Von Ayhan Güneş
Wolfsburg/Berlin. Die wirtschaftliche Lage bei Volkswagen spitzt sich weiter zu. Konzernchef Oliver Blume beschrieb die Situation der Kernmarke VW als „alarmierend“ und kündigte an, dass der Sparkurs mit möglichen Arbeitsplatzabbauten und Werksschließungen verschärft werden müsse. Gleichzeitig fordert die Parteivorsitzende der Linken, Janine Wissler, dass die Großaktionäre, insbesondere der Porsche-Piëch-Clan, die im letzten Jahr erhaltenen Dividenden zurückzahlen, um Arbeitsplätze zu sichern.
„Der Kuchen ist kleiner geworden“
Blume erklärte in einem Interview mit der Bild am Sonntag, dass sich das wirtschaftliche Umfeld bei der Marke VW nochmals verschärft habe. „In Europa werden weniger Fahrzeuge gekauft. Gleichzeitig drängen neue Wettbewerber aus Asien mit Wucht in den Markt. Der Kuchen ist kleiner geworden und wir haben mehr Gäste am Tisch.“ Die europäische Autoindustrie befinde sich in einer äußerst schwierigen Lage, die es in dieser Form noch nie gegeben habe, betonte der VW-Chef.
Der Konzern habe bereits in allen Marken und Gesellschaften Maßnahmen zur Kostenreduzierung etabliert, aber das reiche nicht aus. „Meine Kollegen VW-Chef Thomas Schäfer und Thomas Schmall arbeiten mit ihren Teams deshalb an weiteren Maßnahmen“, sagte Blume, ohne dabei konkrete Einsparungen oder Schritte zu benennen.
VW steht zum Standort Deutschland
Einen kompletten „Kahlschlag“ an Arbeitsplätzen wolle Blume jedoch vermeiden. „Wir stehen fest zum Standort Deutschland, denn Volkswagen hat ganze Generationen geprägt. Wir haben Mitarbeiter, deren Großväter schon bei Volkswagen gearbeitet haben. Ich will, dass auch ihre Enkel hier noch arbeiten können“, betonte der Konzernchef.
Blume, der in Wolfsburg aufgewachsen ist und seit 30 Jahren für den Konzern arbeitet, sieht sich dem Erbe des Unternehmens und der Region verpflichtet. „Volkswagen ist meine Heimat“, so Blume. Gleichzeitig mahnte er jedoch an, dass das Unternehmen mutige Schritte wagen müsse, um wieder erfolgreich zu sein: „In Volkswagen steckt das Wort wagen. Wir müssen wieder etwas wagen: Erfolg wagen.“
Wissler fordert Rückzahlung von Milliarden-Dividenden
Parallel dazu sieht sich der Konzern mit scharfer Kritik von politischer Seite konfrontiert. Janine Wissler, die Vorsitzende der Linken, kritisierte die jüngste Dividendenpolitik des Konzerns scharf. „Es ist unfassbar schäbig, dass ein Konzern wie Volkswagen, der erst im letzten Geschäftsjahr 4,5 Milliarden Euro an seine Aktionäre ausgeschüttet hat, nun behauptet, er könne 5 Milliarden Euro nicht auftreiben, um Werksschließungen und Entlassungen zu verhindern“, sagte Wissler der Rheinischen Post. Besonders Großaktionäre wie der Porsche-Piëch-Clan müssten ihrer Ansicht nach in die Pflicht genommen werden. „Wenn VW wirklich so dringend Geld braucht, dann sollen die Großaktionäre wie der Porsche-Piëch-Clan diese 4,5 Milliarden Euro zurückzahlen.“
Wissler betonte, dass nicht die Beschäftigten die Lasten tragen dürften, die durch jahrelanges Missmanagement entstanden seien: „Es kann nicht sein, dass die Zeche für jahrelanges Missmanagement die Beschäftigten und am Ende der Steuerzahler zahlen, während sich die Aktionäre weiter bereichern.“
Darüber hinaus schlug Wissler einen Vier-Punkte-Plan vor, um die Autoindustrie umzubauen und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern. Dieser Plan umfasst unter anderem eine staatliche Weiterbildungsgarantie für Beschäftigte sowie die Förderung der Produktion von E-Autos, modernen Zügen und Bussen. Sollte es nötig sein, brachte Wissler auch radikale Maßnahmen ins Spiel: „Wenn nötig, müssen wir über Enteignungen und staatliche Beteiligungen nachdenken.“
Die Forderungen der Linken treffen auf einen nervösen Konzern, der sich mit einem massiven Umbruch konfrontiert sieht. Während Blume um Restrukturierungen ringt und die Verbundenheit zum Standort Deutschland betont, wächst der Druck von außen.
red