Querdenker-Einsatz und Corona-Kontrollen: Ludwigsburgs Polizeibehörde hat viele Kompetenzen – nur Dienstwaffen gibt es nicht

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Von Uwe Roth

Freitagabend waren wieder Querdenker unterwegs, diesmal im Autokorso – und wie immer begleitet von einem großen Polizeiaufgebot. Menschen in Uniform überwachten den Protestzug durch Ludwigsburg in ihren Dienstfahrzeugen, andere kontrollierten vom Fahrbahnrand aus. Straßen mussten abgesperrt werden. Die Auflagen der Stadt waren streng: Je Auto waren nur zwei Personen erlaubt, und Hupen in der Nähe von Wohnhäusern war verboten. Für die Ordnungshüter war es nicht einfach, die Auflagen durchzusetzen. Teamarbeit war gefragt. Nur wenigen Passanten fiel dabei auf, dass sich die Dienstuniformen der zahlreichen Einsatzkräfte trotz nahezu gleicher Optik in entscheidenden Details unterschieden: auf dem Rücken der einen stand groß „Polizei“, auf dem der anderen „Polizeibehörde“. Wer genau hinsah, sah auf dem Ärmel der einen Dienstkleidung das Landeswappen von Baden-Württemberg (drei übereinander platzierte Löwen) und auf dem anderen eine gelbe Fahne mit Adler.

Das Stadtwappen von Ludwigsburg ist ein Hinweis auf den Arbeitgeber. Die Männer und Frauen mit der Aufschrift „Polizeibehörde“ werden aus dem kommunalen Haushalt bezahlt und dem Rathaus dirigiert. Die mit „Polizei“ auf dem Rücken sind Staatsbeamte und bekommen ihr Geld vom Land. Ludwigsburg hat eine eigene Polizei. Das ist nicht jedem in der Stadt bewusst. Die neun städtischen Bediensteten sind zudem mit Kompetenzen ausgestattet, die in Vielem der Landespolizei ähnlich oder sogar gleich sind. Das ist häufig denen nicht klar, die zum Beispiel wegen nächtlicher Lärmbelästigung von Mitarbeitern der Polizeibehörde von einem öffentlichen Platz verwiesen werden. Der Akademieplatz ist so ein neuralgischer Ort, wo solche Aufforderungen der „Hilfsscheriffs“ von den lautstark Feiernden nicht ganz ernst genommen werden. Vielleicht, weil sie keine Dienstwaffe sehen.

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Die Männer und Frauen der Polizeibehörde sind keine Hilfsscheriffs, betont Heinz Mayer. Er leitet in der Stadt den Fachbereich Sicherheit und Ordnung. Somit ist er Chef des kommunalen Ordnungsdiensts. Für die Öffentlichkeit wurde daraus „Polizeibehörde“. Eine solche Bezeichnung strahlt mehr Autorität aus. Die Ludwigsburger konnten den Namen frei wählen, wie Mayer betätigt. Das zeigt, wieviel Freiraum der Staat den Kommunen bei der Gestaltung ihres eigenen Sicherheitskonzepts gibt. Und der ist in Baden-Württemberg so groß wie in kaum einem anderen Bundesland. Fachbereichsleiter Mayer verweist auf das Polizeigesetz des Landes. Nach Paragraf 125 haben „die gemeindlichen Vollzugsbediensteten bei der Erledigung ihrer polizeilichen Dienstverrichtungen die Stellung von Polizeibeamten im Sinn dieses Gesetzes“. Das heißt, „alle Kräfte sind in solchen Momenten polizeilicher Dienstverrichtungen gleichberechtigte Partner“.

Sie können Ausweise kontrollieren, Personen festnehmen und Platzverweise aussprechen. Sie dürfen zwar nicht in den fließenden Verkehr eingreifen, aber Straßen sperren, wenn notwendig. Sie sind verantwortlich dafür, dass die Allgemeinverfügung des Landkreises in der Stadt umgesetzt wird und die Bürger den Mund-Nasen-Schutz tragen, wo dies Vorschrift ist.

Die städtischen Bediensteten hätten sogar das Recht, eine Waffe zu tragen. Das habe in Ludwigsburg aber nie zur Debatte gestanden, sagt der Ordnungsamtschef. In Stuttgart dagegen tragen die 60 städtischen Bediensteten der Polizeibehörde Dienstpistolen im Kaliber neun am Gürtel. Wählt man den Polizeinotruf 110, entscheidet die Leitstelle, ob ein Streifenwagen der Landespolizei zum Einsatz kommt oder ein Einsatzfahrzeug der Polizeibehörde. Ein Unterscheidungsmerkmal allerdings ist, dass die städtischen Kräfte nur für Ordnungswidrigkeiten zuständig sind und nicht für Straftaten. Erwischt die Stadtpolizei jemand bei einer Straftat, ruft sie Kollegen der Landespolizei herbei.

Die Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg haben in den vergangenen Jahren Ortpolizeibehörden eingerichtet oder bestehende mit mehr Personal ausgestattet. Ein Grund ist der chronische Polizeimangel im Land. Da es den Kommunen im Südwesten finanziell gut geht, können sie sich eine Polizei aus eigener Kasse leisten und somit dem Landeshaushalt entlasten. Über verteilte Strafzettel und verhängte Bußgelder refinanzieren sie einen Teil der Personalkosten. Das Land hat in jüngster Zeit mehr Personalstellen geschaffen. Doch viele angehende Polizeibeamte stecken in der Ausbildung. Gleichzeitig stehen altgediente Kräfte in hoher Zahl kurz vor der Pension.

Obwohl nach dem Gesetz die Mitarbeitenden des kommunalen Ordnungsdienstes in Teilen Polizeiarbeit leisten, sind die geforderten Qualifikationen unterschiedlich: Während die Ausbildung bei der Landespolizei 30 Monate dauert, ist ein vom Gemeindetag Baden-Württemberg angebotener Fortbildungslehrgang für kommunale Kräfte nach 2,5 Monate Vollzeit und 286 Unterrichtseinheiten abgeschlossen.