Lehrerverbandspräsident unterstützt Unterricht über Krieg

Auf den Vorstoß von Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), an Schulen ein “unverkrampftes Verhältnis zur Bundeswehr” zu etablieren, reagiert Stefan Düll, Präsident des Deutschen Lehrerverbands, positiv. Stark-Watzingers Vorschlag sei “sinnvoll”, sagte Düll zu “Bild am Sonntag”.

“Ich erwarte von der Bundesministerin, dass sie jetzt das Gespräch mit den Bildungsministern in den Bundesländern sucht. Eine Absichtserklärung reicht nicht, jetzt muss im Politik-Unterricht zum Ukraine-Krieg und zur gesamteuropäischen, ja globalen Bedrohungslage gelehrt werden.”

Dabei seien Jugendoffiziere eine “sinnvolle Unterstützung”, weil sie “vertrauenswürdige Absender sind, um für die Schüler eine Kriegsbedrohung einzuordnen”, so Düll weiter. Sie könnten für “Inhalte für den Politikunterricht und das fächerübergreifende Ziel der Demokratie- und Friedenserziehung” zum Einsatz kommen. In Deutschland wisse man viel zu wenig über die Bundeswehr. “Viel zu lange herrschte eine Friede-Freude-Eierkuchen-Stimmung. Der Ukraine-Krieg schafft ein neues Bewusstsein für militärische Bedrohung, das auch an Schulen vermittelt werden muss”, so Düll.

Bildungspolitiker in Bund und Ländern sehen den Vorschlag Stark-Watzingers kritisch. Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU) zu “Bild am Sonntag”: “Es hilft nicht, der Bevölkerung und insbesondere Kindern und Jugendlichen Angst zu machen. Es ist Aufgabe des Bundes sich um Fragen des Zivilschutzes und der äußeren Sicherheit zu sorgen. Das ist ein Thema, das sensibel und mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert werden muss.”

Der bildungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Thomas Jarzombek, sagte: “Wir müssen unsere Kinder schultüchtig machen und nicht kriegstüchtig. Jedes vierte Kind lernt in der Grundschule nicht richtig lesen und schreiben – da müssen wir ran. Die Ministerin tut hier zu wenig und lenkt mit solchen Forderungen von den eigentlichen Problemen ab.” Es gehe darum, die Bundeswehr wieder wehrfähig machen und die Munitionsherstellung in den Griff zu bekommen. “Panik an den Schulen zu verbreiten hilft dabei nicht”, so Jarzombek.

Kai Gehring (Grüne), Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bundestag, sagte “Bild am Sonntag”: “Die Zeitenwende wirft viele neue friedens- und sicherheitspolitische Fragen auf, dennoch irritieren einzelne weitreichende Aussagen der Bildungsministerin. Angesichts der Pisa-Misere sollte sie sich in erster Linie zur Aufgabe machen, beherzt die zentralen Herausforderungen für unser Bildungssystem anzupacken.”

red

Sachleistungen statt Geld: Landkreistag fordert Neuausrichtung für Flüchtlinge

Berlin – Der Präsident des Landkreistags, Reinhard Sager (CDU), hat sich für eine zügige Umstellung von finanziellen Unterstützungen auf Sachleistungen für Flüchtlinge ausgesprochen. In einem Gespräch mit der “Bild” (Donnerstagausgabe) betonte Sager die Notwendigkeit, die Attraktivität der Sozialleistungen in Deutschland im Vergleich zu anderen EU-Staaten zu überdenken. Er plädierte für eine verstärkte Verwendung von Sachleistungen anstelle von Geldleistungen, obwohl dies mit einem höheren Verwaltungsaufwand einhergehen würde.

Die Äußerungen von Sager sind eine Reaktion auf die jüngsten Forderungen von CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann, der sich für eine rasche Einführung einer eingeschränkten Prepaid-Karte anstelle von Geldleistungen für Flüchtlinge ausgesprochen hatte.

red

Die Zahl der Flüchtlinge in Deutschland erreicht historisches Hoch

Berlin – In Deutschland leben so viele aus anderen Ländern geflüchtete Menschen wie seit Jahrzehnten nicht. Das geht aus einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linken-Bundestagsabgeordneten Clara Bünger hervor, über die die “Neue Osnabrücker Zeitung” (Freitagausgabe) berichtet. Insgesamt 3,26 Millionen Menschen waren Ende Juni im Ausländerzentralregister als Flüchtlinge registriert.

Das sind 111.000 mehr Menschen als noch ein halbes Jahr zuvor. Dabei handelt es sich um Flüchtlinge, Kriegsflüchtlinge, Asylsuchende oder Geduldete. Viele von ihnen leben schon seit Jahren oder Jahrzehnten in Deutschland.

Nach Angaben der Linken ist das die höchste Zahl seit den 1950er-Jahren. Die Zahl der Flüchtlinge aus der Ukraine stieg dabei nur noch leicht um etwa 29.000 Menschen auf über eine Million Menschen. Es kamen zwar zahlenmäßig mehr, allerdings kehrten auch viele wieder zurück.

Hinzu kamen Asylsuchende und wenige Aufnahmen aus humanitären Gründen, etwa aus Afghanistan (knapp 4.000). Das Register listet mehr als 279.098 Menschen als ausreisepflichtig auf. Erstmals seit zehn Jahren ist somit die Zahl der Ausreisepflichtigen wieder gesunken (um acht Prozent), auch infolge des neuen sogenannten “Chancen-Aufenthaltsrechts” der Ampel-Koalition.

Etwa vier Fünftel der Ausreisepflichtigen haben eine Duldung, weil die Betroffenen nicht abgeschoben werden können, etwa wegen der Lage im Herkunftsland, aus rechtlichen oder humanitären Gründen. Bei vielen Geduldeten ist keine Abschiebung geplant, etwa wenn eine Ausbildung oder Beschäftigung aufgenommen wurde. Bei etwa einem Viertel fehlen die Reisedokumente.

Weniger als zehn Prozent der Geduldeten (knapp 21.000 Menschen) wird seitens der Ausländerbehörden unterstellt, dass sie ihre Abschiebung verhindern (Duldungen “light”). “Bleiberecht statt Abschiebung ist der politisch richtige Weg”, sagte die Linken-Abgeordnete Clara Bünger der Zeitung. Die Zahlen zu den Ausreisepflichtigen zeigten, dass die allermeisten geduldet würden.

“Hier immer weitere Gesetzesverschärfungen vorzuschlagen ist unverantwortlich und stärkt am Ende nur die AfD”, kritisierte Bünger.

red

Im Ukrainekrieg braucht es wieder Diplomatie

Nur Waffen zu liefern führt in eine gefährliche Sackgasse! Ein Gastbeitrag von Konrad Seigfried – ehemaliger Erster Bürgermeister der Stadt Ludwigsburg.

Der menschverachtende Angriffskrieg von Russland gegen die Ukraine hat eine riesige Welle der Hilfsbereitschaft ausgelöst: die Aufnahme von mittlerweile rund einer halben Million geflüchteter Menschen allein in Deutschland, humanitäre Hilfe und jede Menge bürgerschaftliches Engagement, wirtschaftliche Unterstützung und auch die Bereitstellung von Waffen und Munition. Alles geleitet von humanitären Überlegungen und der klaren Überzeugung, dass ein Land seine Souveränität verteidigen darf und muss. Das ist allemal unsere Unterstützung wert, ob auf privater oder staatlicher Ebene.

STOP WAR, STOP PUTIN, stand with Ukraine“ lautete die große gemeinsame Botschaft. Jetzt ist der Krieg aber bereits im dritten Monat und zunehmend stellt sich mir die Frage: was ist denn im Augenblick das Ziel unserer Unterstützung? Moralisch ist das eindeutig, politisch sehe ich aber derzeit keine Initiative. Was sind die Ziele unseres Landes und der westlichen Alliierten? STOP WAR braucht doch erreichbare Ziele, braucht Gespräche, braucht vor allem Verhandlungsgrundlagen. Über was soll verhandelt werden? Waffenstillstand? Der vollständige Rückzug Russlands aus der Ukraine, also auch von der Halbinsel Krim? Wenn ich mir die Verlautbarungen der ukrainischen Regierung anschaue ist das wohl das Ziel. Aber was ist unser Ziel?

Deutschland ist jetzt die Zielscheibe geworden für immer umfassendere Forderungen nach schweren Waffen, also Panzer und Artillerie. Der unsägliche ukrainische Botschafter Andrej Melnik (Ist er eigentlich Botschafter oder Waffenlobbyist, Chefankläger oder Stichwortgeber für geneigte Medien?), der den Präsidenten des Landes in dem er akkreditiert ist, beleidigt, sich über den Bundeskanzler lustig macht, läuft mit einer ganzen Bestellliste an Waffen umher, die wir der Ukraine angeblich schulden.

Während jetzt (fast) alle Politiker/innen von einem Zeitenwechsel sprechen und sich für die Politik der letzten Jahrzehnte entschuldigen, freue ich mich über Stimmen, wie die des Publizisten Theo Sommer. In einer Kolumne für die Wochenzeitung Die Zeit schreibt er unter anderem: “Die Entspannungspolitik war keine Lebenslüge. Außerdem ist Diplomatie, obwohl keine Friedensgarantie, nie eine Zeitverschwendung. Schließlich war Putin nicht von Anfang an der „nihilistische Desperado“ und: „Die Kombination von Abschreckung und Diplomatie hat uns fünf Jahrzehnte Frieden beschert.“

An diplomatischen Impulsen fehlt es zur Zeit völlig. Putin und Russland wollen die Ukraine „entnazifizieren“, was nichts anderes bedeutet, als zumindest zum Teil zu erobern. Die Ukraine möchte die vollständige Wiederherstellung seiner Souveränität, was nichts anderes heißt, als die Krim und die Ostprovinzen. Das wird nicht funktionieren. Hier wird einer verlieren.

Wer den Krieg jetzt wirklich stoppen will, braucht Vorschläge, wie die aktuell ausweglos scheinende Situation befriedet werden kann. Das ist eigentlich die Stunde der Diplomatie. Stattdessen reisen immer mehr westliche Politiker/innen ziemlich zweckfrei nach Kiew, um sich vor Ort vom Schrecken des Krieges zu überzeugen. Solidarität ist wichtig, aber ist das Solidarität oder nicht eher die medienwirksame Produktion von Bildern? Den Schrecken des Krieges kann man an vielen Stellen der Welt erleben. Wer hat zuletzt die Kurdengebiete im Irak oder Syrien besucht, wenn unser NATO-Partner Türkei mal wieder dort einmarschiert ist oder bombardiert hat?

Außenpolitik ist leider, wie es Willy Brandt einmal klug bemerkte:“ der illusionslose Versuch zur friedlichen Lösung von Problemen“ Genau diese illusionslosen Versuche braucht es weiter.

Wenn die Ukraine nach immer mehr und besonders nach schweren Waffen ruft, dann müssen wir klar machen, dass es dafür Bedingungen gibt: nämlich die Bereitschaft zu Verhandlungen mit Russland, der Verzicht darauf diese Waffen für Angriffe in Russland einzusetzen und eine Rückgabeverpflichtung nach Beendigung des Krieges*. Und gegenüber Russland muss klar gemacht werden, dass wir die Ukraine mit schweren Waffen unterstützen, wenn die Angriffe fortgesetzt werden.

Direkte Gespräche führen, verhandeln, Kompromisse suchen, Interessen ausgleichen, Vertrauen aufbauen waren die Erfolgsfaktoren, um den kalten Krieg zu überwinden. Das ist die Aufgabe unserer Regierungen und Diplomaten. Nur mehr Waffen zu liefern ist keine Lösung.

Bei allem was wir heute wissen, ist doch eines klar: Russland wird die Krim nicht mehr aufgeben (die dortige Bevölkerung will auch mit großer Mehrheit zu Russland, wie wir aus unserer Partnerstadt Jewpatoria leider schon lange wissen) und für die östlichen Provinzen der Ukraine, braucht es ein Mandat, dass einen dauerhaften Waffenstillstand (wenn nicht Frieden) sichert. Das könnte zum Beispiel ein UN-Mandat mit einer Volksabstimmung nach 10 oder 15 Jahren sein.

Wenn nicht endlich wieder Diplomatie in den Vordergrund tritt und Lösungen – so schwierig sie auch sind – gesucht werden, steuern wir nahezu ungebremst in einen großen Krieg, vielleicht in einen atomaren oder Weltkrieg. Und sage keiner, das hätte man nicht voraussehen können!

Russland und die Ukraine müssen jetzt an den Verhandlungstisch gezwungen werden. Waffenlieferungen allein sind keine Lösung!

* Unter den europäischen Staaten belegen laut Transparency international in 2019 Russland dicht gefolgt von der Ukraine die Spitzenplätze mit der höchsten Korruption. Was passiert eigentlich mit Waffen und Munition, wenn diese nicht mehr gebraucht werden?

 

Ukraine-Krieg: Jeder Zweite gegen Lieferung schwerer Waffen

50 Prozent der Deutschen sprechen sich gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine aus. Für die Ausfuhr unter anderem von Panzern sind dagegen nur 43 Prozent, ist das Ergebnis einer INSA-Umfrage, über die die “Bild” (Samstagausgabe) berichtet. Unter Anhängern der SPD stößt die Ausfuhr schwerer Waffen auf deutlich größere Skepsis als im Durchschnitt: Unter Genossen sind 55 Prozent gegen und nur 41 Prozent für die Lieferung.

Unter Unionswählern stimmen 55 Prozent für schwere Waffen (40 Prozent dagegen), bei Grünen-Anhängern sogar 72 Prozent (25 Prozent dagegen). Laut INSA-Umfrage ist Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) derzeit die beliebteste Politikerin im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz (SPD). 50 Prozent der Deutschen sind demnach mit Baerbocks Arbeit “zufrieden” oder “eher zufrieden” (42 Prozent “unzufrieden”) .

Auf Platz zwei folgt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit 46 Prozent bei “zufrieden” oder “eher zufrieden” (“unzufrieden”: 38 Prozent). Überwiegend enttäuscht sind die Befragten von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD, 53:39 Prozent “unzufrieden”), Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD, 50:24 Prozent “unzufrieden”), Finanzminister Christian Lindner (FDP, 48:39 Prozent “unzufrieden”) und Innenministerin Nancy Faeser (SPD, 43:21 Prozent “unzufrieden” oder “eher unzufrieden”). Wie die “Bild” weiter berichtet, fordern von den 1.001 Befragten 57 Prozent einen Untersuchungsausschuss im Bundestag, um die Beziehungen deutscher Politiker zu Russland zu untersuchen (30 Prozent dagegen).

60 Prozent sehen die Russland-freundliche Politik von SPD-Politikern als kritisch an, nur 13 Prozent befürworten deren Haltung.

red / dts

Gräueltaten in Ukraine: Botschafter Melnyk spricht von schlimmstem Verbrechen “seit 80 Jahren”

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hat die mutmaßlichen Gräueltaten russischer Soldaten in der ukrainischen Stadt Butscha mit dem Völkermord von Srebrenica verglichen. “Das ist ein zweites Srebrenica, solche Verbrechen haben wir seit 80 Jahren, seit dem zweiten Weltkrieg, nicht mehr gesehen”, sagte Melnyk am Sonntag “Bild TV”. Der Vorfall in Butscha ist laut Melnyk kein Einzelfall: “Es gibt hunderte Ortschaften, die seit fünf Wochen unter russischer Besatzung sind. Butscha ist nur ein Beispiel dafür, was seit 39 Tagen in solchen Orten passiert. Das kann man nicht mehr dulden.” Die Gräueltaten müssten für die Bundesregierung eine “rote Linie” sein.

Melnyk forderte erneut ein “Embargo für Öl, Gas und Kohle, für Metalle”. In Richtung der Regierung sagte er: “Man sieht diese Gräueltaten und ist immer noch nicht bereit, wirklich alles zu unternehmen, damit Putin seinen Appetit auf diese Gräueltaten verliert. Wie kann man schlafen, wenn man nach diesen Bildern starke Worte findet, aber nichts tut? Was soll noch passieren, damit man die härtesten Sanktionen auf den Tisch legt? Chemische Attacken oder worauf wartet man?” Der Botschafter berichtete, er habe viele Freunde in Butscha, deren Schicksale unbekannt seien: “Wir hoffen, dass sie noch leben, aber wir hatten seit Wochen keinen Kontakt. Man konnte sie nicht mehr erreichen.” Weiter sagte Melnyk: “Ich und meine Frau haben in diesen 39 Tagen schon so oft geweint, dass uns Tränen nicht mehr fließen können. Das, was man da auf den Straßen meiner Heimatstadt sieht, das ist nicht zu verkraften.”

Russland bestreitet, für die Tote verantwortlich zu sein. Angeblich hätten die Truppen die Stadt schon vor Tagen verlassen, die Bilder mit den Leichen seien später produziert worden.

red / dts

Berichte: Ukrainische Kampfhubschrauber setzen wohl Öl-Depot in Russland in Brand

Dem ukrainischen Militär soll es gelungen sein, ein Öl-Depot auf russischem Gebiet anzugreifen. Laut Medienberichten sollen zwei ukrainische Helikopter eine Anlage bei der Stadt Belgorod beschossen haben. Belgorod liegt knapp 50 Kilometer von der Grenze zur Ukraine entfernt gegenüber der ukrainischen Stadt Charkow.

Der Regionalgouverneur von Belgorod soll den Angriff bestätigt und von zwei Verletzten gesprochen haben. Die Ukraine übernahm zunächst keine Verantwortung für den Angriff. Sollte sich der Vorfall bewahrheiten, wäre dies ein weiterer Schlag gegen Russlands Streitkräfte, die zu Beginn des Krieges als klar überlegen galten.

red / dts

 

Offenbar mehr als eine halbe Million Ukrainer in ihr Heimatland zurückgekehrt

Ukrainer kehren in großem Umfang in ihr Heimatland zurück. “Seit Kriegsbeginn am 24. Februar sind 510.000 Ukrainer aus dem Ausland wieder zurückgekehrt, darunter mehr als 110.000 in der letzten Woche”, sagte der Sprecher der ukrainischen Grenzpolizei Andrij Demtschenko der “Welt”. Laut Demtschenko sind bis zu 80 Prozent der einreisenden Ukrainer Männer.

Die Grenzpolizisten fragten zwar nicht jeden Rückkehrer nach seinen Gründen, doch man könne sagen, dass die meisten militärisch oder nicht-militärisch zur Landesverteidigung beitragen wollten, hatte Demtschenko vor einer Woche im Medienzentrum Lemberg gesagt. Die meisten Rückkehrer kommen aus dem nordwestlichen Nachbarland Polen. 352.000 Ukrainer sind laut polnischem Grenzschutz seit Kriegsbeginn in ihr Heimatland ausgereist, wie die Behörde am Montag mitteilte.

Laut der Union der ukrainischen Jugend in Lemberg kehrten auch aus Nachbarländern wie Ungarn und Estland Ukrainer zurück. Ein Sprecher sagte der “Welt”, überwiegend seien dies Männer, die sich den Verteidigungskräften anaschließen wollten. Über Rückkehrbewegungen aus Deutschland in die Ukraine hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) bisher keine Erkenntnisse, wie das Amt mitteilte.

Laut “Welt”-Informationen aus Sicherheitskreisen wären solche kleineren Rückkehrbewegungen schwer feststellbar, weil bei der Ausreise aus Deutschland die Wahrscheinlichkeit, grenzpolizeilich aufzufallen, noch geringer sei als bei der Einreise per Pkw. Die häufig verspätete Registrierung sorgt für Kritik der kommunalen Spitzenverbände. Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, sagte der “Welt”: “Natürlich wäre es das Beste, die schutzbedürftigen Menschen bereits bei der Einreise an den Grenzen oder in den Erstaufnahmeeinrichtungen zu registrieren. Dann wäre von Beginn an eine faire Verteilung möglich.” Wenn dies nicht gelinge, müssen die Länder die Erfassung und Registrierung für alle ukrainischen Flüchtlinge sicherstellen. Dedy plädiert für ein vereinfachtes Registrierungsverfahren, es sei fraglich, “ob immer eine Registrierung mit aufwendiger erkennungsdienstlicher Behandlung nötig” ist.

“Das dauert ziemlich lange und passt nicht in die dynamische Situation, die wir derzeit haben. Viele geflüchtete Menschen haben biometrische Pässe, so dass an ihrer Identität kein Zweifel besteht.” Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), hält eine bessere Registrierung für unerlässlich.

“Es könnten noch viele Hunderttausend Ukrainer zu uns fliehen und möglicherweise dauerhaft bleiben. In einer solchen Situation ist die lückenlose Erfassung grundlegend”, sagte der CDU-Politiker. Die Erfassung sei wichtig für eine sinnvolle Verteilung und damit auch für die strukturierte Eingliederung in Schulen, die Unterbringung in Wohnungen und die Aufnahme einer Arbeit.

Allerdings laufe die Verteilung derzeit noch nicht rund. “Aus kommunaler Sicht wäre es zu begrüßen, wenn angekündigte Vertriebene dann auch tatsächlich in dem betreffenden Landkreis ankämen. Das klappt noch nicht zufriedenstellend, sodass vor Ort teilweise Betten, Verpflegung, Kleidung und Hygieneartikel vorbereitet sind, dann aber weniger Menschen kommen als angekündigt.”

Man könne das “verbessern, indem nicht die geplanten Ankünfte mitgeteilt, sondern quasi in Echtzeit übermittelt würde, wie viele Personen tatsächlich die betreffenden Busse bestiegen haben”.

red / dts

Innenministerin lehnt Registrierung aller Ukraine-Flüchtlinge ab

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt eine Registrierung aller vor dem Krieg in der Ukraine geflüchteten Menschen in Deutschland ab. “Wir reden vor allem von Kindern und Frauen, tagelang auf der Flucht sind, die in der Kälte an der polnischen Grenze ausharren mussten”, sagte sie dem “Tagesspiegel”. Man wolle nicht, dass sie an der deutschen Grenze aufgehalten werden, weil man stationäre Grenzkontrollen einführe.

“Nur zur Klarstellung: Die Menschen haben das Recht, sich hier frei zu bewegen. Und Drittstaatsangehörige werden natürlich registriert.” Zudem würden Ukrainer registriert, falls sie in eine Erstaufnahmeeinrichtung kommen oder sobald sie staatliche Hilfe brauchen.

Die SPD-Politikerin wies Vorwürfe von CDU-Chef Friedrich Merz zurück, dass man kaum wisse, er da eigentlich ins Land komme und wo die Menschen blieben. “Die Bundespolizei geht in die Züge, wenn sie über die Grenze kommen, und kontrolliert alle Pässe. Wer keinen Pass hat oder aus einem Drittstaat kommt, wird erfasst und registriert.”

Beim Busverkehr sei das schwieriger, weil der oft privat organisiert ist. “95 Prozent der Menschen, die aus der Ukraine zu uns flüchten, sind auch ukrainische Staatsangehörige.” Bisher gebe es keine Hinweise, dass etwa Weißrussland gezielt Menschen auf den Weg nach Europa schicke, auch nicht auf mögliche Terroristen, die versuchen über die Fluchtbewegung nach Europa zu kommen.

Faeser lehnt zudem die von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) geforderten Schutzzonen an deutschen Bahnhöfen für ankommende Flüchtlinge aus der Ukraine ab – die GdP begründet die Forderung damit, dass Männer versuchen, Frauen an Bahnhöfen von einer Privatunterbringung zu überzeugen und sie diese dann zur Prostitution zwingen könnten. “Bei der Frage der Schutzzonen müssen wir auch sehen: Viele Ehrenamtliche nehmen Geflüchtete in Empfang, sehr solidarisch und sehr menschlich”, so Faeser. “Das ist ein herzliches Willkommen für die Menschen, die aus diesem schrecklichen Krieg kommen.”

Wenn sich Helfer um die Menschen bei der Ankunft kümmern, sei es etwas anderes, als wenn nur Polizisten da seien.

red / dts

Zum Protest gegen den Ukraine-Krieg – raus aus der Komfortzone

Ein Gedankensplitter von Uwe Roth

An diesem Donnerstag haben sich erneut ein paar Hundert Menschen auf dem Ludwigsburger Marktplatz versammelt. Sie zeigten – auch in Gebeten – Solidarität mit der Bevölkerung in der Ukraine. Solche friedlichen Aktionen gegen Russland sind wichtig. Auch wenn man davon ausgehen kann, dass dies die Verantwortlichen im Kreml in keiner Weise beeindruckt. Putin schonmal gar nicht. Den Menschen im Kriegsgebiet hilft es wenig, wenn Eltern und ihre Kinder mit Ökokreide Friedenszeichen auf öffentliche Flächen in Ludwigsburg malen und danach die Bilder in den sozialen Netzwerken verteilen. Ein solcher Aufruf war in Facebook zu lesen.

Die Lage hat sich in dieser Woche dramatisch zugespitzt, dass man diese provokante Frage stellen darf: Wer will mit seinem Handeln tatsächlich etwas ändern? Oder wem geht es nur darum, mit den eigenen Ängsten vor einem möglichen Krieg klarzukommen. Helfen, ohne die geliebte Komfortzone zu verlassen, bringt in diesem Stadium der Krise nur noch wenig. Dazu zählt beispielswiese das Spenden von Klamotten, die man sowieso nicht mehr tragen will. Ein Helfer an der polnisch-ukrainischen Grenze hat flehentlich in die Kamera gesagt, wir sollen keine Textilien mehr schicken… Wer helfen will, der soll Geld an Organisationen überweisen, die dafür kompetent sind. Wer Flüchtende ein Zuhause gibt, zeigt seine Bereitschaft, die Wohlfühlzone zu verlassen.

Es gibt drei Formen des Handelns: Aktionen, die symbolischer Natur sind und letztlich nichts verändern. Da sind zum anderen humanitäre Hilfen aller Art für die ukrainische Bevölkerung und zum dritten der persönliche Verzicht, der in der Summe Putin schwächen kann. Man darf gespannt sein, wer alles bereit ist, freiwillig seine Komfortzone zu verlassen, wenn die Verbraucherkosten weiter durch die Decke gehen. Es ist nicht nur fehlendes Erdgas, das unser Leben verteuert, sondern auch ausbleibendes Getreide aus Russland und der Ukraine.

Echter Verzicht darf ruhig wehtun. Muss wehtun. Am 25. November 1973 hat es wegen der damaligen Ölkrise den ersten autofreien Sonntag gegeben. Die Straßen waren vollkommen leer! Gut, es war eine staatliche Anordnung. Aber die Autofahrer*innen haben diese ohne Murren befolgt. Es wäre ein öffentlich wahrnehmbares Zeichen gegen Putin, wenn wir ihm Bilder von leeren Straßen senden könnten. Wir brauchen dein blutgetränktes Gas nicht! Wir finanzieren nicht deinen Krieg an unseren Tankstellen! Oder über horrende Gasrechnungen, weil immer noch zu vielen glauben, jeden Tag duschen zu müssen und kuschelig in der Wohnung beginnt bei weit über 20 Grad.

Wenn es darum geht, sich wesentlich einzuschränken (was immer noch ein Klacks im Vergleich zu dem wäre, was die ukrainische Bevölkerung aushalten muss), kommen weinerliche Mimimi-Ausreden. Das Fernsehen zeigt Autofahrer, für die das Vehikel aus beruflichen Gründen unverzichtbar ist. Es zeigt Politiker, die eine Senkung der Energiesteuer fordern. Medien berichten über den Autokorso, der durch Ludwigsburg fährt, um gegen Corona-Regeln zu protestieren. Das Auto ist für viele zur Droge geworden, von der sie nicht so leicht loskommen.

In Baden-Württemberg hat die Umweltministerin einen autofreien Sonntag ins Gespräch gebracht. Doch ein solcher wäre im März 2022 im Gegensatz zu dem vor 50 Jahren alles andere als autofrei. Schließlich will man auf die Sonntagsbrötchen nicht verzichten. Dabei wäre es so wichtig, aus eigenem Antrieb die eigene Komfortzone zu verlassen und nicht darauf zu warten, bis einen die äußeren Zwänge (zum Beispiel staatliche Anordnungen) aus dieser verdrängen. Das schafft nur weiteren Frust und bringt neue Querdenker hervor.