“Man schläft nicht mehr so tief wie früher und man macht sich viele Gedanken” – Volker Schoch im Interview

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Volker Schoch ist als Geschäftsführer der Bietigheim Steelers GmbH in Zeiten von Corona mehr gefordert denn je. Im Interview mit Ludwigsburg24 spricht der 55-Jährige über die sportliche Situation der Steelers und die großen Herausforderungen in der aktuellen Saison.

Ein Interview von Ayhan Güneş

Wie sehr werden Ihre sportlichen Erwartungen in der laufenden Saison vom Team erfüllt?
Wir sind absolut voll im Soll. Unser vorgegebenes Saisonziel war unter die ersten vier zu kommen und dort haben wir uns in den letzten Wochen etabliert. Man gewinnt in Frankfurt, wenn alle voll dabei sind. Man verliert in Landshut, wenn man nicht mehr hundert Prozent bringt und mit dem Kopf nicht mehr ganz dabei ist. Wir sind körperlich topfit und gut durch die Corona-Krise und aus der Quarantäne gekommen. Für das, was wir uns wirtschaftlich leisten können und vorgenommen haben, sind wir absolut im Soll.

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Sehen Sie einen körperlichen Unterschied bei den Spielern vor und während Corona? Sind sie fitter oder weniger fit?
Unsere Spieler sind Profis, die haben sich alle ordentlich auf die Saison vorbereitet und wer keine Corona mit kritischem Verlauf hatte, ist genauso fit wie im Vorjahr. Ich würde sogar sagen, dass unsere Spieler noch fitter sind, weil wir im Sommer mehr Zeit hatten. Aber wie wir aus der Presse wissen, gibt es natürlich auch Fälle unter den Sportlern, die es richtig hart erwischt hat, die heftige Lungenprobleme haben.

Wie oft wird das Team auf Corona getestet?
Wir machen täglich eine Symptomabfrage, das bedeutet, dass jeder Spieler, bevor er zu uns in die Arena kommt, von zu Hause aus einen Onlinebogen ausfüllen muss. Wenn er Symptome hat, bleibt er zu Hause und wird getestet. Wenn er negativ ist, darf er kommen, fällt der Test positiv aus, muss er in Quarantäne. Dann werden alle anderen Spieler automatisch auch getestet.

Ligaverbleib, Aufstieg oder sogar Oberliga – wie lautet Ihre Prognose?
Unser Ziel ist es, wirtschaftlich zu arbeiten. Das bedeutet konkret, zu sparen und nur dort Geld auszugeben, wo es notwendig ist. Im Moment haben wir bei den Sponsoren ein Minus von 30 Prozent zum Vorjahr, dazu fehlen Zuschauereinnahmen aus VIP-, Dauer- und Tageskarten in Höhe von 1,27 Millionen Euro. Ich hoffe deshalb auf weiterhin positive Signale unserer Sponsoren, und darauf, dass sie ihre Verträge erfüllen, trotzdem wir leider im Gegenzug nicht viel an Werbemaßnahmen leisten können. Dann hoffen wir ebenso auf die staatlichen Unterstützungen, damit wir die Steelers am Ende dieser Saison in der Liga halten, alle Spieler und Rechnungen bezahlt haben und sauber aus der Saison gehen können. Der Aufstieg hängt davon ab, ob wir Meister werden, denn nur dann haben wir ja die Aufstiegsberechtigung. Den Lizenzantrag dafür haben wir gestellt und im Fall der Meisterschaft wird die DEL ihn dann prüfen, damit wir zur zugelassen werden. Wir werden dann ein Budget aufbauen, das zu uns passt. Es wird zwar nicht reichen, um sofort in der DEL Meister zu werden, aber wir werden ein Budget haben, um eine Mannschaft zu finanzieren, die in der Liga mitspielen kann.

Was ist, wenn Sie den Aufstieg nicht schaffen?
Wenn wir es nicht schaffen, dann verbleiben wir in der DEL 2 und versuchen den Aufstieg mit dem zweiten Anlauf.

Hand aufs Herz. Es muss doch Ihre oberste Priorität sein, für die Zuschauer sowie die Sponsoren aus finanziellen Gründen, den Aufstieg unbedingt jetzt schon zu schaffen.
Auf sportlicher Ebene lautet unsere Priorität, so lange wie möglich erfolgreich Eishockey zu spielen. Was am Ende dabei rauskommt ist das, was zu bewerten ist. Ich wiederhole nochmal: Wenn wir am Ende Meister sind, werden wir ein Budget aufstellen, das wir uns leisten können. Wird dieses anerkannt, steigen wir auf und dann werden wir mit diesem Budget wirtschaften müssen. Corona und die Reduzierung von Sponsorengelder betrifft ja nicht nur Bietigheim, sondern alle anderen Clubs gleichermaßen. Ebenso die Clubs, die in der DEL in der hinteren Hälfte stehen. Bei denen werden die Rosen auch nicht vom Himmel fallen. Jeder muss sich nach der Decke strecken. Wir werden die Decke so definieren, wie wir sie uns leisten können. Reicht es, ist es schön. Reicht es nicht, steigen wir wieder ab, aber so ist Sport. Wir werden zu keiner Zeit und in keiner Liga Harakiri betreiben.

Sie sind Mieter der EgeTrans Arena. Kommt die Stadt Ihnen hier entgegen?
Nein, das tut sie bislang nicht. Wir sind auch derzeit in einem ganz regulären Mietverhältnis, aber sind mit den Stadtwerken als Betreiber in Gesprächen darüber, wie wir uns gegenseitig unterstützen können, um diese schwierigen Zeiten zu überstehen.

Wie sehr belastet Sie persönlich die aktuelle Situation in der Halle?
Ein Spieltag ohne Zuschauer, ist ein besonderer Spieltag. Es fehlt die Stimmung, Emotionen finden nur noch auf dem Eis statt. Es fehlt der Geruch nach der Bratwurst oder dem verschütteten Bier, es fehlen die Menschenmassen, die sich durch die Halle schieben. Es ist niemand da, der einen in der Arena oder im VIP-Raum anspricht, es sind keine Menschen da, die einem Tipps geben, was man bessermachen muss. Es fehlt der direkte Kontakt zu Fans, Unterstützern und Kunden. Aber man gewöhnt sich sehr schnell daran. Man hält sich in der Drittelpause nicht durch eine Suppe oder ein warmes Getränk am Leben, sondern man dreht Runden durch die Halle, weil die einfach kalt ist. Es ist Eishockey einer ganz anderen Art, aber der Sport ist im Endeffekt der gleiche geblieben. Wir müssen uns sportlich so gut wie möglich präsentieren und den Menschen zeigen, dass wir auch in diesen schwierigen Zeiten den Sport ernstnehmen. Und wir müssen es wirtschaftlich darstellen können und hoffen, dass wenn sich alles wieder Richtung Normalität entwickelt, wir die Zuschauer dazu bewegen können, sich wieder Karten zu kaufen und die Sponsoren zu halten, damit es weitergeht.

Können Sie als Geschäftsführer der Steelers bei den fehlenden finanziellen Mitteln noch ruhig schlafen?
Man schläft nicht mehr so tief wie früher und man macht sich viele Gedanken, weil man Verantwortung hat für die Mitarbeiter und auch für den Standort. Man will das Eishockey weiterhin in Bietigheim etabliert haben, man will weiterhin Menschen haben, die einen zukünftig unterstützen. Deshalb muss man jetzt Zeichen setzen. Es ist uns trotz aller Auflagen bis zum heutigen Tag sehr gut gelungen, uns wirtschaftlich sauber darzustellen und die monatliche Prüfung, der wir unterliegen, immer positiv zu bestehen. Es gibt keine Mahnungen oder Anmerkungen, sondern es wird so gesehen, dass wir hier ordentlich arbeiten und den ganzen Apparat am Laufen halten. Im Moment habe ich keine Sorge, aber wir wissen natürlich nicht, was in Zukunft noch kommt. Wir müssen jeden Tag hoffen, dass die noch ausstehenden Fördermittel genehmigt und von der Regierung freigegeben werden und bei uns ankommen. Aber das betrifft nicht nur Eishockey, sondern auch Hand-, Basket- und Volleyball in ähnlichem Umfang. Aber Hoffnung ist keine Strategie. Unsere Strategie lautet ganz klar: Sparen, Kostenbewusstsein zeigen und den Kader so aufbauen, wie wir ihn uns leisten können. Wir nehmen nur das Geld für neue Spieler, das eh geplant war und versuchen dabei auch noch unter dem bereitgestellten Budget zu bleiben. Wir kaufen von dem Geld keine Spitzenspieler, sondern gehen lieber in die Breite, weil wir übers Kollektiv kommen wollen. Für uns sind Spieler interessant, die charakterlich zu uns passen und die Rolle annehmen, die wir ihnen geben. Wir haben gute Spieler und gute Trainer, die mit den Spielern und ihren Fähigkeiten umgehen können. Wir sind von unserer Mannschaft überzeugt und werden mit diesem Team die Saison beenden.

Woher nehmen Sie die Kraft, Energie und Motivation, die derzeit schwierige Situation zu stemmen?
Ich habe keine ausgefallenen Methoden, sondern versuche, die ganze Situation realistisch einzuschätzen. Ich bin mir meiner Verantwortung bewusst gegenüber allen Spielern und Mitarbeitern sowie deren Vertrauen in uns. Also motiviere ich mich darüber, die Verantwortung wahrzunehmen und daran zu glauben, dass wir auch die Verpflichtung haben, den Zweiflern an unserem Tun zu zeigen, dass wir mit unserem Handeln auf dem richtigen Weg waren. Wir haben viel Kritik kassiert die letzten zwei Jahre, weil wir mit einem jungen Trainer etwas versucht haben. Leider hat er die Erwartungen nicht erfüllt, aber dieses Risiko war uns bewusst. Wir sind also nicht sehenden Auges gegen die Wand gefahren, sondern an ihr entlang geschrammt. In dem Jahr, in dem es dann wirklich um was ging, haben wir entsprechende Maßnahmen eingeleitet, die, Stand heute, uns bestätigen. Wir haben immer noch Chancen, sportlich dabei zu bleiben und auch wirtschaftlich sind wir noch voll im Rennen. Es motiviert mich zu wissen, was wir tun und dass wir alles andere als im Sinkflug sind.

Wie schalten Sie ab, um mal nicht ans harte Tagesgeschäft denken zu müssen?
Nach einem langen Arbeitstag schaue ich im Internet, was über uns geschrieben wurde und wie die Versteigerung unserer Trikots lief. Nein, Spaß beiseite: Ich wohne auf dem Land, bin sofort in der Natur und gehe deshalb wann immer möglich an die frische Luft. Ich beschäftige mich viel mit meiner Familie und versuche dabei, an etwas anderes zu denken, was aber in diesen Zeiten extrem schwierig ist. Denn die Aufgaben, die Nöte und die Folgen hängt man nicht mit der Jacke an die Garderobe. Das alles blendet man nicht so einfach aus. Man ist in der Verantwortung und das beschäftigt einen Tag und Nacht. Du wachst nachts auf und überlegst: Mensch, habe ich auch an alles gedacht, sind alle informiert, wer könnte jetzt wieder beleidigt sein oder sich übergangen fühlen? Dann geht es um die Frage der Außenwirkung und vieles mehr. Aber wir sind eben auch nicht in voller Leistungsfähigkeit, haben Kurzarbeit und arbeiten in verminderter Mannschaftsstärke, dafür aber am Limit.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, wie würde der lauten?
Mein Wunsch wäre, dass morgen jemand sagt: „Corona ist vorbei, lebt euer Leben!“

Herr Schoch, wir danken Ihnen für das Gespräch.