McLaren 600LT: Offen für die Rennstrecke

Der britische Sportwagen-Spezialist McLaren öffnet sein Performance-Coupé zum Cabrio: Der 600LT Spider vereint Frischluft-Spaß mit extremer Fahr-Präzision. Eigentlich sind die Rollen bei Sportwagen klar verteilt: Das geschlossene Coupé richtet sich an ambitionierte Fahrer; an Kurvenliebhaber, die konzentriert und gerne sehr schnell unterwegs sind, und die auch mal ein Ticket für ein paar Runden auf einer Rennstrecke lösen. Wer es dagegen eher entspannter mag, die Fahrt genießt und die Leistung eher selten abruft, greift gerne zur offenen Version.

Das Cabriolet leidet gegenüber dem geschlossenen Wagen in Sachen Performance schließlich an zwei Handicaps: Das höhere Gewicht, bedingt durch die Dachmechanik und Karosserie-Versteifungen, sowie – trotz dieser – eine höhere Anfälligkeit für Verwindungen.

Nicht so beim neuen McLaren: Der 600LT Spider soll Fahrspaß und Frischluft verbinden. Denn wie alle Fahrzeuge aus dem britischen Woking baut er auf einem Monocoque-Chassis à la Formel-1-Renner auf – das auch ohne festes Dach seine enorme Steifigkeit behält. Dafür benötigt es keinerlei Karosserie-Verstärkung; das Mehrgewicht gegenüber dem Coupé von lediglich 50 Kilogramm resultiert ausschließlich aus der Mechanik für das elektrische Dach.

In der Fahrdynamik, so verspricht McLaren, unterscheide sich der offene nicht vom geschlossenen 600LT. Das ist eine selbstbewusste Ansage: ist dieses Modell doch der wilde Gesell im Portfolio, der Rundstrecken-Rabauke. Ordentlich straff gefedert, mit spektakulärem Motorsound und eng anliegenden Schalensitzen gibt er sich kompromissloser als andere Typen der Briten.

“LT”, das Kürzel für “Long Tail”, bezieht sich auf das Modell-typische lange Heck, das einen überragenden Anpressdruck von 100 Kilogramm erzeugt – sogar dieser Wert gilt unverändert auch für die offene Variante. Wie überhaupt gilt: alles, was das Coupé kann, beherrscht auch der Spider.

Hat sich der Fahrer hinter dem kleinen, mit Alcantara bezogenen Lenkrad in die Sportsitze gefaltet, scheint er mit dem Wagen zu verwachsen; er wird quasi zu einem Teil von ihm. Jegliche Befehle des rechten Fußes und der Hände setzt dieses Auto mit hoher Präzision um, auf öffentlichen Straßen und, erst recht, auf der Rennstrecke.

Die Beschleunigung auf der Geraden schlägt brachial im Bauch ein, in Kurven erreicht der Brite Renn-sportliche Werte der Querbeschleunigung. Die Bremsen verzögern ohne zu zögern und auf den Punkt. Bis zum letzten Moment vor der Kehre Gas geben, bremsen, einlenken, herausbeschleunigen: alles ist ein einziger, fließender Vorgang. Dieses Auto ist ein fast schon chirurgisches Werkzeug der Geschwindigkeit.

Und der Verzicht auf das Dach macht dieses Tempo und alles drumherum nun noch viel mehr körperlich erfahrbar. Das Geräusch des 600 PS starken V8-Mittelmotors dringt noch unmittelbarer an die Ohren der Insassen, der Fahrtwind zerrt an Haupt und Haar. Mittels der Seitenscheiben und der ebenfalls elektrisch herausfahrenden, schmalen Heckscheibe lässt sich die Frischluftzufuhr dosieren. Bis hin zur rein akustischen Lösung: Ist das Dach geschlossen, lässt sich immer noch das Heckfensterchen herunter fahren, so dass kaum Luftzug entsteht, der Sound aber unvermittelt hereindringt. Vielen Fahrern bisheriger offener McLaren-Modelle gilt das als Lieblings-Modus.

In seiner Kombination aus Offen-Option und motorsportlicher Dynamik hat der 600LT Spider eigentlich nur einen Konkurrenten: Den Lamborghini Huracán Performante Spyder. Der Italiener veranstaltet mehr Drama, noch spektakulärer sind der optische und akustische Aufritt. Da fließt die Emotion schon fast über. Der Brite bleibt auch als offene Fahrtwind-Maschine ein Auto, das zuerst der Rundenzeit und danach der Show verpflichtet ist. Für Fans schneller Fahrzeuge, denen die McLaren-Modelle ein wenig zu kühl daherkommen, liefert gerade das Faltdach das den Coupés fehlende Feeling. 20.000 Euro Aufpreis auf genau eine Viertelmillion Euro sind da wohl zu verschmerzen.

Marcus Efler / mid

Technische Daten, McLaren 600LT Spider:
Zweitüriger, zweisitziger offener Sportwagen, Carbon-Monocoque-Karosserie, Länge/Breite mit, ohne Außenspiegel/Höhe/Radstand: 4.604/2.095, 1.930/1.196/2.670 mm, Leergewicht: 1.404 kg, Kofferraumvolumen: vorn 150 l, hinten 52 l, Tankinhalt: 72 l, Preis: 250.000 Euro.

Antrieb: V8 Twinturbo, Hubraum: 3.799 ccm, Leistung: 441 kW/600 PS bei 7.500 U/min, max. Drehmoment: 620 Nm bei 5.500 – 6.500 U/min, 7-Gang-Doppelkupplungs-Getriebe, 0 – 100 km/h: 2,9 Sekunden, Höchstgeschwindigkeit: 324 km/h, Heckantrieb, Normverbrauch: 12,2l/100 km, CO2-Emission: 276 g/km, Schadstoffklasse: Euro 6d-Temp. mid/me

Heißes Eisen aus Britannien

Neues heißes Eisen aus dem Hause McLaren: Mit dem 600LT Spider bringt die britische Sportwagenschmiede das nächste Modell der Longtailbaureihe und seiner Modelloffensive auf den Markt. Gut betuchte Frischluft-Fans werden sich die Hände reiben.

Mehr Leistung, weniger Gewicht, verbesserte Aerodynamik und eine limitierte Stückzahl – das sind die Zutaten, die McLarens Langheck-Sportler für Sportwagen-Fans und Autosammler besonders reizvoll machen.

Mit 1.297 Kilo wiegt der Spider gerade einmal 50 Kilo mehr als das Coupé. Und auch die restlichen technischen Daten können sich sehen lassen: 600 PS leistet der 3,8 Liter große V8-Twinturbo, 620 Newtonmeter beträgt das maximale Drehmoment.
Tempo 100 ist nach atemberaubenden 2,9 Sekunden erreicht, bis 200 km/h dauert es 8,4 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 324 km/h.

201.500 Britische Pfund kostet die offene Flunder, das entspricht rund 227.400 Euro. mid/Mst

McLaren 600LT: Der Brexpress

Ein Kernmodell, viele Ableger: McLaren kopiert erfolgreich das Geschäftsmodell des Porsche 911. Neuester Wurf ist der 600 LT. Gründe, warum die einst so mächtige britische Auto-Industrie heute marginalisiert oder in ausländischer Hand ist, mag es viele geben. Für Ron Dennis, langjähriger Boss von McLaren, zählt vor allem einer: “Die Gewerkschaften haben sie ruiniert”.

Mag sein. Für den Formel-1-Rennstall und die Sportwagen-Manufaktur, die im englischen Woking residieren, sind die – mittlerweile ohnehin kräftig gezähmten – Unions aber kein Problem: Die Arbeit in den hellen, klinischen reinen Entwicklungsbüros und der Produktionshalle gilt unter den gut 3000 Beschäftigten als Traumjob.

Die McLaren-Gruppe ist heute das größte britische Unternehmen in Privatbesitz – aktuell indes mit eher einer zweischneidigen Bilanz. 2017 schrieb man Verluste, McLaren Racing fährt in der Formel 1 hinterher. Immerhin brummt es beim anderen Geschäftszweig, bei McLaren Automotive, dem Hersteller von Straßen-Sportwagen. Er produziert und mehr als 3000 Autos pro Jahr, bis 2025 soll sich die Zahl verdoppeln. In einer Dekade hat sich das Unternehmen vom Frickler von Kleinst-Serien auf BMW- und Mercedes-Basis zum ernsthaften Herausforderer für Ferrari und Lamborghini hochgearbeitet. Vorbild bei der Modell-Ausweitung ist dabei ein weiterer, deutlich größerer Sportwagen-Hersteller: Porsche.

Denn so, wie die Volkswagen-Tochter ihr Kernmodell 911 in immer weitere Varianten aufsplittet und erfolgreich an den Mann (oder die Frau) bringt, so versteht es McLaren, eine einzige technische Basis in mehrere Typen, ja sogar Modellreihen zu fächern. Vom Basis-Renner, dem 570S, bis zum extremen Senna reicht die Palette. Jedes der zweisitzigen Coupés oder Spider entwickelt seinen eigenen Charakter – und greift jeweils andere Konkurrenten an.

Die neueste Entwicklung, der 600 PS starke 600 LT, nimmt drei Wettbewerber ins Visier: den Ferrari 488 GTB, den Lamborghini Huracan Performante – und für die deutsche Fraktion den Porsche 911 GT2 RS. Der bringt mit 700 PS zwar derer 100 mehr mit als der Engländer, aber auch über 100 Kilogramm mehr auf die Waage. Kein Wunder angesichts des Karosserie-Materials: Stahlblech in Stuttgart, Carbon in Woking. Bei den Fahrleistungen nehmen sich die Kontrahenten vom Kontinent und der Insel unterm Strich also nichts. Beeindruckende Zahlen sind das allemal: Unter drei Sekunden schießen sie auf Tempo 100, knapp über acht auf 200.

Vom 570S unterscheidet sich der McLaren 600LT – abgesehen vom höheren Preis von 230 000 Euro – vor allem durch sein um 47 Millimeter verlängertes Heck: LT steht für Longtail. Die so optimierte Aerodynamik erhöht den Anpressdruck um 100 Kilo. Weitere Plus-Punkte gegenüber dem Basismodell: 30 Mehr-PS, 100 Minder-Kilo, eine überarbeitete Abgas-Anlage, deren Endschalldämpfer spektakulär himmelwärts aus dem Heck ragen. Außerdem Modifikation an Fahrwerk, die Bremsen des noch teureren 720, und so weiter und so fort. 23 Prozent aller Teile, erklärt McLaren, seien gegenüber dem 570S modifiziert.

Soweit die Papierform. In der Praxis steht sie für einen schier unglaublichen Vorwärtsdrang, den der McLaren in der typisch britisch präzisen, fast schon britisch-unterkühlten Art und Weise performt. Die Charakteristik gilt schon für das “Einstiegsmodell”, den 570S – und für den 600LT erst Recht: Ein Werkzeug der Geschwindigkeit, aber keine Krawall-Maschine.

Mit einem präsenten Motorsound, der vor allem dank der Endschalldämpfer im Nacken des Fahrers durchaus spektakulärer klingt als der des 570S, schießt der 600er auf die Rennstrecke. Der V8 baut ab mittlerem Drehzahlbereich mächtig Druck auf, dreht spontan und ohne spürbare Turbo-Verzögerung hoch. Mit einer messerscharfen Präzision lässt sich der Wagen durch Kurven und Kehren dirigieren, folgt sofort jedem Bremsbefehl, bremst auf den Punkt.

In der Summe seiner Eigenschaften ist der 600LT näher am Extremsportler Senna als am Einstiegs-McLaren 570S. Er ist eine Fahrmaschine für die Rennstrecke – ohne allerdings für eine Rennserie zugelassen zu sein. Wer echten Motorsport in einem McLaren betreiben will, muss dann eben zum McLaren 720S GT3 greifen – oder sich um einen Cockpit-Platz beim Formel-1-Team bewerben.

Marcus Efler / mid

Technische Daten McLaren 600LT:

Supersportwagen mit zwei Flügeltüren, Carbon-Monocoque-Chassis und Carbon-Karosserie, zwei Sitzplätze, Länge 4604 mm, Breite 2095 mm, Höhe 1191 mm, Gewicht 1247 kg.

Motor: V8-Mittelmotor, zwei Turbolader, Hubraum 3799 ccm, 7-Gang-Doppelkupplungs-Getriebe, Leistung 441 kW/600 PS bei 7500 U /min, Drehmoment 620 Nm bei 5500 bis 6500 U/min, 0 – 100 km/h 2,9 Sekunden, 0 – 200 km/h 8,2 Sekunden, Höchstgeschw. 328 km/h, Verbrauch 16,3 l/100 km, Preis 230 000 Euro. mid/me