Zahl der Tafel Besucher steigt: 430.000 davon sind Rentner

Die Zahl der Menschen in Deutschland, die sich bei Tafeln mit Lebensmitteln versorgen, steigt immer weiter an. Bundesverbands-Vorsitzender Jochen Brühl sagte im Interview mit der “Neuen Osnabrücker Zeitung” (NOZ), die etwa 940 Tafeln in Deutschland verzeichneten zuletzt 1,65 Millionen Kunden. “Das sind zehn Prozent mehr als im vergangenen Jahr.” Besonders groß sei die Nachfrage von älteren Menschen, so Brühl. “Die Zahl der Rentner unter den Tafelkunden ist innerhalb eines Jahres um 20 Prozent auf 430.000 gestiegen.”

Es koste viel Energie, Armut zu verstecken, sagte Brühl. Diese Kraft hätten ältere Menschen oftmals nicht mehr “und kommen dann zu uns”. Viele Tafeln hätten zudem spezielle Angebote für ältere Menschen gestartet, etwa Senioren-Nachmittage. “Das senkt vielleicht die Hemmschwelle” und sei auch ein Beitrag gegen Alters-Einsamkeit. Brühl geht nicht davon aus, dass die derzeit in der Bundespolitik diskutierte Grundrente Probleme grundsätzlich lösen wird. “Grundrente klingt so, als werde damit die Altersarmut in Deutschland abgeschafft. Das ist natürlich Quatsch.” Eine effektive Bekämpfung der Altersarmut beginne im Erwerbsleben oder noch früher. “Unter unseren Kunden sind auch 500.000 Kinder und Jugendliche. Deren Zahl übersteigt also noch die der Rentner, die unsere Angebote nutzen.”

Brühl beklagte, die Gesellschaft verdränge, unter welchen Bedingungen viele Menschen lebten. “Ich glaube zwar nicht, dass Menschen hierzulande hungern. Aber gerade ältere Menschen berichten uns, dass sie die Heizung im Winter nicht anstellen, weil sie Sorge haben, die Heizkostenabrechnung im Frühjahr nicht mehr bezahlen zu können.” Solche Geschichten würden die 60.000 ehrenamtlichen Tafel-Helfer erzählen können. “Nur frage sie kein Politiker.”

Armutsrisiko steigt

Das Armutsrisiko von Rentnern ist in vielen Ländern der Europäischen Union gewachsen. Betroffen sind vor allem ältere Rentner ab 75 Jahren. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Sozialrecht und Sozialpolitik, in der die Änderungen der Anpassungsmodalitäten für Bestandsrenten im Zeitraum von 2008 bis 2017 in den EU-Staaten untersucht wurden.

Die Analyse der Experten kommt zu dem Schluss, dass gerade Renten mit einem niedrigen Einstiegsniveau regelmäßig angepasst werden müssen. Denn eine restriktive Rentenanpassung berücksichtigt zwei Punkte nicht: 1. Renten werden zunehmend länger bezogen, da die Lebenserwartung in den meisten Ländern kontinuierlich steigt. 2. Werden die Renten über die Jahre nicht angemessen an das Wohlstandsniveau eines Landes angepasst, lassen Preissteigerungen ihre Kaufkraft sinken.

“Bei unzureichender Anpassung der Renten ohne Anbindung an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten einer Gesellschaft wächst das Risiko von Altersarmut, und wiederum dies gefährdet wiederum den sozialen Zusammenhalt”, sagt Dr. Eva Maria Hohnerlein, die die Untersuchung durchgeführt hat.

Modellrechnungen der EU für das Jahr 2066 zeigen, dass infolge der Reformen nach zehn Jahren die ausgezahlten Renten deutlich niedriger liegen werden als die Zugangsrenten. Die größte Rentenerosion mit 10 Prozentpunkten oder mehr wurde für Portugal, Ungarn, Belgien und Österreich prognostiziert.

Angesichts dessen haben vor allem Länder in Osteuropa nun begonnen, der drohenden Altersarmut von insbesondere älteren Rentnern entgegenzuwirken, darunter die Tschechische Republik, Kroatien und die Slowakei. Eine interessante Neuerung in diesem Zusammenhang ist das “Günstigkeitsprinzip”, eine Variante, die in Großbritannien schon seit 2011 praktiziert wird. So wird in Polen und der Tschechischen Republik beispielsweise der Preisindex zur Berechnung herangezogen, der sich auf die Rentenanpassung am positivsten auswirkt. wid/rlo

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