Droht Ludwigsburg der Verlust einer Millioneninvestition? Stihl kritisiert Standort Deutschland

Ludwigsburg – Der schwäbische Kettensägenhersteller Stihl verschiebt die Entscheidung, ob ein wichtiges Produktionswerk in Deutschland angesiedelt wird (Ludwigsburg24 berichtete). Hintergrund ist, dass das Traditionsunternehmen die Zukunft des Wirtschaftsstandorts Deutschland kritisch sieht. Eigentlich hatte Stihl geplant, die Fertigung für die Führungsschienen der Kettensägen nach Ludwigsburg zur verlegen und dort eine neue Fabrik zu bauen.

“Wir haben die Entscheidung, ob und was wir dort bauen, erst einmal verschoben”, sagte Nikolas Stihl, der Beiratsvorsitzende des Familienunternehmens und Enkel des Gründers der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Samstagsausgabe). Nach einer Prüfung habe sich herausgestellt, “dass wir an unserem alten Standort in Waiblingen noch gut ein paar Jahre weitermachen können”.

“Wir sind auch ein global tätiges Unternehmen und müssen uns gut überlegen, wo wir investieren, wenn wir einen dreistelligen Millionenbetrag in die Hand nehmen. Und aktuell ist der Standort Deutschland nicht mehr der attraktivste auf der Welt, um es einmal vorsichtig auszudrücken”, erläuterte Stihl die Entscheidung. “Es zeigt sich schlicht und einfach, dass sich in den vergangenen Jahren die Rahmenbedingungen in ganz wesentlichen Dingen, so verschlechtert haben, dass manche Investition in Deutschland im Vergleich zu anderen Standorten nicht wettbewerbsfähig ist, auch wenn wir hier sehr stark verwurzelt sind und eigentlich auch das eine oder andere Negative in Kauf nehmen.”

Stihl fertigt die Ketten für die Sägen seit mehr als 50 Jahren in der Schweiz, weshalb auch die Verlegung der Führungsschienen-Produktion in das Alpenland zu verlegen. “Für uns macht es durchaus Sinn, sich zu überlegen, ob man die gesamte Schnittgarnitur in der Schweiz herstellt, also nicht nur die Sägekette, sondern auch die Führungsschiene dazu”, sagte Stihl weiter. Die Schienenfertigung sei eine Hochtechnologie-Anwendung, ein Niedriglohnstandort mit niedrigqualifizierten Mitarbeitern eigne sich dafür nicht. “Wir brauchen einen Standort mit qualifiziertem Personal in ausreichender Zahl, an dem wir mit entsprechender Ausstattung und hoher Produktivität fertigen können”, erklärte Stihl.

“In der Schweiz passt das Gesamtpaket aus steuerlicher Belastung, Lohnnebenkosten, Energiepreisen, Genehmigungsprozessen und den Kosten für die Arbeitsstunde. Die Schweiz ist für uns momentan günstiger als eine Investition in Deutschland.” Ein Problem seien die hohen Energiepreise in Deutschland. Aber die anderen Themen wie steuerliche Belastung, Staatsquote und Bürokratie führen dazu, dass eben nicht nur energieintensive Unternehmen abwandern, sondern dass diese Bewegung gerade so richtig ins Rollen kommt”, so der Unternehmer, der die drei Stämme der Gründerfamilie im Beirat des 5,5-Milliarden-Euro-Unternehmens vertritt.

“Und was weg ist, ist weg. Denn wenn wir einen Standort aufbauen, dann besteht er erst einmal für 40, 50 Jahre. Stihl fordert gegenüber der FAZ eine langfristig orientierte Wirtschaftspolitik. “Ich vermisse in vielen Fällen den langfristigen Horizont. Man denkt nur bis zur nächsten Wahlperiode. Und die Überlegung, was ich tun muss, um wiedergewählt zu werden, ist das alles Bestimmende”, sagte Stihl.

“Keiner geht ein Risiko ein, wie es seinerzeit Kanzler Gerhard Schröder mit der Agenda 2010 getan hat. Er hat seine Wiederwahl gefährdet, um die drängenden Probleme anzugehen. Und die Entwicklung zeigte, dass das die richtige Maßnahme war, auch wenn es ihn das Amt gekostet hat.”

red

Wirbel um Stihl-Werk in Ludwigsburg: Neubaupläne eingestellt, droht ein Umzug in die Schweiz?

Von Ayhan Güneş

Ludwigsburg – Im Westen von Ludwigsburg gähnt eine riesige Industrie-Brache. Die Firma Stihl hat dort mit viel Lärm ein altes Werk 5 abgerissen. Ein modernes Industrie-Gebäude sollte ersatzweise entstehen. Zeitnah. Die Stadt Ludwigsburg freute, dass Gewerbesteuer-Einnahmen wohl erhalten blieben. Dann hieß es aus dem Waiblinger Motoren-Hersteller ohne Vorwarnung, der Neubau verzögere sich. Die nächste Nachricht aus dem Unternehmen vor einigen Wochen ließen im Rathaus die Alarmglocken schrillen. Sie lautete, ein Umzug in die Schweiz wäre möglich. Aus Kostengründen. Aufsichtsratsvorsitzender Nikolas Stihl hat das am Mittwoch in der Tagesschau bekräftigt. Obwohl Schweizer Arbeiter mehr verdienten, sei die Produktion dort billiger, sagte er in die Kamera. 

Im Onlineportal „BW24“ argumentierte das Traditionsunternehmen mit missliebigen Drohungen seitens der Gewerkschaft: „Mittelfristig steht die Forderung der IG Metall nach einer 32-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich im Raum“, sagte eine Firmensprecherin. „Diese Arbeitszeitverkürzung würde die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Standorts insgesamt nochmals deutlich schwächen.“ 

Ludwigsburgs Oberbürgermeister Matthias Knecht sagte demselben Magazin, dass sich die Entscheidung bereits angedeutet habe. „Am Ende war es dann aber doch etwas überraschend, dass das Projekt gänzlich auf Eis gelegt wurde“, so der parteilose Politiker. „Schließlich wäre es auch denkbar gewesen, dass das Projekt in etwas abgespeckter Form umgesetzt wird.“ 

Nikolas Stihl hatte noch im November 2022 in einem Bericht auf Ludwigsburg24 betont: „Wir stärken unseren deutschen Wirtschaftsstandort und bekennen uns zu unseren Ludwigsburger Werken. Ich freue mich, dass wir das Gelände mit einem innovativen Neubau im Stadtraum integriert entwickeln und so die Weichen für das nachhaltige Wachstum von STIHL stellen können.“ 

Konkrete Pläne scheinen vorgelegen zu haben. Stihls Produktionsvorstand Martin Schwarz sagte damals, der Neubau sehe mit einer Brutto-Geschossfläche von bis zu 35.000 Quadratmetern zwei wärme- und schallgedämmte Fertigungsebenen vor, die für einen energieeffizienten Betrieb mit Wärmerückgewinnung und Verdunstungskühlung ausgestattet seien. 

Stattdessen heißt es nun auf Anfrage von Ludwigsburg24 von der Firmenleitung: Es sei deutlich geworden, dass die Umsetzung der bestehenden Vorplanung eine unerwartet hohe Investitionssumme erfordern würde, unter anderem wegen stark gestiegener Baukosten. Hinzu kämen „erhebliche Energiekosten während des Betriebs“. Allerdings steht in der Stellungnahme nichts von konkreten Umzugsplänen. Die Schweiz als ein alternativer Standort werde erst noch geprüft. „Dort produzieren wir unsere Sägeketten für den Weltmarkt. Sollte die Entscheidung für diesen Standort getroffen werden, könnte zukünftig die gesamte Schneidgarnitur für unsere Motorsägen in der Schweiz hergestellt werden.“ 

Da der Weiterbetrieb der bestehenden Schienenfertigung im Werk 2 in Waiblingen-Neustadt bis mindestens 2030 gesichert ist, werde zu einem späteren Zeitpunkt „final über den künftigen Fertigungsstandort entschieden“. Das Areal des ehemaligen Werks 5 in der Ludwigsburger Weststadt bleibe in Besitz von Stihl und werde „zunächst stillgelegt“. Eine neue Nutzung für ein Wohngebiet ist seitens des Unternehmens somit ausgeschlossen. Zumindest vorerst.