“Arbeitsplätze sichern heißt Wohlstand sichern” – Gastbeitrag von Thomas Utz

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Bei Bosch in Bietigheim-Bissingen werden bis Ende 2021 etwa 290 Arbeitsplätze in der Fertigung wegfallen. Bei Mann + Hummel in Ludwigsburg sind es bis Ende 2022 rund 400 Produktionsarbeitsplätze und bei Komet in Besigheim nochmal etwas über 200 Stellen.

In den vergangenen Monaten haben sich die Nachrichten über geplante Betriebsschließungen im Landkreis Ludwigsburg leider gehäuft. Eine Entwicklung, die in unserer industrie- und wirtschaftsstarken Region zurecht vielen Menschen Sorgen bereitet. Mit großem Einsatz haben die Beschäftigen in den vergangenen Monaten mit Unterstützung von Gewerkschaften um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze gekämpft. Leider ohne den wünschenswerten Erfolg. Die teilweise verhandelten Abfindungen und Sozialpläne können in Einzelfällen Brücken in eine neue berufliche Tätigkeit oder gar den Eintritt in den Ruhestand bilden. Einmal verloren gegangene Arbeitsplätze – auch für jüngere Generationen – können sie jedoch nicht ersetzen. Hinter jedem abgebauten Arbeitsplatz stecken menschliche Schicksale, geplatzte Träume und finanzielle Sorgen.

Für mich ist klar, dass es das Ziel aller Beteiligten in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik sein muss, dass wir im Landkreis Ludwigsburg auch für künftige Generationen gut bezahlte, sichere und zukunftsfähige Arbeitsplätze haben. Dies gilt ausdrücklich auch für die aktuell besonders betroffenen Produktionsbereiche. Im Landkreis Ludwigsburg sind rund 210.000 Menschen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Knapp 35% davon arbeiten im produzierende Gewerbe. Diese Zahl liegt deutlich über dem bundesdeutschen Schnitt und zeigt die wichtige Bedeutung des industriellen Sektors für unsere Region.

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Das wirtschaftliche Umfeld hat sich nicht erst seit der Corona-Pandemie verändert: Die Globalisierung von Absatz- und Beschaffungsmärkten, die zunehmende Digitalisierung, ein wachsendes Bewusstsein für die Folgen unseres Konsumverhaltens auf Natur- und Umwelt und die Transformation unserer Automobilindustrie. All diese Themen werden auch künftig zu spürbaren Veränderungen führen. Es wäre verantwortungslos, diese Trends zu ignorieren. Selbstverständlich müssen sich unsere heimischen Unternehmen diesen Herausforderungen stellen und ihre Geschäftsmodelle stetig anpassen. Ganz klar: Politik schafft keine Arbeitsplätze. Es sind auch nicht die politischen Akteure, die unternehmerische Risiken tragen. Politik kann jedoch gute Rahmenbedingungen schaffen, die es uns ermöglichen langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

Arbeitsplätze in unserer Region der Tüftler und Schaffer zu sichern heißt für mich vor allem, dass wir innovativ sein müssen. Einen Wettbewerb um die Höhe der Lohnkosten oder die niedrigsten Unternehmenssteuersätze zu führen wäre aussichtlos. Es aus meiner Sicht ein Irrglauben, dass Steuer- oder Abgabenerleichterungen für besonders Wohlhabende und Unternehmen automatisch dazu führen, dass deren Konsum- und Investitionsausgaben steigen und zu einem gesamtgesellschaftlich wachsenden Wohlstand führen.

Wichtiger sollte sein, dass Baden-Württemberg endlich in die bildungspolitische Champions-League aufsteigt. Unsere Schulen müssen bestmöglich digital ausgestattet werden und unsere Lehrkräfte entsprechend ausgebildet sein. Unsere Schulen, Hochschulen und Universitäten müssen die Begabungen, Interessen und Stärken der Lernenden fördern und dabei auch die Begeisterung für naturwissenschaftliche Fächer wieder stärken. Dies ohne dabei den kulturellen, sozialen oder musischen Bereich zu vernachlässigen. Wir müssen die duale Berufsausbildung weiter verbessern und den Weg zum Meisterabschluss gebührenfrei machen. Es ist nicht akzeptabel, dass das Erststudium kostenlos ist und für eine Meisterausbildung tausende Euro fällig werden. Gleichzeitig müssen wir die Beschäftigten mehr als bisher im laufenden Erwerbsleben weiterbilden und qualifizieren. Lebenslanges Lernen muss zu einer Selbstverständlichkeit werden und auch entsprechend staatlich unterstützt werden.

Wir brauchen eine moderne und leistungsfähige Infrastruktur. Schnelles Internet im ganzen Landkreis. Leistungsstarke Transportwege. Einen flächendeckend gut ausgebauten Personennahverkehr. Digitalisierte und schnelle Verwaltungsprozesse. Gleichzeitig brauchen wir mehr öffentliche Anreize für Gründerinnen und Gründer in Form von Wagniskapital (z.B. durch Investitions- und Gründungszuschüssen) – insbesondere auch in Wirtschaftsbereichen außerhalb der Automobilindustrie. Gründungen müssen selbstverständlicher werden. Ich wünsche mir einen Kulturwandel, der die Menschen dazu ermutigt ihre eigenen Geschäftsideen zu verfolgen. Ein mögliches Scheitern darf kein Makel mehr sein sondern muss als Teil eines zielführenden Lernprozesses verstanden werden.

Ich bin überzeugt: wenn wir heute die richtigen Weichen stellen, technologieoffen und innovativ bleiben, auf bestehenden Stärken aufbauen und gleichzeitig verstehen, dass Forschung und Entwicklung von Produktion und Fertigung vor Ort profitieren, dann können wir auch in Zukunft gute und sichere Arbeitsplätze erhalten. Dafür lohnt sich jede Anstrengung.