuen Engagements zugesichert. Deswegen sehe ich keine Konflikte.

LB24: Wie haben Sie von den Änderungen erfahren?

OB Knecht: Wie gesagt, ich hatte vor der Veröffentlichung der Nachricht ein Telefonat mit dem Vorstandsvorsitzenden von MHP, Dr. Ralf Hoffmann. Er versicherte mir, dass das Engagement keine negativen Auswirkungen für den Ludwigsburger Sport haben wird, auch nicht in den nächsten Jahren.

LB24: Bedeutet das, dass wir den Oberbürgermeister von Ludwigsburg häufiger in der MHP Arena in Stuttgart erleben werden als bei den Basketballern in Ludwigsburg?

OB Knecht: Auf gar keinen Fall! Ich bin durch und durch überzeugter Basketball-Fan und werde regelmäßig auch bei anderen Sportarten weiter in den Hallen hier in Ludwigsburg anzutreffen sein. Was den Fußball in Stuttgart betrifft, so wird man mich weiterhin höchstens einmal im Jahr dort sehen. Auch für die Kultur gilt: lieber Ludwigsburger Schloßfestspiele als Staatsoper!

Herr Dr. Knecht, wir danken Ihnen für das Gespräch!

„Ich sehe mich in der Rolle des Stadtvaters“ – Ludwigsburg24 trifft Matthias Knecht

Er ist mit 43 fast zwanzig Jahre jünger als Werner Spec, den er gerne als Oberbürgermeister in Ludwigsburg ablösen möchte. Matthias Knecht wirkt dabei völlig unaufgeregt und ausgeglichen. Während des eineinhalbstündigen Exklusiv-Interviews mit Ludwigsburg24.com antwortet Knecht, der derzeit noch als Professor und Dekan an der Hochschule Kempten arbeitet, offen auf alle Fragen und sorgt dabei für die eine oder andere Überraschung. Dem Wahlausgang am 30. Juni blickt er optimistisch entgegen.

 

Ludwigsburg24: Professor Knecht, wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, Ludwigsburgs nächster Oberbürgermeister zu werden?

Wenn ich von den Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger bei meinen unterschiedlichen Auftritten und Gesprächen ausgehe, würde ich meine Chancen als sehr lebendig und gut bezeichnen.

Aber….?

Vergleichen Sie es mit einem 100-Meter-Lauf: Der Amtsinhaber beginnt bei 50 Metern, der Herausforderer startet bei null. Von meinem Rückstand habe ich aufgeholt. Ob ich es aber bis zur Ziellinie schaffe, den Amtsinhaber zu überholen, das kann ich nicht einschätzen. Eine realistische Chance ist sicherlich da. Rechnerisch muss man aber fast von einem zweiten Wahlgang ausgehen, weil wir ja fünf Kandidaten sind. Deshalb glaube ich nicht, dass einer von uns direkt die absolute Mehrheit schafft.

 

Meine Frau sagte: „Du solltest den Weg auf jeden Fall gehen.“

 

Sie wollten zunächst Erster Bürgermeister werden, nun greifen Sie direkt nach dem Chefposten. Warum?     

Ganz entscheidend für meine Zusage nach den Vorstellungsrunden bei SPD und CDU war meine Frau. Nach einem Wochenende intensiven Nachdenkens und Diskutierens sagte sie: Du wirst es auf jeden Fall probieren, Oberbürgermeister zu werden. Und ob du es jetzt probierst oder erst in sechs bis acht Jahren, das ist egal. Du solltest den Weg aber auf jeden Fall gehen, weil er Dich schon lange umtreibt. Diesen Zuspruch fand ich toll.

 

Was reizt Sie an dem Job?

Schon die Wahl meines Studium 1996 war geprägt vom Gedanken, in der Gesellschaft Verantwortung und dabei auch ein prägendes Amt in der Verwaltung zu übernehmen. In Bezug auf Ludwigsburg reizt es mich, für diese tolle Stadt Gestaltungsmöglichkeiten wahrzunehmen, neue, innovative Projekte voranzubringen und natürlich im Gegensatz zum Jetzt auch mit den Bürgerinnen und Bürgern direkt ins Gespräch zu kommen und zusammenzuarbeiten. Als Oberbürgermeister sehe ich mich in der Rolle des Stadtvaters. Nicht, weil ich so konservativ bin, sondern weil ich nah an den Bürgern sein will. Genau das ist mit einer der Hauptgründe für meine Bewerbung um dieses Amt.

 

Haben wir das richtig verstanden: Sie sprechen OB Spec die Bürgernähe ab?

Ludwigsburg hat zwar sehr viele Formate von Bürgerbeteiligung, die aber für mich nicht zwangsläufig gelebte Bürgernähe oder Bürgerdialog darstellen. Warum? Bei aller Wertschätzung für die Arbeit von Herrn Spec bekomme ich immer wieder den Eindruck, dass viele Dinge schon entschieden sind, bevor sie mit den Bürgern diskutiert werden, oder zumindest legt sich die Stadtspitze zu früh fest und die Bürgerinnen und Bürger werden nur noch mitgenommen, um die Entscheidung zu legitimieren.

 

„Ich will Bürgernähe und Transparenz.“

 

Was möchten Sie anders, besser machen?

Ich würde den Bürger lieber früher, ergebnisoffener mitnehmen als ich bisher den Eindruck hatte. Natürlich braucht eine Stadt klare Ziele und es kann nicht alles nach dem Willen der Bürger laufen. Aber gerade bei den großen Themen wie z.B. der Digitalisierung müssen deren Bedürfnisse unbedingt in die Überlegungen der Stadtverwaltung sowie in die letztliche Entscheidung des Gemeinderats einfließen. Anschließend müssen wir den Bürgern zurückspiegeln, warum wir wie entschieden haben. Diese Transparenz ist mir das Wichtigste im Zusammenwirken von Stadtverwaltung, Gemeinderat und Bürgern.

 

Derzeit sind Sie Dekan an der Hochschule Kempten mit einer Verwaltung von rund 150 Personen. In Ludwigsburg würde sich Ihr Verantwortungsbereich mehr als verzehnfachen. Sind Sie dafür überhaupt gewappnet?

Als Verwaltungswirt und Jurist mit Schwerpunkt öffentliches Recht und durch meine vorherigen Tätigkeiten auf nationaler wie internationaler Ebene habe ich viele Erfahrungen gewonnen. Natürlich habe ich noch keine so große Verwaltung geleitet, aber dafür hätte ich ja auch ein gutes Team aus Erstem Bürgermeister und Fachbürgermeistern an meiner Seite. Auf diese Zusammenarbeit freue ich mich sehr. Dass ich ein Team führen und das Beste aus ihm rausholen kann, das habe ich schon mehrfach bewiesen. Mir ist jedenfalls vor dieser Aufgabe nicht bange!

 

Wo soll die Stadt in zehn bzw. zwanzig Jahren stehen? Haben Sie eine Vision?

Eine transparente, nah am Bürger arbeitende Stadtverwaltung ist bereits Teil meiner Vision. Dazu gehört auch, die Themen Mobilität und Wohnraum in den Griff zu bekommen. Ich sehe Ludwigsburg in den nächsten acht Jahren als eine Stadt, die über den reinen Stadtkern hinaus noch lebenswerter ist als heute. Ich möchte die Stadt verkehrsmäßig entlasten, ohne das Auto als Verkehrsmittel zu verbieten. Das könnte gelingen, wenn wir die Innenstadt zu einer kompletten Tempo-30-Zone machen und so Lärm und Abgase reduzieren. Oder dass wir den Arsenalplatz komplett autofrei bekommen könnten, wenn wir an anderer Stelle Parkersatz schaffen. Für Menschen mit Behinderung und alte Menschen müssen wir aber Wege zu Geschäften und Ärzten sichern. Auch müssen neue Radwege angelegt werden. In den Bereichen Digitalisierung, Mobilität, Bildung und Klimawandel sollten wir zu den Vorreitern gehören. Wichtig ist mir aber insbesondere, dass wir die kleinen und großen Anliegen unserer Bürger ernst nehmen und die Stadtteile nicht aus dem Blick verlieren.

 

„Ludwigsburg soll Vorreiter werden.“

 

Wo siedeln Sie Ludwigsburg auf einer Scala von null/Ghetto bis zehn/Traumstadt aktuell an?

Für mich liegt die Stadt aktuell bei achteinhalb. Was nicht bedeutet, dass wir uns ausruhen können.

 

Wie wollen Sie zum Beispiel den Hotspot Bahnhof wieder zu einem Glanzstück machen?

Wir müssen es hinbekommen, dass wirklich alle Menschen gleichermaßen gut und barrierefrei von einem Verkehrsmittel aufs andere umsteigen können und sich jederzeit sicher fühlen, weil Polizei und städtischer Ordnungsdienst Hand in Hand arbeiten. Dazu gehört aber auch eine gute Ausleuchtung, die so gesteuert ist, dass die LED-Lampen nachts immer nur dann anspringen, wenn sich jemand nähert, aber trotzdem ausreichend Licht vorhanden ist. Dann sollte sich die Stadt überlegen, ob sie es sich leisten kann, den Bahnhof wieder zurückzukaufen und mit dem Zentralen Omnibusbahnhof und der Musikhalle zu einem Ensemble als Visitenkarte für Besucher und Touristen zu entwickeln.

 

Stichwort Wohnungsbau: Ist Ihnen bekannt, wie viele Gesuche es in Ludwigsburg für eine Wohnung gibt?

Nein, genaue Zahlen kenne ich leider nicht. Ich weiß nur, dass es sehr viele sind.

 

„Die Wohnungsnot lösen wir nicht allein.“

 

Es sind aktuell über 1.800 Gesuche. Wie wollen Sie das Wohnraumproblem in den Griff bekommen?

Das werden wir nicht allein und auch nicht in kurzer Zeit schaffen. Vielleicht können wir absehbar jährlich 500 neue Wohnungen bauen, davon sollte mindestens ein Drittel preisgedämpfter und sozialer Wohnraum sein. Das schafft die Wohnungsbau Ludwigsburg aber nicht allein, dazu brauchen wir auch privates Engagement. Zudem sollten wir interkommunal denken und auch mit dem Landrat, dem Kreistag und der Kreissparkasse sprechen, ob es nicht in umliegenden Gemeinden Pläne geben könnte, um das Ludwigsburger Wohnraumproblem gemeinsam zu lösen.

 

In Ludwigsburg leben mehr als 40 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund, 22 Prozent der Gesamtbevölkerung haben noch einen ausländischen Pass: Was sagen Sie, wenn morgen nach Erfüllung aller Rahmenbedingungen und Voraussetzungen ein Antrag zum Bau einer Moschee auf Ihrem Tisch als OB liegt?

Dann sage ich ganz klar: Ja! Und zwar, weil das ein ganz zentrales Element von Integration ist. Aber ich sage den Antragstellern dazu auch ganz deutlich, dass dann die Menschen hier mitgenommen und eingeladen werden müssen. Es darf auf keinen Fall eine Isolation, einen Aufbau einer Parallelwelt geben, zu der der Rest der Bürger keinen Zutritt hat. Parallelwelt erzeugt Angst und Angst verunsichert beide Seiten. Mit allem Nachdruck müssten die Antragsteller klar machen: Wir fühlen uns hier wohl, wir wollen das Miteinander ehrlich leben.

 

Wie würde Ihre Frau Ulrike Sie als First Lady der Stadt unterstützen?

Meine Frau hat Heilpraktikerin gelernt und verfügt über eine sehr soziale Ader. Viele Jahre hat sie ihre kranke Großmutter gepflegt. Sie hat ein großes Talent auf und für Menschen zu wirken und wird sicherlich in sozialen Projekten ihre Aufgaben finden.

 

Sie haben einen fünfjährigen Sohn Jakob. Was für ein Vater-Typ sind Sie?

Wir gehen gerne in die Wilhelma und spielen viel zusammen – Lego, Brio, Playmobil. Und wir malen und basteln. Ich bin durchaus streng und fordere ein, dass vorher ordentlich alles aufgeräumt und weggepackt wird, bevor wir das Spielzeug wechseln.  Ich glaube aber dennoch, dass Jakob eine sehr enge, auch kumpelhafte Beziehung zu mir hat.

 

Welche Werte möchten Sie Jakob mit auf den Weg geben?

Mir ist wichtig, dass er ehrlich und offen ist und seine Fragen mit uns bespricht. Er sollte zuverlässig sein und Zielstrebigkeit entwickeln. Er sollte sich nicht nur von anderen antreiben lassen, sondern sich selbst antreiben und sich eigene Ziele setzen.

 

Wer ist strenger mit Jakob, Sie oder Ihre Frau?

Gegenüber Jakob bin wohl ich der strengere Elternteil. Meine Frau hat aber auch ihre klaren Grundsätze. Sie diskutiert beispielsweise mit ihm nicht über Hygiene wie Zähneputzen oder Händewaschen vor dem Essen. Ansonsten ist sie aber deutlich strikter und klarer mir gegenüber als unserem Sohn. (lacht)

 

Wie dürfen wir das verstehen?

Wenn ich mir aus Lust und Laune heraus etwas kaufen möchte, dann bremst sie mich bisweilen: Überleg Dir, ob du es wirklich brauchst. Sie ermahnt mich aber auch, kleine Erholungsphasen einzulegen, wenn ich mein Pflichtbewusstsein mal wieder über das eigene Wohlergehen oder das der Familie stelle. Ich finde es aber gut, dass sie sich als unser „Hausminister“ mit einer klaren Linie um die häusliche Ordnung, das Budget und auch um mich kümmert.

 

„Daheim bin ich fürs Backen und Waschen zuständig“

 

Helfen Sie Ihrer Frau im Haushalt?

Meine Frau kocht die Alltagsgerichte, ich übernehme alles, was aufwändiger und ausgefallener ist. Fürs Backen bin komplett ich zuständig. Kochen und Backen ist für mich Genuss. Ansonsten übernehme ich überwiegend das Waschen und Aufhängen der Wäsche. Wenn ich morgens um kurz nach fünf aufstehe, fülle ich meist schon die erste Maschine und hänge sie anschließend auf.

 

Wofür geben Sie gerne Geld aus?

Luxus ist für mich weniger eine Frage von Geld, sondern von Zeit. Wenn, dann sind Reisen unser ganz persönlicher Luxus. An den Wochenenden fahren wir gerne mal mit dem TGV nach Straßburg oder gehen Wandern im Elsaß. Und für den Urlaub haben wir mit der Bretagne für uns ein kleines Stück noch sehr naturbelassene Welt zum perfekten Abschalten entdeckt. Wir gönnen uns immer ein größeres Ferienhaus, wenn möglich mit Blick aufs Meer. Frankreich liebe ich so sehr, dass ich irgendwann meine Französischkenntnisse noch vertiefen möchte. An der Freien Waldorfschule lag mein Schwerpunkt ja bei Englisch und Russisch. Wir lieben aber auch die Schweiz und Norditalien, vor allem die Gegenden um den Comer See, den Lago Maggiore und den Gardasee.

 

Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Ich bin christlich geprägt, gehe gelegentlich gerne in die Kirche, mache jedoch Glaube oftmals auch mit mir selbst aus. Ja, ich glaube mit allen Fragen und Zweifeln, die man durchaus hat, weil manche Dinge im Leben nicht so laufen wie man sie sich vorstellt, wenn man an einen guten Gott glaubt. Allerdings schöpfe ich meine persönliche Kraft stärker aus dem Zusammensein mit meiner Familie als aus dem Glauben.

 

Zum Schluss noch eine Frage: Was machen Sie, sollten Sie die Wahl verlieren?

Ich würde die Niederlage akzeptieren, mir eingestehen, dass ich die Wähler in den letzten Monaten leider nicht genügend überzeugen konnte, würde mir eine kurze Erholung gönnen und mich danach wieder mit ganzer Kraft meinen Aufgaben für Hochschule, MTV und Stadtverband widmen.

 

Wäre dann das Kapitel Oberbürgermeister für Sie endgültig geschlossen?

Es ist für mich ein so großes Ziel hier in Ludwigsburg viel zu bewegen, dass ich mir sehr gut vorstellen könnte, es im Fall der Fälle in acht Jahren erneut zu probieren.

Interview: Ayhan Günes und Patricia Leßnerkraus

Werner Spec oder Matthias Knecht ? – Ludwigsburger FDP hält sich bedeckt

Der Ortsverband der FDP in Ludwigsburg hat sich als letzte etablierte Partei im Ludwigsburger Gemeinderat hinsichtlich der Oberbürgermeister-Wahlen am 30. Juni zu einer gewissen Neutralität verschrieben. Anders als die “Freien Wähler”, Die Grünen, CDU und SPD wollen sich die Liberalen um Wolfgang Vogt, dem Ortsvorsitzenden der FDP in Ludwigsburg, für keinen der beiden Kandidaten aussichtsreichsten Kandidaten – Amtsinhaber Werner Spec und Rechtsprofessor Matthias Knecht – eindeutig festlegen und geben daher keine Wahlempfehlung heraus. “Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Ludwigsburg sollen sich ihr eigenes Bild von den Persönlichkeiten machen”, so der Ortsverband der FDP in ihrer Presseerklärung von gestern, hebt jedoch in ihrer Mitteilung die Verdienste von Amtsinhaber Spec für die Stadt in den letzten 16 Jahren hervor.

Nachfolgend die Pressemitteilung der FDP Ludwigsburg im genauen Wortlaut:

Freie Demokraten in Ludwigsburg erfreut über exzellente Bewerberlage

Die beiden aussichtsreichsten Bewerber um das Amt des Oberbürgermeisters, OB Werner Spec und Dr. Matthias Knecht hatten die Gelegenheit, sich bei den Freien Demokraten in Ludwigsburg vorzustellen. Dabei stellen die Freien Demokraten erfreut fest, dass beide Bewerber ein liberales, fortschrittliches Programm auf Ihrer Agenda haben.

Wir freuen uns über die gute Auswahl, die den Bürgern geboten wird: Wir sehen die Identifikation mit der Stadt, die Dr. Knecht hat, und die ihn für das Amt des Oberbürgermeisters qualifiziert. Wir sehen aber auch die Verdienste, die sich Oberbürgermeister Werner Spec in den letzten 16 Jahren für unsere Stadt erworben hat. Er hat die Entwicklung Ludwigsburgs zu einer nachhaltigen Kommune und die Bedeutung als Kreishauptstadt in vielfältiger Weise in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, Mobilität und als Wohnstandort attraktiver gemacht, hat innovative Ideen eingebracht und umgesetzt. Dass er dabei in der Kommunikation mit der Presse und Gemeinderat über das Ziel hinausgeschossen sein mag, zeigt für uns eher seine Leidenschaft für die Sache, etwa in der Auseinandersetzung mit dem Kreis beim Thema Fortentwicklung des ÖPNV.

Die Freien Demokraten wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger sich selbst ein Bild von den beiden Persönlichkeiten machen, dafür brauchen sie keine Empfehlung einer Partei. Sie sollen die geleistete Arbeit von OB Spec richtig bewerten und einschätzen und Herrn Dr. Knecht als einen wählbaren Kandidaten betrachten.

OB-Wahl Ludwigsburg: Erstes Aufeinandertreffen der Kandidaten

Volles Haus beim Kandidaten-Talk für die anstehende OB-Wahl am 30. Juni in Ludwigsburg. Rund 1.000 Bürgerinnen und Bürger folgten der Einladung der Ludwigsburger Kreiszeitung ins Forum im Schlosspark, wo neben dem seit 16 Jahren amtierenden Oberbürgermeister Werner Spec, 61, noch weitere vier Bewerber an der Podiumsdiskussion teilnahmen und um Unterstützung warben. Neben Hauptherausforderer Matthias Knecht (43, Jurist) haben für das Rennen um den OB-Posten noch Heike Baumbach (43, Erzieherin), Jakob Novotny (26, Lehramtsstudent) und Konrad Theodor Kling (29, Architekt) den Hut in den Ring geworfen. Die Moderatoren Julia Essich-Föll und Hans-Peter Jans aus der Stadtredaktion sowie LKZ-Vizechefredakteur Peter Maier-Stein konfrontierten die Bewerber neben eigenen Fragen mit denen der Leserinnen und Leser der Zeitung. Auch das Publikum im Saal durfte sich mit seinen Anliegen direkt an die Kandidaten wenden. Die Online-Zeitung Ludwigsburg24 nutzte das erste Aufeinandertreffen der Kandidaten und verfolgte die lebhafte Diskussion über Klimawandel und Umweltschutz, Wohnungsbau, Verkehr sowie Soziales vor Ort und konzentrierte sich vor allem auf Amtsinhaber Werner Spec und seinen schärfsten Konkurrenten, den Rechtsprofessor Matthias Knecht.

Der Macher und Netzwerker: Werner Spec

Werner Spec, der ursprünglich aus Sigmaringen stammt und jetzt seine dritte Amtszeit anstrebt, bezeichnete das Amt des Oberbürgermeisters in Ludwigsburg als einen Traumjob, der ihn so erfülle, dass er erneut kandidiere. Entspannung sucht der begeisterte Sportler früh morgens im Salonwald beim Joggen. „Licht, Luft, Sonne, Natur, das ist mein Elexier“, verrät er. Werner Spec sieht sich als positiven Amtschef, weil er ein guter Zuhörer mit großer Erfahrung sei, der gemeinsam mit seinen Mitarbeitern Lösungsansätze entwickele und dafür breite Mehrheiten im Gemeinderat finde. „Ich verstehe meine Rolle nicht als Moderator, sondern als erfahrener sowie fachkundiger Impulsgeber mit bundesweitem Netzwerk auf den unterschiedlichsten Ebenen. Mit mir gibt es keine Deals mit politischen Meinungsführern, sondern es geht mir bei jeder einzelnen Aufgabenstellung jeweils um das gemeinschaftliche Ringen der besten Lösung“, betont Spec. Politisch will der vierfache Großvater auch künftig punkten mit dem großen bürgerschaftlichen Engagement, das sich in den vergangenen sechzehn Jahren entwickelt und sich vor allem bei der Flüchtlingsunterbringung bestens bewährt habe. Spec, der bei seiner erneuten Kandidatur von den Freien Wählern unterstützt wird, verwies darauf, dass die Stadt nicht nur wirtschaftlich auf festem Fundament steht, sondern auch in den Bereichen Bildung, Umwelt und Soziales. Künftig geht es ihm um die Themen Untertunnelung der B 27, um Digitalisierung, Mobilität, Energiewende und Klimaschutz. „Ich habe mich für die BRT-Busse vorgekämpft, von denen wir die ersten leistungsfähigen Systeme bereits Ende 2020 einsetzen können. Das sind Niederflurbusse mit umweltfreundlichem Antrieb und mehr Platz für Kinderwagen oder Rollstühle, so dass mehr Menschen bereit sein werden auf das Auto zu verzichten. Parallel dazu entwickeln wir mehr neue Fahrradwege. Ludwigsburg wird schon in den nächsten zwei, drei Jahren –  ohne ein einziges Fahrverbot auszusprechen – eine deutlich bessere Luft bekommen“, versprach Spec seinen Bürgerinnen und Bürgern. Für kleinteiligere Baugebiete sind Shuttlebusse für zwölf bis fünfzehn Personen in Planung, die älteren oder kranken Menschen den Besuch beim Arzt oder das Einkaufen in der Stadt erleichtern sollen. Verbesserungen kündigte er ebenfalls für den preisvergünstigten Mietwohnraum an. Durch das eigens entworfene Fair-Wohnen-Modell mit der Wohnungsbau Ludwigsburg sei es garantiert, dass schon ab diesem Jahr bis 2024 zusätzliche 2.700 preisvergünstigte Wohnungen, im Schnitt ca. 450 pro Jahr, entstehen werden. Den seit zehn Jahren existierenden Energie- und Klima-Masterplan für mehr Nachhaltigkeit will Spec fortschreiben und einen breit angelegten „Dialog for Future“ starten. „Wir haben unsere Ziele für 2020 bereits 2016 erreicht, aber wir müssen und werden mehr tun“, kündigte der OB an. „Deshalb unterstütze ich die Bewegung Fridays for Future, weil es zugleich eine Riesenchance ist, wieder junge Menschen für die Fragen der Gegenwart und Zukunft zu gewinnen.“ Seine Leistungen während seiner zwei Amtsperioden unterstrich Spec auch mit seinem Hinweis auf die wirtschaftliche Situation Ludwigsburg: „Trotz Investitionen von rund einer halben Milliarde hat die Stadt Rücklagen in Höhe von 57 Millionen gebildet und ist mit nur noch 15 Millionen fast schuldenfrei.“

Der Herausforderer: Prof. Matthias Knecht

Die Gemeindefraktionen von CDU, SPD und Grüne dagegen stehen hinter dem knapp zwanzig Jahre jüngeren und in Ludwigsburg aufgewachsenen Rechtsprofessor Matthias Knecht, der als kleiner Bub davon träumte, einmal Lokführer zu werden. Seine Mitschüler aber prophezeiten ihm schon in der Abi-Zeitung eine Karriere als Oberbürgermeister. „Ich bin ein Freund unvoreingenommener Diskussion und ausgesprochen aufgeschlossen gegenüber mehr Bürgerbeteiligung. Mein Vorbild als Stadtvater ist ein bisschen Stuttgarts langjähriger OB Manfred Rommel“, verriet Knecht selbstbewusst. Vor allem die Arbeit der Jugend im Jugendgemeinderat, in der Stadt und in Sportvereinen will Knecht unbedingt weiter stärken, weshalb auch er den Dialog sucht mit der Bewegung von Fridays for Future. „Dabei geht es nicht bloß um die inhaltlichen Fragen der Zukunft. Es geht auch darum, der Jugend das Gefühl zu vermitteln, ernstgenommen zu werden.“ Pasta-Fan und Weintrinker Knecht lebt derzeit in Kempten, wo er an der dortigen Hochschule Verwaltungs-, Sozial- und Europarecht lehrt. Mit Ludwigsburg ist er durch seine ehrenamtlichen Vorstandstätigkeiten bei Sportclub, dem MTV und dem Stadtverband für Sport dennoch eng verbunden. In seiner Heimatstadt sitzt er am liebsten gemütlich auf dem Marktplatz, um entspannt über das Leben nachzudenken und etwas Gutes zu essen. Knecht ist verheiratet, hat einen Sohn, mit dem er oft in die Wilhelma geht und ist begeisterter Tennisspieler. Als möglicher Oberbürgermeister wolle er sich vorrangig mit der Wohnraumnot, den Themen beste Bildung und bestmögliche Betreuung sowie Mobilität befassen. „Aber auch Klimaschutz, Gerechtigkeit und Fair Trade treiben mich um.“ Knecht attestierte Noch-Amtsinhaber Spec gute Arbeit, die er in den meisten Bereichen fortsetzen und weiterentwickeln will. Die Wohnungsbau Ludwigsburg sieht er als Erfolgsmodell, dennoch ist ihm der Mix aus Mietern und Eigentümern wichtig. “Einerseits müssen wir die Fair-Wohnen“ fördern, andererseits müssen wir dafür sorgen, dass auch privater Wohnungsbau vorangetrieben wird.“ Verkehrspolitisch strebe er die schnelle Umsetzung von Bustrassen und neuen Radwegen an. „Die Achse Innenstadt- Campus-Schulen zum Bildungszentrum West liegt mir am Herzen, ebenso ein weiterer Ausbau in Richtung Eglosheim.“ Fest im Blick hat Knecht den Bahnhof. „Ich habe gerade erst mit dem Seniorenrat gesprochen über die Schwachstellen des Bahnhofs, wie z.B. Fehlende Lifte oder bessere Umsteigemöglichkeiten vom Bus in die Bahn. Diese Dinge sollten zeitnah bearbeitet werden, weil der Bahnhof Aushängeschild für unsere Stadt ist“, betonte er. Das nötige Know-how für die Verwaltungsarbeit bringt der Jurist jedenfalls mit. „Als Dekan meiner Fakultät habe ich Personal- und Budgetverantwortung für rund 200 Personen. Ich pflege einen sehr wertschätzenden, auf Vertrauen bauenden Führungsstil. Für Ludwigsburg sehe ich mich durchaus als Moderator und Brückenbauer zwischen Stadt, politischen Gremien und Meinungsträgern, der für alle tragfähige Kompromisse schaffen, aber auch zum richtigen Zeitpunkt ganz klare Entscheidungen treffen kann, die ich zuvor angemessen und fair vorbereitet habe.“

Inhaltlich liegen die beiden Kandidaten durchaus nah beieinander. Was sie unterscheidet ist die kommunalpolitische Erfahrung, der persönliche Stil und knapp zwei Jahrzehnte Altersunterschied.

Patricia Leßnerkraus