Start-Up Unternehmen aus Ludwigsburg steigt mit Luxusbussen ins Reisegeschäft ein

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VON UWE ROTH

In Ludwigsburg etabliert sich ein neues Linienbus-Unternehmen. Das Start-up hat seinen Sitz in der Frankfurter Straße und nach seiner Ausrichtung nicht vor, lokalen Busbetreibern Konkurrenz zu machen. Roadjet, so der Firmenname, strebt mit komfortablen Fernbussen die großen städtischen Ziele mit wenigen Zwischenhalten an – vorerst innerhalb Deutschlands. Der Wille zur Expansion ist bei den Gründern Muhammed Simsek und Mujib Bazhwal jedoch nahezu grenzenlos, wie sie im Gespräch andeuten. Ihr besonderes Konzept sind Luxbusbusse, die am ehesten noch mit Citylinern zu vergleichen sind, mit denen Musikbands auf Tour gehen. Roadjet-Busse haben mit den auf optimierte Platznutzung ausgerichteten Transportfahrzeugen von Flixbus, Blablabus und Pinkbus wenig zu tun.

Großzügige Beinfreiheit gehört zur Grundausstattung. Statt der 96 möglichen Sitze gibt es in dem Doppeldecker lediglich Platz für 44 Passagiere. Dem Fahrgast ausreichend Raum zu geben, hat in Corona-Zeiten den doppelten Vorteil: Über den Komfort hinaus lassen sich die Abstandsregeln einfacher umsetzen. Bis zum Ende der Pandemie gibt es am Eingang der Busse ein Kamerasystem mit einem Körpertemperatursensor, um die Temperatur der Fahrgäste zu messen.

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Die besonderen Busse werden in Ludwigsburg jedoch selten zu sehen sein. Am Montag, 3. August gehen die ersten beiden Busse des Start-ups an den Start. Der eine fährt um 8.30 Uhr vom Busterminal am Stuttgarter Flughafen ab. Der soll gegen 17 Uhr in Berlin am Zentralen Omnibusbahnhof (ZOB) ankommen. Der zweite verlässt Stuttgart um 22 Uhr und ist um sieben Uhr morgens in der Bundeshauptstadt. Kurze Zwischenhalte gibt es in Nürnberg und Leipzig. Der Einstandspreis liegt bei knapp 40 Euro für eine Strecke. Wie beim Check-in fürs Flugzeug kann sich der Passagier seinen Sitz online wählen.

Simsek ist mit den ersten Buchungsanfragen ziemlich zufrieden. „Wir haben noch nicht groß Werbung gemacht. Trotzdem haben wir schon einige Reservierungen.“ Der Geschäftsführer lebt in Remseck und hat sein Büro in Stuttgart in der Lautenschlagerstraße. Doch gemeldet ist die Firma in Ludwigsburg. Die Adresse ist identisch mit der einer großen Kfz-Werkstatt. Die gehört der Familie Simsek ebenso wie weitere Unternehmungen. Muhammed Simsek ist Karosseriebaumeister und hat sich mit Sonderfahrzeugen beschäftigt. „Praktisch habe ich das nicht lange gemacht. Ich interessiere mich mehr für das Kaufmännische“, berichtet er über seine berufliche Vorerfahrung. Diese bringt der 35-Jährige zweifach ein. Er kann mit Geschäftszahlen umgehen und brachte Ideen ein, wie aus einem Standardreisebus ein Luxusliner wird.

Als Vielreisender vermisse er in öffentlichen Transportmitteln die Bequemlichkeit, die der Erholung dient, klagt er. Auch diese Erfahrung spiegelt sich in der Konstruktion wider. „Wir haben einen Premium-Doppelstockbus entworfen, der nach unseren Vorgaben exklusiv für uns konstruiert wurde“, sagt der Remsecker. Das Fahrgestell ist um zwei auf 15 Meter verlängert worden. Die Sitze sind nicht nur breiter, sondern haben eine mehrstufige Massagefunktion. WLAN mit einem Unterhaltungsprogramm ist bei Fernreisen inzwischen üblich, so auch bei Roadjet, nicht jedoch eine im Bus vorhandene Waschmöglichkeit und Umkleidekabine. Die Board-Toilette soll „höchsten hygienischen Standards“ entsprechen.

Allein die beiden Busse sind eine Millioneninvestition. Weitere sollen hinzukommen. „Das haben wir fest vorgesehen.“ Roadjet ist über das Landesprogramm „Start-up BW Pre-Seed“ gefördert worden. Das staatliche Fördergeld dürfte angesichts des auf Expansion angelegten Geschäftsplans nur wenig Anschub gegeben haben. Daher hat das Unternehmen weitere Investoren im Boot, die auch aus der Familie kommen. „Die Linie Stuttgart-Berlin ist für uns ein erster Test“, sagt Simsek. Man beobachte, „wie das Produkt ankommt und es eventuell verbessert werden muss.“ Läuft es gut, sollen zeitnah weitere Großstädte ins Netz aufgenommen werden.

Ein ICE benötigt für die Strecke Stuttgart-Berlin etwa sechseinhalb Stunden. Bei Roadjet sind es bis zu 2,5 Stunden mehr. Das Unternehmen setzt laut Geschäftsführung auf Fahrgäste, Bequemlichkeit schätzen und für die auch der Weg zum Ziel gehört. So könnten Geschäftsreisende ihren Sitzplatz als vollwertigen Büroplatz nutzen. So werde aus Reisezeit Arbeitszeit. Der Sitzkomfort komme Passagieren bei Nachtreisen finanziell zugute, da sie sich eine Hotelübernachtung sparten. Der Nachtbus aus Stuttgart erreicht Berlin gegen sieben Uhr zur besten Frühstückszeit. Wie sich die Ticketpreise bei Roadjet entwickelt werden, bleibt abzuwarten. Sie sollen sich in jedem Fall unter dem Bahnticket zweiter Klasse bewegen.