Hat Deutschland genug Ladepower?” – Das sind die Ergebnisse des ACE-Tests zu Schnell-Ladestationen

Unter dem Motto “Hat Deutschland Ladepower?” haben rund 200 Ehrenamtliche des Auto Club Europa (ACE) bundesweit 189 Schnell-Ladestationen unter die Lupe genommen. Das Fazit: Die Ladesäulen sind besser als ihr Ruf, nur drei Anlagen sind bundesweit durchgefallen. Allerdings bieten gerade einmal zwölf Prozent der getesteten Schnell-Ladestationen mindestens einen barrierefreien Stellplatz an.

Im Fokus des Checks standen die Kategorien Ladeleistung, Bezahloptionen, Bedienbarkeit, Barrierefreiheit, Verkehrssicherheit und Service & Familienfreundlichkeit. Getestet wurden nur Anlagen, die über mindestens zwei Ladesäulen mit mindestens je zwei Ladepunkten verfügen und an einer Autobahn oder einer Bundesstraße liegen.

Der ACE wollte unter anderem wissen: Kann adhoc – auch ohne Ladekarte – geladen werden? Können auch Menschen mit Behinderung problemlos die Ladestation anfahren und bedienen? Stehen E-Autofahrende während des Ladestopps im Regen oder im Dunkeln? Gibt es ein gastronomisches Angebot und die Möglichkeit eine Toilette zu nutzen?

Um diese und viele weitere Fragen zu beantworten, hat der ACE einen Erhebungsbogen mit insgesamt 24 Kriterien entworfen. Das Ergebnis fällt positiv aus: Der Großteil (61 Prozent) der Anlagen hat den Test bestanden, während 37 Prozent sogar mit dem Prädikat “exzellent” ausgezeichnet wurden.

Den ersten Platz teilen sich mit 18,5 von 19 möglichen Punkten gleich mehrere Schnell-Ladestationen. Dazu gehört der Schnell-Ladepark der EnBW in Lichtenau bei Chemnitz, der als erstes vom ACE getestet wurde. Auch die Schnell-Ladehubs von Audi in der Münchener Straße in Nürnberg und die Ladestation von Sortimo am Innovationspark in Zusmarshausen konnten bei den ACE-Testern punkten. Bundesweit lag der Durchschnitt bei 13,17 erreichten Punkten.

Nur zwei Prozent – ganze drei Anlagen – haben den Test nicht bestanden und sind durchgefallen. Dabei muss erwähnt werden, dass diese nur knapp an einem “bestanden” vorbeigeschrammt sind. Die Schnell-Ladestation von EnBW in der Salzer Straße in Schönebeck ist im Test zwar die schlechteste Anlage, mit acht erzielten Punkten aber nur einen Punkt vom “bestanden” entfernt. In der Kategorie “Service & Familienfreundlichkeit” konnte nicht ein Punkt vergeben werden.

Mit 46 Schnell-Ladestationen war EnBW im Test am häufigsten vertreten. Gefolgt von Ionity mit 26 und Aral Pulse mit 25 Anlagen. Mit 69 Prozent gibt es die meisten Schnell-Ladestationen mit dem Prädikat “exzellent” bei Ionity. Alle getesteten Anlagen von Ionity, Aral Pulse und Allego bieten ihren Nutzern mit Ladesäulen, die mehr als 300 kW anbieten, eine exzellente Ladeleistung.

Bei der Betrachtung der Kategorie “Service & Familienfreundlichkeit” geht Tesla mit 73 Prozent als Sieger hervor, gefolgt von Ionity (69 Prozent) und Aral Pulse (66 Prozent). In Sachen Barrierefreiheit gibt es deutlich größere Unterschiede zwischen den Anbietern: Während Aral Pulse mit 18 Prozent weit abgeschlagen auf dem letzten Platz landet, erreicht selbst der beste Anbieter (Ionity) gerade einmal 62 Prozent.

Stefan Heimlich über die Ergebnisse der 19. ACE-Clubinitiative: “Wir freuen uns, dass die Ladestationen in diesem Land in unserem Test so gut abgeschnitten haben. Eine Zukunft ohne E-Autos wird es nicht geben und dafür braucht es auch entsprechende Ladesäulen. Jeder, der schon einmal mit einem E-Auto unterwegs war, weiß, dass es vor allem auf das Drumherum ankommt. Nur wenn das Angebot stimmt, kann der Lade-Stopp auch gleichzeitig zu einer erholsamen Pause werden”

Dass die Ladesäulen aber in Sachen Barrierefreiheit so schlecht abgeschnitten hätten, sollte alle Anbieter zum Umdenken bewegen. Elektromobilität müsse für jeden alltagstauglich sein – egal, ob mobil eingeschränkt oder nicht. Dass diese Menschen aber bei einer neu geschaffenen Infrastruktur wieder dieselben Barrieren erleben würden, dürfe nicht sein.

mid/asg

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Unüberwindbare Rampen und defekte Aufzüge: Ein Tag im Rollstuhl verändert den Blick auf Ludwigsburg

Ludwigsburg – Es ist ein sonniger Morgen in Ludwigsburg. Für die meisten Menschen beginnt der Tag mit einem Spaziergang zur Arbeit, einem Sprint zur S-Bahn oder einem schnellen Gang ins Café. Doch wie sieht der Alltag aus, wenn man plötzlich nicht mehr gehen kann? Wie verändert sich die Wahrnehmung der Stadt, wenn jede Bordsteinkante, jeder Aufzug und jedes Kopfsteinpflaster zur Herausforderung wird? Die Landtagsabgeordnete Silke Gericke von den Grünen wollte genau das herausfinden und entschloss sich zu einem Selbstversuch: Einen Tag im Rollstuhl. „Für die meisten von uns ist Laufen selbstverständlich. Wir nehmen es gar nicht mehr wahr, bis wir plötzlich in einer Situation sind, in der es nicht mehr möglich ist“, erklärt Gericke zu Beginn ihres Experiments, das sie im Rahmen der Europäischen Mobilitätswoche durchführte.

Gemeinsam mit dem Inklusionsaktivisten Antonio Florio und dessen Assistenten machte sich Gericke am Dienstag (17. September) auf den Weg durch Ludwigsburg – eine Stadt, die für sie bis dahin vertraut war, doch plötzlich voller Hürden steckte. Der Tag sollte ihr nicht nur die physischen Barrieren vor Augen führen, die Menschen im Rollstuhl jeden Tag überwinden müssen, sondern auch die mentalen Grenzen, die unsere Gesellschaft im Umgang mit Behinderungen noch nicht überwunden hat.

Barrieren überall – Ein Rollstuhl verändert den Blick auf die Stadt

Der Tag begann vor dem Wahlkreisbüro in der Ludwigsburger Lindenstraße. Gericke und Florio machten sich auf den Weg zum Bahnhof – ein scheinbar einfacher Weg, der jedoch schon die ersten Hürden offenbarte. Unebenheiten auf den Gehwegen und diverse Beläge auf dem Arsenalplatz und in der Myliusstraße machten das Vorankommen mühsam. „Mit einer Begleitung kann man diese Hürden überwinden, aber nicht jeder hat diese Unterstützung, und das Gefühl der Abhängigkeit ist immer präsent“, bemerkt Gericke.

Die Maske als sozialer Test

Auf dem Weg vom Wahlkreisbüro bis zum Bahnhof trug Gericke eine Maske, wie von Florio vorgeschlagen. „Es war ein Test“, erklärt sie. „Er wollte sehen, ob mich die Menschen direkt ansprechen würden oder lieber meine Begleitung fragen, was ich brauche.“ Die Erkenntnis war ernüchternd: Viele Menschen tendieren dazu, Menschen im Rollstuhl oder mit Behinderung zu übersehen oder nicht direkt anzusprechen. „Es hat mir gezeigt, wie oft wir Menschen mit Behinderung unbewusst übergehen, ohne es zu merken. Diese Erfahrung war ein Augenöffner.“

Die erste große Herausforderung wartete jedoch am Bahnhof selbst: Der Aufzug, der zur Unterführung führt, war außer Betrieb. „Man erwartet, dass ein Bahnhof einer Stadt wie Ludwigsburg, der täglich von Tausenden Menschen genutzt wird, barrierefrei ist. Doch der defekte Aufzug war kein Einzelfall“, erzählt Gericke. Eine Passantin mit Rollator bestätigte, dass der Aufzug schon seit Wochen kaputt sei. „In so einer Situation wird man als Rollstuhlfahrer unsichtbar. Es gibt keine Informationen, keinen Plan B. Man steht einfach da und ist auf sich selbst gestellt“, so Gericke.

40 Minuten für eine Strecke, die für andere fünf Minuten dauert

Die einzige Alternative war eine steile Rampe, die für Rollstuhlfahrer unüberwindbar war. Antonio Florio und Gericke mussten sich also einen anderen Weg suchen: der Franck-Steg. Doch auch hier wartete die nächste Enttäuschung – der Aufzug war wegen Wartungsarbeiten außer Betrieb. „Wir mussten fast eine halbe Stunde Umwege fahren, bis wir endlich den richtigen Zugang gefunden hatten“, berichtet Gericke. „Das ist unglaublich frustrierend, vor allem wenn man bedenkt, dass Menschen im Rollstuhl ohnehin schon mehr Energie aufwenden müssen, um sich fortzubewegen.“

Dieser Perspektivwechsel ließ die Abgeordnete über eine grundlegende Frage nachdenken: Wie oft fühlen sich Menschen mit Behinderung abgehängt, weil die Infrastruktur nicht auf ihre Bedürfnisse ausgerichtet ist? „Es waren 40 Minuten für einen Weg, den man sonst in fünf Minuten zurücklegt. Das zeigt, wie viel zusätzliche Zeit und Energie von Menschen im Rollstuhl gefordert wird – und das jeden Tag.“

Ein Treffen mit der Landesbehindertenbeauftragten – Barrierefreiheit als Schlüsselthema

In Stuttgart angekommen, traf sich Gericke mit der Landesbehindertenbeauftragten Simone Fischer, um sich über die Erfahrungen auszutauschen. Gemeinsam mit dem Landtagsabgeordneten Michael Joukov diskutierten sie die drängenden Themen Barrierefreiheit und Inklusion. Gericke betonte, dass es nicht nur darum gehe, physische Barrieren zu beseitigen, sondern auch die gesellschaftlichen Hindernisse, die Menschen mit Behinderung tagtäglich erleben. „Barrieren beginnen oft im Kopf“, so Gericke. Sie wies darauf hin, dass viele Menschen mit Behinderungen nicht direkt angesprochen oder ernst genommen werden – ein Problem, das ihr während des Tages besonders auffiel.

Unterstützung statt Hilfe – eine wertvolle Lektion

Am Ende des Tages war eine der wertvollsten Lektionen für Gericke die Erkenntnis, dass es bei Inklusion nicht darum geht, Menschen zu „helfen“, sondern sie zu unterstützen. „Antonio hat mir beigebracht, dass es einen großen Unterschied macht, wie man fragt. ‚Hilfe‘ impliziert, dass jemand hilflos ist, aber ‚Unterstützung‘ lässt Raum für Selbstbestimmung“, erklärt sie. Diese neue Perspektive will Gericke in ihre politische Arbeit einfließen lassen und sich verstärkt für eine inklusive und barrierefreie Verkehrspolitik einsetzen.

red