Schlechte Stimmung bei Kreis-Grünen vor Kandidaten-Wahl in Ludwigsburg – Jürgen Walter erhebt schwere Vorwürfe

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Von Uwe Roth

Parteimitglieder der Grünen nominieren an diesem Samstag ihren Kandidaten oder ihre Kandidatin aus dem Wahlkreis 12 für die anstehende Landtagswahl im kommenden Frühjahr. Der Wahlkreis entspricht etwa dem südlichen Landkreis Ludwigsburg. Die Veranstaltung in der Mehrzweckhalle Ossweil könnte turbulent werden. Jürgen Walter aus Asperg ist seit 28 Jahren Abgeordneter der Grünen im Landesparlament. Der 63-Jährige hätte gerne weitergemacht. Doch vor wenigen Tagen zog er mit einem Paukenschlag seine Bewerbung für die Kandidatur zurück – aus Verärgerung über den Kreisvorstand und die Kreisgeschäftsstelle, wie er begründete. Gleichzeitig hat er dem Kreisverband seine Mitgliedschaft gekündigt.

Bis Donnerstag schien es so, dass Silke Gericke wohl die einzige Kandidatin ist. Die 45-Jährige ist in Ludwigsburg Gemeinderätin und Mitarbeiterin der Landtagsabgeordneten Elke Zimmer. Doch nun wird Gericke wohl in der Grünen-Kommunalpolitikerin Edda Bühler aus Kornwestheim eine Gegenkandidatin bekommen. Das allein könnte für Zündstoff sorgen. Aber auch der Noch-Abgeordnete Walter schüttet weiter Öl ins Feuer, das die Veranstaltung prägen dürfte. In einer Rundmail am Mittwoch heizte er die Gemüter kräftig auf. Über ihn seien „vom Team Silke“ Lügen verbreitet worden, behauptet er. Eine davon sei, dass er sich bei der Änderung des Landtagswahlrechts „frauenfeindlich“ verhalten habe. Seine Klarstellung dazu sei überhaupt nicht zur Kenntnis genommen worden, beklagt er.

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Walter schildert in seiner Brandmail weitere Vorfälle, die eine nach seinen Worten regelrechte Schmutzkampagne gegen ihn begründen sollen. So sei er über Terminänderungen, die ihn betroffen hätten, nicht informiert worden, sondern hätte diese erst übers Internet erfahren. Am Ende stellt er fest: Der Kreisvorstand sei „ohne ernstzunehmende politische, intellektuelle und moralische Führung“. Einzelnen Mitgliedern gehe es „immer um die Vorbereitung der eigenen Karriere, um Intrigen, vornehmlich gegenüber den Abgeordneten, aber nur in Ausnahmefällen um grüne Politik.“

Walter wird bei der Nominierungsveranstaltung voraussichtlich nicht anwesend sein. Am Freitag schickte er aber seinen Unterstützern und insbesondere denen im Ortsverein Asperg eine weitere Mail. In dieser forderte er sie auf, trotz seines Rückzugs nach Ossweil zu kommen. Vielleicht sollten sie auch nur teilnehmen, damit sie „Team Silke“ bei der Abstimmung mit Nein-Stimmen bestrafen. Gericke sagt auf Anfrage, dass sie eine Schmutzkampagne nicht erkennen könne. Der Kandidatennominierung seien „die üblichen demokratischen Prozesse in einer Partei vorausgegangen“. Der Kreisvorstand verhält sich nach ihrer Bobachtung trotz gegenteiliger Behauptung Walters neutral.

Sie habe sich mit ihrem Parteikollegen über die Vorwürfe nicht unterhalten können. „Der spricht seit Februar kein einziges Wort mehr mit mir“, sagt sie. Damals hat Gericke öffentlich bekannt gemacht, dass sie gegen den Mandatsträger antreten werde. Es sei bei den Grünen durchaus normal, wenn ein Mitglied initiativ werde und Platzhirsche herausfordere.

Gericke glaubt nicht, dass es sich bei den Grünen bei der vermehrten Ablösung altgedienter Parteifunktionäre vor allem um einen Generationenwechsel handelt. Es werde die politische Arbeit bewertet und nicht das Alter. Das Stichwort Generationenwechsel ist bei der Nominierungsveranstaltung der Grünen für den Wahlkreis 14 am Dienstag schon mal gefallen. In Bietigheim-Bissingen war der Landtagsabgeordnete Daniel Renkonen (50) dem Herausforderer Tayfun Tok (34) knapp unterlegen. Der klimapolitische Sprecher der Grünen-Fraktion ist seit 2011 im Landtag.

Tok ist seit 2014 Gemeinderat in seinem Heimatort Murr. Er hat seit Anfang des Jahres bei verschiedenen Ortsverbände eine Art Vor-Wahlkampf gemacht. Dieser war wohl erfolgreich. Auf Anfrage begründet er seinen Nominierungserfolg so: „Ich wollte der Partei ein Angebot machen mit den Themen, für die ich brenne. Bei vielen Mitgliedern habe ich anscheinend einen Nerv getroffen und ihre Herzen erreicht.“ Politiker müssten „am Puls der Zeit sein“. Gerade weil sie in einer liberalen Demokratie lebten, die von immer mehr Menschen angezweifelt werde. Sein Stichwort lautet Verschwörungstheoretiker. Nähe zu den Menschen bedeute aber auch digital aktiv zu sein. „Die Menschen bilden auch im Internet ihre Meinung. Und da biete ich ein Angebot.“ Im Gegensatz zu Walter analysiert er die Niederlage nüchtern: Sein Herausforderer habe es wohl besser geschafft zu mobilisieren und mit seiner emotionalen Bewerbungsrede das Herz der Mitglieder zu treffen.