Klinik Ludwigsburg: 4. Corona-Welle stärker als erwartet – „eine Pandemie der Ungeimpften“

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Von Uwe Roth

Die Warnstufe ist seit zwei Wochen festgestellt. Am Wochenende wird wohl in den Kliniken des Landkreises Ludwigsburg wegen der stark steigenden Zahl eingelieferter Corona-Patienten endgültig die Alarmstufe ausgerufen. „Ich will keine Panik machen“, versicherte Klinik-Chef Professor Jörg Martin am Mittwoch in einer Online-Pressekonferenz. „Aber die Situation ist wirklich extrem kritisch.“ Seit Mitte Oktober kommen von Tag zu Tag mehr Covid 19-Infizierte in die Notaufnahme in Ludwigsburg und Bietigheim. Wie überall in Deutschland. Ein im Vergleich hoher Anteil von ihnen muss umgehend auf die Intensivstation. Dort sind die Betten schon länger knapp – und erst recht die, an denen ein Beatmungsgerät steht. Das sind High-Care-Betten, die bereits vielen Corona-Patienten das Leben gerettet haben.

In denen liegen seit der dritten Welle vor allem jüngere Menschen, die in der Regel ungeimpft sind. „Es ist eine Pandemie der Ungeimpften“, beklagte Oberarzt Dr. Johannes Naser im Pressegespräch. Diese machten über 70 Prozent der intensiv behandelten Covid-Patienten aus. Sein Kollege Professor Dr. Marin Schuster vom Klinikum Bruchsal, das ebenfalls zum Verbund der Regionalen Kliniken Holding (RKH) gehört, sagte mit Blick auf die weiterhin hohe Zahl ungeimpfter Personen: „Die vierte Welle wäre nicht notwendig gewesen.“ Nun sei diese mit einer Wucht auf die Kliniken zugerollt, die Professor Martin nach seiner Aussage in dieser Stärke nicht erwartet hat. Nahezu alle Intensivbetten seien belegt. Ein Drittel mit Corona-Patienten.

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Da die Zahl der Intensivbetten derzeit nicht aufgestockt werden könne, habe dies Auswirkung auf andere Notfälle. Aktuell könnten nur 18 Intensivbetten belegt werden. Anfang des Jahres seien es noch 33 gewesen. Es fehle Personal, und der Krankenstand sei hoch. Die Belastung sei hoch, die Motivation lasse nach, beschrieb Martin die Situation auf den Stationen.

Professor Schuster sprach mit einiger Verbitterung von Kollateralschäden, wenn Patienten nach einem schweren Unfall, Schlaganfall oder Herzinfarkt wegen der hohen Intensivauslastung nicht optimal behandelt werden können. Es komme inzwischen vor, dass für solche Akutpatienten nach der ersten Notfallbehandlung ein freies Krankenhausbett im Land gesucht werden muss. „Sie werden ganz sicher irgendwo unterkommen. Aber das senkt das Niveau“, so Schuster. Der Klinik-Chef Martin rief dazu auf, trotz dieser Situation bei einem ersten Anzeichen einer schweren Erkrankung nicht abzuwarten, sondern umgehend den Rettungsdienst zu rufen. Das allgemeine Gesundheitssystem sei in Takt.

Notleidend in der Fortsetzung der Pandemie – und das im Wortsinn – sind hingegen Menschen, die derzeit vergeblich auf eine bereits beschlossene Operation warten. Chirurgen müssen Normal-Patienten eine Absage erteilen, sofern sich das medizinisch vertreten lässt. Auch die Zahl der Patienten mit einer Corona-Infektion steigt, die bereits geimpft sind. Für die Krankenhaus-Mediziner ist das aus statistischer Sicht nicht verwunderlich. Doch wenige müssten auf der Intensivstation behandelt werden. Die Impfung schütze vor schweren Verläufen, sagten sie. Professor Martin empfahl eine dritte Impfung für alle und die Wiedereinführung einer kostenlosen Testung. Für ihn sind ansonsten „keine effektiven Wellenbrechermaßnahmen erkenn- und erwartbar.“

Auch um die Impfquote im eigenen Haus muss sich die Klinik-Leitung weiter kümmern. Der ärztliche Dienst sei fast vollständig geimpft. Drei Viertel der Pflegekräfte hätten eine vollständige Impfung. Die Quote könnte besser sein, deutete Martin an, der eine Impfpflicht beim Pflegedienst wie in Frankreich befürwortet. Personal ohne Corona-Impfschutz muss sich in den RKH-Kliniken vor jedem Dienst testen lassen. Mitarbeitende mit Impfschutz unterziehen sich zwei Mal die Woche einem Test.

Professor Martin geht davon aus, dass sich die vierte Welle noch bis in den März/April hinziehen wird.

Info:

Aufgrund der aktuellen Situation reagieren die RKH Kliniken ab sofort: 2 G Regelung für Besucher und sonstige externe Personen.

Besucherregelung: Pro Patient, pro Tag, ein Besucher für 1 Stunde. Ausgenommen von dieser Regelung sind:

  • Personen, die einen Patienten besuchen, der im Sterben liegt
  • Personen, die einen Verstorbenen verabschieden möchten
  • Sorgeberechtigter eines kranken/ verletzten Kindes
  • Notwendige Begleitpersonen in der Notaufnahme (u.a. Dolmetscher, gerichtliche Betreuer, Begleiter eines dementen oder gebrechlichen Patienten.

Grundsätzlich von der 2 G Regel ausgenommen sind nach der derzeit gültigen Corona VO folgende Personen:

  • Personen unter 17Jahre
  • Personen, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können (ärztlicher Nachweis notwendig, negativer Antigen- Test erforderlich)
  • Personen, für die es keine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) gibt (negativer Antigen- Test erforderlich

Die Besucherregelung (1 Besucher, pro Patient, pro Tag für 1 Stunde) bleibt bei diesen Personen unverändert bestehen!