Ludwigsburg – Am Samstagabend eröffneten die Ludwigsburger Schlossfestspiele mit einem kraftvollen Auftakt: Aaron Coplands »Fanfare for the Common Man« und Joan Towers »Fanfares for the Uncommon Woman« ließen die Saison feierlich beginnen. Trotz des gewagten Einstiegs markierte dieser Abend den Start der 8-wöchigen Festspiele und den Abschied von Intendant Jochen Sandig.
Bundes Kulturstaatsministerin Claudia Roth hielt das Grußwort und betonte, dass die Kulturbranche mehr Ludwigsburg brauche. Bei dem Grußwort deutete sich schon an, dass Intendant Jochen Sandig mit seinem Ansatz von nachhaltigen und gesellschaftspolitisch engagierten Schlossfestspielen die Messlatte in Deutschland sehr hoch gelegt hat. Dies bestätigte die darauf folgende Ouvertüre der Festspiele.
Denn das Programm startetet gleich mit einem besonderen Highlight: Cassandra Millers 2023 uraufgeführtes Bratschenkonzert »I cannot love without trembling«, inspiriert von Zitaten der Philosophin Simone Weil. Lawrence Power, einer der führenden Bratschisten der Gegenwart, brachte die emotionale Tiefe des Werks meisterhaft zur Geltung. Alex Ross vom »The New Yorker« lobte das Werk als »Musik, die uns daran erinnert, wie man weint.«
Der Abend wurde mit Hector Berlioz’ »Symphonie fantastique« abgerundet, einer musikalischen Erzählung über tragische Liebe und Albträume.
Dirigent Ryan McAdams, bekannt für seine Arbeit in der Oper und im Sinfoniekonzert, führte durch den Abend. McAdams arbeitet weltweit mit renommierten Orchestern und kehrt 2024 nach Ludwigsburg zurück.
Trotz der künstlerischen hohen Qualität gab es auch kritische Stimmen zur Programmauswahl. Einige Besucherinnen und Besucher empfanden den Auftakt als zu gewagt und abgehoben. Die Mischung aus einem Großteil moderner Komponistinnen und Komponisten und traditionellen Stücken forderte das Publikum heraus und spaltete die Meinungen. Während manche den Mut und die Vielfalt lobten, sehnten sich andere nach einem vertrauteren Programm. Ein solch gemischtes Publikum stellt die Arbeit Sandigs, einem Kosmopoliten in der Kulturbranche vor Herausforderungen. Es bleibt spannend, wie das folgende Programm der Festspiele angenommen und wahrgenommen wird. Genauso spannend, wie es mit den Festspielen 2025 weitergehen wird. Der Aufsichtsrat der Ludwigsburger Schlossfestspiele hatte im März für die Ludwigsburger Schlossfestspiele Lucas Reuter zum Nachfolger von Jochen Sandig gewählt, der nach der Saison 2024 als Schlossfestspiel-Intendant aufhört. Mit dieser Darbietung am Samstag ist jedoch die Frage, ob Reuter die Schlossfestspiele in dieser Form weiterträgt.
Das Orchester der Ludwigsburger Schlossfestspiele, bestehend aus Mitgliedern führender Ensembles der Region, beeindruckte mit seiner Darbietung und unterstrich in seiner wohl letzten Saison die hohe musikalische Qualität der Festspiele. Die diesjährige Eröffnung setzte wieder ein starkes Zeichen für die kulturelle Vielfalt und die künstlerischen Ansprüche, die Sandig in Ludwigsburg etabliert hat. Die Individualität eines jeden Menschen wurde bereits grafisch durch die Darstellung einer DNA auf den Festspielplakaten widergespiegelt. Dies symbolisiert auch, dass jeder Mensch in seiner Würde unantastbar ist und zitiert damit die Grundlagen unseres Grundgesetzes, das in diesem Jahr 75 Jahre alt wurde.
red