
Ein Jahr nach seinem Amtsantritt als Bürgermeister von Freiberg am Neckar steht Jan Hambach vor einer entscheidenden Phase. Der SPD-Politiker hat sich das Vertrauen der Bürger mit einem klaren Programm verdient – und muss nun die Herausforderung meistern, die Stadt zwischen Tradition und Moderne zu balancieren. Mit einem klaren Fokus auf soziale Infrastruktur, Wirtschaftsförderung und Finanzstabilität strebt Hambach an, Freiberg zukunftsfähig zu machen. In unserem exklusiven Gespräch gibt der 30-Jährige Einblicke in seine Visionen für die Stadt, spricht über die drängende Problematik rund um das SGV-Stadion und erläutert, wie er trotz finanzieller Engpässe die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft stellen möchte.
Ein Interview von Ayhan Güneş
LB24: Herr Hambach, mit welchen konkreten Vorsätzen sind Sie als Bürgermeister ins Amt gestartet?
JH: Zu Beginn meines Wahlkampfs habe ich eine umfangreiche Umfrage unter den Bürgern durchgeführt, um ihre wichtigsten Anliegen zu erfassen. Aus diesen Ergebnissen haben wir die zentralen Themen abgeleitet: Zusammenhalt und Ehrenamt, Familienfreundlichkeit, Wohnraum, Verkehr, Klimaschutz und eine moderne, bürgernahe Verwaltung. Ein weiteres großes Thema war die Weiterentwicklung unseres Stadtzentrums – ein langfristiges Projekt, das die Zukunft unserer Stadt prägen wird. Angesichts der angespannten Haushaltslage war es mir besonders wichtig, auch die Finanzen im Blick zu haben und Lösungen zu finden, um die Stadt sowohl infrastrukturell als auch wirtschaftlich zukunftsfähig zu halten und trotzdem die notwendige Konsolidierung nicht aus dem Blick zu verlieren.
Wenn Sie Freiberg in nur drei Schlagwörtern beschreiben müssten, welche wären das ?
JH: Freiberg ist zentral gelegen und gut erreichbar. Die Stadt entwickelt sich fortschrittlich weiter, ohne ihre Traditionen aus den Augen zu verlieren. Und dank des großen ehrenamtlichen Engagements lebt hier eine starke Gemeinschaft.
Freiberg ist nicht schuldenfrei?
JH: Richtig, wir haben derzeit eine Verschuldung von rund 40 Millionen Euro. Allerdings haben wir bereits unter meinem Vorgänger viel in die Infrastruktur investiert – zum Beispiel in neue Kitas, ein neues Schulzentrum mit Freianlage und Sporthalle. Derzeit bauen wir auch eine neue Grundschule. Es ist also schon einiges passiert, auch wenn die finanzielle Lage nach wie vor eine Herausforderung bleibt. Auch hier können wir auf bereits getroffenen Sparmaßnahmen der letzten Jahre aufbauen und entwickeln weiter neue.
Sie sind der jüngste Bürgermeister im Landkreis, oder?
JH: Eine kurze Zeit lang war ich der jüngste Bürgermeister im Landkreis, aber dann wurde Ron Keller in Oberriexingen gewählt. Auch Christoph Herre der vor kurzem in Walheim gewählt wurde, ist ebenfalls jünger. Ich freue mich, dass es eine „junge Riege“ im Landkreis gibt, im Austausch stellen wir oft fest, dass uns ähnliche Themen beschäftigen.
Wie wurden sie im Rathaus empfangen?
JH: Der Empfang im Rathaus und in den Außenstellen war sehr positiv und offen. Ich habe mich über den Vertrauensvorschuss gefreut, den ich aufgrund des Wahlergebnisses erhalten habe. Besonders schätze ich den Austausch mit den langjährigen Mitarbeitern, wie unserem Beigeordneten Stefan Kegreiß, die mir ihre Erfahrungen und Einblicke in die Arbeit im Freiberger Rathaus nähergebracht haben. Zudem haben wir eine gute Mischung aus erfahrenen und neuen Mitarbeitern.
Seit Sie Bürgermeister sind, hat sich Ihr persönliches Leben verändert. Was ist anders?
JH: Ja, das hat sich schon verändert. In meinen vorherigen Positionen war ich auch stark eingespannt, aber das Amt des Bürgermeisters bringt eine völlig andere Verantwortung mit sich. Diese spürt man sofort intensiver, besonders in den täglichen Entscheidungen, die man treffen muss. Der größte Unterschied ist, dass der Fokus nun stark auf der Stadt liegt und man die Auswirkungen seiner Entscheidungen sofort spürt. Persönlich hat sich auch unser Lebensmittelpunkt verändert. Ich bin vor einem Jahr nach Freiberg gezogen, um näher an den Herausforderungen und den Menschen vor Ort zu sein.
Haben Sie inzwischen einen Lieblingsort in Freiberg?
JH: Das Wiesental ist für mich ein ganz besonderer Ort – ein schönes Naturschutzgebiet. Aber auch das Stadtzentrum hat seinen Charme. Ich genieße es zudem, durch die historischen Ortskerne zu spazieren, die wirklich viel Atmosphäre und Geschichte vermitteln.
Werden Sie, wenn Sie durch die Stadt laufen, inzwischen erkannt?
JH: Ja, auf jeden Fall. Ich muss mittlerweile mehr Zeit einplanen, wenn ich unterwegs bin, weil oft Gespräche oder Fragen aufkommen. Für mich gehört das aber absolut dazu und hilft mir viele Stimmen aus Freiberg zu hören.
Wie würden Sie die aktuelle Situation des Einzelhandels in Freiburg beschreiben?
JH: Die Lage ist relativ gut im Vergleich zu anderen Städten dieser Größe, dank der starken Kaufkraft durch Schule, Verwaltung und kulturelle Einrichtungen im Stadtzentrum. Dennoch spüren wir den Druck, da das Stadtzentrum in den letzten Jahrzehnten an Substanz verloren hat. Wir arbeiten an der Modernisierung des Zentrums und schaffen größere Flächen für den Einzelhandel, um den aktuellen Bedürfnissen gerecht zu werden. Zudem bewerben wir regelmäßig unsere Parkmöglichkeiten, werden im Herbst die Freicard modernisieren und unterstützen auch mit kleinen Dingen, wir der Öffnungs des WCs in der Stadthalle während des Wochenmarkts am Samstag.
Was war eine Ihrer ersten Amtshandlungen, die Sie sofort umsetzen wollten?
JH: Ich habe direkt nach dem Amtsantritt mit meinem Führungsteam eine strategische Ausrichtung für die nächsten fünf Jahre vorbereitet, die wir dann auch im Gemeinderat diskutiert und gemeinsam vereinbart haben. Die Schwerpunkte liegen unter anderem auf der Weiterentwicklung des Stadtzentrums, einer neuen Kita-Strategie, der Weiterentwicklung unserer Nahwärme, der Schaffung von Wohnraum, der Modernisierung der Verwaltung und der Haushaltskonsolidierung.
Was hat Sie motiviert, Bürgermeister zu werden?
JH: Freiberg bietet viele Möglichkeiten zur Gestaltung, es gibt viel zu bewegen. Es ist nicht immer einfach, aber genau das finde ich spannend. Verantwortung für eine Stadt zu übernehmen und der Gesellschaft etwas zurückzugeben, ist für mich eine wichtige Motivation. Als Bürgermeister kann ich die besten Entscheidungen für die Kommune treffen und täglich an verschiedenen Themen und Herausforderungen arbeiten, um die Stadt weiterzuentwickeln.
Gibt es ein Thema, das Ihnen besonders am Herzen liegt
JH: Als Bürgermeister liegt mir vor allem die Gesamtverantwortung für die Stadt am Herzen. Es geht darum, Freiberg gut zu organisieren und weiterzuentwickeln. Wichtige Themen für mich sind die Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, die Unterstützung von engagierten Menschen und die Weiterentwicklung der Stadt, besonders im Bereich Stadtentwicklung. Das bedeutet auch, moderne Schulen zu schaffen und ausreichend bezahlbaren Wohnraum bereitzustellen – eine große Herausforderung, aber eine essentielle für die Zukunft der Stadt.
Freiberg hat sich längst als Sportstadt etabliert. Welchen Stellenwert messen Sie dem Sport in Freiberg bei, und welche konkreten Maßnahmen planen Sie, um das Vereinswesen sowie die Sportinfrastruktur weiter zu fördern?
JH: Freiberg ist in Sachen Sportinfrastruktur bereits gut aufgestellt. Wir haben eine neue Sporthalle gebaut, eine Freilufthalle, das Sportgelände im Zentrum und es entsteht gerade eine weitere neue Sporthalle an der derzeit im Bau befindlichen Grundschule t. Zudem haben wir zahlreiche Sportstätten am Wasen. Das alles gilt es natürlich personell und finanziell zu unterhalten. Mit dem TuS Freiberg befinden wir uns momentan in Abstimmung, um die Erneuerung der Lugaufhalle und ein Sportvereinszentrum des Vereins möglicherweise gemeinsam umzusetzen. Es ist uns wichtig, sowohl ansprechbar für die Vereine zu sein als auch das Engagement der Ehrenamtlichen zu würdigen. Ich habe persönlich viel Erfahrung im Vereinssport gesammelt und weiß, wie wertvoll der Einsatz von Vereinsmitgliedern ist, die nicht nur Werte und Regeln vermitteln, sondern auch Gemeinschaft und persönliche Entwicklung fördern.
Aktuell sind wir mit dem technischen Ausschuss in Gesprächen über den Zustand des Kunstrasenplatzes auf dem Wasen. Der Platz ist stark marode, und leider fehlen uns die finanziellen Mittel, um ihn komplett zu sanieren. Daher werden wir zunächst nur punktuelle Ausbesserungen durchführen, um den Platz noch einige Zeit bespielbar zu halten. Eine langfristige Lösung können wir momentan jedoch nicht garantieren. Wir sind uns bewusst, dass wir als Kommune an unsere finanziellen Grenzen stoßen. Der SGV Freiberg stellt mit seinen Anforderungen an die Sportinfrastruktur natürlich höhere Erwartungen, die wir als Stadt momentan nicht erfüllen können. Trotzdem suchen wir gemeinsam mit dem Verein nach pragmatischen Lösungen, die für beide Seiten akzeptabel sind, auch wenn die Mittel begrenzt sind.
Der SGV Freiberg, als Aushängeschild der Stadt, möchte in die dritte Liga aufsteigen, doch das Stadion ist nicht drittligatauglich. Wie reagiert die Stadt auf diese Herausforderung, und welche Lösungen sehen Sie für den Verein?
JH: Das ist eine sehr gute Frage, und wir müssen da auch in enger Absprache mit dem Verein eine klare Entscheidung treffen. Der SGV muss sich überlegen, ob er in der vierten Liga bleibt oder aufsteigen möchte. Aktuell erhalten wir für den Spielbetrieb in der Regionalliga Ausnahmegenehmigungen, aber für die dritte Liga reicht die Infrastruktur nicht aus. Das Stadion müsste massiv umgebaut werden, und die Kosten dafür würden sich mindestens auf 10 Millionen Euro belaufen. Dafür ist kein Geld da. Zudem gibt es das Problem, dass der Wasen verkehrlich schon jetzt stark belastet ist. Wenn die dritte Liga hier spielen würde, würde sich der Verkehr noch weiter zuspitzen, was nicht tragbar wäre. Es ist also klar, dass der SGV für einen Aufstieg in die dritte Liga entweder ein neues Stadion benötigt oder ein Ausweichstadion anstreben muss.
Wie wird der SGV Freiberg angesichts der finanziellen Situation weiter unterstützt?
JH: Wir führen derzeit Gespräche mit dem Verein, um die Anforderungen für die Regionalliga zu erfüllen und notwendige Ausnahmegenehmigungen zu erhalten. Trotz der angespannten Finanzlage investieren wir weiterhin in das Stadion. Aber wir müssen abwägen, ob es aus Sicht der Steuerzahler gerechtfertigt ist, in den Profisport zu investieren. Der SGV ist ein Aushängeschild für die Stadt und trägt viel zum gesellschaftlichen Leben bei. Dennoch ist es ein schwieriger Spagat zwischen Unterstützung und finanziellen Realitäten.
SGV-Präsident Emir Cerkez hat in einem Interview angedeutet, dass Gespräche über einen Stadionumzug mit anderen Gemeinden geführt werden. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
JH: Ein Umzug wäre auf jeden Fall ein großer Verlust für Freiberg. Es gehört aber auch zur Realität, dass wir ohne ein entsprechendes Stadion in der Regionalliga und erst recht in der dritten Liga nicht weiterkommen werden. Wenn es dazu kommt, müssen wir prüfen, welche Spiele hier noch möglich sind – vor allem, um die Sicherheit zu gewährleisten. Das hängt stark von der Liga und den jeweiligen Anforderungen ab, die wir jedes Jahr auch mit der Polizei besprechen. Es ist eine schwierige, aber notwendige Entscheidung, die wir gemeinsam mit dem Verein treffen müssen.
Es wurden Fördermittel in Höhe von 81.000 Euro vom Land für den Kunstrasenplatz genehmigt. Wie gehen Sie mit diesen Mitteln um?
JH: Wir hoffen, dass wir die Fördergelder tatsächlich erhalten können, und planen, diese Mittel eventuell für die Zukunft zu verwenden, wenn wir die Sanierung finanziell stemmen können. Aktuell haben wir jedoch nicht genug Eigenmittel, um die komplette Sanierung des Kunstrasenplatzes zu finanzieren. Wir benötigen insgesamt rund 700.000 bis 800.000 Euro für die Erneuerung des Platzes, da sowohl die Oberfläche als auch der Untergrund komplett beschädigt sind. Die Firma, die vor über zehn Jahren die letzte Instandsetzung vorgenommen hat, ist inzwischen insolvent, sodass wir keine rechtlichen Ansprüche mehr geltend machen können.
Was für ein Typ Chef sind Sie?
JH: Ich setze auf Klarheit und Entschlossenheit, ohne unnötig zu diskutieren. Orientierung ist wichtig, ebenso wie die Bereitschaft, schwierige Diskussionen zu führen und klare Entscheidungen zu treffen. Dabei fördere ich offene Kommunikation und begrüße Kritik, weil sie zur Weiterentwicklung führt. Ich lege großen Wert darauf, Verantwortung vorzuleben und erwarte von meinen Führungskräften, dass sie pragmatische Entscheidungen treffen und Spielräume nutzen, auch wenn das Risiken mit sich bringt.
AG: Werden Sie auch mal laut?
JH: Ich werde nicht laut, aber ich bin hinterher, wenn etwas wichtig ist. Zum Beispiel, wenn eine Vorlage für den Gemeinderat nicht ausreicht, dann gehe ich sicher, dass sie überarbeitet wird. Ich weiche Diskussionen nicht aus und halte an meinen Punkten fest.
Welche Schulnote würden Sie Freiberg in Bezug auf Lebensqualität, Aktivitäten und Einkaufsmöglichkeiten geben?
JH: Eine glatte 2.
Ihre Hobbys umfassen Wandern, Lesen, Karate und Reisen. Welches Buch lesen Sie gerade, und welches ist Ihr Traumreiseziel?
JH: Ich lese derzeit „Regieren“ von Thomas de Maizière. Und das Himalaya-Gebirge ist ein Reiseziel, das mich sehr reizen würde. Mit dem Karate klappt es momentan leider nicht mehr.
Herr Hambach, vielen Dank für das Interview!