Grüne kritisieren ÖPNV-Plan des Landkreises Ludwigsburg als rückständig

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Von Uwe Roth

Der Landkreis ist für Vieles zuständig. Derzeit ist das Landratsamt vor allem wegen Corona täglich in den Medien. Doch der Bus- und der lokale Schienenverkehr – das ist weniger bekannt – sind auch in seiner planerischen und finanziellen Verantwortung. Alle sechs Jahre aktualisiert die Kreisverwaltung ihren Nahverkehrsplan (NVP). In dem erklärt sie im Detail ihre Absicht, wo zusätzliche Buslinien eingerichtet werden oder Busse häufiger fahren sollen, um die Mobilität der Kreisbewohner jenseits des Individualverkehrs zu verbessern. Auch der geplanten Stadtbahn ist inzwischen ein großes Kapitel gewidmet. Der noch geltende NVP war im April 2015 vom Kreistag verabschiedet worden. Der nächste liegt im Entwurf vor und soll im Frühjahr verabschiedet werden. Dieser hat die Kreis-Grünen so geärgert, dass sie die Medien zu einem Videotreffen einluden.

Ihre Hauptkritik: Der Entwurf sei veraltet und spiegele den Klimawandel nicht wider. Er könnte so vor zehn Jahren geschrieben worden sein, kritisieren die Kreisrätin Edda Bühler, der Regionalrat Armin Haller und Christoph Erdmenger. Der Ludwigsburger leitet die Abteilung Nachhaltige Mobilität im Ministerium für Verkehr und Infrastruktur Baden-Württemberg und war im vergangenen Jahr als Kandidat für die Wahl des Landrats angetreten. Damals war der heutige Landrat Dietmar Allgeier als Sieger hervorgegangen. 

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Für die Grünen leidet sich eine direkte Verantwortung für den Landkreis, den Nahverkehr massiv auszubauen, aus dem Pariser Übereinkommen zum Schutz des Klimas ab. So stehe Deutschland seit 2015 in der Pflicht, mit ihrer Klimaschutzpolitik den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Der Landkreis müsse seinen Beitrag leisten, dieses Ziel zu erreichen. Der Ausbau des Busverkehrs insbesondere in der Fläche gehöre im Wesentlichen zu einer guten Klimapolitik, begründen die Mitglieder der Ökopartei, warum der Entwurf des Nahverkehrsplans mit wenig neuen Linienvorschlägen den Anforderungen nicht gerecht werde und wenig zum Klimaschutz beitrage. Die Grünen geben als Ziel vor: Sollen im Landkreis Ludwigsburg nicht zehn Prozent mehr Autos fahren wie prognostiziert, sondern zehn Prozent weniger, muss der öffentliche Verkehr 250000 Fahrgäste täglich aufnehmen – und zwar zusätzlich zu den heute 216000.

Die Grünen gehen davon aus, dass die Menschen im Grunde bereit seien, ihr Auto stehen zu lassen, wenn das Angebot des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) stimme. Das heißt, es fahren Busse nicht nur in den Städten in kurzen Abständen und in einem dichten Liniennetz, sondern ebenso in den ländlichen Gebieten – und das zuverlässig auch abends sowie an den Wochenenden. Dann sei es für die Menschen bequemer als mit dem eigenen Fahrzeug, um von A nach B zu kommen.

Stimmt die These der Grünen, könnte ein gutes ÖPNV-Angebot die Staus auflösen. Halbherzige Angebote führten dabei zu keinem Erfolg. Bestimmte Linien sind selten ausgelastet. So die Expresslinie zwischen Ludwigsburg und Waiblingen. Für Regionalrat Haller ein Zeichen, dass diese Linie zu selten bedient werde und daher für Pendler unzureichend attraktiv sei. Aus seiner Sicht sollte die über eine Milliarde Euro, die eine Tunnelvariante des Nord-Ost-Rings kosten würde, in die Verbesserung des ÖPNV investiert werden. „Expressbusse gibt es im Landkreis bisher nur zwei: Neue Expressbusse sieht der Nahverkehrsplan auf seinen rund 100 Linien nicht vor“, bedauert Haller und fordert: Auf den 20 stärksten Linien im Landkreis sollen zusätzliche Expressbusse fahren. Damit sie schnell ans Ziel kommen, solle Busbeschleunigung auch dann umgesetzt werden, wenn der Pkw-Verkehr dafür zurückstehen müsse.

Damit der ÖPNV als konkurrenzfähig wahrgenommen werde, müssten Busse mindestens alle Viertelstunde abfahren. Bisher erfüllten dies nur 32 Strecken im Landkreis, also ein Drittel der Linien. Laut Entwurf der Kreisverwaltung kommen ganze fünf Linien hinzu. „Wir schlagen vor, den Viertelstundentakt werktags und den Halbstundentakt sonntags zum Standard zu machen. Dies sollte auf 80 Linien gelten“, fordern die Grünen. Schüler seien oft auf den Bus- und Bahnverkehr angewiesen. „Nicht nur als Stammkundschaft, sondern als ÖV-Kunden von morgen sind sie zentral für Busse und Bahnen. Daher muss der Weg weiter gegangen werden, zusätzliche Busse und langfristig auch Bahnen auf den zentralen Verbindungen einzusetzen“, sagt Kreisrätin Bühler. Dazu seien mehr Direktverbindungen notwendig. Gerade beim Schulverkehr sei die Ausrichtung des Busverkehrs als Zubringer der Schiene nicht zeitgemäß. 

„Der Ausbau des Bus- und Bahnverkehrs im Landkreis wird ein Kraftakt – das steht außer Frage“, wissen auch die Kritiker des NVP-Entwurfs. Seine Finanzierung koste nicht nur Geschick, sondern auch Geld. „Der Reflex, alle Vorschläge als unbezahlbar abzulehnen ist vorhersehbar“, fürchtet Bühler. Doch sei auch die Klimakrise unbezahlbar. „Daher plädieren wir dafür, eine sinnvolle Reihenfolge einzuhalten: Zuerst muss ein Plan ausgearbeitet und finanziell optimiert werden.“