Nachrichtenüberblick zum Migrationgipfel: Scharfe Vorwürfe zwischen Ampel und Union

Berlin – Die SPD wirft der Union vor, auf dem Migrationsgipfel bewusst nicht nach gemeinsamen Lösungen gestrebt zu haben. “Es ist sehr bedauerlich, dass die Gespräche heute gescheitert sind”, sagte SPD-Politiker Dirk Wiese im Anschluss an die Gespräche im Bundesinnenministerium.

“Ich glaube, wir haben uns als Regierungskoalition sehr weit auf die Union zubewegt. Wir haben Maßnahmen auf den Tisch gelegt, die aus unserer Sicht rechtssicher und effektiv umsetzbar sind. Mein Gefühl ist, das muss ich sehr deutlich sagen, dass die Union von Anfang an diese Gespräche hat scheitern lassen wollen.”

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Dabei habe die Union laut Wiese wohl eher die anstehenden Landtagswahlen im Blick gehabt. Die Tür für weitere Gespräche sei indes nicht zugeschlagen, so der SPD-Politiker.

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Merz: Ampel kapituliert vor irregulärer Migration

Berlin – CDU-Chef Friedrich Merz wirft der Ampel-Koalition nach dem Scheitern des Migrations-Gipfels Kapitulation vor.

Merz sagte der “Bild”: “Die Bundesregierung ist intern offensichtlich heillos zerstritten und kann sich nicht auf wirksame Maßnahmen einigen. Die Ampel kapituliert vor der Herausforderung der irregulären Migration. Die Bundesregierung ist handlungsunfähig und führungslos.”

Ähnlich äußerte sich CSU-Landesgruppen-Chef Alexander Dobrindt gegenüber der Zeitung: “Die Ampel ist Grün-blockiert. Die Ampel ist nicht zu wirksamen Maßnahmen zur Begrenzung der irregulären Migration in der Lage.”

Dobrindt weiter: “Diese Handlungsunfähigkeit ist eine Gefährdung der Ordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts in Deutschland. Die Verweigerung der Ampel, wirksame Maßnahmen wie die umfassende Zurückweisung an den Grenzen umzusetzen, ist eine Kapitulation.”

“Wir stehen weiterhin für die Vereinbarung schnell wirksamer Maßnahmen zum Stopp der illegalen Migration bereit, aber nicht für Placebo-Maßnahmen ohne echte Wirkung.”

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Ampel will irreguläre Migration mit weiteren Maßnahmen begrenzen

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) hat nach dem geplatzten Migrationsgipfel zwischen Union und Ampel weitere Maßnahmen zur Begrenzung von irregulärer Migration angekündigt. “Wir wollen, dass Personen, für deren Asylverfahren ein anderer EU-Staat zuständig ist, dorthin zurückgewiesen werden”, sagte Faeser im Anschluss an das Treffen im Bundesinnenministerium.

Die Ampel lege den Fokus nun darauf, dass diejenigen, die an den deutschen Landgrenzen ankommen, aber bereits durch andere Länder gereist sein und dort einen Asylantrag gestellt hätten, in Zukunft “grenznah untergebracht” würden, um sie später auch “schnell” wieder zurückweisen zu können. Mit diesen Maßnahmen wolle man die Lücke schließen, die entsteht, bis die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) in Kraft getreten sei.

“Wird ein Asylgesuch gestellt, dann prüft die Bundespolizei, ob ein anderer Mitgliedsstaat für das Asylverfahren zuständig ist. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leitet dann ein beschleunigtes Dublin-Verfahren ein”, so Faeser weiter. Anschließend wolle man auf “hoher politischer Ebene” auf die europäischen Partner zugehen, damit von dort schneller die Zustimmung zur jeweiligen Rückübernahme erfolge.

Gleichzeitig müsse man verhindern, dass diese Personen untertauchen, indem sie in Haft oder “andere Einrichtungen mit strikten Auflagen” kommen. Von allen an den Prozessen beteiligten Institutionen werde dafür eine 24/7-Verfügbarkeit erwartet. “Darüber werden wir mit den Ländern nun sprechen”, so Faeser. Nach Abschluss dieses Schnellverfahrens solle dann die Bundespolizei die Zurückweisung an den zuständigen Mitgliedsstaat vor.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte: “Für uns ist sehr, sehr klar, der Status quo kann so nicht weitergehen.”

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Union hat laut FDP eigene Asylvorschläge bei Gipfeltreffen abgelehnt

Die Union hat nach Aussagen der FDP beim Asylgespräch den eigenen Vorschlag zu einfachen Zurückweisungen illegaler Migranten an der deutschen Grenze überraschend abgelehnt.

Zu “Bild” (Mittwochausgabe) sagte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai: “Wir sind in der FDP bereit, die Vorschläge der Union 1:1 umzusetzen. Das schließt die einfachen Zurückweisungen an der Grenze mit ein. Dieses Angebot hat Justizminister Buschmann an die Union in der Runde gemacht.”

Doch die Unionsvertreter hätten dann die Gespräche verlassen, sagte Djir-Sarai. Es sei daher “nicht nachvollziehbar, warum die Union dieses Angebot nicht annimmt und die Gespräche verlassen hat”.

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Nouripour kritisiert Union: “Was für ein Schmierentheater”

Die Grünen kritisieren, dass die Union sich beim Spitzengespräch über die Migrationspolitik nicht auf die Vorschläge der Ampelregierung eingelassen habe. “Was für ein Schmierentheater der Union”, sagte Grünen-Chef Omid Nouripour dem Nachrichtenportal T-Online.

“Es geht ganz offensichtlich nicht um die Sache, nicht um tatsächliche Sorgen, sondern schlicht um Überschriften, Lautstärke und Profilierung. Mit Verantwortung hat das nichts zu tun.”

Nouripour kritisiert: “Die Union hatte die Chance, sich an gemeinsamen Lösungen zu beteiligen und hat überdeutlich gezeigt, dass sie dazu nicht in der Lage ist.” Die Bundesregierung wolle “tragfähige, wirksame und europarechtskonforme Antworten geben”.

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Klingbeil gibt Merz Schuld am Scheitern des Migrationsgipfels

Nach dem Scheitern des Migrationsgipfels gibt der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil dem CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz persönlich die Schuld für den Verhandlungsabbruch zwischen Regierung und Opposition.

Zu “Bild” (Mittwochausgabe) sagte Klingbeil: “Die Union hat unsere ausgestreckte Hand weggeschlagen. Die Strategie von Friedrich Merz war, diese Gespräche scheitern zu lassen.”

Klingbeil bedauert das Scheitern der Gespräche mit der Union zur Begrenzung der illegalen Migration ausdrücklich. “Es wäre ein starkes Signal, wenn wir als demokratische Mitte unseres Landes gemeinsam den Herausforderungen der Migration begegnen, sie ordnen und steuern”, sagte der SPD-Vorsitzende.

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Scholz sieht bewusste Sabotage des Migrationsgipfels durch Union

Nach dem Abbruch der Asylgespräche kritisiert Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Verhalten von CDU/CSU scharf und wirft beiden Parteien Verantwortungslosigkeit vor. Zu “Bild” (Mittwochausgabe) sagte Scholz: “Man muss davon ausgehen, dass das so geplant gewesen ist. Das Verhalten ist ohne Verantwortung für die Probleme dieses Landes.”

Ähnlich hatte sich zuvor auch schon SPD-Politiker Dirk Wiese direkt nach dem Treffen geäußert: “Ich glaube, wir haben uns als Regierungskoalition sehr weit auf die Union zubewegt. Wir haben Maßnahmen auf den Tisch gelegt, die aus unserer Sicht rechtssicher und effektiv umsetzbar sind. Mein Gefühl ist, das muss ich sehr deutlich sagen, dass die Union von Anfang an diese Gespräche hat scheitern lassen wollen.”

Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer (SPD) schlug unterdessen in die selbe Kerbe: “Wer so etwas tut in einer solchen Situation, der handelt aus meiner Sicht wirklich verantwortungslos”, sagte Schweitzer dem TV-Sender “Welt” am Dienstag.

Merz habe darum gebeten, dass man sich überhaupt treffe, und gehe jetzt einfach raus. Schweitzer: “Ich finde das ein sehr, sehr ungewöhnliches Verhalten und habe auch große Schwierigkeiten damit, das mit meinem Verständnis von Verantwortungsgefühl in Einklang zu bringen.”

Schweitzer appellierte an die Union, ihre Entscheidung noch einmal zu überdenken: “Die Union muss zurück in den Raum, muss zurück an den Verhandlungstisch. Alles andere nützt nun wirklich nur denen, die wir gemeinsam nicht unterstützen wollen in unserer deutschen Demokratie, nämlich extremen und populistischen Kräften.”

Schweitzer sprach Merz wegen des Abbruchs der Gespräche Qualitäten als Kanzlerkandidat ab: “Wenn ich mir anschaue, dass Herr Merz um Verhandlungen bittet und dann rausgeht, weil ihm was nicht passt, dann sage ich: Ich sehe zurzeit nur einen mit Kanzlerkandidaten-Qualitäten, und das ist Olaf Scholz. Herr Merz ist das nicht.”

Er relativierte auch Äußerungen des SPD-Urgesteins Franz Müntefering, die Frage der SPD-Kanzlerkandidatur sei offen, bis ein Parteitag darüber im kommenden Jahr entscheide: “Das ist ja immer so, dass Parteitage darüber entscheiden, wer Kanzlerkandidat ist. Aber es ist doch einfach gut, wenn man einen Kanzler hat, der sagt, er ist bereit, noch mal zu kandidieren.”

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Migrationsgespräch: Bayerns Innenminister kritisiert Ampelkoalition

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat die Ampelkoalition nach dem Ende des Migrationsgesprächs mit der Union im Bundesinnenministerium kritisiert. “Es ist sehr bedauerlich und auch absolut ärgerlich, dass sich die Ampelregierung beim heutigen Asyl-Gipfel nicht zu einem Durchbruch bei der Eindämmung der illegalen Migration durchringen konnte”, sagte er dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Mittwochausgaben).

“Denn wir brauchen dringend eine echte Wende in der Asylpolitik unseres Landes. Die Bundesregierung erkennt nach wie vor den Ernst der Lage nicht, das hat sich heute leider wieder einmal bewahrheitet. Unsere wichtige Kernforderung ist die umfassende Zurückweisung von Flüchtlingen an unseren Grenzen.”

Die am Montag von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigten Kontrollen an allen deutschen Außengrenzen reichten nicht, um die illegale Migration nach Deutschland spürbar einzudämmen, fuhr Herrmann fort. “Die Bundesinnenministerin muss die Bundespolizei endlich anweisen, konsequent Flüchtlinge zurückzuweisen, auch wenn sie hier in Deutschland einen Asylantrag stellen wollen, denn Flüchtlinge an den deutschen Landgrenzen kommen ausnahmslos aus sicheren Drittstaaten.”

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Baerbock kritisiert Union für Abbruch des Migrationsgipfels

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) hat den Abbruch des Migrationsgesprächs zwischen der Ampelkoalition und der Union durch die Vertreter von CDU und CSU kritisiert und ihnen mangelnden Teamgeist im Interesse des Landes und Europas vorgeworfen.

“Sicherheitspolitik lebt von Teamplay, Europapolitik lebt von Teamplay”, sagte sie dem “Redaktionsnetzwerk Deutschland” (Mittwochausgaben). “Offenkundig waren nicht alle Herren, die zu den Gesprächen im Innenministerium erschienen sind, an Teamplay interessiert. Deshalb haben sie die Gespräche verlassen.”

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Mützenich offen für weitere Migrationstreffen mit Union

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich ist nach eigenen Angaben auch nach dem Abbruch der Migrationsgespräche zwischen der Ampel und der Union offen für weitere Treffen.

“Es ist noch nicht aller Tage Abend und die Tür bleibt offen”, sagte Mützenich am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. Dennoch äußerte er auch scharfe Kritik an CDU-Chef Friedrich Merz. “Ich glaube, er hat jetzt, indem er den Tisch verlassen hat, der Demokratie auch einen Bärendienst erwiesen”, so der SPD-Politiker.

Sollte es, wie von FDP-Chef Christian Lindner vorgeschlagen, zu Spitzengesprächen mit Friedrich Merz und den Ampelspitzen kommen, sollte laut Mützenich auch die EU vertreten sein. “Wir haben gerade eine gemeinsame europäische Asyl- und Flüchtlingspolitik beschlossen”, sagte er. “Wir wollen das ganz schnell umsetzen. Vielleicht geht es auch schneller auf europäischer Ebene und natürlich müssen die Bundesländer auch dazu.”

red