“Niemand kann 25 Jahre nur Glück haben”: Ludwigsburg24 im Gespräch mit MHP-Unternehmensgründer Dr. Ralf Hofmann

Gerade feierte Dr. Ralf Hofmann mit seinem Ludwigsburger Unternehmen MHP mit Sitz im Film- und Medienzentrum 25-jähriges Bestehen. Für die Stadt und auch den Kreis ist das Unternehmen ein absolutes Aushängeschild. Als der ehemalige SAP-Berater am 2. Mai 1996 mit seinem Partner Lutz Mieschke das Management- und IT-Beratungsunternehmen, damals Mieschke Hofmann und Partner, mit fünf Mitarbeitern am Standort Karlsruhe gründete, ahnte er nicht, welch eine Erfolgsstory er mit seiner Selbständigkeit schreiben würde. 1998 steigt Autobauer Porsche bei MHP ein, das Unternehmen expandiert, hat mittlerweile rund 3.000 Mitarbeiter an 20 Standorten und macht einen Umsatz von 502 Millionen Euro. Ralf Hofmann hält heute noch 18,2 Prozent der Anteile und könnte sich eigentlich jetzt schon ins Privatleben zurückziehen. Doch der MHP-Chef denkt noch lange nicht daran. „Mir macht die Arbeit noch großen Spaß und ich habe noch immer Ziele, die ich erreichen will“, verrät der agile 58-Jährige im Gespräch mit Ludwigsburg24.

Ein Interview von Patricia Leßnerkraus und Ayhan Güneş

Herzlichen Glückwunsch zum 25-Jährigen. Welche Gefühle kommen da in Ihnen hoch?
Da ist vor allem Stolz, denn wir arbeiten in der sehr schnelllebigen IT-Branche. Viele Unternehmen, die kurz vor oder auch mit uns angefangen haben, gibt es nicht mehr, denn sie sind mittlerweile in größeren Organisationen untergekommen. Uns dagegen gibt es noch. Aber das ist nicht allein mein Erfolg, dafür brauchen Sie immer ein gutes Team.

Natürlich ist es vor allem Ihr Erfolg, Sie waren schließlich einer der beiden Gründer und sind bis heute noch an Bord.
Das ist schon richtig, doch allein sind Sie in der Beratung ein Niemand. Wenn Sie nicht die richtigen Leute haben, kommen Sie in der Beratung nicht weit. Zum Glück hatten wir bei MHP immer gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, so dass alles funktioniert hat. Und wir haben mit Porsche einen fantastischen Hauptgesellschafter. Bei uns passen schon einige Faktoren zusammen.

Mit welcher Vision haben Sie 1996 Ihr Unternehmen gegründet?
Am Anfang stand der gemeinsame Wunsch, sich selbständig zu machen. Wir waren beide Berater und haben eine Firma gegründet. Wir haben es getan und uns gesagt: Mal schauen, ob es funktioniert. Wenn nicht, muss man es entweder anpassen oder etwas anderes machen. Zum Glück hat es aber recht schnell recht gut funktioniert und sich immer weiterentwickelt.

Gehörte damals viel Mut zum Schritt in die Selbständigkeit?
Um eine Beratung zu gründen, benötigen Sie keinen Mut und vor allem kein großes Kapital. Es sind keine finanziellen Vorleistungen nötig wie beispielsweise in anderen Unternehmen für die Anschaffung von Maschinen oder Ähnliches. Als Beratungsunternehmen brauchen Sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Sie überzeugen müssen, damit sie das Thema mittragen und mit aufbauen. Aber vom Risiko her war unser Schritt in die Selbständigkeit überschaubar, zumal mein Partner und ich beide SAP-Berater waren. Jeder wollte diese Software haben und unser Skill war sehr gefragt.

Sie scheinen mit der Auswahl Ihrer Mitarbeiter meist richtig gelegen zu haben. Haben Sie dafür ein besonderes Näschen oder einfach immer nur Glück?
Niemand kann 25 Jahre nur Glück haben. Vielmehr ist es so, dass bei uns die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stets im Fokus stehen. Jede und jeder kann es spüren, dass wir eine sehr Mitarbeiter-orientierte Company sind. Am Anfang taten wir uns natürlich schwerer, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden – auf einem Markt, auf dem jeder gute IT-Leute sucht. Wir mussten uns zunächst etablieren, gezielt suchen und die möglichen Interessenten von uns überzeugen. Heute sind wir etabliert, trotzdem müssen wir noch immer überzeugen, da wir uns auf einem hart umkämpften Recruiting-Markt befinden. Sie müssen dabei die Größenordnung bedenken. In Deutschland haben wir 2.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und stellen hier jährlich rund 700 bis 800 Leute ein. Das sind monatlich zwischen 50 und 100, runtergerechnet pro Tag sind das 2 bis 3 Leute. Eine Beratung hat eine hohe Fluktuation, die sie auch braucht. Recruiting ist ein ganz wesentlicher Prozess, den man beherrschen muss.

Was muss ich außer dem fachlichen Knowhow mitbringen, wenn ich bei Ihnen anheuern will?
Sie sollten auf jeden Fall ins Team, zu uns – zu MHP passen. Stellen Sie sich vor: Wenn Sie zusammen mit 6 bis 7 Kolleginnen und Kollegen für ein halbes Jahr in einem Projekt arbeiten, dann muss das nicht nur arbeitstechnisch funktionieren, sondern eben auch menschlich. Sie sollten ein Teamplayer sein, unseren Spirit leben, leidenschaftlich sein und für die Sache brennen. Und Sie sollten sich mit unseren Werten identifizieren, empathisch, authentisch und integer sein und auch eine gewisse Mobilität sowie Flexibilität mitbringen.

Sie haben mit fünf Mitarbeitern begonnen, weltweit sind es rund 3.000, davon ungefähr 1.500 am Standort Ludwigsburg. Damit gehören Sie zu den größten Playern sowie Arbeitgebern hier im Landkreis.
Als wir angefangen haben mit 5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wollten wir unsere Firma vor allem erstmal ins Laufen bringen. Jetzt liegen wir bei 3.000 Mitarbeitern. Wir sind immer organisch gewachsen. Ich bin schon stolz auf das, was wir da geschafft haben. Aber wie schon gesagt, beruht der Erfolg auf der Arbeit des gesamten Teams und auch Porsche hat bei dieser Entwicklung eine Rolle gespielt. Es war der entscheidende Meilenstein nach zweieinhalb Jahren, als Porsche 1998 in unser Unternehmen eingestiegen ist. Wir haben diese Entscheidung nicht des Geldes wegen getroffen, denn wir waren zu diesem Zeitpunkt als 37-Mann-Firma noch nicht so viel wert. Wir haben uns dazu entschieden, um unsere Marktposition im Automotive-Umfeld zu stärken. Dafür gibt es eben keinen besseren Namen als Porsche. Porsche hat an uns geglaubt und wir sind damit kein Risiko eingegangen.

In 25 Jahren ging es doch sicherlich nicht immer nur bergauf, gelegentlich muss man auch durch tiefe Täler marschieren. Gab es Situationen, in denen Sie ans Aufhören gedacht haben?
Nein, dieser Gedanke hat sich bei mir nie ergeben. Wir hatten zwei Krisen und die waren schneller vorbei als gedacht. Das war die Wirtschaftskrise Ende 2008, Anfang 2009. Das war ein Riesenthema für uns und wir verzeichneten von einem aufs andere Jahr Umsatzeinbußen von 30 Prozent. Letztes Jahr kam Corona, wobei das für uns als MHP im wirtschaftlichen Sinne keine wirkliche Krise gewesen ist. Wir sind recht gut durch die Corona-Zeit gekommen.

Wenn Unternehmen andere aufkaufen, dann machen sie das in der Regel zu 100 Prozent. Wie kam es dazu, dass Porsche an MHP nur 81,8 Prozent der Anteile hält?
Ja, normalerweise ist das so, doch ich bin sicher, dass MHP sich nicht so entwickelt hätte, wenn es zu einer 100 Prozent-Übernahme gekommen wäre, weil Porsche dann einen anderen Fokus hätte.

Was ist denn Ihre Motivation, selbst die restlichen Anteile zu halten, anstatt das Unternehmen ganz zu verkaufen.
Erstens arbeite ich noch gerne und fühle mich nicht so, dass ich jetzt aufhören sollte. Außerdem ist MHP „mein Baby“, mit dem meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ich noch viel vorhaben. Beispielsweise wollen wir uns bis 2025 beim Umsatz auf eine Milliarde verdoppeln, wollen auf 5.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wachsen und uns in Deutschland vergrößern. In der jetzigen Zeit, in der alles digital wird und wir in Deutschland einen enormen Nachholbedarf bei der Digitalisierung haben, macht das alles viel Spaß und ich habe eine große Motivation, das alles weiter voranzutreiben.

Am Standort Ludwigsburg wird sich aber nichts verändern, es bleibt Headquarter von MHP?
Der Standort Ludwigsburg bleibt, es gibt definitiv keine Überlegungen, von hier wegzugehen. Ich wüsste keinen Grund, Ludwigsburg zu verlassen. Wir fühlen uns dort sehr wohl und sind in der Stadt stark engagiert – mit der MHPArena sowie den MHP Riesen.

Wenn Sie weiter expandieren, bleibt der Fokus auf Automotive sowie Maschinen- und Anlagenbau gerichtet oder wollen Sie weitere Branchen erobern?
In Deutschland ist und bleibt Automotive unsere Kernbranche. Als Berater brauchen Sie Kompetenz für das, was sie tun, und die kann man relativ einfach transferieren in Anlagen und Maschinenbau, also in die Manufacturing-Industrie. Und die ist groß genug in Deutschland für den nächsten Schritt.

Sie haben eben schon Ihre Unterstützung der MHP-Riesen angesprochen, Sie sind aber ebenfalls Sponsor bei den Stuttgarter-Kickers und in der kommenden Saison Hauptsponsor beim Fußball-Zweitligisten Heidenheim. Was ist hier Ihre Motivation und warum haben Sie sich nicht etwa für den VfB Stuttgart entschieden?
Wenn man in Deutschland bekannter werden will, kommt man um ein Fußball-Sponsoring nicht herum. Mein Herz schlägt zwar mehr für Basketball und ich bin extrem glücklich mit den Riesen und ihrem Erfolg, aber trotzdem ist die Präsenz im Fernsehen überschaubar. Da wir wachsen wollen, brauchen wir aber noch mehr gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und somit dafür noch mehr Bekanntheit auf dem Recruiting-Markt. Warum wir uns für Heidenheim entschieden haben? Heidenheim hat eine ähnliche Geschichte wie MHP, ist wie wir stets organisch gewachsen, der Verein teilt die gleichen Werte z.B. Nachhaltigkeit, Partnerschaft, Integrität. Sie haben den Trainer mit dem längsten Dienstverhältnis. Außerdem liegt es gut erreichbar in Baden-Württemberg, ist seit 30 Jahren sportlich sehr erfolgreich, denn sie haben das Potenzial für den Aufstieg. Das alles passt zu uns. Dazu kommt, dass Heidenheim ein guter Industriestandort ist mit der Nähe zu Ulm.

Werden Sie auch zukünftig den MHP-Riesen sowie den Stuttgarter-Kickers als Sponsor erhalten bleiben?
Wir fühlen uns den Vereinen verbunden. Ich gehe davon aus, dass alles so bleibt, wie es ist.

Treiben Sie selbst auch Sport?
Natürlich treibe ich Sport, mag den Konditionssport. Ich war 30 Jahre lang Jogger, bis vor 10 Jahren bin ich sogar meist jedes Jahr einen Marathon gelaufen, war in Berlin, in Hamburg und sogar schon in New York am Start. Inzwischen fahre ich viel mit dem Mountainbike und im Winter stehe ich auf den Skiern.

Wer viel arbeitet, sollte sich gelegentlich auch etwas gönnen. Was macht Sie als Privatmann glücklich?
Ich bin ein geselliger Mensch, gehe gerne aus und habe meinen Freundes- und Bekanntenkreis gerne um mich rum. Ein schönes Essen mit einem guten Glas Wein und guten Gesprächen in geselliger Runde daheim oder auswärts, das ist so mein Ding und macht mich glücklich.

Haben Sie auch einen persönlichen Traum, den Sie sich noch unbedingt erfüllen möchten?
Es gibt durchaus einige Träume, und einen davon, der mich schon seit Jahrzehnten begleitet, werde ich mir auf jeden Fall auch noch erfüllen – mit dem Auto von meinem Wohnort Bad Rappenau nach Wladiwostock zu fahren. Russland ist einfach ein schönes, weites Land, vor allem Sibirien ist sehr faszinierend. Es gibt zwar von Moskau aus die Transsibirische Eisenbahn, aber ich will die ganze Strecke lieber mit dem Auto bewältigen. Schon als Student habe ich viel über Sibirien gelesen und mir damals vorgenommen, mir diese Reise zu gönnen. Über Google-Maps habe ich mir den Weg dorthin schon angeschaut und ein bisschen vorgeträumt, wie ich mich mit einer alten G-Klasse von Mercedes auf den Weg mache.

Mit einer G-Klasse von Mercedes? Gehen Sie Porsche etwa fremd?
Mein Traum von dieser Reise ist schon so alt, da gab es die Porsche-SUVs noch gar nicht. Deshalb bleibe ich dem Auto meines Traums für diese Reise einfach treu.

Welche Wünsche wollen Sie sich noch erfüllen?
Das alles aufzuzählen, führt jetzt zu weit. Aber ich garantiere Ihnen, wenn ich bei MHP einmal aufhöre, werde ich nicht etwa zu Hause bleiben, sondern meine Wünsche erfüllen und die haben viel mit Reisen zu tun. Ich bin mein ganzes Berufsleben lang gereist und das werde ich im Ruhestand ebenfalls tun, nur mit einem anderen Blickwinkel.

Wissen Sie schon, wann Sie frühestens aufhören wollen?
Übers Aufhören habe ich mir noch keine konkreten Gedanken gemacht. Solange mir die Arbeit Spaß macht und ich etwas zum Erfolg beitragen kann, mache ich weiter.

Haben Sie eigentlich Vorbilder?
Typische Vorbilder habe ich nicht wirklich, ich finde aber manche Biografien spannend. Als junger Kerl hat mich der Banker Alfred Herrhausen interessiert, später dann die Lebensgeschichten des Apple-Chefs Steve Jobs oder die von Jeff Bezos, der Amazon ebenfalls im Jahr 1996 gegründet und es in 25 Jahren zum mächtigsten Unternehmen der Welt gemacht hat. Solche Erfolgsstorys faszinieren mich.

Welchen Rat würden Sie mit Ihrer langjährigen Erfahrung einem jungen Menschen mit auf den Weg geben, der sich heute selbständig machen möchte?
Ich finde, man muss immer nach vorne schauen und sich seine Strategie bewusst machen und versuchen, die Dinge langfristig zu sehen und sich klarzumachen, wie das Unternehmen in 5 oder 10 Jahren dastehen soll. Dann kann man Dinge bewusster tun und man hängt nicht vom Zufall ab. Ich hatte Glück, dass alles von Anfang an mit der Selbständigkeit gut lief und dass mein Partner und ich sehr früh – in unseren Anfangsjahren – bei Porsche überzeugen konnten.

Würden Sie rückblickend den gleichen Weg nochmals gehen?
Ja, unbedingt. Ich war immer schon Berater, bis 1995 im Angestelltenverhältnis, danach selbständig. Ich habe nie etwas anderes gearbeitet. Beratung ist einfach für mich gemacht und ich bin sehr gerne Berater, auch wenn ich inzwischen nicht mehr im klassischen operativen Geschäft tätig bin.

Eine letzte Frage: Was hat Ihnen jetzt seit Ausbruch von Corona am meisten in Ihrem Leben gefehlt?
Am meisten habe ich das soziale Leben vermisst, mal abends spontan in eine Kneipe oder ein Restaurant zu gehen. Was mir aber wirklich richtig fehlt, ist, dass man nicht mehr reisen konnte. Wir haben Niederlassungen in Amerika, China, Rumänien und England, und ich bin gerne dahingeflogen. Mal zwei, drei Tage Shanghai oder Atlanta, also das fehlt mir enorm. Ich reise einfach gerne.

 Herr Dr. Hofmann, wir danken Ihnen für das Gespräch!