Macit Karaahmetoğlu zieht erneut in den Bundestag ein – „Kummer und Freude liegen nah beieinander“

Ludwigsburg – Die Bundestagswahl 2025 hat im Wahlkreis Ludwigsburg klare Veränderungen gebracht. Während die SPD bundesweit schmerzliche Verluste hinnehmen musste, konnte sich Macit Karaahmetoğlu sein Mandat über die Landesliste (Platz 10)  sichern und bleibt damit weiterhin im Bundestag. Im Gespräch mit Ludwigsburg24 äußerte er sich zu seinem Wahlergebnis und den Herausforderungen der kommenden Legislaturperiode.

„Das Ergebnis ist sehr schmerzhaft“

Karaahmetoğlu spricht von gemischten Gefühlen nach der Wahl: „Heute liegen Kummer und Freude nah beieinander. Ich kehre voller Tatendrang als wiedergewählter Abgeordneter in den Bundestag zurück und danke von Herzen allen Helferinnen und Helfern meiner Partei in diesem harten Wahlkampf.“ Gleichzeitig sei das Abschneiden der SPD eine herbe Enttäuschung: „Die SPD hat trotz klarer sozialer Ausrichtung insbesondere ihre klassische Zielgruppe der Arbeiter:innen nicht mehr so erreicht, wie wir es uns wünschen. Mit dem deutlich veränderten Parlament wird ganz sicher auch ein Umbruch in unserer Partei einhergehen.“

Themenschwerpunkte noch offen – Interesse an Außen- und Verteidigungspolitik

Welche Aufgaben Karaahmetoğlu in der neuen Legislaturperiode übernehmen wird, ist noch nicht endgültig entschieden. „Es wird eine Weile dauern, bis die thematischen Zuständigkeiten im Parlament verteilt werden. Die Ausschüsse richten sich nach den Ministerien der neuen Bundesregierung – es gilt also die Sondierungs- und Koalitionsausschüsse abzuwarten.“ Dennoch hat er klare Vorstellungen: „Ich könnte mir jedoch sehr gut vorstellen, in der Außen- oder Verteidigungspolitik mitzuwirken. Auch die Bereiche Chancengerechtigkeit, Zuwanderungspolitik und Antidiskriminierung liegen mir sehr am Herzen.“

Zentrale Themen für den Wahlkreis Ludwigsburg

Auch für Ludwigsburg sieht Karaahmetoğlu wichtige Herausforderungen. „Die Menschen sorgen sich um bezahlbaren Wohnraum, wie fast überall im Land. Unsere Region ist zudem sehr abhängig von der wirtschaftlichen Entwicklung, allem voran der Automobilindustrie. Und wir sehen viele Fragen im Bereich der Verkehrswende, die hier zu tragen kommen.“ Besonders zwei große Projekte stehen für ihn dabei im Fokus: „Jeder weiß mit den Stichworten ‚Stadtbahn‘ oder ‚B10-Umfahrung‘ etwas anzufangen.“

Trotz des schwierigen Wahlergebnisses für die SPD blickt Karaahmetoğlu nach vorn und will sich weiterhin für die Menschen in Ludwigsburg und ganz Deutschland einsetzen.

red

SPD setzt bei Bundestagswahl auf Mario Sickinger: Informatiker aus Beilstein soll Wahlkreis Neckar-Zaber gewinnen

Marbach am Neckar – Die SPD hat ihre Kandidatenwahl für die Bundestagswahl 2025 im Wahlkreis Neckar-Zaber abgeschlossen und schickt Mario Sickinger ins Rennen. Auf der Nominierungskonferenz in Lauffen am Neckar erhielt der 30-jährige Informatiker aus Beilstein 93,6 % der Stimmen. Sickinger, der in Bietigheim-Bissingen arbeitet, gilt nun als die Hoffnung der Sozialdemokraten in der Region.

In seiner Antrittsrede thematisierte Sickinger zentrale Herausforderungen für die Wirtschaft und die Bürger*innen im Wahlkreis. Besonders hob er die Dringlichkeit einer fairen und klimagerechten Transformation für Unternehmen und Beschäftigte hervor: „Unternehmen brauchen die Freiheit für eine leistbare, klimagerechte Transformation, und die Beschäftigten verdienen eine faire Bezahlung für ihre gute Arbeit – daher ist eine Anhebung des Mindestlohns auf mindestens 15 Euro unausweichlich,“ betonte Sickinger.

Der SPD-Kandidat fordert klare Unterstützung für energieintensive Betriebe, die aufgrund der gestiegenen Energiepreise besonders belastet seien. Damit, so Sickinger, sollen Industriearbeitsplätze in der Region gesichert werden. „Digitalisierung bedeutet für mich nicht, einfach analoge Prozesse digital abzubilden,“ erläuterte der Informatiker. „Es geht darum, für den Erhalt unseres Wohlstands echte Mehrwerte zu schaffen.“ Effizienzsteigerungen, Kostenreduktionen und beschleunigte Prozesse sieht er als Schlüsselelemente und fordert hierfür eine umfassende Digitalisierungsoffensive.

Ein weiteres zentrales Thema seines Wahlkampfes ist Gerechtigkeit. Sickinger spricht sich für Investitionszuschüsse für den Bau von gemeinnützigem, bezahlbarem Wohnraum aus und unterstützt die geplante Steuerreform der SPD: „Es ist doch nur gerecht, wenn wir 95 % der Menschen in diesem Land entlasten und dadurch am Monatsende im Geldbeutel mehr übrig ist, um durch den Konsum unsere Konjunktur anzutreiben.“

red

Bericht: Scholz-Vertrauter Jörg Kukies soll neuer Finanzminister werden

Berlin – Jörg Kukies (SPD) soll offenbar die Nachfolge von Christian Lindner (FDP) als Bundesfinanzminister antreten. Das berichten das ARD-Hauptstadtstudio und der Sender ntv übereinstimmend.

Kukies war bislang unter Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Staatssekretär im Bundeskanzleramt. Zuvor hatte Scholz in seiner Amtszeit als Bundesfinanzminister in der schwarz-roten Koalition Kukies 2018 als Staatssekretär in sein Ministerium geholt. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler arbeitete in den Jahren 2000 bis 2018 beim Investmentbanking- und Wertpapierhandelsunternehmen Goldman Sachs. Anfang der 1990er Jahre war Kukies Vorsitzender des Landesverbandes Rheinland-Pfalz der SPD-Jugendorganisation Jusos.

red

Überraschender Rückzug: Kevin Kühnert tritt als SPD-Generalsekretär zurück

Berlin – Kevin Kühnert tritt als Generalsekretär zurück. Das teilte er am Montag in einer persönlichen Erklärung mit.

“Ich selbst kann im Moment nicht über mich hinauswachsen, weil ich leider nicht gesund bin”, heißt es darin zur Begründung für seinen Rückzug. “Die Energie, die für mein Amt und einen Wahlkampf nötig ist, brauche ich auf absehbare Zeit, um wieder gesund zu werden. Deshalb ziehe ich die Konsequenzen”, so Kühnert weiter.

Zudem habe er die Partei in seinem Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg darüber informiert, dass er auch bei der kommenden Bundestagswahl in einem Jahr nicht mehr kandidieren werde. Mit der Entscheidung, sich ganz um seine Gesundheit zu kümmern, glaube er, der “doppelten Verantwortung” gegenüber sich selbst sowie der SPD am besten gerecht zu werden, sagte Kühnert.

SPD-Spitze will noch am Montag über Kühnert-Nachfolge entscheiden

Die SPD-Spitze will noch am Montag über eine Nachfolge des scheidenden SPD-Generalsekretärs Kevin Kühnert entscheiden.

Es werde für den Abend zu Gremiensitzungen eingeladen, sagte SPD-Chefin Saskia Esken am frühen Nachmittag in Berlin. Man habe bereits “Klarheit” geschaffen, “wie es weitergeht”, sagte Esken. “Wir sind vorbereitet”, so die SPD-Chefin.

Sie zollte Kevin Kühnert ebenso wie ihr Co-Chef Lars Klingbeil Respekt. “Es ist eine richtige Entscheidung, es geht jetzt um Kevin”, sagte Klingbeil.

red

Scholz: “Keine totale Spaltung” – Kanzler sieht Mehrheit in wichtigen Fragen einig

Trotz vieler entsprechender Äußerungen sieht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach eigenen Angaben keine “totale Spaltung” der Gesellschaft. Sein Eindruck sei, dass man in zentralen Fragen gar nicht so weit auseinanderliege, sagte er in seinem am Dienstag veröffentlichten Podcast “Kanzler kompakt”.

“Die ganz große Mehrheit von uns weiß zum Beispiel, dass es ziemlich mau aussehen würde in unseren Krankenhäusern, auf unseren Baustellen, in Kitas und Pflegeheimen ohne all die Arbeitskräfte aus dem Ausland, die vieles am Laufen halten.” Und zugleich erwarteten die allermeisten zu Recht, dass man sich aussuchen könne, wer zu uns komme.

“Die ganz große Mehrheit im Land findet es richtig, der angegriffenen Ukraine bei ihrer Verteidigung gegen Bomben-, Raketen- und Artillerieangriffe zu helfen – und will gleichzeitig nicht, dass Deutschland Teil des Krieges wird”, fügte der Kanzler hinzu. Und viele erwarteten, dass alle diplomatischen Mittel genutzt würden, um zu einem “gerechten Frieden” zu kommen. Das unterstütze man, so der Kanzler.

Scholz sieht die öffentliche Debatte als Grund für die aufgeheizte Stimmung. “Denn wenn man ins Internet schaut, in die sozialen Medien und manchmal auch ins Fernsehen, dann kann man schon den Eindruck kriegen: Je extremer die Meinung, desto größer die Aufmerksamkeit”, sagte er. Oft höre man vor allem die Extreme, aber es komme nicht darauf an, “wer am lautesten schreit”. Die Mehrheit in der Mitte sei “viel, viel größer”.

“Die allermeisten von uns stehen in all den großen Fragen näher beieinander, als es manchmal scheint”, so die Einschätzung des Kanzlers. Er fordere deshalb, dass man weiter miteinander rede, “statt nur noch übereinander oder aneinander vorbei”.

red

SPD-Generalsekretär Kühnert weist FDP-Vorschläge für Sozialkürzungen scharf zurück

Berlin – SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert weist die neuen Vorschläge der FDP für Sozialkürzungen scharf zurück. “Nun ist die Katze also aus dem Sack: Das Wirtschaftswende-Konzept von Christian Lindner besteht vor allem aus der Beschimpfung von Arbeitnehmern”, sagte Kühnert dem “Tagesspiegel” (Montagsausgabe). Die Vorschläge offenbarten einen “zynischen Blick auf unsere Mitmenschen”.

Zuvor war ein Zwölf-Punkte-Plan für Wirtschaftswachstum der FDP öffentlich geworden, indem auch ein Ende der Rente mit 63 und noch härtere Sanktionen gegen Verweigerer beim Bürgergeld gefordert werden. SPD-Generalsekretär Kühnert sagte dazu: “Die SPD lässt nicht zu, dass unser Land mit dem Fingerspitzengefühl von Investmentbankern geführt wird. Grundlage der Ampel-Koalition ist und bleibt der Koalitionsvertrag.”

Beim Bürgergeld seien der Politik durch das Bundesverfassungsgericht enge Grenzen gesetzt worden. Kühnert nannte den Kürzungsvorschlag der FDP “verantwortungslos”. Er sagte: “Es befriedet unsere Gesellschaft nicht, wenn Parteien mit untauglichen Vorschlägen gegen Gesetze polemisieren, die sie selbst beschlossen haben.” Kühnert garantierte auch ein Fortbestehen der Rente mit 63 und nannte sie “eine Frage des Respekts”.

Die für Wirtschaft zuständige Vizefraktionschefin der SPD, Verena Hubertz, kritisierte die Vorschläge zudem als nicht bezahlbar: “Ich sehe nicht, wie die wirtschaftspolitischen Vorschläge in Anbetracht der aktuellen Haushaltslage finanziert werden können”, sagte Hubertz dem “Tagesspiegel”. Insbesondere die Abschaffung des Solis für Spitzenverdiener werde man nicht mittragen können, “denn wir müssen die Wohlhabenden in diesem Land nicht entlasten, sondern Wege finden, wie wir die arbeitende Mitte unterstützen”. Die von der FDP geplante Soli-Abschaffung soll rund zwölf Milliarden Euro kosten.

red

Stuttgart: SPD-Chef Klingbeil schließt weitere Waffenlieferungen an Israel nicht aus

Stuttgart – SPD-Chef Lars Klingbeil schließt weitere Waffenlieferungen an Israel nicht aus. “Gerade die letzten Tage haben gezeigt, dass Israel sich verteidigen können muss”, sagte er am Rande einer Diskussionsveranstaltung in Stuttgart “Ippen-Media”. Die Bundesregierung müsse aber sicherstellen, dass alle Waffenlieferungen aus Deutschland im Rahmen des Völkerrechts eingesetzt werden. “Das ist der Maßstab. Und auf Grundlage dieses Maßstabs wird der Bundessicherheitsrat entscheiden.”

Der SPD-Politiker machte klar: “Wir stehen fest an der Seite Israels. Es gibt keinerlei Legitimation, Israel anzugreifen. Aber natürlich haben wir auch an Israel die klare Erwartung, dass man jetzt angemessen reagiert und alle Seiten dafür sorgen, dass dieser Konflikt nicht weiter eskaliert.” Es müsse jetzt verhindert werden, dass es zu einem Flächenbrand im Nahen Osten komme.

Eine Zweistaatenlösung sei überdies “die einzige politische Lösung”, die Frieden für die Region bringen könne. “Nur so kann dieser Konflikt nachhaltig beendet werden”, so Klingbeil. Im ersten Schritt müsse es um die Freilassung der israelischen Geiseln gehen und darum, dass “humanitäre Hilfe in Gaza endlich ankommt”.

red

Bundeskanzler Scholz warnt vor brisanter Lage in der Flüchtlingskrise

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die Lage in der Migrationskrise mittlerweile auch für brisant. “Die Zahl derjenigen, die zu uns kommen, ist viel größer, als was sich einfach verkraften lässt”, sagte Scholz am Dienstag in einer Sitzung der SPD-Fraktion im Bundestag, wie die “Süddeutsche Zeitung” in ihrer Mittwochausgabe schreiben wird. Es müssten nun die richtigen Dinge getan werden, damit die Bürger “uns vertrauen, dass wir in einer solchen Situation die Lage im Griff haben, dass wir wirklich Kontrolle über das Geschehen haben”.

Scholz verwies in der Sitzung auf die Zustimmung zum Schutz der EU-Außengrenze, auf die Einigung auf den Status sicherer Herkunftsländer für Georgien und Moldau – und sprach von der Notwendigkeit, abgelehnte Asylbewerber konsequent abzuschieben. Klare Kommunikation sei bei dem Thema wichtig, weil viele mit Ressentiments spielten. “Da sind ganz viele mit den Nerven durch”, sagte Scholz zur Lage in den Kommunen.

“Ausdrücklich” bekannte sich der Kanzler zum individuellen Grundrecht auf Asyl. An dieser Verpflichtung werde man nach den Erfahrungen der Nazi-Diktatur nicht rütteln. Die von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder ins Spiel gebrachte Obergrenze für Flüchtlinge nannte Scholz “heiße Luft”.

red

Türkische Wahl und deutsche Politik: Die türkische Gemeinde im Fokus – Interview mit Macit Karaahmetoglu

Am 28. Mai erzielte Amtsinhaber Erdogan einen knappen Sieg in der Stichwahl um das höchste Amt der Türkei und wird somit weiterhin als Staatspräsident fungieren. Die politischen Ereignisse im Vorfeld und im Nachgang dieser emotional geführten Wahl entfachten leidenschaftliche Diskussionen und hitzige Debatten, sowohl in der Türkei als auch hierzulande in Deutschland. Inmitten dieses aufgeladenen politischen Klimas äußerte sich der SPD-Bundestagsabgeordnete Macit Karaahmetoglu aus Ludwigsburg in einem exklusiven Interview mit Ludwigsburg24 zu den brisanten Themen. Das Gespräch beleuchtet eine Vielzahl facettenreicher Aspekte und bietet einen eindrucksvollen Einblick in das Wahlverhalten türkischer Staatsbürger in Deutschland sowie die Beweggründe deutscher Politiker, die sich entschieden gegen Erdogan positionierten. Zudem äußerte Karaahmetoglu eine kritische Haltung gegenüber Agrarminister Cem Özdemir aufgrund seines umstrittenen Vergleichs, der eine breite Debatte auslöste und zu kontroversen Reaktionen führte.

Ein Interview von Ayhan Güneş

LB24: Im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen, sowohl im ersten Wahlgang als auch in der Stichwahl, haben sich zahlreiche deutsche Politikerinnen, Politiker und Mandatsträger öffentlich geäußert. Die Vorsitzenden der Grünen haben eine eindeutige Haltung gegenüber Präsident Erdogan eingenommen und klar dazu aufgerufen, nicht für ihn zu stimmen. Auch Sie haben sich gegen Erdogan ausgesprochen. Was ist die Motivation solcher Äußerungen?

MK: Es ist ein Unterschied, ob man als einzelner Abgeordneter wie ich sagt, dass man sich einen Erfolg der Opposition wünschen würde oder ob Parteivorsitzende sowie Bundesminister eine explizite Wahlempfehlung abgeben. Zweites halte ich für bedenklich. Es war unterm Strich eine Unterstützung von Erdogan, der sich in seiner Erzählung, westliche Mächte würden sich ständig einmischen, bestätigt sehen konnte. Ich glaube, dass die Grünen eigentlich mit einem außenpolitischen Thema Innenpolitik betrieben haben. Sprich: Sie wollten bei deutschen Wählerinnen und Wählern punkten mit einem populistischen Wahlaufruf.

LB24: Warum wurde im Vorfeld von Wahlen wie beispielsweise in Russland 2018 oder China keine solchen Aussagen und Empfehlungen abgegeben? Was waren die Gründe für diese Zurückhaltung?

MK: Das hat vor allem damit zu tun, dass die Türkei für uns ein besonders wichtiges Land ist. Es hat strategisch gesehen eine große Bedeutung, da es sich in einer Region befindet, in der es viele Konflikte und Krisen gibt. Die Türkei liegt zwischen Europa, Asien und Afrika. Zudem ist sie nach wie vor EU-Beitrittskandidat und NATO-Mitglied, wir haben starke wirtschaftliche Beziehungen und eine bedeutende türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland. Die Geschichte zwischen Deutschland und der Türkei ist tiefgreifend und hat starke Traditionen. Aus diesen Gründen ist die Türkei für uns ein wichtiges Land.

LB24: Russland und China sind ebenfalls bedeutende Länder für Europa und Deutschland, und auch hier leben eine beträchtliche Anzahl an Russlanddeutschen.

MK: China kann man nicht mit Russland oder der Türkei vergleichen, da es geografisch weit entfernt ist und es hier vergleichsweise wenige Chinesen gibt. Die Verbindung zu China ist eine andere. Was Russland betrifft, gibt es hier in Deutschland zwar viele Menschen russlandstämmiger Herkunft, das Land ist aber weder mit der EU noch der NATO verbunden. Entscheidender Unterschied ist zudem, dass die Türkei eine starke Zivilgesellschaft hat und Machtwechsel grundsätzlich durch Wahlen möglich sind. Das hat man bei den Kommunalwahlen 2018 gesehen.

LB24: Viele türkischstämmige Wähler in Deutschland fühlten sich von Politikerinnen und Politikern bevormundet, da diese klare Wahlempfehlungen gegen Erdogan und für die Opposition aussprachen. Es entstand der Eindruck, dass sich die Politik nicht um ihre Belange und Bedürfnisse kümmert, es sei denn, es geht um Erdogan. Hat sich diese Strategie letztendlich als kontraproduktiv erwiesen?

MK: Man muss berücksichtigen, dass wir uns in einem freien Land befinden, in dem man sich auch frei äußern darf. Dass dies auch zu einem Land wie der Türkei passiert, zu dem wir  starke Verbindungen haben, ist daher völlig klar. Millionen von Menschen machen Urlaub in der Türkei, es gibt deutsch-türkische Familien und rund 3 Millionen Menschen mit türkischen Wurzeln leben hier. Daher ist es natürlich, dass sich die Menschen für die Türkei interessieren und ihre Meinung äußern möchten. Ich selbst wurde in der Türkei geboren und habe starke Verbindungen zu diesem Land. Folgerichtig interessiere ich mich für das politische Schicksal der Türkei und äußere auch meinen Wunsch, dass das Land auf den Pfad der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit zurückkehrt.

Auf der anderen Seite halte ich es für falsch, wenn nicht nur Einzelpersonen und Abgeordnete sondern Institutionen und sogar Parteien solche Vorschläge machen oder Wahlempfehlungen abgeben. Die türkischstämmigen Menschen haben dann natürlich einen Punkt, wenn sie sagen, dass ihre Anliegen nur selten Beachtung finden, man sich dann aber für sie interessiert, wenn sie Erdogan wählen.

LB24: Würden Sie diese Wahl als Schicksalswahl bezeichnen?

MK: Ich persönlich halte es nicht für angemessen, jede Wahl in der Türkei als Schicksalswahl zu bezeichnen. Die Grundbedingungen der Wahl waren nicht fair dadurch dass Erdogan 90% der Medien kontrolliert. Er führte einen schmutzigen Wahlkampf, in dem er die Opposition mit Lügen überzog. Er präsentierte sogar ein gefälschtes Video vor Zehntausenden von Zuschauern und verbreitete es über die kontrollierten Medien weiter. Alles stand unter dem Ziel, den Oppositionsführer in die Nähe der Terrororganisation PKK zu rücken.

Trotz dieser massiven Propaganda gelang es Erdogan am Ende nur, 52 Prozent der Stimmen zu erhalten. Das zeigt, dass wir in der Türkei eine starke Zivilgesellschaft und eine starke Opposition haben. Mit dieser Wahl ist vielleicht der Weg für die nächsten Jahre aber gewiss nicht das Schicksal des Landes besiegelt worden.

LB24: In Deutschland haben rund 730.000 Wähler (entspricht 67 %) für Erdogan gestimmt, was im Vergleich zur Türkei und anderen Ländern außerhalb der Türkei eine sehr deutliche Mehrheit darstellt. Wie erklären Sie sich das?

MK: Es gibt drei Gründe dafür. Der erste Grund ist, dass viele Türken, die in Deutschland leben, aus den Erdogan-Hochburgen Schwarzes Meer und Inneranatolien stammen, wo die Mehrheit bereits konservativ geprägt ist und daher eine natürliche Nähe zur Partei AKP und Erdogan empfindet.

Der zweite Grund ist – wir haben es eben schon angerissen – dass viele Menschen mit türkisch-muslimischem Hintergrund in Deutschland das Gefühl haben, benachteiligt zu sein. Sie empfinden zudem, dass die Türkei nicht die Wertschätzung erhält, die sie verdient, und dass sie selbst als Bürger dieses Landes abschätzig behandelt werden. Sie haben das Gefühl, als Menschen zweiter Klasse betrachtet zu werden. Viele von ihnen fühlen sich diskriminiert bei der Wohnungssuche und der Jobsuche. Das Thema der doppelten Staatsbürgerschaft betrifft sie ebenfalls, da sie oft davon ausgeschlossen sind. Das kommunale Wahlrecht ist ein weiteres Thema, bei dem sie benachteiligt werden. All diese Formen der Benachteiligung führen dazu, dass Erdogan für viele dann die Antwort ist. Er gibt ihnen das Gefühl, etwas wert zu sein. Er hat die Türkei zu einer regionalen Macht geformt und gilt als starker Mann, der all diesen Ungerechtigkeiten und den Staaten des Westens etwas entgegenzusetzen hat.

Der dritte Grund ist, dass die Türken in Deutschland sich fast ausschließlich aus Medienquellen informieren, die von Erdogan kontrolliert werden. Das betrifft fast 90 Prozent der Medien, die von den Deutsch-Türken nahezu ausschließlich konsumiert werden. Dadurch entsteht natürlich ein Bild von Erdogan, das nicht der Realität entspricht.

LB24: Nachdem bekannt gegeben wurde, dass Erdogan die Stichwahl gewonnen hatte, kam es spontan zu Jubelfeiern und Autokorsos in vielen deutschen Städten, einschließlich Stuttgart und der Region. Es entstand der Eindruck, als hätte die Türkei die Fußballweltmeisterschaft gewonnen, obwohl es eigentlich nur eine innenpolitische Wahl war.

Wie ist das zu erklären?

MK: Das zeigt die emotionale Seite der gesamten Situation. Man kann sagen, dass es zwei Mannschaften gibt: das türkische Team und das türkeikritische Team. Die Menschen haben den Eindruck, dass das pro-türkische Team gewonnen hat, und das ist der Grund für die Feiern. Es ist wichtig zu betonen, dass dies nur ihre persönliche Empfindung ist und nicht die objektive Realität widerspiegelt. Aus ihrer Perspektive haben diejenigen verloren, die die Türkei nicht lieben und den Türken etwas Schlechtes wünschen.

LB24: So gesehen war es mehr als nur eine politische Wahl.

MK: Es ist klar, dass es für die Türken eine emotionale Angelegenheit war. Für viele war die Wahl Erdogans gleichzeitig eine Gelegenheit, der Mehrheitsgesellschaft, die die Türken und die Türkei so wenig wertschätzt, einen Denkzettel zu verpassen. Es ging ihnen um mehr als nur politische Entscheidungen.

LB24: Viele Menschen haben auch für die Opposition gestimmt. Wie gedenken Sie und Ihre Partei nach der Wahl mit diesen enttäuschten Menschen umzugehen?

MK: Es ist wichtig, immer wieder deutlich zu machen, dass eben knapp die Hälfte der Wählenden für die Opposition gestimmt hat. Die pro-demokratische türkische Zivilgesellschaft muss sichtbar bleiben und gehört werden. Das umfasst auch diejenigen, die in Deutschland leben und sich für eine Rückkehr zur Demokratie, die Stärkung von Minderheitenrechten oder den wirtschaftlichen Aufschwung in der Türkei stark machen. Die SPD ist Schwesterpartei der CHP und wird weiter solidarisch an ihrer Seite stehen in der Hoffnung, dass sie eines Tages ein noch besseres Ergebnis zum Wohl der Türkei einfahren kann.

LB24: War es im Großen und Ganzen trotzdem eine demokratische Wahl?

MK: In der Wissenschaft kursiert für die heutige Türkei der Begriff der elektoralen Autokratie. Erdogan ist Autokrat, es finden aber freie Wahlen im Sinne einer weitestgehend freien Stimmabgabe statt. Die Bedingungen vor der Wahl waren aber keineswegs fair. Die einseitige Kontrolle der Medien und die ungleiche Präsenz der Kandidaten haben zu einer Verzerrung des Wahlkampfes geführt. Dies beeinträchtigt die demokratische Legitimation der Wahl. Es ist wichtig, diese Ungleichheiten anzusprechen und sicherzustellen, dass zukünftige Wahlen in der Türkei demokratisch und fair sind, indem gleiche Chancen für alle Kandidaten und Parteien gewährleistet werden.

LB24: Landwirtschaftsminister Cem Özdemir hatte Bundeskanzler Scholz aufgefordert, in Bezug auf die Türkei eine Zeitenwende einzuläuten, indem er die Wahl Erdogans mit dem Angriffskrieg Russlands verglichen hatte. Wie beurteilen Sie diese Aussage?

MK: Ich finde es völlig unangemessen, die Wahl in der Türkei mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auch nur irgendwie zu vergleichen. Und das tut der Begriff „Zeitenwende“ unweigerlich. Die Situation in der Ukraine ist eine humanitäre Tragödie mit schwerwiegenden Konsequenzen für Millionen von Menschen. Solche Vergleiche sollten mit Vorsicht und Sensibilität gemacht werden, um die Ernsthaftigkeit der Ereignisse angemessen zu würdigen. Es ist wichtig, dass politische Aussagen verantwortungsvoll und fundiert sind, um den tatsächlichen Situationen gerecht zu werden.

Herr Karaahmetoglu, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Kanzler Scholz erwartet Mehrheit für Ampel-Regierung bei kommender Bundestagswahl

Berlin – Bundeskanzler Olaf Scholz rechnet eigenen Angaben zufolge mit einer Mehrheit für die bestehende Ampel-Regierung bei der nächsten Bundestagswahl. “Ich bin ganz sicher, dass die SPD, wie bei der letzten Bundestagswahl, auch bei der nächsten gut abschneiden wird und ein Regierungsmandat bekommt, genauso, wie die gesamte Regierung”, sagte Scholz der Sendung “RTL Direkt Spezial”. Die Voraussetzung dafür sei, dass man “gute Arbeit” mache.

“Dass man, wenn es schwer wird, sich auf die Arbeit konzentriert und nicht gewissermaßen von einer Schlagzeile zur anderen läuft”, so der Kanzler. Das funktioniere nämlich nicht.

red

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