Ein Finale furioso in Ludwigsburg– Siegfried Bauer verabschiedet sich mit einem musikalischen Manifest

Ludwigsburg – Am Sonntagabend endete in der voll besetzten Stadtkirche Ludwigsburg eine Ära. Prof. Siegfried Bauer, geboren 1944 in Unterweißach, dirigierte sein letztes Konzert und setzte damit einen markanten Schlusspunkt unter fast sechs Jahrzehnte, in denen er die Musiklandschaft Ludwigsburgs und Württembergs maßgeblich geprägt hat. Bauer studierte zunächst Pädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, anschließend Schulmusik an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart sowie Musikwissenschaft in Tübingen. Seine Karriere begann er 1968 als Kantor in Stuttgart-Zuffenhausen, bevor er 1971 nach Ludwigsburg wechselte, wo er als Dozent an der Pädagogischen Hochschule, als Kantor und später als Landeskirchenmusikdirektor Generationen von Musikerinnen und Musikern prägte. 1976 übernahm er das Sinfonieorchester Ludwigsburg, das er vierzig Jahre leitete und zu einem leistungsstarken Klangkörper formte, der mit Wettbewerbs- und Rundfunkerfolgen weit über die Stadt hinaus Wirkung entfaltete. 1983 gründete er das Jugendsinfonieorchester Ludwigsburg, das unzähligen jungen Menschen musikalische Bildung auf hohem Niveau ermöglichte. Die Kantorei der Karlshöhe führte er ebenfalls zu neuer Strahlkraft. Internationale musikalische Verbindungen entstanden etwa mit einem Kammermusikprojekt im ukrainischen Jevpatorija auf der Krim. 2007 rief Bauer das Concerto Ludwigsburg ins Leben, ein Kammerorchester, das er bis zuletzt leitete. Für sein Wirken erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Bundesverdienstkreuz, die Staufermedaille und die Ludwigsburger Bürgermedaille.

Unter den Ehrengästen am Sonntagabend waren Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Gattin, Landrat Dietmar Allgaier, Oberbürgermeister Dr. Matthias Knecht, der erste Bürgermeister a.D. Konrad Seigfried sowie seine Nachfolgerin, die amtierende erste Bürgermeisterin Renate Schmetz. Auch die Landtagsabgeordnete Silke Gericke sowie einige Vertreterinnen und Vertreter des Gemeinderats waren anwesend und zeigten damit, welche Bedeutung dieser Abend und dieser Mensch für die Stadt haben.

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Die Zusammenstellung des Programms spiegelte Bauers künstlerisches Profil wider: musikalisch klug, dramaturgisch fein abgestuft und emotional vielschichtig. Es begann mit der Ouvertüre zur Zauberflöte von Wolfgang Amadeus Mozart, die in ihrer Leichtigkeit, tänzerischen Eleganz und verführerischen Klangsprache das Publikum vom ersten Takt an einfing und auf den Abend einstimmte. Es folgte das Violinkonzert in D-Dur von Ludwig van Beethoven. Solist war Peter Schulmeister, einst Schüler Bauers und heute Konzertmeister am Royal Opera House Covent Garden in London. Schulmeisters Interpretation war von einer selten gewordenen Haltung geprägt: Er spielte nicht, um zu brillieren, sondern um Beethovens Musik seelenoffen sprechen zu lassen. Besonders das Larghetto brannte sich als stiller, fast schmerzhaft schöner Höhepunkt in die Herzen der Zuhörer ein. Jeder Bogenstrich, jedes Bogenzupfen war durchdacht, jeder Ton atmete Demut vor der Größe dieser Musik und ihrer zeitlosen Sprache. Den Abschluss bildete die Sinfonie Nr. 5 Reformation von Felix Mendelssohn Bartholdy. Hier entfaltete sich ein Finale furioso, das sich zu einer orchestralen Explosion steigerte. Mendelssohns Choralmotiv „Ein feste Burg ist unser Gott“ wuchs durch das Orchester zu einer triumphalen Klangarchitektur, die die Zuhörer erschütterte und überwältigte. Es war ein bombastisches, dichtes und triumphales Sinnestheater, das kaum noch Raum zum Atmen ließ.

Besonders bewegend war zu beobachten, wie die Musikerinnen und Musiker des Orchesters während der gesamten Darbietung mit einem Strahlen und Lächeln spielten, als wollten sie den Abschied ihres großen Meisters nicht mit Traurigkeit, sondern mit Dankbarkeit und innerer Freude tragen.

Siegfried Bauer verabschiedete sich nicht mit einer Rede, sondern ließ die Musik für sich sprechen. Sein Grußwort im Programmheft war von Dankbarkeit geprägt. Darin blickte er zurück auf unzählige Konzerte, nicht nur in Ludwigsburg, sondern auch in England, Frankreich, Schweden, Israel und auf der Krim. Sein einziger Wunsch war, dass das Publikum seinen Ensembles auch in Zukunft die Treue hält. Das Concerto Ludwigsburg wird weiterhin projektweise mit wechselnden Dirigenten auftreten. Bauers Vita zieht sich wie ein roter Faden durch die Musikgeschichte der Stadt: Gründungen von Chören und Orchestern, Hochschultätigkeit, Gremienarbeit, musikalische Öffnung für Kinder und Jugendliche, internationale Kooperationen und ein ungebrochener Gestaltungswille bis ins hohe Alter.