Wachstum durch neue Schulden

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Staatsschulden haben einen schlechten Ruf. Doch Makroökonomen rechnen differenziert nach und zeigen: Ohne Kredite klappt es nicht mit der Konjunktur. Die Maßnahmen gegen die Coronakrise haben den Staat viel Geld gekostet. Und nun: “Es bleibt kaum Spielraum für notwendige Investitionen, wenn die Schuldenbremse im Grundgesetz wie bisher kreditfinanzierte Ausgaben einschränkt”, warnt das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) Düsseldorf.

“Damit der Rückstand in Bereichen wie Digitalisierung, Schule, Gesundheit oder Infrastruktur nicht noch größer wird, müssen Wege gefunden werden, öffentliche Investitionen zu ermöglichen.” Entsprechende Konzepte kämen sowohl aus der Wissenschaft als auch aus der Politik. Welche finanziellen Freiräume welcher Vorschlag eröffnet, hat das IMK der Hans-Böckler-Stiftung in einer neuen Studie untersucht.

Kernergebnisse: Kurzfristig würde es am meisten bringen, bis zum Wiedereinsetzen der Schuldenbremse – wie schon nach 2009 – erneut eine Übergangsfrist einzuführen, wie von Kanzleramtsminister Dr. Helge Braun (CDU) vorgeschlagen. Längerfristig, bis Ende des Jahrzehnts, könnten Investitionsgesellschaften außerhalb des Bundeshaushalts den größten Spielraum bringen, sofern es gelingt, auch die Europäischen Schuldenregeln entsprechend zu reformieren.

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Schon vor der Krise war der Investitionsbedarf in der Bundesrepublik groß. Die zusätzlichen Ausgaben, die dringend nötig sind, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern, haben das IMK und das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) 2019 auf rund 460 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren beziffert. Der wissenschaftliche Beirat des Wirtschaftsministeriums hält diese Zahlen in einem aktuellen Gutachten für “nicht unplausibel”.

Noch nicht eingerechnet seien dabei die Erfordernisse, die durch die Coronakrise entstanden oder offenbart worden sind, sagt das IMK. Im Zuge der Krise habe sich gezeigt, wie gering die Kapazitäten in vielen öffentlichen Bereichen sind – es existiert nur wenig Puffer, bevor die Daseinsvorsorge eingeschränkt werden muss.

Um in dieser Situation zusätzliche Freiheiten für öffentliche Investitionen zu schaffen, sind verschiedene Optionen denkbar, die Prof. Dr. Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK, und IMK-Fiskalexpertin Dr. Katja Rietzler in ihrer Studie durchrechnen: Zum Beispiel eine Übergangsfrist von fünf Jahren, bevor die Schuldenbremse wieder voll greift.

Hinzu kommen sollte ein Aussetzen der Tilgung von Corona-Schulden, sobald das Vorkrisenniveau bei der Schuldenquote wieder erreicht ist, eine konjunkturfreundliche Anpassung der Tilgungsregelungen oder die Einrichtung von Investitionsgesellschaften, die allein für die Modernisierung der deutschen Infrastruktur zuständig sind.

Lars Wallerang / glp