Hemmingen und Großbottwar empört über Deponiepläne des Landkreises

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Die Einwohner von Hemmingen und Großbottwar sind aufgeschreckt. Die Kommunalpolitik ist alarmiert. Denn die Abfallverwertungsgesellschaft des Landkreises Ludwigsburg (AVL) sucht eine geeignete Fläche für eine Mülldeponie und hat die Gemarkung der beiden Kommunen als erste Option ausgemacht. Tilman Hepperle, Geschäftsführer der AVL, versichert, dass es zeitnah öffentliche Informationsveranstaltungen geben wird. „Zwei Botschaften wollen wir dabei vor allem transportieren“, so Hepperle. „Erstens: Es ist noch nichts entschieden, wir sind noch in einem sehr frühen Stadium der Prüfung, es ist noch keine Standortentscheidung gefallen; und Zweitens: Es geht uns nicht um einen Deponiestandort im herkömmlichen Sinne, wir sprechen von einem Zukunftsstandort.“

Johannes Wolff, Leiter der Abteilung Deponie- und Energietechnik der AVL, erklärt: „Eine moderne Mineralstoffdeponie, oder umgangssprachlich Erddeponie, ist etwas komplett anderes als die damaligen Müllkippen.“ Erddeponien seien streng überwachte technische Anlagen, die viel Potential für Ressourcenschonung und nachhaltige Energiegewinnung besäßen. „Auf dem neuen Standort will die AVL einen noch stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeitsthemen legen“, versichert der Abteilungsleiter.

Die Gemeinde Hemmingen und die Stadt Großbottwar haben unmittelbar mit einem Protest reagiert. Hemmingens Bürgermeister Thomas Schäfer teilte zu den AVL-Plänen mit: „Wir sehen den vorgesehenen Standort an der Kreisstraße K1653, nördlich des Kreisverkehrs Richtung Heimerdingen, Eberdingen, Hochdorf und Hemmingen sehr kritisch, um nicht zu sagen als ungeeignet an.“ Die Verkehrsanbindung sei „mehr als suboptimal“. Es würde deutlich mehr Schwerlastverkehr durch Hemmingen rollen. „Dabei haben wir schon jetzt eine Dauerbelastung der Anwohner und der Infrastruktur. Dies betrifft nicht nur Hemmingen, sondern auch die Nachbarkommunen Eberdingen und Ditzingen mit seinem Stadtteil Heimerdingen“, wehrt der Rathauschef ab.

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Der Bürgermeister von Großbottwar reagierte in einer ersten Stellungnahme ähnlich scharf: Bürgermeister Ralf Zimmermann: „Wir sind ob der Größe und des geplanten Standorts der Deponie schockiert. Wir halten den Standort unter anderem verkehrstechnisch für völlig ungeeignet.“ Die Stadtverwaltung und der Gemeinderat der Stadt Großbottwar seien sich bewusst, dass eine moderne Müllentsorgung notwendig und sinnvoll sei.

Aber was der Landkreis nun plane, „wäre für das Landschaftsbild des Bottwartals fatal“. Der geplante Standort liege mitten im Oberen Bottwartal und sei von mehreren Bereichen sehr gut einsehbar. Die Stadt habe das Landschaftsbild „immer behutsam weiterentwickelt“ – nun sollten fast 50 Hektar Acker und Streuobstwiesen in eine Deponie umgewandelt werden. Dies sei aus Sicht des Gemeinderates weder vermittelbar noch vertretbar, heißt es aus dem Rathaus von Großbottwar.

Das kommunale Unternehmen AVL versucht, die Wogen zu glätten und seine Vorgehensweise zu erklären: In den vergangenen Monaten seien gemeinsam mit einem Ingenieurbüro eine umfassende Flächenanalyse des gesamten Landkreises durchgeführt worden. Geprüft worden sei beispielsweise, welche Flächen überhaupt in geologischer Hinsicht geeignet sind (zum Beispiel nicht zu steile Topografie). Zudem sei untersucht worden, wo es Einschränkungen wegen Wasserschutz- und Landschaftsschutzgebieten gebe.

Die beiden genannten Standorte will die AVL nun auf dieser Grundlage näher auf ihre Eignung prüfen. Bis in Hemmingen oder Großbottwar ein neuer Standort eröffnet werden kann, werden aufgrund der noch anstehenden Prüfungen und dem Durchlaufen eines Planfeststellungsverfahren „voraussichtlich noch zehn Jahre vergehen“, so der AVL-Geschäftsführer. „Wir werden die beiden jetzt gefundenen potenziellen Standorte nun in aller Ruhe fachlich vertieft prüfen lassen“, kündigt Tilman Hepperle an.

Die Suche nach einem neuen Deponiestandort sei für den gesamten Landkreis von großer Bedeutung, um eine sachgerechte Ablagerung der im Landkreis entstehenden mineralischen Abfälle zu sichern und gleichzeitig weite Transportwege zu vermeiden. Der Vorwurf, dass Landkreis und AVL bereit seien, leichterhand ökologisch und landschaftlich wertvolle Flächen zu opfern, gehe an der Sache vorbei. „In dieser wichtigen Frage sollten wir uns nicht einseitig von Emotionen leiten lassen, sondern von Fakten und vom sachlichen Für-und-Wider. Wir möchten daher alle Beteiligten einladen, sich am Dialog zu beteiligen, ohne dabei Fronten aufzubauen“, so Hepperle weiter.

red / uw / ag