VW Golf 8 GTI: Gereifter Fahrspaß

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Die Zusatzbuchstaben GTI des VW Golf sind seit jeher Garant für dynamische Fortbewegung. War Volkswagen anfangs vom Erfolg des hurtigen Golfs noch überrascht, wurde der ihm innewohnende Geist bis heute sukzessive kultiviert. Ein Praxistest setzt sich mit dem derzeitigen Status quo auseinander.

Groß war die Aufregung, als in der ersten Generation des VW Golf plötzlich der GTI auftauchte: die Version mit extra viel Mumm. Schnell machte der Begriff “Übermotorisierung” die Runde und Pessimisten orakelten über ein kurzes Leben des GTI und seiner Kunden.

Aber es kam anders. Der Ur-GTI, von dem zunächst nur 5.000 Einheiten geplant waren, wurde zum Verkaufsschlager. Mittlerweile ist die Zusatzbezeichnung GTI zu einem festen Bestandteil im VW-Programm geworden. So überrascht es nicht, dass auch die achte Golf-Generation mit diesen drei Buchstaben auf Bug und Heck der Karosserie zu haben ist.

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Optisch betonen die Designer den GTI-Status ganz klar an der Vorderfront. Die auffällige Lichtleiste kennen wir zwar schon von den GTE- und GTD-Modellen, aber alles wirkt einfach flacher und breiter. Letztlich setzen die durchgängige rote Linie und die wabenförmigen Lufteinlässe der Frontschürze ein eigenständiges Zeichen.

Obwohl der aktuelle GTI mit seinen 245 PS mehr als doppelt soviel Leistung wie der Stammvater mobilisiert, redet niemand mehr von einem übermotorisierten Auto, zumal es auch die R-Varianten gibt, die noch einmal eine Schippe drauflegen.

Hinzu kommt: Auch wenn der Begriff GTI eine sportliche Aura verströmt, ist diese Golf-Gattung alles andere als ein bretthartes Sportgerät. Ganz im Gegenteil: Die Souveränität des Golf GTI basiert auf der Ausgewogenheit von Leistung und Alltagstauglichkeit.

Wären da nicht die Sportsitze mit den erhöhte Seitenwangen, könnte man das Gefühl haben, in einen ganz “normalen” Golf einzusteigen. Denn die übrige Innenarchitektur entspricht im Wesentlichen dem wohnlichen Erscheinungsbild, das in den Gölfen so üblich ist.

Freilich: Wenn der Zündschlüssel gedreht wird, erhebt der GTI seine Stimme deutlich knorriger, aber nicht aufsässig. Zur Trompete greift der Motor ohnehin erst, wenn er auf den Sportmodus umgeschaltet wird und der Fahrerfuß mit Nachdruck starkes Beschleunigen einfordert. Den Sprint von null auf 100 erledigt der GTI dann in 6,3 Sekunden. Dabei schaltet er sich fleißig durch die sieben Gänge seines Doppelkupplungsgetriebes, mit der unser Testwagen ausgestattet war. Für die Freunde des Selberschaltens ist der GTI auch mit Sechsgang-Schaltgetriebe zu bestellen und kostet dann auch rund 2.000 Euro weniger.

Als gelungen kann die aktuelle Fahrwerksabstimmung in Kombination mit der Progressivlenkung gewertet werden. Präziser als sein Vorgänger geht der GTI die Kurven an und wirkt damit noch sportlicher. Trotzdem wurde durch eine ausgeglichene adaptive Feder-Dämpferrate der Fahrwerkskomfort nicht geopfert. Unterstützt wird dieses Zusammenspiel durch die elektronische Differenzialsperre, die mit dem gezielten Abbremsen einzelner Räder auch in flott gefahrenen Kurven eisern auf neutralem Kurs hält. Eine sichere Basis für intensiven Fahrspaß.

Insofern kann der aktuelle GTI nahezu alles besser als sein Vorgänger. Leider hat VW auch dem GTI seine bisher meisterlich zu bedienende Armaturenbrett-Architektur geraubt und durch einen überwiegend knopflosen Führerstand ersetzt. Wo man früher intuitiv schalten und walten konnte, ist jetzt bisweilen Rätselraten angesagt. Ein Beispiel: Wer nachts den Temperaturwähler der Klimaanlage berühren will, sucht sich einen Wolf. Früher fiel die Hand automatisch auf den innenbeleuchteten Drehregler, jetzt hausen die Berührungselemente in finsteren Ecken an der Armaturenbrettkante.

Das Gefühl eines Rückschritts vermittelt auch das bordeigenen Navigationsgerät. Beim Praxistest führte es zielsicher in jeden Autobahnstau (samt Vollsperrung) oder navigierte zu einer verbarrikadierten Autobahnauffahrt. An dieser Stelle scheint VW irgendwie den Anschluss an die Konkurrenz verloren zu haben, die beispielsweise stockenden Verkehr rechtzeitig durch Farbsymbole bei der Straßendarstellung auf dem Bildschirm anzeigt. Oder ist nur das kryptische Bedienkonzept schuld?

Und was kostet der GTI? Theoretisch 37.055 Euro (Handschalter) oder 39.145 Euro (DSG-Getriebe). Unser Testwagen in “Uranograu” kam mit adaptiver Fahrwerksregelung DCC, 19-Zoll-Felgen, Head-Up-Display, LED-Matrix-Scheinwerfern, Navigations- und Soundsystem, Komfortpaket, Rückfahrkamera, Winterpaket, Nebelscheinwerfern und Abbiegelicht und weiteren “Kleinigkeiten” auf 51.345 Euro.

Der Basispreis des ersten GTI von 1975 lag bei 13.850 DM (das entspräche rund 7.081 Euro). Bevor wir jetzt in Tränen ausbrechen, müssen wir uns klarmachen, dass vor über 40 Jahren alles billiger war, außerdem war der GTI damals spartanisch ausgestattet – er hatte nicht einmal einen Handschuhfachdeckel. Bei den Farben konnte man sich zwischen Marsrot und Diamantsilber entscheiden. Aber die Fahrfreude war damals schon serienmäßig.

Klaus Brieter / mid

Technische Daten VW Golf GTI DSG:

– Länge / Breite / Höhe: 4,29 / 1,79 / 1,48 m

– Motor: Vierzylinder-Turbobenziner

– Hubraum: 1.984 ccm

– Leistung: 180 kW/245 PS

– max. Drehmoment: 500 Nm

– Getriebe: 7-Gang Doppelkupplungsgetriebe, Frontantrieb

– Beschleunigung 0 bis 100 km/h: 6,3 s

– Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h

– Normverbrauch (WLTP): 7,3 l/100 km

– CO2-Emissionen: 166 g/km

– Preise: ab 37.055 (mit 6-Gang-Handschaltung)