Von Ayhan Güneş
Ludwigsburg – Es ist kalt an diesem Freitagmorgen in der Barockstadt, doch das hält die ersten Besucher nicht ab. Schon um 8 Uhrstehen sie vor dem Scala und warten auf Einlass – zwei Stunden vor Beginn der Veranstaltung. Die Tickets für den Auftritt von Bundeskanzler Olaf Scholz waren binnen eineinhalb Tagen vergriffen.
Das Interesse ist groß, die Erwartungen hoch
Drinnen: volles Haus, prominente Gäste. Auf der Bühne neben Scholz sitzt SPD-Bundestagsabgeordneter Macit Karaahmetoğlu, der die Veranstaltung moderiert. Auch die lokale Politprominenz ist vertreten: Ludwigsburgs OB Matthias Knecht, Gemeinderatsmitglieder und Bundestagskandidaten aus der Region haben in der ersten Reihe Platz genommen.
Fokus auf eine bewährte Wählergruppe
Scholz setzt früh auf ein Thema mit hoher Symbolkraft: die doppelte Staatsbürgerschaft. Gökay Sofuoğlu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinschaft in Deutschland, nutzt die Gelegenheit, um Scholz zu danken: „Ich will Ihnen danken, dass Sie sich trotz der vielen Krisen in den vergangenen Jahren für die doppelte Staatsbürgerschaft eingesetzt haben.“ Scholz spricht von einer „riesigen Errungenschaft“ – ein Thema, das er nicht nur gegen die AfD, sondern auch gegen die Union verteidigen will.
Doch während Scholz hier klare Positionen bezieht, bleibt er an anderer Stelle ungewöhnlich vage. Wie will Deutschland mit den USA umgehen? „Wir wollen auch in Zukunft gute Beziehungen.“ Wie soll die Wirtschaft gestärkt werden? „Wir müssen Möglichkeiten schaffen, wo sich Menschen und Firmen finden.“
Einzig der „Made in Germany Bonus“ hebt sich als konkrete Maßnahme hervor. Unternehmen, die in Deutschland investieren, sollen steuerlich entlastet werden – ein Gegengewicht zur Idee der Union, allgemeine Steuersenkungen für Firmen zu fordern.
Kritik an Trump – mit diplomatischer Zurückhaltung
Während Scholz in Ludwigsburg für Zusammenhalt wirbt, sorgt eine Äußerung aus den USA für Unruhe. Donald Trump schlägt vor, den Gazastreifen zu „übernehmen“ und die dort lebenden Palästinenser umzusiedeln. Scholz reagiert ungewöhnlich direkt: „Was Präsident Trump da in den Raum gestellt hat, findet meine komplette Ablehnung. Wir dürfen nicht die Bevölkerung von Gaza umsiedeln nach Ägypten.“
Eine klare Absage an Trumps Vorschlag – aber keine grundsätzliche Abkehr von der transatlantischen Partnerschaft. Scholz weiß, dass Deutschland außenpolitisch auf die USA angewiesen ist, besonders in der Ukraine-Frage. Eine offene Konfrontation mit Trump wäre riskant. Also bleibt Scholz bei einer formellen Zurückweisung, ohne die Beziehungen zu gefährden.
Zwischen Wahlkampf und Erwartungsmanagement
Das Publikum ist Scholz gewogen. Doch reicht das, um eine Wahl zu gewinnen? In den jüngsten Umfragen stagniert die SPD bei knapp 15 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2021 lag sie noch bei fast 26 Prozent.
Scholz verlässt sich auf bewährte Strategien: klare Abgrenzung zur Union, vorsichtige Außenpolitik, Fokus auf Stammwähler. Doch der Wahlkampf wird nicht im Scala entschieden, sondern in jenen Gruppen, die noch unentschlossen sind.
Während Scholz Applaus für die doppelte Staatsbürgerschaft erhält, bleiben viele der drängenden Fragen des Landes unbeantwortet. In einem früheren Wahlkampf hätte das gereicht. Heute könnte es zu wenig sein.