Ludwigsburgs Landrat Allgaier: Impfstoff kann Menschen die notwendige Perspektive geben – Disziplin ist weiter wichtig

ANZEIGE

Von Uwe Roth

Der Ludwigsburger Landrat setzt große Hoffnung in die angekündigte Zulassung eines Impfstoffes gegen den Corona-Virus. Wie Dietmar Allgaier in einem Gespräch mit Ludwigsburg24 sagt, könnte das gefundene Mittel nicht nur zu einem späteren Zeitpunkt die Pandemie eindämmen, sondern schon jetzt der Bevölkerung eine Perspektive auf eine Verbesserung der Lage geben. Auch wenn dies noch dauern könnte. Nach seiner Überzeugung ist die gewachsene Perspektivlosigkeit in den vergangenen Wochen mit dem neuen Teillockdown ein Grund, warum manche Menschen an den staatlich verordneten Corona-Regeln zweifeln.

Der Landrat ist seit Ausbruch der Pandemie bei der Bewältigung der Folgen der wichtigste Krisenmanager im Landkreis mit seinen rund 545 000 Einwohnern. Der Chef der Kreisbehörde ist für den Landkreis Ludwigsburg unter anderem der oberste Gesundheits- und Bevölkerungsschutz-Verantwortliche. Die Kreisverwaltung hat im Bereich der polizeilichen Aufgaben wichtige Befugnisse, für die er die Aufsicht hat. Der Landrat kann Maßnahmen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens verfügen, die über die des Landes und des Bundes hinausgehen, sollte das für den Landkreis notwendig werden. „Wir können die Verordnung des Landes nicht einschränken. Aber wir haben weitreichende Befugnisse. Das ist in der Corona-Verordnung so festgelegt. Wenn der 7-Tage-Inzidenzwert über 50 liegt, geht die Zuständigkeit an die Landkreise über.“

ANZEIGE

Doch mit behördlichen Anordnungen allein ist es nicht getan, damit sich die Menschen corona-gerecht verhalten, einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wo es vorgeschrieben ist, und im öffentlichen Raum immer den notwendigen Abstand halten. Es gehe darum, den Menschen ein Ende der Einschränkungen in Aussicht stellen zu können. „Eine Perspektive zu schaffen, das ist ganz wichtig“, stellt der 54-Jährige klar. Dazu könne die begründete Hoffnung auf einen Impfstoff beitragen. Aber noch sei der Wille zum Durchhalten gefragt. „Besonders an den bevorstehenden Advents- und Weihnachtsfeiertagen wollen die Familien zusammenkommen. Das verstehe ich. Aber auf der anderen Seite hilft es nichts, wenn man das aktuelle Infektionsgeschehen ignoriert.“ Das Infektionsgeschehen gebe nicht die Politik vor, sondern entwickle sich. Jeder wünsche sich, dass die Pandemie so bald wie möglich endet. „Aber es ist klar, sie wird nicht zum 31.12. zu Ende sein – auch nicht mit der Einführung eines Impfstoffes.“ Mit den Einschränkungen müssten die Menschen leider bis weit ins nächste Jahr hinein leben.

Landrat Allgaier betont, dass die Krisensituation noch lange nicht beendet ist. In einer solchen sei in erster Linie „Fachlichkeit gefragt“. Virologen und Mediziner stünden mit ihrer fachlichen Beurteilung im Vordergrund – nicht die politische Meinung. „Ich bedauere, dass der Kampf gegen die Pandemie zu einem Wahlkampfthema zu werden scheint. Das ist das völlig falsche Thema für den Wahlkampf.“ Es gelte vielmehr, „hinter der Regierung und den Fachleuten zu stehen. Solche Maßnahmen verordnet niemand gerne“, stellt Allgaier klar. Aber wenn bestimmte Anordnungen notwendig seien, um die Pandemie einzudämmen, seien diese hinzunehmen. „Der parlamentarische Raum sollte das akzeptieren.“ Leider habe er feststellen müssen, dass sich die politische Diskussion verändert habe. So hätten bedauerlicherweise einige Bürgermeister und Oberbürgermeister die Maßnahmen in Frage gestellt. „Der parlamentarische Raum muss informiert werden – das ist eindeutig. Doch in einer Krisensituation ist in erster Linie Handeln gefragt und nicht die politische Diskussion. Wenn man Maßnahmen in Frage stellt, führt das zu weiteren Unsicherheiten in der Gesellschaft“, ist Allgaier überzeugt.

Als Chefbeamter habe er zu funktionieren, sagt er über sich selbst. „Ich schrecke vor Krisen nicht zurück. Ich sehe meine Aufgabe als Landrat darin, mich Krisen zu stellen. Bereits in früheren beruflichen Stationen habe ich Krisensituationen miterlebt“, so Allgaier. Er spüre „eine wahnsinnige Verantwortung für über eine halbe Million Menschen hier im Landkreis“. Er möchte gerichtsfeste Entscheidungen treffen. „Ich möchte, dass die Menschen verstehen, warum man die Entscheidung genau so getroffen hat.“ Alles in allem habe er den Eindruck, dass die Menschen im Landkreis bislang sehr verständnisvoll seien. „Klar, nicht alle Entscheidungen stoßen auf Gegenliebe. Jeder kann es für sich selbst beurteilen. Deswegen gibt es bei uns die Meinungsfreiheit. Wir bekommen die Pandemie aber nur in den Griff, wenn jeder für sich selbst Verantwortung übernimmt.“ Inzwischen habe „jeder Mensch so viele Informationen und kennt sich soweit aus, dass er eigenverantwortlich handeln kann“, ist der Landrat überzeugt. „Ich halte die Anti-Corona-Demos für fehl am Platz. Weil ich hautnah miterlebe, was die Konsequenz in gesundheitlicher Hinsicht sein können.“ Erst kürzlich seien über zehn Menschen in einem Pflegeheim in Freudental an und mit Corona verstorben. Da macht er sich schon Gedanken. „Es waren alles demenzkranke Menschen, die nicht mehr auf die Straße gegangen sind. Dort haben sie sich also nicht infiziert. Es können aber Mitarbeiter und Besucher gewesen sein, die das Virus in die Einrichtung gebracht haben.“ Das bewege einen auch selbst: „Auch ich habe die eine oder andere Nacht, in der ich nicht gut schlafe.“

Landrat Allgaier ist seit knapp einem Jahr im Amt: „Die ersten zehn Monate waren wegen dieser turbulenten Zeit so intensiv, dass gefühlt mein Amtsantritt viel länger her ist“, zieht er eine erste Bilanz. Die ersten sieben Wochen seien „normale Landratstätigkeit gewesen. Ich habe die Zeit bis Ende Februar damit verbracht, Mitarbeiter kennenzulernen, Antrittsbesuche zu machen und offizielle Termine wahrzunehmen. Dann kam Corona, und für mich und meine Mitarbeiter hat sich der berufliche Alltag schlagartig verändert. Wir waren mit einem Schlag mit einem uns völlig unbekannten Thema konfrontiert.“ Inzwischen seien 140 Mitarbeiter der Kreisverwaltung ausschließlich mit der Bewältigung der Coronakrise beschäftigt.

Trotz der weitgehenden Konzentration habe er in den ersten zehn Monaten seiner Amtszeit das Landratsamt sehr gut kennengelernt. „Ich war im Haus viel unterwegs, da es wegen des Lockdowns wenig Außentermine gab. Schade war allerdings, dass die Sachthemen, die ich als erstes in Angriff nehmen wollte, erst einmal in den Hintergrund geraten sind, weil Krisenmanagement angesagt war.“ Losgelöst vom Thema Corona: „Ich bin in dem Amt angekommen. Es macht Spaß. Ich brenne darauf, in den nächsten Jahren Themen im Landkreis voranzubringen.“