Neue Studie: Klima-Erwärmung wird für Ludwigsburger eine Schweißtreibende Angelegenheit

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Von Uwe Roth

Ein Gremium sieht rot: Die Stadtverwaltung Ludwigsburg hat am Donnerstag dem Ausschuss des Gemeinderats für Stadtentwicklung die neuesten Klima-Analysen vorgestellt. Die von Wissenschaftlern erstellten Karten zeigen Prognosen, wie tropisch heiß es in der Stadt werden könnte, sollte der Klimawandel ähnlich stark fortschreiten wie in jüngster Zeit. Im Szenario „Starker Klimawandel 2035“ liegt ein tiefes Rot über dem gesamten Stadtgebiet. Die Temperaturfarbe ist beinahe ein Violett. Das bedeutet, künftig könnten die hochsommerlichen Temperaturspitzen zur Mittagszeit bei gefühlten 40 bis 47 Grad Celsius liegen. Und nachts wird es nach diesem Klimamodell insbesondere in der Innenstadt und entlang der Hauptverkehrsachsen nur unwesentlich kühler. Auch ansonsten bleiben die nächtlichen Temperaturen in den Stadtteilen von Ludwigsburg laut der Berechnungen oberhalb der Schweißtreibenden 20 Grad-Marke. Wer keine Klimaanlage hat, wird kaum noch einen erholsamen Schlaf finden. Bisschen Abkühlung bieten allenfalls in den Nachtstunden der Salonwald, der Favoritenpark und die umgebenden landwirtschaftlichen Flächen. Doch Kaltluft wird zur Mangelware ebenso wie Regenwasser. Zum Temperaturanstieg kommt eine wachsende Trockenheit.

„Die Notwendigkeit von umfangreichen Maßnahmen zu Schutz des Klimas war noch nie so deutlich“, kommentiert die Rathaus-Verwaltung die jüngsten Forschungsergebnisse. Ludwigsburg ist Modellstadt eines Forschungsprojekts, das komplett von der Bundesregierung finanziert wird. Es heißt ZURES und setzt sich aus den Begriffen „Zukunftsorientierte Vulnerabilitäts- und Risikoanalyse“ zusammen. Die Stadt bekommt das Szenario frei Haus geliefert. Die Wissenschaftler interessiert nicht allein, wie die Erderwärmung das kleinräumige Klima verändert. Sie untersuchen ebenso, was die zunehmende Hitze mit den Menschen macht, insbesondere mit Kleinkindern, Hochbetagten und chronisch Kranken. In den beiden letzten Personengruppen könnte die Todesrate wegen der hohen Belastung für den Organismus steigen, sagen die Experten voraus. Außerdem sei mit mehr Hautkrebs-Erkrankungen zu rechnen. Zwei Trinkbrunnen in der Innenstadt, so eine Erste-Hilfe-Maßnahmen, sollen ein wenig Abhilfe bringen ebenso Hinweise auf kühlende Orte.

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Nach der Klimawirkungs- und Risikoanalyse 2021, die das Umweltbundesamt im Juni vorgestellt hat, gehört Ludwigsburg deutschlandweit zu den klimatischen Hotspots. Das Neckarbecken gehört bereits heute zu den wärmsten Gebieten Deutschlands. Aus dem Rathaus heißt es dazu: Mittlerweise sei offensichtlich, dass reine Klimaschutzmaßnahmen nicht mehr ausreichten. „Da wir gewisse klimatische Veränderungen nicht mehr stoppen können, müssen Wege zur Anpassung an die zu erwartenden klimatischen Veränderungen gefunden werden“, lautet die Schlussfolgerung zu dem Klima-Analysekarten. Das heißt, die Stadt braucht dringend einen Plan B, da die Industriestaaten frühere Klimaziele verpasst haben. Die Klimamodelle zeigen, dass in Ludwigsburg bis Ende des 21. Jahrhunderts eine Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur von etwa 2,5 Grad Celsius zu erwarten ist. Im Klimaabkommen von Paris haben die Unterzeichnerstaaten festgelegt, dass die Erderwärmung „deutlich unter zwei Grad Celsius“ gehalten werden soll.

Plan B kostet Geld. Die Ausgangsbedingungen, der Hitzeentwicklung städtebaulich mit Erfolg zu begegnen, sind alles andere als optimal: Ludwigsburg mangelt es chronisch an Grün. Die Stadt hat so gut wie keine Waldflächen, die als natürliche Klimaanlage dienen könnten. In den 1990er Jahren sind große innerstädtische Flächen frei geworden, weil das Militär die Stadt verlassen hat. Doch anstatt zumindest eine Parkanlage zu schaffen, hat sich die Kommunalpolitik konsequent für den Wohnungsbau entschieden. Nun hat Ludwigsburg sehr viel mehr Einwohner wie vor dem Abzug der Soldaten. Aber die Stadt hat auch sehr viel mehr Fassaden, die die Wärme großflächig aufnehmen und speichern. Die Wohnbebauung wächst aktuell weiter und gibt städtischem Grün immer weniger Raum. „Neu angepflanzte (klimaangepasste und allergenarme) Stadtbäume benötigen viele Jahre, um wirksam die Temperatur in Innenstädten senken zu können“, sagt das Umweltbundesamt.

Dessen zeigten sich die Gemeinderäte in der Sitzung bewusst. Sie müssten in der Zukunft noch sorgfältiger abwägen zwischen der Schaffung neuen Wohnraums und dem Erhalt von Räumen für Grünflächen, hieß es in der Diskussion. Für eine Begrünung der Fassaden sind die Besitzer zuständig, und die erwarten finanzielle Zuschüsse. Am Donnerstag, 8. Juli findet im Zuge des Trialogsommers ein moderiertes Zukunftsgespräch mit ausgewählten Bürger*innen und Interessensvertretern aus der Stadt unter dem Titel „Ludwigsburg in heißen Zeiten“ statt.

Die Studie des Umweltbundesamts