Luftmessstation und 15 Filtersäulen an der Schlossstraße in Ludwigsburg – Kritik an Messwerten

Von Uwe Roth

Die Luftmessstation an der Schlossstraße in Ludwigsburg ist wegen ihres Standorts zwischen einer Reihe von 15 XXL-Luftfiltersäulen in die Kritik der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geraten. Sie behauptet im Widerspruch zum Verkehrsministerium des Landes, die Messwerte seien aus diesem Grund nicht objektiv und repräsentativ für den gesamten Straßenraum. Da wäre es billiger, eine Plastiktüte über die Messsonde zu stülpen, um missliebige Messwerte zu umgehen, statt Millionen teure Staubsauger anzuschaffen, heißt es. Insbesondere gelte dies für das Stickstoffdioxid (NO2).

Dieser Schadstoff aus Autoabgasen hat für die Stadt eine hohe juristische Bedeutung. Sollte sein Jahresmittelwert über der gesetzlichen Grenze liegen, könnte ein Fahrverbot für ältere Dieselfahrzeuge kommen. Der Bann würde in einer Umweltzone gelten, die vom zuständigen Regierungspräsidium Stuttgart festzulegen wäre. Ein generelles Fahrverbot in der Innenstadt wird es nicht geben, wie Gegner solcher einschränkenden Maßnahmen behaupten.

15 Filtersäulen an der Schlossstraße kosten 1,35 Millionen Euro

Die Filtergeräte sind Konstruktionen der Firma Mann & Hummel. Der Ludwigsburger Spezialist für Auto-Luftfilter hat seine Technologie weiterentwickelt und in die jeweils eine Tonne schweren Säulen verpackt. Ein Gebläse saugt auf der einen Seite rund 5000 Kubikmeter schlechte Straßenluft in der Stunde ein. Auf der anderen Seite kommt Frischluft raus. Nach Angaben des Herstellers werden durch diese Filter Cubes (Würfel) mehr als 80 Prozent des Stickstoffdioxids (NO2) und Feinstaubs (PM10) aus der angesaugten Luft gebunden. Die 15 Säulen haben laut Angaben der Stadt 1,35 Millionen Euro gekostet. 100.000 Euro war der kommunale Eigenanteil. Der Rest kommt aus dem Haushalt des Landes. Neben Stromkosten müssen die Filter regelmäßig ausgetauscht werden.

Betreiber der Luftmessstation in der Schlossstraße, die wochentäglich von 60000 Fahrzeugen belastet wird, ist die Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) in Karlsruhe. Sie ruft die gemessenen Werte kontinuierlich ab. Die LUBW bestätigt auf Anfrage: „Filtersäulen tragen mit der Filterung zu einer Reduktion der Stickstoffdioxidbelastung und Feinstaubbelastung bei.“ Das heißt im Umkehrschluss: Ohne die Luftfilterung in der Umgebung der Messstation wären die Werte wahrscheinlich höher. Die baden-württembergische Umweltbehörde hält das für rechtens, weil nach ihrer Auffassung der 250 Meter lange Abschnitt der Schlossstraße mit den Filtersäulen die „höchste Konzentrationen an Stickstoffdioxid“ überhaupt hat.

Stadt überlegt alternatives Mess-Netzwerk

Diese Aussage ist für die DUH nach eigenem Bekunden nur belastbar, wenn diese ein glaubwürdiger Beleg für den gesamten Stadtbereich zutrifft. Das heißt, sie müsste auch auf den früheren Standort der Messstation in der Friedrichstraße zutreffen. Diese hatte wegen stark erhöhten Messwerten Ludwigsburg immer wieder bundesweit in die Schlagzeilen gebracht. Sie war im April 2020 von der LUBW ersatzlos abgebaut worden. Eine solche Bestätigung, dass nirgendwo anders in Ludwigsburg die Werte oberhalb des Grenzwerts liegen – außer in der Schlossstraße, erwartet die DUH von der Stadt. Die aber stehe aus.

Ein solcher Beleg wäre, die Schadstoffbelastung für die gesamte Stadt wissenschaftlich zu berechnen. Das nennt sich Modellierung. Eine solche soll es für Ludwigsburg geben, weiß DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Gesehen habe er diese jedoch nicht. Matthias Knobloch ist im Rathaus der Leiter des Fachbereichs Nachhaltige Mobilität. Er bestätigt, dass es eine solche Modellierung gibt. Doch diese sei auf dem Stand von 2018 und seither nicht mehr fortgeschrieben worden. Daher entspreche diese nicht mehr dem aktuellen Stand. Derzeit gebe es Verhandlungen mit der Firma Bosch, ein alternatives Messnetz aufzubauen, um eine bessere Übersicht der Schadstoffbelastung zu erhalten.

Am Donnerstag gemessen: höchster Wert in Baden-Württemberg

Aktuell gibt es zu der einen Messstation im Stadtgebiet verteilt 15 sogenannte Passivsammler. Die registrierten Schadstoffe werden aber nicht fortlaufend abgerufen, sondern in Abständen mehrerer Wochen manuell ausgewertet. Die jüngsten Auswertungen geben ein für die Stadt beunruhigendes Bild ab. Der zulässige Jahresmittelwert für den Luftgehalt an NO2 liegt seit 2010 bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft (µg/m3). Die in der Schlossstraße zusätzlich zur festen Messstation aufgehängten Passivsammler ergaben nach LUBW-Angaben im vergangenen Jahr einen NO2-Mittelwert von 47, im ersten Halbjahr 2021 von 46 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft.

Bei der stationären Messstation selbst lag am Donnerstag der Maximalwert bei 69 µg/m3 – also weit über dem Jahresgrenzwert. Allerdings toleriert das Gesetz gelegentliche Ausreißer bis zu 200 µg/m3. Der Donnerstag-Wert war laut Tabelle der LUBW der höchste in Baden-Württemberg. Am Stuttgarter Neckartor, das als die schmutzigste Kreuzung Deutschlands galt, lag der Wert bei 47 µg/m3. Die Pragstraße kommt mit 60 µg/m3 dem Ludwigsburger Wert schon näher (die aktuellen Werte der LUBW).

Verkehrsministerium Stuttgart: „Die Messstation ist rechtssicher aufgestellt“

Die Frage stellt sich, wo läge der Wert in der Schlossstraße ohne die 15 Großfilter? Das Verkehrsministerium Stuttgart verteidigt den Standort: „Die Messstation ist rechtssicher aufgestellt“, heißt es klipp und klar auf Anfrage: Die Begründung des Ministeriums, das die Finanzierung der Luftfilter in die Wege geleitet hat, klingt dagegen kompliziert. „Durch einen ausreichenden Abstand der Filtersäulen von der Messstation ist sichergestellt, dass diese nicht die saubere Abluft einer oder mehrerer Filtersäulen misst.“ Die Messstation steht etwa zehn Meter von der nächsten Filtersäule entfernt.

Weiter steht in der Stellungnahme: Die Filtersäulen in der Schlossstraße seien so aufgestellt, dass sie „die Luftqualität an den Häuserfronten und auf den Gehwegen im gesamten Straßenabschnitt verbessern. Diese Verbesserung der Luftqualität im gesamten Straßenabschnitt misst die Luftmessstation“.

Jürgen Resch von der DUH kommentiert den Standort so: „Die Platzierung von Luftfiltern um eine Luft-Messstation herum, widerspricht dem Gedanken und Sinn der europäischen Richtlinie.“ Die Menschen in Ludwigsburg und nicht der Messsensor müssten vor schlechter Luft geschützt werden. Das Land Baden-Württemberg sei gesetzlich dazu verpflichtet, die Saubere Luft überall in Ludwigsburg sicherzustellen.

Luftqualitätsverbesserung in Ludwigsburg durch Messboxen

Messboxen ermitteln Luftqualität in Echtzeit

Die Diskussion um Fahrverbote wegen belasteter Luft ist Thema vieler Kommunen. In Ludwigsburg konnte die Luftqualität seit 2006 zwar deutlich verbessert werden, aber saubere Luft und damit verbunden hohe Lebensqualität im Stadtraum sind immer noch eines der wichtigsten Anliegen der Stadtverwaltung. Die maximale Konzentration von 40 Mikrogramm an Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft gilt es weiterhin zu erreichen.

Die Luftqualität wird heute meist nur punktuell mit sehr großen und teuren stationären Anlagen gemessen. Von einer einzelnen Messstelle wird dabei häufig auf die Luftqualität der gesamten Stadt geschlossen. In der Fläche wird großenteils nur über längere Zeiträume gemittelt gemessen, mit sogenannten „Passivsammlern“. Dies sind Messröhren, die alle 14 Tage ausgetauscht und manuell ausgewertet werden müssen.

Ein neues Forschungsprojekt der Robert Bosch GmbH in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung Ludwigsburg zielt nun darauf, ein Netzwerk in der Fläche einzurichten mit Immissions-Messboxen, die in Echtzeit Daten zur Luftqualität liefern: „Wir wollen mit innovativer Technologie die Sauberkeit der Luft, aber auch den Lärm ermitteln,“ erklärt Oberbürgermeister Werner Spec die Vorgehensweise. „Dadurch können wir die Lebensqualität in Ludwigsburg mit gezielten Maßnahmen weiter verbessern.“

Auf Grundlage der Messdaten kann zum Beispiel künftig der Verkehr entsprechend der Luftbelastung „immissions-sensitiv“ gesteuert werden. Das kann helfen, um pauschale Fahrverbote zu vermeiden. Im Rahmen des Forschungsprojekts werden elf Messboxen im Stadtgebiet verteilt aufgestellt. Sie messen Feinstaub-Partikel und Stickstoffdioxid.

Die erhobenen Werte werden mit Messdaten der stationären Messstelle und zusätzlich mit Vergleichsmessungen einer mobilen eignungsgeprüften Messeinrichtung verglichen. Über einen Algorithmus werden Daten der Messboxen mit Klima- und Gebäudedaten verrechnet. Daraus erstellt Bosch eine Luftqualitätskarte für Ludwigsburg in Echtzeit.

In den vergangenen Wochen haben Stadtverwaltung und Robert Bosch GmbH mögliche Standorte geprüft und elf geeignete Stellen ermittelt, an denen die Immissions-Messboxen installiert werden sollen. Die Boxen in der Größe eines Schuhkartons werden in etwa zweieinhalb Metern Höhe montiert, vorzugsweise an Masten mit Zugang zum Stromnetz. Sie können an den markanten weißen Lufteinlässen in der Form eines Pilzes erkannt werden – siehe dazu auch das beigefügte Foto.

Neue Messboxen bis Jahresende zertifiziert

In den Messboxen sind Sensoren eingebaut, die speziell für die Luftqualitätsmessung optimiert wurden. Die Sensoren messen dabei die Feinstaub-Partikel mit einem Durchmesser bis 10 bzw. 2,5 Mikrometer, die Belastung durch Stickstoffdioxid und Ozon. Ebenso werden Temperatur, Druck und Luftfeuchtigkeit erfasst.

Eine Zertifizierung der Immission-Messboxen durch eine unabhängige Prüfstelle ist für Ende 2019 geplant. Danach ist die Nutzung der Daten für planerische Entscheidungen möglich. Die Stadt Ludwigsburg und die Robert Bosch GmbH legen größten Wert darauf, dass nur Messwerte mit zertifizierter Genauigkeit veröffentlicht werden. Neben der Daten für die digitale Immissionskarte hat das Pilotprojekt ein weiteres Ziel: Die Messqualität und Zuverlässigkeit der Messboxen so zu optimieren, dass die Luftqualität im Stadtgebiet immer genau erfasst werden kann. Das Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit dem Ludwigsburger Innovationsnetzwerk Living LaB ist zunächst auf 12 Monate angelegt, mit der Option auf eine Verlängerung.

Dicke Luft im PS-Wunderland

Abgesehen von ganz wenigen Ausnahmen stoßen Autos Schadstoffe aus. Das ist hinreichend bekannt. Je mehr Fahrzeuge auf den Straßen sind, desto höher sind demzufolge auch die C02-Emissionen. Die durch Pkw in Deutschland verursachten Kohlendioxid-Emissionen nehmen trotz verbesserter Technik zu. Im Jahr 2017 wurden insgesamt 115 Millionen Tonnen CO2 emittiert. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, entspricht das einer Zunahme gegenüber 2010 um 6,0 Prozent.

Höhe und Entwicklung der Emissionen werden von der durchschnittlichen Motorleistung, der Fahrleistung (Fahrzeugbestand und durchschnittliche Fahrleistung) sowie dem Durchschnittsverbrauch (Liter je 100 Kilometer) der Fahrzeuge beeinflusst. Das bedeutet: Mit der PS-Zahl steigen auch die Schadstoffe. Die durchschnittliche Motorleistung neu zugelassener Pkw ist in den vergangenen sieben Jahren um 16 Prozent gestiegen. So hatten die Neuzulassungen des Jahres 2017 eine Motorleistung von durchschnittlich 111 Kilowatt (kW). 2010 lag diese noch bei 96 kW. An den CO2-Emissionen hatten die Fahrzeuge mit einer Motorleistung über 100 kW einen Anteil von über 50 Prozent. 2010 waren es noch 36 Prozent.

Die Fahrzeugbestände sind von 2010 bis 2017 um 10 Prozent gewachsen. Gleichzeitig hat die Fahrleistung aller Pkw um 9,0 Prozent zugelegt. 2017 verbrauchten 46 Millionen Pkw rund 46 Milliarden Liter Kraftstoff. Zwar ist der Durchschnittsverbrauch der Pkw seit 2010 um rund 3,0 Prozent gesunken. Aufgrund der Zunahme von Bestand und Fahrleistungen ist der Kraftstoffverbrauch insgesamt jedoch gestiegen.

2017 lag er um 6,0 Prozent höher als im Jahr 2010. Bei den Diesel-Pkw mit mehr als 100 kW Leistung ist der Verbrauch in diesem Zeitraum sogar um 69 Prozent gestiegen. Aber auch bei den Benzinern ist der Verbrauch der leistungsstarken Pkw kontinuierlich gewachsen (+15 Prozent), obwohl der Verbrauch der Benziner insgesamt im gleichen Zeitraum um 9,0 Prozent gesunken ist. mid/Rio