“Querdenker” wird vom Landesverfassungsschutz beobachtet

Erneut haben Politiker vor einem wachsenden Einfluss von Extremisten innerhalb der “Querdenken”-Initiative gewarnt. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl hat am Mittwoch bei einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass der baden-württembergische Verfassungsschutz, „Querdenken 711“ und seine regionalen Ableger im Land nun zum Beobachtungsobjekt erhoben hat. Es liegen hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für eine extremistische Bestrebung vor, teilten Innenminister Thomas Strobl und die Präsidentin des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg Beate Bube weiter mit. Von der Neubewertung sind nicht alle Versammlungsteilnehmer betroffen, sondern nur die „Querdenken 711“-Organisationsstrukturen.

„Die Meinungsfreiheit und die Versammlungsfreiheit sind fundamentale Grundrechte, sie sind lebensnotwendig für das Funktionieren unserer Demokratie. Aber es ist eine Grenze überschritten, wenn extremistische Bestrebungen die grundgesetzlichen Freiheiten missbrauchen, um damit ihren extremistischen und verschwörungsideologischen Narrativen Vorschub zu leisten. Der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg hatte bereits zwei hellwache Augen auf die ‚Querdenken‘-Gruppierung, und er hat nun – sobald die Voraussetzungen für eine Beobachtung vorlagen – schnell und entschlossen gehandelt. Die fortgeschrittene Radikalisierung der ‚Querdenken‘-Gruppierung im Land macht eine Beobachtung ihrer Organisationsebene durch unseren Verfassungsschutz unabdingbar“, sagte der stellvertretende  Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl.

Überschneidungen zu „Reichsbürgern“, „Selbstverwaltern“ und Rechtsextremismus

Die Präsidentin des baden-württembergischen Verfassungsschutzes Beate Bube sieht mit Blick auf die Organisatoren sowie das Netzwerk in Baden-Württemberg sowohl personelle als auch ideologische Überschneidungen zu bereits bekannten Extremisten aus dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie aus dem Rechtsextremismus. „Gezielt werden extremistische, verschwörungsideologische und antisemitische Inhalte mit einer legitimen Kritik an den staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vermischt“, erklärte Präsidentin Beate Bube.

Mehrere maßgebliche Akteure der „Querdenken“-Bewegung ordnet das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg selbst dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ zu, die die Existenz der Bundesrepublik leugnen und demokratische und rechtsstaatliche Strukturen negieren. Hinzu kommt die bewusste, überregionale Zusammenarbeit mit anderen bekannten extremistischen Akteuren aus dem Milieu der „Reichsbürger“ und „Selbstverwalter“ sowie aus dem Rechtsextremismus, die sich in jüngerer Zeit weiter verfestigt hat. Diese Erkenntnisse des Verfassungsschutzes stehen in deutlichem Widerspruch zu offiziellen Verlautbarungen von „Querdenken 711“, sich von Extremismus jeglicher Art zu distanzieren.

Anleihen an Verschwörungsideologie „QAnon“

„Zusehends weicht der legitime Protest gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie einer grundsätzlichen Staats- und Politikfeindlichkeit in bedenklichem Ausmaß. Seit Beginn des Protestgeschehens stellen wir bei den zentralen Akteuren der ‚Querdenker‘ eine zunehmende Diffamierung staatlichen Handelns fest, die immer wieder in abwegigen Vergleichen mit der Diktatur des Nationalsozialismus und einer Verharmlosung des Holocaust gipfelt. Sie schüren mit falschen Behauptungen gezielt Hass auf den Staat – das ist demokratiefeindlich“, so Innenminister Thomas Strobl. „Dabei sind verstärkt auch Anleihen an die ursprünglich aus den USA stammende antisemitische und staatsfeindliche Verschwörungsideologie ‚QAnon‘ festzustellen. Das betrifft sowohl die Präsenz von wahrnehmbaren ‚QAnon‘-Codes bei Versammlungen als auch Äußerungen des ‚Querdenken‘-Führungspersonals. Extremistische Verschwörungsmythen können der Nährboden für Gewalthandlungen sein – etwa, wenn zum Widerstand gegen vermeintliches Unrecht aufgerufen wird. Das halten wir für hoch gefährlich“, betonte die Verfassungsschutzpräsidentin.

Nur Organisationsstrukturen betroffen

„Die Neubewertung des baden-württembergischen Verfassungsschutzes und die nun zu treffenden Maßnahmen richten sich ausschließlich gegen die Organisationsstrukturen von ‚Querdenken 711‘ und ihrer regionalen Ableger sowie gegen Extremisten im Umfeld der Gruppierung und ihrer Versammlungen – nicht gegen die größtenteils nicht-extremistischen Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Corona-Protestgeschehen. Die Mehrheit der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der ‚Querdenken‘-Demonstrationen sind keine Extremisten. Kritik an staatlichem Handeln und Demonstrieren sind Teil unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung – so viel zum Thema, man dürfe hierzulande nicht sagen, was man denkt. Die extremistischen Akteure, insbesondere auch innerhalb der ‚Querdenken‘-Organisatoren, scheinen es jedoch geschafft zu haben, ihre verfassungsfeindlichen Botschaften in weiten Teilen der nicht-extremistischen Teilnehmerschaft zu verbreiten. Dieser Gefahr treten wir mit aller Entschlossenheit entgegen“, sagte Innenminister Thomas Strobl.

red

Corona: Polizei registriert mehr als 6.200 Verstöße im Südwesten

Die Polizei in Baden-Württemberg bilanzierte nach eigenen Angaben am vergangenen Wochenende 6.240 Verstöße gegen die Corona-Verordnung, davon entfielen allein 4.400 auf Maskentragepflicht. Die Ausgangsbeschränkungen wurden hingegen weitestgehend eingehalten, heißt es in der Meldung vom Innenministerium. 

„Jeder Tag ist eine Bewährungsprobe. Es gibt noch viele Etappen auf dem Weg zu einem normaleren Leben, wie wir es vor Corona kannten. Und auf jeder Etappe heißt es: keineswegs nachlassen, konsequent und solidarisch. Alle müssen mitziehen. Von den rund 6.240 Verstößen gegen die Corona-Verordnung, die zwischen Freitag und Sonntag festgestellt wurden, entfielen alleine mehr als 4.400 auf die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung. Da ist noch viel Luft nach oben, um besser zu werden“, so der stellvertretender Ministerpräsident und Innenminister Thomas Strobl mit Blick auf das vergangene Wochenende.

Ausgangsbeschränkungen weitestgehend eingehalten

Eine überwiegend positive Wochenendbilanz hatte die Polizei in Mannheim zu verzeichnen. Als erste Stadt in Baden-Württemberg gilt dort seit Freitag eine Ausgangsbeschränkung zwischen 21 und 5 Uhr, zunächst befristet bis zum 14. Dezember 2020. Während dort am Abend und in der Nacht zum Samstag nur sehr wenige Verstöße gegen die Beschränkungen festgestellt wurden, nahmen die Zahlen in der Nacht zum Sonntag etwas zu. Vor allem waren hier auswärtige Besucher auffällig, denen die Ausgangsbeschränkungen nicht bekannt waren. Insgesamt hielten sich die Regelverstöße aber in Grenzen. Auch in Pforzheim, wo die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen erst in der Nacht zum Sonntag in Kraft traten, wurde nur von Wenigen gegen die Beschränkungen verstoßen.

Veranstaltung in Heidelberg aufgelöst

Zu unschönen Szenen kam es dagegen am Samstagnachmittag in einem Stadtteil von Heidelberg, wo rund 200 Menschen zu einem von Gaststättenbetreibern beworbenen „Glühweinspaziergang“ zusammenkamen. Die Besucher standen im Freien vor den Lokalen und konsumierten ihre Getränke und Speisen. Da ein großer Teil der Menschen weder die Abstandsregeln noch das Tragen einer Maske beachtete, löste die Polizei die Veranstaltung auf. Etliche Besucher müssen, ebenso wie die Gastronomen, nun mit Konsequenzen rechnen.

„Um das Infektionsgeschehen nachhaltig einzudämmen, ist es erforderlich, konsequent die persönliche Lebensgestaltung dem Infektionsschutz anzupassen. Das ist hart und gerade vor Weihnachten auch sehr bedauerlich, aber leider unumgänglich. Ich bin sehr dankbar für die große Solidarität und das besonnene Verhalten der allermeisten Bürgerinnen und Bürger. Rücksicht, Solidarität und ein langer Atem werden uns letztlich ans Ziel bringen – davon bin ich überzeugt“, betont der Innenminister.

Flächendeckende Schwerpunktaktionen

Bis einschließlich kommenden Sonntag wird nun die Polizei im Land ihre Kontrollen zur Corona-Verordnung noch einmal intensivieren. Im Rahmen unterschiedlicher flächendeckender Schwerpunktaktionen steht die Maskentragepflicht ebenso im Mittelpunkt, wie die mittlerweile verschärften Kontaktbeschränkungen.

„Im Vordergrund steht bei den Kontrollen das Gespräch mit den Menschen. Uns geht es nicht um das Bußgeld – am liebsten wäre mir persönlich, es gäbe keine einzige Anzeige. Das Verständnis für die Maßnahmen und die Einsicht sind uns weitaus wichtiger. Aber klar ist: Wir werden bei den Unbelehrbaren kein Auge zudrücken“, so Innenminister Thomas Strobl.

red

 

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