Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg: Was geht, was fehlt? Gastbeitrag von Christoph Erdmenger

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Ein Gastbeitrag von Christoph Erdmenger (Bündnis 90/Die Grünen)

Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg. Was geht, was fehlt?

Der Landkreis Ludwigsburg ist einer der reichsten Landkreise Deutschlands und hat daher vergleichsweise große Handlungsspielräume. Was hier gemacht wird, kann Vorbild werden. Was nicht gemacht wird, kann man hingegen von anderen Regionen der Welt nicht guten Gewissens verlangen. Wie steht es also um diese Vorbildfunktion beim Klimaschutz?

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Wer Klimaschutz ernst nimmt, muss ich zunächst klarmachen, dass es nicht um abstrakte Wohltaten geht, sondern um die Abwehr und Abmilderung einer konkrete Bedrohung. Dürren, Überschwemmungen, Hitzewellen – sie sind in Deutschland bereits Realität, obschon sich das Weltklima bisher nur um gut ein Grad erwärmt hat. Um der jüngeren Generation und ihren Kindern eine lebenswerte Welt zu hinterlassen setzt das Pariser Klimaabkommen den Maßstab: Höchstens um zwei Grad und möglichst nur um 1,5 Grad darf sich das Klima erwärmen. Das heißt: Die Industrieländer müssen spätestens 2040 besser 2030 klimaneutral sein.

Nun ist Klimaschutz im Kreis Ludwigsburg zweifellos ein bei vielen Menschen, Unternehmen und in der Politik anerkanntes Ziel. Es ist auch Teil vieler politischer Entscheidungen. Aber es fehlt noch viel, um ausreichend zu handeln. Was fehlt von Affalterbach bis Vaihingen um ein deutsches oder gar ein globales Vorbild zu sein?

Die richtige Richtung?

Die richtige Richtung ist eingeschlagen. Auch wenn sie kaum jemand kennt: Es sind sogar seit 2015 Klimaschutzkonzepte für Kreis und alle Kommunen vorhanden. Vergleicht man Ludwigsburg mit anderen Baden-Württembergischen Kreisen so findet sich der Kreis meist im Mittelfeld, mitunter in der Spitzengruppe. Meist fehlt aber eins zum Erreichen des Ziels: Eine Vorstellung von der Geschwindigkeit und den Beiträgen anderer. Der Kreis gleicht einem Wanderer nach Amerika, dem nicht bewusst ist, dass er nach Monaten Fußweg lediglich eine Küste erreichen wird, nicht aber sein Ziel. So wie der Wanderer einen Zeitplan und die Hilfe weiterer Verkehrsmittel braucht, so braucht der Kreis durchgerechnete Konzepte, ausreichend Ressourcen finanzieller und personeller Natur und muss die Beiträge anderer Akteure wie z.B. der Wirtschaft, den Energieversorgern und der Bundesregierung klar beim Namen nennen.

Die richtige Geschwindigkeit?

Wie Klimaschutz wirklich geht und wie dabei die richtige Dynamik an den Tag gelegt wird, zeigt der Kreis bei seinen eigenen Gebäuden: Da gibt es das Ziel, sie bis 2035 ohne CO2-Ausstoß zu betreiben und Maßnahmen, um dem Ziel schon heute schnell näher zu kommen. In den meisten Feldern allerdings gibt sich der Kreis mit „ein bisschen Klimaschutz“ zufrieden. Der erste Schritt mag der Schwerste sein, aber Wanderer wissen, dass es auch im Laufe des Tages noch beschwerlich wird. Da die meisten Investitionen und Verhaltensänderungen 10-20 Jahre dauern, muss bereits heute konsequent beginnen, wer 2040 oder besser früher gar keine Kohle, kein Erdöl und kein Erdgas mehr verwenden kann. Daher müssen neue Gebäude heute klimaneutral errichtet und bestehende Gebäude klimaneutral saniert werden. Zudem müssen Erneuerbare Energien in einem Tempo ausgebaut werden, dass 2030 eine Strom- und Wärmeversorgung ohne Kohle- und Gaskraftwerke in Heilbronn und anderswo möglich ist. Wohlgemerkt: Die Technologie ist dazu da und die Kosten liegen unter denen fossiler Kraftwerke.

Wie das andernorts aussieht, kann man z.B. in Oslo besichtigen. Die Stadt möchte bis 2030 klimaneutral sein. Daher ist dort der Einbau neuer Öl- und Gasheizungen undenkbar. Vielmehr arbeitet die Stadt daran, die noch vorhandenen Anlagen durch stromgetriebene Wärmepumpen und erneuerbare Fernwärme zu ersetzen. Dies erscheint dort sogar als der leichte Teil der Übung. Schwierig sind aus Sicht der Stadt inzwischen die Arbeiten an den restlichen CO2-Quellen, z.B. der Frage, wie das Müllheizkraftwerk CO2-neutral gestaltet werden kann.

Die richtigen Ressourcen?

Bleiben wir beim Bild des Wanderers: Er wird ohne ausreichende Reisekasse, ohne Visum und ohne Sprachkenntnisse selbst mit Hilfe von Anderen nicht nach Amerika zu kommen. Auch beim Klimaschutz sind die richtigen Ressourcen, also ausreichend Geld, geschultes Personal und die richtigen Werkzeuge gefragt. Allzuoft setzt die Politik auf die Freiwilligkeit und „Mitwirkung des Bürgers“. Dadurch allein kommt aber nicht einmal ein Schiff ins Ziel. Vielmehr braucht es die richtige Infrastruktur und ehrliche Preise. Zudem braucht es Regeln – auf einem Schiff z.B. wäre es undenkbar sich so zu verhalten, dass das Schiff nur langsamer vorankommt. Ganz konkret tut der Kreis seinen Bürgern auch einen Bärendienst, wenn die EU- oder Bundespolitik zunehmend ernste Klimaschutzmaßnahmen entfaltet, der Kreis aber nicht vorbereitet ist: Werden fossile Brennstoffe dann teuer oder sogar knapp, stehen veraltete Gebäude, Betriebe und Verkehrssysteme schnell vor einem Problem.

Tatsächlich ist Klimaschutz in Ludwigsburg heute das Tätigkeitsfeld weniger engagierter MitarbeiterInnen, nicht der Chefebene. So gibt es im Kreis kein hochrangiges Gremium, das sich regelmäßig zu den Fortschritten der Hauptakteure berichten lässt und nachsteuert. Auch kein Bürgermeister oder gar der Landrat machen das Thema zur Chefsache. Lustig, aber wirklich war: Im jüngsten Bericht des Landkreises zur Umsetzung des Klimakonzeptes wurde zum Thema „Chefsache“ die Kategorie „in Planung“ angekreuzt.